80 Eberhard Zeiler »AELBIANISCHE MUSEN-LUST« und »Hochpreißlicher Leopolden-Orden« - Barockliteratur in Dresden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts o Literatur im barocken Dresden oder Barockliteratur in Dresden? Diese Frage steckt unter schiedliche Felder ab: zum einen die seit der Regentschaft Kurfürst Augusts (1553-1586) durch Architektur, Musik und Festkultur dominierte residenzstädtisch-höfische Kunstkom munikation, in die eine gleichermaßen repräsentative, okkasionelle und mithin öffentlich- keitsorientierte Literatur eingebettet ist, zum anderen ein auf einen weiten Textkorpus bezo genes innerstädtisches Gefüge von Autoren, Zensoren, Druckern, Händlern, Auktionatoren, Buchkäufern und Besitzern von privaten Bibliotheken, zwischen denen nicht selten wider- streitende kunstschöpferische, kommerzielle, administrative und restriktive Kräfte wirken. Abzuschreiten ist hier, und auch das nur in der Exemplarik seiner Personen und Institutio nen, das zweitgenannte Feld. In ihm sind lokale Schreibanlässe mit der national betriebe nen »Schmeidigung« der deutschen Dichtungssprache verknüpft, bezieht zeitgenössisches literarisches Wollen Legitimation und künstlerische Methode aus europäischer Tradition. So bleibt ein Großteil selbst »aelbianischer« Themen poetologisch gestützt und - vor allem über zugesandte und Eigenem willig beigedruckte Carmina Gratulatoria - ähnlich gearte ten Bestrebungen literarischer Zentren in Deutschland verbunden. Was (in diesem weiten Sinne) nach 1650 in der kaum 20000 Einwohner zählenden Residenzstadt Dresden litera risch geschieht, erschöpft sich eben nicht im Auftauchen leicht angreifbarer affirmativer Lobgedichte oder in einer vorschnell (und übrigens ahistorisch) gefolgerten Minorität von Autoren und Texten, sondern ist kritischer, und das heißt auch: differenzierender Aufmerk samkeit wert. Es scheint das geistig anregende Klima Dresdens zu sein, das 1666 Giovanni Andrea Bon tempi dankbar quittierte, als er seine Reverenz einer Stadt erwies, »allwo über die erlangete Genade der Durchlauchtigste Herrschaft/Jch die Kantschafft so vieler Literaten und vortreffli cher Leute/(als welche meinen Andencken nimmer entfallen werden) eingangen«. '> Literatentum im genannten Sinne schloß humanistische Bildung, Kenntnis des Lateinischen und der rhetorischen Textherstellungsprinzipien ein, Voraussetzungen mithin, die ein akade-