31 führte zur Ermüdung der Hörer, Kirchenschlaf war nicht ungewöhnlich. So predigte Geier 1666 bei allen Evangelien über »das sündliche Fleisch«, an den Adventssonntagen über das »lüsterne, das sichere, das prächtige, das unvorsichtige Fleisch«, an beiden Weihnachts tagen über das »lauliche und eigenwillige«, den folgenden Sonntag über das »vergessliche Fleisch« usw. Zeittypisch war, daß die Geistlichen ihre ganze Gelehrsamkeit auf der Kan zel ausbreiteten, dort mit Philosophie, lateinischer, griechischer, arabischer wie hebräischer Sprache und Literatur prunkten, dazu einen bombastischen Schwulst darboten. Einein halbstündige Predigten waren die Regel - auch deshalb stellte sich bei den Gottesdienst besuchern Müdigkeit ein. Wegen des Kirchenschlafes kam Mitte des Jahrhunderts der Klingelbeutel auf. Der Kirchenbesuch war Pflicht oder selbstverständlich. Haben doch im Laufe des 17. Jahrhunderts sieben Emporen in den verschiedenen Kirchen Dresdens ge baut werden müssen, um bei der sich mehrenden Bevölkerung Raum für die Kirchgänger zu schaffen. Kirchenvisitationen sind nur noch selten - im 16. Jahrhundert waren sie der Normalfall. Kirchliche, verquickt mit staatlichen Zuchtmaßregeln erwiesen sich häufig als nutzlos. Das zeigte sich im Donquichotterie-Kampf gegen zunehmende Unsittlichkeit (z.B. Zunahme unehelicher Kinder), Völlerei und Entartung des Luxus. Dennoch: man lebte mit dem Glauben und las die Bibel. Man hielt auch in den Bürger häusern mit dem Gesinde Hausandacht, das Tischgebet wurde selbst am Hofe nicht ver gessen. Johann Georg II. hat als sechsjähriger Knabe zwischen Pfingsten und Weihnachten 14 Reimgebete, 64 geistliche Sprüche, die Torgauer Artikel und den lateinischen sowie den deutschen Katechismus auswendig gelernt. Literatur Paul Flade, Das kirchliche Leben Dresdens im Jahr hundert der Orthodoxie. In: Dresdner Geschichtsblät ter, Dresden X (1901) Nr. 3, S. 33-38 Hans Leube, Die Reformideen in der deutschen luthe rischen Kirche zur Zeit der Orthodoxie, Leipzig 1924 Martin Bernhard Lindau, Geschichte der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, 2. verb. Aufl., Dresden 1885, S. 492ff. Siegfried Wollgast, Zum geistigen und historischen Umfeld von Heinrich Schütz. In: Dresdner Hefte, 4/1985, S. 2-22 Siegfried Wollgast, Vergessene und Verkannte. Zur Philosophie und Geistesentwicklung in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung, Berlin 1993, S. 337-366