78 stische Kollektiv-Ideologie überwindet. Ohne daß die oft ins Karikaturistische abgeglittene Erscheinungsform des »alten Gymnasiums« noch zur Debatte steht, sollte die Kreuzschule als ein modernes Gymnasium Gestalt annehmen, das sich seiner Geschichte und Spezifik innerhalb der Dresdner bzw. sächsischen Gymnasiallandschaft bewußt bleibt. IL Die Idee des Knabenchors ist heute wie eh und je lebendig! Das ist keine Selbstverständ lichkeit. Bildeten bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert die ausschließlich mit Knaben und Männern besetzten bürgerlichen und Hof-Kantoreien die einzigen in der Öffentlich keit wirkenden Vokalensembles, so wurde ihnen seit dem frühen 19. Jahrhundert durch die gemischten Chöre (Laienchöre, professionelle Chöre) in zunehmendem Maße bis heu te der Rang abgelaufen. Für Fanatiker steht der Knabenchor schlechthin zur Disposition. Aber: Der spezifische Charakter des Knabenchors in Klang und Erscheinungsbild ist kon kurrenzlos. Der Verzicht auf Knabenchöre bedeutete, nicht nur im Blick auf ältere, son dern auch auf Vokalmusik unseres Jahrhunderts, einen unwiederbringlichen Verlust. III. I Die Kreuzkirche stellt einen der kulturellen Kulminationspunkte in Dresden und Sachsen dar und ist für den Kreuzchor der wichtigste, wenn auch nicht ausschließliche Ort seiner Öffentlichkeitswirkung. Der Geist des Ortes und der Geist des Musizierens sollte iden tisch sein. Außer der menschlich-seelsorgerlichen Betreuung der Kruzianer fällt der Kreuz kirche durch Liturgie, Predigt und Unterricht auch die intellektuelle wie emotionale Ver tiefung dessen zu, was im geistlichen Bereich Stoff und Inhalt des Chorrepertoires aus macht. IV. Die äußere und innere Neustrukturierung der Kreuzschule setzt die energische Aufarbei tung der jüngsten Vergangenheit voraus. Die Kreuzschule war vor allem unter den letzten Direktoren bis 1990 in höherem Maße als andere Schulen aufgrund des kirchlichen Cha rakters des Chors Ort des »Klassenkampfes« mit allen schulischen und politischen Mit teln. Zahlreiche Schüler wurden im Laufe der Jahrzehnte Opfer dieser sozialistischen Repressalien. Lehrer und Erzieher, die sich an ihnen aktiv beteiligten, haben heute keinen ; Platz mehr an der Kreuzschule. Die innere Auseinandersetzung damit ist jetzt unweiger lich fällig! V. Die Bewältigung dieser Aufgaben ist eine der Voraussetzungen für die Umwandlung der Kreuzschule in ein modernes Gymnasium. Wenn der Satz seine Gültigkeit behalten soll »Non scholae sed vitae discimus«, dann steht u. a. auf der Tagesordnung, daß der Lehr stoff sowohl des schulischen Grundunterrichts als auch der in den Spezialzügen dem Schü ler in motivierender Weise vermittelt werden muß. Wir wollen nicht Gefahr laufen, daß