49 Harald Marx Die Dresdner Gemäldegalerie als »ecole publique« im 18. Jahrhundert” Als Schöpfung königlicher Repräsentation und persönlichen Kunstsinns war die Dresdner Gemäldegalerie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden. Geprägt durch den Geschmack Augusts des Starken (1670-1733; Kurfürst von Sachsen seit 1694, König von Polen seit 1697) und mehr noch durch die Erwerbungen seines Sohnes, König Augusts III. (1696-1763; Kurfürst und König seit 1733) gehört sie zu den wichtigsten kulturellen Lei stungen der »augusteischen Epoche« in Sachsen. In kaum mehr als fünfzig Jahren entstand damals in Dresden die Sammlung, die wir als Gemäldegalerie »Alte Meister« bewundern. 21 Bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 1756 dauerten die Erwerbungen, aus denen der Ankauf der hundert besten Bilder der Sammlung des Herzogs von Modena 1745/46 sowie der Kauf der »Sixtinischen Madonna« 1754 herausragten. 31 Aus ganz Europa, so aus Italien, Paris, Amsterdam und Prag, gelangten damals Gemälde nach Dresden. Heinrich Graf Brühl, der Premierminister, und sein Sekretär Carl Heinrich von Heinecken lenkten diese Erwerbungen, um die nicht nur Maler und Kunsthändler, sondern auch Minister, Gesandte und Höflinge sich als Vermittler bemühten. «... nichts ist eines Herrschers würdiger, als seine Vergnügungen so zu wählen, daß dem Publikum vergönnt ist, davon auf angenehme Weise zu profitieren ... Wer eine Galerie als öffentliche Schule (ecole publique) bezeichnen wollte, hätte nicht unrecht, weil man dort an einem Ort, mit einem Blick lernen kann, was sonst in vielen Büchern aufgesucht werden müßte.« 41 Das schrieb Carl Heinrich von Heinecken 1753; und wenn Heinecken die Dresd ner Galerie schon in der Regierungszeit Augusts III. als ecole publique bezeichnen konnte, so setzte das klar voraus, daß sie - jedenfalls in dem für das mittlere 18. Jahrhundert möglichen Grade - eine öffentliche, allgemein zugängliche Sammlung war. Das jedoch konnte damals nicht als selbstverständlich gelten: im Gegenteil. Mit an der Spitze der europäischen Entwick lung sehen wir Dresden in dieser Hinsicht. Im engen Austausch der Gedanken zwischen Ken nern, Künstlern, Theoretikern und Sammlern aus Sachsen, Frankreich und Italien entstand in Dresden eine Galerie, die staatliche Repräsentation, fürstliches Vergnügen und Gemeinwohl miteinander in Einklang bringen sollte. In diesem Sinne hat sich auch Johann Joachim Winckelmann ausgesprochen, bei dem es heißt: »Es ist ein ewiges Denkmal der Größe dieses Monarchen (Augusts III.), daß zur Bildung des guten Geschmacks die größten Schätze aus Italien, und was sonst vollkommenes in der Male rei in ändern Ländern hervorgebracht worden, vor den Augen aller Welt aufgestellet ist.« 51