47 Susanne Roessiger Karl August Lingner - Odol-König, Mäzen, Museumsgründer 1885 kommt Karl August Lingner im Alter von 24 Jahren mit leeren Taschen, jedoch mit viel Energie und Ehrgeiz, in Dresden an. 26 Jahre später wird diesem Mann eine Urkunde mit fol gendem Wortlaut überreicht: »Seiner Exzellenz dem Königlich Sächsischen Wirklichen Gehei men Rat, Herrn Karl August Lingner, Komtur und Ritter hoher Orden, verleihen wir, der Rat und die Stadtverordneten der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden, in dankbarer Würdigung seiner um unsere Stadt erworbenen besonderen Verdienste, insbesondere aber in voller Anerkennung seiner mit hervorragender schöpferischer Kraft und unter ungewöhnlichen Opfern an Zeit und Mühe entfalteten Tätigkeit bei der Vorbereitung und Leitung des glänzend gelungenen großen gemeinnützigen Unternehmens der Internationalen Hygiene-Ausstellung das Ehrenbürgerrecht der Stadt Dresden.« 11 Karl August Lingner, 1861 in eher bescheidenen Verhältnissen in Magdeburg geboren, gelern ter Kaufmann und mittlerweile Multimillionär, hatte damit den Gipfelpunkt einer bemerkens werten Karriere erreicht. Wie kam es dazu? Die Zeit vor der Jahrhundertwende bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist, so schreibt Golo Mann, »ein Höhepunkt der Wohlhabenheit, der Weltwirkung, der Gesittung, der Hoff nung. Erwacht aus der biedermeierlichen Verinnerlichung begrüßt die zukunftsfrohe, impe rialistische Gesellschaft staunend und freudig« 2 ' die Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschungen und der technischen Entwicklungen. Die Tatsache, daß man mit den neuesten Erfindungen — dem Kraftwagen, dem Flugzeug, dem Telefon — Raum und Zeit überwinden kann, bewirkt ein Gefühl unendlicher Kraft und Macht. Innerhalb weniger Jahrzehnte gliedern und prägen die ökonomischen und technologischen Umwälzungen die Gesellschaft von Grund auf neu. Karl August Lingner weiß die Möglichkeiten seiner Zeit zu nutzen. Zunächst arbeitet Lingner als Korrespondent in der Dresdner Nähmaschinenfabrik »Seidel & Naumann«. 1888 gründet er gemeinsam mit dem Ingenieur Wilhelm Kraft die Firma »Lingner & Kraft«. Ihre erste Produktionsstätte ist eine Gartenlaube. Die beiden Herren produzieren und vertreiben, von drei Angestellten unterstützt, so nützliche Artikel des täglichen Bedarfs wie einen »Wasch-Frottier-Apparat« und den »Stiefelzieher Famos«. Die Geschäfte laufen gut, und Lingner hat nach der Trennung von seinem Kompagnon 1892 genügend Startkapital für das »Dresdner Chemische Laboratorium Lingner«. Bereits bei seinem ersten Produkt — dem Mundwasser Odol — das 1893 auf den Markt kommt, zeigt sich Lingners Gespür für den Zeitgeist und sein Talent, die richtigen Ideen im richtigen Augenblick zu entwickeln. Bakterien als Krankheitserreger sind durch die bedeutenden Entdek-