96 kein Hehl: Der Übergang der Lehrerschaft zur NSDAP bzw. zum NSLB beweise nur, »wohin ... uns unsere ganze akademische Ausbildung geführt« habe. n) Wilhelm Schneller hat zeitlebens den Märtyrertod seines Bruders Ernst Schneller, der von der SS 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde, auf sich bezogen. Er konnte jedoch selbst auf keine 1 eilnahme am Widerstandskampf verweisen. Es soll nicht auf die seinerzeit herum schwirrenden Gerüchte über ihn eingegangen werden, die sich auch in Briefen seiner Tochter in zentralen Parteiakten niederschlugen. 12 ' Es gilt aber, eine immer wiederkehrende Eigentüm lichkeit festzuhalten: Die radikalsten »Vergangenheitsbewältiger« waren keineswegs die in der Vergangenheit am meisten Geschädigten. Schneller entrüstete sich beispielsweise über eine Frau - allem Anschein nach auch eine Kommunistin - in Dresden, deren Mann im Konzen trationslager von den Nazis umgebracht wurde, die aber nunmehr Milde walten lassen und auf gute und einsichtige Pädagogen nicht verzichten wollte. 13 ' Man darf auch die Kommunisten nicht über einen Kamm scheren. Schon in Döbeln war Sigrid Schwarz, die damals in Dresden eine Rolle spielte und die heute hochbetagt in Berlin lebt, Schneller in die Parade gefahren. Sie, die aus einem Pfarrerhaus stammte, von Riesner für die KPD gewonnen wurde und deshalb 1933 ihr Lehramt verloren hatte, erklärte auch an die Adresse ihres Mentors gerichtet: »Wenn wir so radikal verfahren wollten ..., so könnten wir wahrscheinlich auf dem Lande überhaupt nicht mit der Schule beginnen, auf lange Zeit nicht, denn in den Dörfern bleibt zuallermeist kaum einer übrig... Ich bin im ganzen Land kreis Annaberg die einzige Lehrkraft, die der KPD angehört.« Sie glaubte zudem, »daß gerade beim Erzieher nicht nur eine Liste, ein Schema, eine Richtlinie entscheiden kann, sondern seine Praxis.« Besonders bemerkenswert war ihre Warnung: Wenn man den Lehrern wieder mit »politischer Schulung« kommen würde, dann stoße man auf großen Widerstand; »denn die Leute haben nämlich Angst, daß wir mit ihnen dasselbe tun wollen, was man 1933 ... getan hat, daß wir ihnen mit einem Nürnberger Trichter ein paar neue Phrasen einführen sie wiederum zum Lügen zwingen ... und ihnen nur eine neue Fassade, ein anderes politi sches Mäntelchen umhängen wollen.« I4) Auch andere Kommunisten haben sich gegen den Kurs von Schneller und Riesner gewandt. Es handelte sich dabei jedoch zumeist - wie die Fragebogen ausweisen - um neugewonnene I arteimitglieder, die früher besonders linksstehende Sozialdemokraten waren. Sie hatten sich 1931 in der in Dresden relativ starken Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) zusammengeschlossen. Ein Teil von ihnen war 1945 in die KPD, ein anderer in die SPD ge gangen, um mit aller Kraft für deren Zusammenschluß in einer sozialistischen Einheitspartei einzutreten. Ich habe manchen von ihnen noch persönlich in einem Lokal am Alaunplatz, in dem ein Arbeiterschachklub ihnen während der NS-Zeit Versammlungsmöglichkeiten bot, und bei I agungen des Dresdner Jugendausschusses kennengelernt. Einer aus diesem Kreise, Erich Viehweg, der mit Schneller im Ressort Volksbildung arbeitete, hatte am 5. Dezember 1945 sogar den Mut, vor den Landräten und Oberbürgermeistern Sachsens deutlich zu machen, daß es noch eine andere, auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zurückgehende Fraditionslinie der Kommunisten gab. Er erklärte: »Demokratische Schule ist ... der Wider spruch gegen das autoritäre Prinzip des Führers und Gefolgsmannes ... Demokratie ist gleich