35 Wolfgang Horn Der Kurprinz Friedrich August und die Musik am Dresdner Hof bis 1733 Wenn man die Musikpflege unter der Ägide des Kurfürsten Friedrich August II. und polni schen Königs August III. zu würdigen versucht, muß man in die Zeit zurückgehen, in der er als Thronfolger zu langjährigem Aufenthalt im Ausland, namentlich in Frankreich, Italien und Österreich, gezwungen war. Wenn nicht alles täuscht, hatte der Kurprinz bereits lange Jahre vor dem Tode seines Vaters August des Starken den Charakter und die Richtung der Dresdner Hofmusik in ihren wesentlichen Zügen mitbestimmt. Friedrich August lebte in seinen frühen Jahren bei seiner Mutter Christiane Eberhardine, die sich bald nach dem Konfessionswechsel des Kurfürsten nach Pretzsch an der Elbe zurückgezo gen hatte. Jenseits aller allzu modernen psychologischen Spekulation darf man vermuten, daß die mehr oder minder gewaltsame Entfernung Friedrich Augusts von der Mutter im Jahre 1711 in Verbindung mit dem bereits 1712 geglückten Versuch, aus dem lutherisch Konfirmierten einen anscheinend überzeugten Katholiken zu formen, in dem Jüngling ein Gefühl von Ent wurzelung hervorrufen mußte. Seine Hinwendung zur Kunst mag zumindest partiell als Kom pensation für den Mangel an Heimat und menschlicher Nähe zu verstehen sein. Und es dürfte kein Zufall sein, daß man seine Liebe zur katholisch geprägten Bild- und Baukunst Italiens ftir seine Bereitschaft zur Konversion mitverantwortlich gemacht hat. Das Urteil des Grafen Flem- ming aus dem Jahre 1718: »il aime la musique italienne« verweist auf Friedrich Augusts musi kalische Orientierung. Im Hinblick auf kulturelle Belange scheint der Aufenthalt in der Fremde jedenfalls schon früh zu einer gewissen Selbständigkeit des Handelns geführt zu haben, die man dem Kurprinzen und späteren Kurfürsten in politischen Dingen sonst in der Regel abspricht. Dem engen Kreis des Dresdner Hofes und seinen politischen und ökonomischen Problemen entrückt, konnte ihm die Darstellung fürstlicher Macht und Pracht durch Kunst ein Thema von höchster Bedeutung werden. In der Barockzeit wurde insbesondere auch die Musik an den Höfen nach den drei Bereichen Kirche, Kammer und Theater unterschieden, denen sich bestimmte Gattungen und Formen zuordneten: der Kirche die liturgische Musik - im katholischen Raum vor allem die Musik für Messe und Vesper, im lutherischen Raum vor allem Kirchenkantate und Orgelmusik -, der Kammer allerlei vokale Formen, aber auch die Instrumentalmusik vom Cembalosolo über die Triosonate bis zur Orchestersuite, dem Theater schließlich die Oper. Die Verpflichtung von fähigen Sängerinnen und Sängern, Komponisten und Ausstattungskünstlern war teuer, aber unerläßlich. Denn eine schlecht gesungene und gespielte Barockoper verfehlt den Zweck ihres