- 8 - geistige Durchschnittsniveau eines Volkes in der Zeit, welche das Bauwerk geschaffen hat, ästhetisch zur Anschauung bringen. Die Frage, oh die klassischen Baustile zur Zeit ihres Entstehens und Blühens auch als ..volksthümlich“ in unserem Sinne bezeichnet werden durften, wird man hiernach bedingungsweise zu bejahen haben, wenn man nämlich „Volk“ nicht im modernen Sinne auffasst, son dern hinsichtlich der Griechen für die Sklaven und hinsichtlich der Römer fiir die Plebejer von den für den intellektuellen Zustand maassgebenden Volksmassen einen starken Abzug macht. Aber auch dann bleibt noch zu berücksichtigen, dass das Bauschema für den giiechischen und etruskischen Tempel zwar in naiver Weise aus dem Holzbau hervorgegangen war, bald aber durch Iradition und Vorschriften festgelegt worden sein mag, und dass uns von den wirklichen Profanbauten klassischer Zeit recht wenig erhalten geblieben ist. So wissen wir beispielsweise von der architektonischen Ge staltung des Holzbaues in griechischer Zeit gar nichts, in römischer Zeit fast nichts. Damit eine Bauweise „volksthümlich“ sei, ist das Interesse und -Verständniss für ihre Aufgaben und Leistungen auf der Seite der grossen Masse nothwen- dige Voraussetzung. Solches entwickelt sich aber in weiteren Kreisen meist nur dann, wenn diese selbst genöthigt sind zu bauen; ist erst das Programm (der Grundriss) festgestellt, so stellt sich bald auch das Interesse für die künstlerische Gestaltung (die Fassade) und später auch für die rationelle Ausführung (die Konstruktion) ein. Freilich erleben in den grossen Städten, wo die Wohnungen Stapel- und Ilandelswaare bilden, nur sehr Wenige eine derartige schrittweise Ein-