Sabine Helbig Käthe Kollwitz im Rüdenhof o »Jetzt ist er also wieder hergestellt, der Rüdenhof«. In diesem einfachen Satz, ausgesprochen von Frau Dr. Jutta Bohnke-Kollwitz anläßlich der Wiedereröffnung der Kollwitz-Gedenkstätte in Moritzburg am 22. April 1995, liegt eine mehrfache Bedeutung. Der Satz erinnert an das vergangene Jahr mit all der großen baulichen und konzeptionellen Arbeit. Er assoziiert aber auch die Rolle dieses Hauses in den vergangenen 50 Jahren. Vor allem aber werden wir erinnert an das Schicksal der großen Künstlerin Käthe Kollwitz selbst. Ihre Enkelin erinnert sich: »Die erste Hälfte des Jahres 1944 war für Käthe Kollwitz nicht gut verlaufen. In Nordhausen, wo sie seit der Flucht vor den Berliner Bombennächten im Som mer 1943 in der Obhut der Bildhauerin Margret Böning lebte, hatte sie einen schweren Herz anfall erlitten und gerade erst wieder Fuß gefaßt, als die Nachricht durchsickerte, die Stadt müsse von allen Flüchtlingen und alten Menschen geräumt werden. Diese drohende neue Entwurzlung schreckte und entmutigte die 77jährige, die wenige Monate zuvor ihre Berliner Wohnung mit allen Erinnerungen, Briefen, Photographien und einem Teil ihrer Entwürfe und Studien durch einen Bombenangriff verloren hatte. Sie fühlte sich müde und mutlos, ein Wiederherausgerissenwerden aus dem gerade erst Gewohnten erschien ihr ein unüberwind liches Hindernis.« 0 Dennoch nahm Käthe Kollwitz die Einladung des Prinzen Ernst Heinrich von Sachsen, ihr in Moritzburg eine Bleibe einzurichten, dankbar an. Ernst Heinrich war ein großer Verehrer ihrer Kunst. Er lebte als letzter Vertreter der Wettiner im Schloß Moritzburg. Im nahe dem Schloß gelegenen Rüdenhof stellte die gräfliche Familie zu Münster Käthe Kollwitz zwei Räume zur Verfügung. »Nach den Wochen der Unruhe und des Umhergetriebenseins fand sie hier Zuflucht und Sicherheit. Die noch warmen Tage auf dem Balkon bis in den späten Herbst hinein, der Blick aus dem Fenster dann auf den winterlichen See, die abendlichen Lesestunden - meist Goethe ... - all das half zwar nicht gegen die Trostlosigkeit des nicht enden wollenden Krieges, gegen die Altersdepression, die versagenden Augen, die nächtlichen Herzanfälle, aber es wurde für die letzten Lebensmonate zu ihrer Welt. Dort fühlte sie sich nicht länger >untergebracht<, sondern angelangt. Hier wollte sie bleiben. Der Rüdenhof also als >Gehäuse<, als Schutz und Hort. Nicht mehr Stätte künstlerischer Aktivität, energievollen Eingreifens, wachen Bewußtseins, aufmerksamen Verfolgens aller Ereignisse. Das war vorbei. Dies war kein Ort zum Leben mehr, dies war der Platz zum Sterben.« 2 * Künstlerisch hatte die Kollwitz sich ein Leben lang mit dem Tod auseinandergesetzt. Nun kam er auf sie zu, in der Fremde, in der Zeit des Umbruchs, in letzter tiefer Einsamkeit. Am