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Der Grenzbote : 09.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1836929153-190512099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1836929153-19051209
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1836929153-19051209
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer Grenzbote
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-09
- Monat1905-12
- Jahr1905
- Titel
- Der Grenzbote : 09.12.1905
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Der - - I Der Grenzbote ep.. täglich MN Ausnahme des den Sou». d Feiermgen , Agenden Tages und kostet viertelj»,. ch, voraus- ! Lezahlbar, I MI. 2u Pfg. Bestellungen werden ' r ' er Geschäftsstelle, von den Austrägern des Bu-rtes, sowie von allen Kaiser!. Poftanstalten und Postboten angenommen. WM M Azchn für - — , s Inserate von hier und aus dem VerbreikmgS- ! bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit i 15 Pfg. die 4mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 11! Nhr für den nächstfolgenden Tag erbeten Reclamen die Zeile 20 Pfg Adorf nild das ödere Vogtland Sonnabend, den 9. Dezember 1803 D S86 Iahrg 70 Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Gtto Meyer in Adorf. Fernsprecher Nr. 14. ..Vitt Hv: isirtÄr:. W erylrAdsszckitr „Der .Heitspre^e?", Fernsprecher Nr. 14. Deutscher Reichstag. 7. Sitzung VOM 7. Dezember. Der Reichstag setzte heute bei gutem Be suche i,m Haus uuo Tribünen die erste Lesung des Etats in Verbindung mit der Steuer- und Flottenvorlage fort. Erster Redner warStaats- sekretär von Tirpitz, der die Notwendigkeit der Marinevorlage erneut darlegte, und in ihren einzelnen Forderungen als berechtigt erwies. Der Zunahme unseres Außenhandels müsse auch eine angemessene Vermehrung unserer Flotte zur Seite stehen. Abg. Bebel (Soz.) tadelte die plötzliche Verabschiedung des Reichstages hn Frühjahr und bot dann eine ausführliche pessi mistische Schilderung der internationalen Lage. Er behauptete, daß für einen ausreichenden Schutz unseres Hansels eine ganz kleine Flotte genüge, daß die deutsche Flotte der englischen nie gewachsen sein werde, und daß die Flotten vermehrung eine Schraube ohne Ende sei. Sei ner Anschauung, daß die zunehinende Steuer last lediglich vvm Proletariat getragen werde, trat der preußische Finanzminister Frhr. von Rheinbaben mit großem Geschick entgegen. An der Hand der Statistik führte er aus, daß ein mal im deutschen Reiche die Steuerlast weit geringer sei als in fast allen anderen Staaten, und daß die Steuer bei uns fast ausschließlich von einem Drittel der Bevölkerung aufgebracht werden. Die Reichsfinanzreform bezeichnete er als politische Frage, deren Lösung gerade die mittleren und kleineren Staaten fordern müssen. Der Reichstag möge die Steuervorlage anneh men und damit eine patriotische Tat auf dem Altar des Vaterlandes niederlegen. Letzter Red- ner war Abg. von Richthofen (kous.), der die Zustimmung seiner Freunde zur Flottenvorlage ankündigte, zugleich aber betonte, daß bei der Steuervortage Abstriche möglich sein iviirden. Einer Verstärkung des sozialdemokratischen Ein flusses müsse mit Entschiedenheit entgegengetre ten werden. Sonnabend 1 Uhr: Fortsetzung! Schluß 6 Uhr. politische Rundschau. — Bülows Reichstagsrche und das Ausland. Zunächst äußert sich die Wiener „Neue Freie Presse" in einer höchst sympathischen und ver ständnisvollen Weise. Sir schreibt u. a.: Auch an dem Dreibund tvird von den Feinden Deutschlands in unausgesetzter Arbeit gerüt telt. Wenn nun gleichwohl Fürst Bülow nach drücklichst sagt, Deutschland müsse im schlimm sten Falle allein stark genug sein, um seine Stellung zu verteidigen, ,o ist damit keines falls nach irgend welcher Seite hin eine Droh ung oder Herausforderung zum Ausdruck ge bracht. Jede Großmacht muß von solchem Selbstbewußtsein erfüllt sein. Das