61 Durch Theodor Weinlig und dessen Nachfolger im Kreuzkantorat, Christian Friedrich Hermann Uber (1818-1822), erhielt Julius Otto einen gründlichen Theorie- und Kom positionsunterricht, der ihn als Obersekundaner in die Lage setzte, anstelle des kränkeln den Kreuzkantors Uber eine eigene Kantate zur Amtseinführung des Superintendenten Dr. Karl Christian Seltenreich in der Kreuzkirche aufzuführen. Der Erfolg dieses Werkes ermunterte ihn, noch als Kreuzschüler jeweils eine Oster-, Pfingst- und Weihnachts kantate unter seiner Leitung in der Kreuzkirche zur Aufführung zu bringen. Daneben komponierte Otto während seiner Schulzeit mehrere Motetten. 1822 verließ er mit sehr guten Zensuren als Primaner die Kreuzschule mit dem Ziel, an der Leipziger Alma mater Theologie zu studieren. Doch siegte schon nach einigen Mona ten die Liebe zur Musik über das Universitätsstudium. Den Ausschlag hierfür gab ein her vorragendes Urteil Carl Maria von Webers, dem Otto eigene Kompositionen zur Begut achtung vorgelegt hatte. In Leipzig trugen zudem die Thomaskantoren Johann Gottfried Schicht und Theodor Weinlig durch Aufführungen von Motetten und Kantaten Ottos dazu bei, daß dieser fortan die Musik zu seiner Profession erwählte. Die damaligen Ge wandhauskapellmeister Philipp Christian Schulz und Christian August Pohlenz ermöglich ten ihm Probenbesuche dieses berühmten Instituts und bestärkten ihn in dem Ansinnen, das Theologiestudium ganz aufzugeben. Otto verdankte seine musikalische und speziell kompositorische Ausbildung fast aus schließlich Theodor Weinlig, der ihm auch bei der Drucklegung früherer Kompositio nen behilflich war. 1825 wieder nach Dresden zurückgekehrt, betätigte sich Otto hier zunächst als Privatmusiklehrer und wirkte von 1827—1828 als Lehrer für Klavier und Gesang an der Blochmannschen Erziehungsanstalt, die später mit dem Vitzthumschen Gymnasium vereinigt wurde. Als der Dresdner Kreuzkantor Friedrich Wilhelm Agthe (1822—1828) im Mai 1828 psy chisch erkrankte, übernahm Julius Otto dessen Vertretung. Am 2. Oktober 1828 wurde er als interimistischer Kreuzkantor vom Rat der Stadt Dresden bestellt und erhielt am 10. Januar 1829 die »spes succedendi« schriftlich zugesichert. Ottos definitive Bestallung zum Kreuzkantor und Director musices erfolgte am 8. März 1830. 47 Jahre waltete Otto in vorbildlicher Pflichterfüllung seines Amtes. 2 ’ Bis 1862 bezog er jährlich 600 Taler Gehalt nebst freier Dienstwohnung. Ab 1862 kamen 100 Taler jähr lich hinzu. Außerdem erhielt Otto zusätzliche Einnahmen aus den »Brautmessen«, dem »Kirchhofsingen« und dem Kurrendegesang. Namentlich an den Kirchhofsingen gab es, solange Otto seines Amtes waltete, massive Kri tik. Er setzte sich, allen Widerständen zum Trotz, während seiner gesamten Amtszeit für den Erhalt der Kirchhofsingen ein. Aus ihren Einnahmen wurden nämlich die Exalumnen, wenn sie ihre ersten Studiensemester absolvierten, finanziell unterstützt. In die Amtszeit Ottos fiel ab Oktober 1848 die Abschaffung der gewöhnlichen »Singum gänge«. An bestimmten Festtagen mußten bis dato die Schüler durch die Straßen ziehen. Sie sangen Choräle und Lieder, liefen die eine Häuserreihe entlang, die andere zurück. Vor den Portalen wurde zum Gesang angehalten. Ein Schüler eilte die Haustreppe hinauf,