5 Den Rest sollte dieser Republik der nächste Sachse auf dem polnischen Thron geben, August III., gemein hin »Wackelpudding« genannt. Dreißig Jahre lang spielte er in Polen König, indem er das Weltgeschehen an sich vorbeitreiben ließ und ansonsten das Land in eine Bredouille brachte, aus der es nicht mehr heraus fand. Unter den sächsischen Königen geriet Polen in die Abhängigkeit von Rußland, von der es sich vor 1989 nur für die kurze Zeit des Großen Sejm 1791-1794 und dann 1918-1939 emanzipierte. Das wollen die Polen den Sachsen nicht vergessen. Sie vergessen dabei aber etwas anderes: Nach dem katastrophalen Nordi schen Krieg, also seit 1717, war die »Sachsenzeit« eine Epoche, in der Polen, wenn auch abhängig und von den beiden »negativen« Nachbarn - Preußen und Ruß land - immer wieder gelähmt und ausgepowert, immer hin ungeteilt war, von Posen bis Witebsk und von Danzig bis zum Dnjepr. Und es erlebte seit den 20er Jahren einen relativ raschen Aufschwung der »sächsi schen Seeligkeit«, denn auch diesen Begriff kennt die polnische Sprache. Ihre Spuren finden wir bis heute nicht nur in dem zwielichtigen Spruch: »Unter dem Sachsenkönig kannst du fressen, saufen und den Gürtel weiter schnallen«, sondern auch in vielen polnischen Städten. Großzügig angelegte Paläste und Parkanlagen in Warschau, Biala Podlaska, Bialystok und Wilna sowie neue Kirchen, die im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden schossen, bezeugten, daß Polen-Litauen nach wie vor über Ressourcen verfügte. Nur der Wille, etwas daraus zu machen, fehlte. Und den konnten der Szlachta die beiden Sachsen nicht eintrichtern, schienen sie doch selbst nicht unbedingt mit ihm gesegnet zu sein. Das ist die gängige Diktion der polnischen Geschichtsschreibung seit über 200 Jahren. Die aufklärerischen Reformer in der Epoche des letzten polnischen Königs Stanislaw August Ponia- towski schoben die Schuld am Desaster des polnischen Staates dessen sächsischen Vorgängern in die Schuhe, und nach den Teilungen, als sich der aufgeklärte Absolutismus der Teilungs mächte Preußen, Rußland und Österreich der polnischen Adelsrepublik mit ihrem gewählten, aber schwachen König haushoch überlegen erwies, entwickelten sich die Wettiner zum Inbegriff und Schreckgespenst einer ineffizienten, an Polen desinteressierten Herrschaft fremder Könige. Kein gutes Vorbild für eine blühende deutsch-polnische Interessengemeinschaft, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein in der gängigen öffentlichen Meinung vom tausend jährigen Interessengegensatz zwischen Deutschen und Polen überschattet wurde. Die sächsisch- August der Starke als Alexander der Große. Figurine (Aquarell) von 1695