30 ten Geisteshaltungen und Lebensansprüche des Dresdner Bildungsbürgers widerspiegelten und gleichzeitig sein Bedürfnis nach Gemeinschaftlichkeit zum Ausdruck brachten. Einer der weit über die Grenzen Dresdens hinaus bekannten Vereine war der von Ferdinand Avenarius 1902 gegründete Dürerbund, der unter dem Leitgedanken der »gemeinsamen Ge sinnung des gemeinsamen Willens< eine »höhere Gesittung im Volke< durchzusetzen beab sichtigte. Mit der Gründung der Zeitschrift Der Kunstwart im Jahre 1887 hatte Avenarius schon damit begonnen, lebensreformerische Absichten zu äußern. Mit der 1895 erfolgten Berufung des Malers Gotthard Kuehl, eines Mitbegründers der Münchner Sezession von 1892, an die Dresdner Kunstakademie vollzogen sich schon lange vorher angebahnte Veränderungen im künstlerischen Leben der Stadt. Impressionismus und Freilichtmalerei setzten sich gegen den akademischen Klassizismus durch; Ornament malerei und dekorative Gestaltung gewannen mit der künstlerischen Profilierung des Jugendstils an Bedeutung. Junge Künstler, Entwerfer, Architekten wie Richard Guhr, Otto Gussmann, Erich und Gertrud Kleinhempel, Wilhelm Kreis, William Lossow, Fritz Schumacher kamen in der Folge Kuehlschen Wirkens oder der sich abzeichnenden Auf bruchsstimmung nach Dresden an die Akademie, die Kunstgewerbeschule, das Polytechni kum. Einige wurden freie Mitarbeiter der 1898 von Karl Schmidt gegründeten späteren Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst Dresden-Hellerau. Mit der Errichtung des Ausstellungspalastes am Stübelplatz durch Hauschild und Bräter konnte sich ab 1896 in Dresden ein umfangreicher Ausstellungsbetrieb mit Infrastruktur etablieren. Schon 1897 gab es hier auf der Internationalen Kunstausstellung den L 'art Nou- mzw-Durchbruch mit den von Henry van de Velde gestalteten Räumen. Von großer Bedeu tung für die Durchsetzung und Weiterführung der Reformbewegung erwies sich die »Aus stellung der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt/Müller« im Jahre 1903. Hier wurden 34 Räume nach Entwürfen von Peter Behrens, Oswin Hempel, Charles Ren- nie Mackintosh, Joseph Maria Olbrich, Richard Riemerschmid, Baillie Scott u. a. gezeigt. Die nationale und internationale Beachtung dieser Ausstellung vor allem in Kreisen, die sich für die Verbreitung moderner, industriegerechter Formgebung engagierten, ließ von nun ab Dresden zu einem entscheidenden Zentrum dieser Bewegung werden. In ihrer Aufbruchsstimmung hatten es sich die Entwerfer zum Ziel gesetzt, bei Verzicht auf histori sierende Auswüchse der Form und jugendstilige Arabesken einen alle Lebensbereiche tan gierenden Gestaltungstyp zu finden, der durch maschinelle Technologien massenhaft reproduziert werden kann. Seine Formbildungen sollten wesentlich durch formale Schlicht heit, eine konstruktive, funktionsorientierte Transparenz und durch eine qualitätsvolle Ver arbeitung natürlicher Materialien geprägt sein. Die Raumkunst folgte dieser Tendenz, und in ihren besten Leistungen entstand ein alltäglicher Lebensraum, der diese neuentdeckte Schönheit des Funktionalen, Kunst und Technik mit dem Leben verband. Nach den beiden Münchener Kunstgewerbeausstellungen »Unser Vaeter Werk« 1876 und der als »Deutsch-National« bezeichneten von 1888 war die Zeit herangereift, eine dritte Kunstgewerbeausstellung zu veranstalten, um den Verlauf und die erreichten Ziele der neuen Bewegung der interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Nicht zuletzt spielten