102 Band »Schlösser und Herrenhäuser«, veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege, ist als Bulletin 1 der Reihe B erschienen. Bulletin 2 »Bürgerhäuser, Bau ernhäuser« soll Ende 1994 folgen. Die Publikation will auf eine für das kultur- und kunstgeschichtliche Bild des Landes wich tige Gruppe von Baudenkmälern aufmerksam machen, die, obwohl in nur geringem Maße von Kriegszerstörungen betroffen, eine beträchtliche Schädigung erfahren hat infolge der Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg und einer zumeist jahrzehntelangen baulichen Vernachlässigung. Die Zusammenstellung ist erklärtermaßen nicht unter dem Gesichts punkt der baugeschichtlichen Würdigung, sondern mit der Absicht vorgenommen worden, potentielle Nutzer und Käufer zu interessieren und zu informieren und auf diese Weise pri vate Initiativen und finanzielles Engagement für die Rettung und Erhaltung der Baudenk mäler zu gewinnen. Nach einleitenden Hinweisen auf die staatliche Finanzierung der Kul turdenkmale, auf Denkmalförderung und steuerliche Vergünstigungen werden in einem umfangreichen Katalog, alphabetisch geordnet nach Regierungsbezirken und Gemeindever waltungen, insgesamt 104 ehemalige Herrensitze, die aufgrund ihres Bauzustandes und viel fach fehlender Nutzung als besonders gefährdet betrachtet werden müssen, in Bild (Fotos, Zeichnungen, Pläne) und Text (Baugeschichte, -beschreibung und -zustand) informativ vorgestellt. Obwohl nicht mit einer primär wissenschaftlichen Zielstellung konzipiert, leistet der Band einen willkommenen Beitrag zur Erfassung einer Denkmalskategorie, die, ursprünglich eingebunden in den Wirtschaftsbetrieb eines Rittergutes und daher von sehr unterschied lichem künsterischem Gewicht, bislang noch unzureichend erschlossen ist. Nach dem »Album der Schlösser und Rittergüter im Königreich Sachsen« von etwa 1860 - einer rela tiv umfangreichen, aber keinesfalls von bau- und kunstgeschichtlichen Kriterien bestimm ten Auswahl der damals existierenden Anlagen — ist der ländliche Schloß- und Herrenhaus bau am umfassendsten noch immer in der 1882- 1923 publizierten Inventarisation der sächsischen Bau- und Kunstdenkmäler aufgeführt, begrenzt allerdings durch die zeitbe dingten Auffassungen des Denkmalwertes. Während anfangs allenfalls Bauwerke aus der Zeit der Renaissance Beachtung fanden, wurde mehr und mehr auch die intensive Bau tätigkeit des Barocks zur Kenntnis genommen, die des 19. Jahrhunderts aber höchstens noch in ihren ersten Anfängen. Nahezu generell unberücksichtigt blieben die dazugehöri gen Wirtschaftsanlagen. Der hier vorgelegte, von Andreas Oehlke und Horst Lommatzsch bearbeitete Katalog bezieht demgegenüber Baulichkeiten bis zum Ausklingen dieser Bauaufgabe im beginnenden 20. Jahrhundert ein und ist stets auch um die Darstellung der Gesamtanlage bemüht. Zusätzliches Gewicht erhält das Werk durch ein von Heinrich Magirius verfaßtes Kapitel, das erstmals einen Überblick über die seit 1945 zu verzeichnenden Verluste gibt. Der durch die aktuellen Forderungen des Tages veranlaßte Band dürfte sich als eine bleibende Leistung erweisen. Jede künftige Beschäftigung mit den ehemaligen sächsischen Herrensitzen wird auch ihn zu Rate ziehen. Walter May