Jury zum Plakat wettbewerb Inter nationale Hygiene- Ausstellung 1911, v.l.: Otto Guß mann, Paul Schuh mann, Max Klinger, Max Seliger, Carl Bantzer, Karl August Lingner, Georg Wrba gerichtet. Ein jahrelanges zähes Ringen mit öffentlichen Ämtern zur finanziellen Unterstützung des Vorhabens beginnt. Die gigantische Schau wird im Mai 1911 eröffnet. Mehr als dreißig Nationen beteiligen sich. Elf Länder sind in eigens dafür errichteten Hallen untergebracht. Insgesamt versammeln sich mehr als 50 Hallen und Gebäude mit vielen Hundert Sälen und Räumen auf einem Ausstel lungsgelände von 320 000 Quadratmetern. Die Ausstellung ist sowohl eine »Hochschule für jeder mann« als auch Leistungsschau der öffentlichen Gesundheitspflege und der Industrie. Neben den verschiedensten Abteilungen zur Entwicklung der Hygiene in der Gegenwart gibt es auch eine historische Abteilung. Unbestrittener Mittelpunkt der ganzen Unternehmung ist jedoch die Aus stellungshalle »Der Mensch«. Sie ist Lingners Lieblingsprojekt. Wissenschaftliche Erkenntnisse über den menschlichen Körper, zu den einzelnen Organen und zu den verschiedenen Prozessen im Körper werden allgemeinverständlich und anschaulich vermittelt. Die zahlreichen Ausstel lungsobjekte - übersichtlich gestaltete Darstellungen, durchsichtige Modelle und mechanische Apparate, die der Besucher selbst in Gang setzen kann - sind didaktisch wohldurchdacht, tech nisch perfekt und haben die erhoffte Wirkung. Das Publikum ist fasziniert. Der menschliche Kör per wird als Kunstwerk gezeigt und gleichzeitig wissenschaftlich zerlegt und erklärt. Mehr als fünf Millionen Besucher zählt die von Mai bis Oktober stattfindende »Weltgesund heitsschau«. Lingner wird mit Ehrungen aus dem In- und Ausland überhäuft. Die Universität in Bern ernennt ihn zum Ehrendoktor. Auch kritische Stimmen gibt es, und sie sind berechtigt. Die vollständige Ignoranz gegenüber der Naturheilkundebewegung verdeutlicht die tenden ziöse Konzeption der Ausstellung, die die Positionen der Schulmedizin zum Ausdruck bringt und die Lobby für die pharmazeutische Industrie unterstützt. Immerhin ist Lingner zu diesem Zeitpunkt nicht nur der Odol-Fabrikant, sondern auch der Besitzer des Sächsischen Serum- MMINI