Geschichte der Bischöfe des Hochstiftes Meissen in chronologischer Reihenfolge
Titel
Geschichte der Bischöfe des Hochstiftes Meissen in chronologischer Reihenfolge
Untertitel
zugleich ein Beitrag zur Culturgeschichte der Mark Meissen und des Herzog- und Kurfürstenthums Sachsens; nach dem "Codex diplomaticus Saxoniae regiae", anderen glaubwürdigen Quellen und bewährten Geschichtswerken
780 Johann IX. (1555 bis 1581). sollten. Zwar verwahrte man das Vorgefundene anfangs bis nach erfolgter Wahl des Bischofs, übergab es aber dann den Verwandten des Erblassers sammt einer Abschrift des Testamentes gegen Aus stellung eines Beverses. Letztere behaupteten jedoch, es müsse noch eine zweite letztwillige Verfügung des Bischofs vorhanden sein, welche dieser kurz vor seinem Tode aufgesetzt habe, ohne die Wahr heit jener Behauptung nachweisen zu können, und forderten die Herausgabe der Urkunde. Da Johann von Haugwitz schon als Canonicus von Meissen die Existenz eines zweiten Testamentes ent schieden in Abrede stellte und ein Kaiserliches und Kurfürstliches Erkenntniss darüber erleiden zu wollen erklärte, schien die Sache den gewöhnlichen Processweg zu gehen, nahm indessen bald eine ungeahnte Wendung an. Am 13. September nämlich sandte Hans von Carlowitz dem Johann von Haugwitz einen offenen Fehdebrief, weil er glaubte, Bischof Nicolaus, sein Anverwandter, hätte ein grosses Vermögen hinterlassen, das Johann ihm zu entziehen beabsichtige, w T eshalb dieser das wahre Testament seines Vorgängers unterschlagen und ein zweites verfasst habe, worin nur von einem theilweisen kleinen Erbe der Carlowitz’schen Familie die Bede sei. In dem Fehdebriefe x ) hiess es, „dass der Bischof ihm und dessen Verwandten das gute Beeht vorenthalten und dieselben mit ehrenrührigen Worten angegriffen hätte, weswegen er sich „sein Becht“ durch „Selbsthilfe -1 verschaffen wollte.“ Am anderen Tage kam Carlowitz mit einer Bande ange- worbener Söldner nach Wurzen, wo der Bischof sich damals auf hielt, um das Stiftsgebiet feindlich zu behandeln. 2 ) Mit genauer Noth entfloh Johann seinen Händen und begab sich nach Prag in Sicher heit, um die Vermittelung des Kaisers anzuflehen. 3 ) Dann wendete sich Carlowitz nach Stolpen, wo man bei seiner Annäherung drei Schüsse aus grossem Geschütze abfeuerte, um die Hilfe des um wohnenden Adels und der Bauern herbeizurufen. Unterdessen rettete ein Priester in der Burg, Namens Nicolaus Grüner, der zugleich Schlosscaplan gewesen, die daselbst verwahrte zinnerne Truhe mit den Beliquien des heiligen Benno in seine nahe Wohnung, bis die *) Den Wortlaut desselben siehe bei Dr. Ginzel, Kirchenhistorische Schriften II. S. 141. Dieser Hans von Carlowitz war ein Bruder des Georg von Carlowitz. 2 ) Scliöttgen, Historie von Wurzen S. 575, 568. Nach Dr. Ginzel kam Carlo witz nicht zuerst nach Wurzen, sondern nach Stolpen, was ein Irrthum ist. 3 ) Senff, Zwei Befehdungen S. 41, 49, 51, 56. Ueber Hans von Carlowitz siehe die Schrift: Aus dem Archive der Familie Carlowitz. Dresden, 1875 S. 5, dann „Die Meissner Testamentsfehde von 0. Moser.“ Nr. 20 der Wissensch. Beilage der Leipziger Zeitung vom Jahre 1874.