74 Klaus Mutscher Planungen für das Große Ostragehege Das Phänomen Es ist ein außergewöhnliches Phänomen, daß eine Großstadt wie Dresden in so attraktiver, zentrumsnaher Lage über ein 200 ha großes Gelände verfügt, welches nur sehr extensiv genutzt ist und Wesenszüge der ursprünglichen Auenlandschaft bewahrt hat. Die Flußauen in anderen europäischen Städten sind, zumindest in zentralem Gebiet, längst verschwunden durch Kana lisierungen, Aufschüttung, Ufermauern und bis an den Fluß heranreichende Bebauungen und Versiegelungen. Dresden hat die Ufer seines Stromes immer anders behandelt und solche Pläne rechtzeitig gestoppt. Die Elbwiesen begleitende Baufronten haben sich in verträglichem Maße verdichtet und mit der Harmonie zur Landschaft einen besonderen, unverwechselbaren Reiz und Wert erlangt. Diese dresdentypische Struktur prägt die Uferzonen vom Zentrum bis nach Pillnitz in ange nehmer Kontinuität. Ganz anders aber ging die Stadt mit den Ufern vom Zentrum, von der Marienbrücke aus elbabwärts, um. Hier zeigt sich Dresden nicht von seiner schönsten Seite. Bis auf wenige Punkte wie Pieschener Winkel, Altmickten oder Schloß Übigau blieben die Uferzonen ungestaltet, die Häuser waren nicht auf den Strom, sondern auf die uferparallelen Straßen orientiert, die Elbseite von Wirtschaftshöfen und Lagerflächen, Erwerbsgärten, Ver kehrsanlagen u. a. geprägt. Das wirkte sich auch auf das Große Ostragehege aus. Es mag dem Wechsel der Zeiten und Ereignisse geschuldet sein, daß es große Planungen gab, die nicht oder nur teilweise zur Ausführung kamen, daß Zeiten der intensiven Nutzung des Ostrageheges abgelöst wurden von Zeiten des Verfalls und der ungeordneten Entwicklung, daß Schwerpunkte der Stadtentwicklung sich auf andere Bereiche verschoben. Die mit der natürlichen Lage, vor allem der Hochwassergefährdung großer Teile verbundenen Schwierig keiten und Unsicherheiten haben sicher dazu beigetragen, daß manches Bau- und Nutzungs vorhaben letztlich nicht zur Ausführung kam. Auch haben weitsichtige Planer und Kommu nalpolitiker vor allem im zurückliegenden Jahrhundert so manche konzipierte Überbauung zu verhindern gewußt, den Wert dieses Areals erkennend oder auch nur erahnend. Die Wertung der Umstände sei dahingestellt - daß das Große Ostragehege uns als ein Erbe überkommen ist, verwahrlost zwar, aber dennoch schön, noch Landschaft und nicht versiegelt und überbaut, das ist ein Glücksumstand, eine außergewöhnliche Chance für die Stadtent wicklung, um die uns wohl viele Städte beneiden. Herr Professor Ostertag, Präsident der Bundesarchitektenkammer, nannte das Große Ostragehege 1992 eine »Schatzinsel« für Dres den. Es gilt, sie wiederzuentdecken und die Schätze zu heben, von Unrat und Müll aus der Zeit der Verwahrlosung zu befreien.