Nachdrück lichste und Eindringlichste, was Fürst Bülow gesprochen, ist nach England hinüber gesprochen. Dort soll die Rede die meiste Wirkung tun. Man wird überall verstehen, saß hier in der rückhaltlosen Aufrichtigkeit uuverbrüchilicheFried fertigkeit sich birgt. — Die französischen Plätter geben Fürst Bülows Reoe weit aus führlicher wieder, als es hier Brauch ist. Einige sogar in wörtlicher Ile,Versetzung, Betrachtungen knüpft aber gestern schon „Figaro" daran. Das Blatt findet einen Widerspruch darin, daß der Reichskanzler zuerst die internationale Lage für unbefriedigend erklärt und dann eine nahe Besserung oer Beziehungen zwischen Deutschland und England ankündigt. Figaro fährt, fort: Vor einigen Monaten sagte man uns, Deutsch land habe einen Angriff Englands und Frank reichs zu befürchten, seitdem hat Frankreich alles getan, was es tun mußte, und sogar noch et was mehr, um diesen Irrtum zu zerstreuen. Andererseits glaubt Bülow hoffen zu dürfen, daß Englands Schroffheit sich mrldcrn wird. Und diese Lage findet er nicht befriedigend? Was will er eigentlich? Um welchen Preis wird er befriedigt fein? Oh!-Die Deutschen sind nicht leicht zu bedienende Herrschaften! bekla genswert derjenige, der unter ihre Abhängig keit fällt!" Ter Artikel schließt: „An uns ist es, dem Reichskanzler zu sagen: Die find mit dem Stück unzufrieden, ehe der Vorhang anf- gegangen ist! Sie beklagen sich über UnS, u. doch sind Die es, der uns nach Algericas geschleppt hat. Sie haben die Konferenz gewollt, Sie haben sie, lassen Sie ihr das Wort." — In der liberalen Presse Londons findet sich bis jetzt keinerlei Kommentar über Bülows Rede. Die konservative Presse, selbst der gemäßigte „Telegraph", findet sieh verletzt durch den direk ten Hinweis Bülows auf England als den Ruhe störer in einem Augenblick, wo hier Bestrebun gen stattfinden, eine freundschaftliche Annäher ung zwischen beiden Ländern herbeizuführen. Die Übrige konservative Presse trägt dem „Säbelrasseln Bülows", wie sie seine Rede be zeichnet, zum Zweck oer Genehmigung der neuen Steuern durch den Reichstag gebührende Rech- . nung, liest aber in seiner Rede ruhelosen Ehr- f geiz und Bestrebungen Hinsch, die dazu bestimmt ! seien, das Gleichgewicht Europas zu stören, auf dem die Politik Englands seit Jahren beruhe. — Die Einwohnerzahl der Stadt Berlin be trägt nach dem heute nachmittag festgestellten Ergebnis der Volkszählnngvorn I. Dezember d. I. 2 032 900 Personen. — Die Stadt Char lottenburg hat 236 634 Einwohner. Petersburg, 6. Dezbr. Der frühere Kriegsmiuister, Generalasjutaut des Kaisers General Sacharow wurde gestern nach, einer Meldung aus Saratow im Hause des dortigen Gouverneurs von einer unbekannten Frau durch , drei Revotverschüssc getötet. Die Mörderin er- s klärte, im Auftrage der fliegenden Kämpfabtest ! lung des sozial-revolutionären Komitees gehan- - delt zu haben. General Sacharoww war mit ! der Untersuchung der Agrarunruhen im Sara- ! towschen Gouvernement beschäftigt, wobei er ! vom Gouverneur und von Kosaken begleitet ! wurde. In verschiedenen Ortschaften wurden die ! Bauern zusammengcruf: n. Der Gouverneur i fragte jeden einzelnen: „Bekennst du dich schul- ; dig des Raubes und der Brandstiftung?" „Nein, ! Euer Exzellenz", antworteten fast alle Gesrag- i ten. „Kbsaken vor!" hieß es darauf, die dann ! auch ihres Amtes in bekannter Weise walteten. Besonders scharf ging es in Chowanschtschin ! her. Hier wurden 33 Bauern geprügelt und ! verhaftet, darunter viele Greise. Die Kosaken : sollen meist in betrunkenem Zustande „gear- ! b-eitet" haben. Generaladjutant Sacharow wohnte hier oer Exekution selbst nicht bei, war aber 100 Schritt davon entfernt im Haufe des Dorfältesten. London, 7. Dezbr. Nach hier vorliegenden Berichten aus Petersburg wurde General Sa charow durch die drei auf ihn abgefeüerten Re- volverschüfse auf oer Stelle getötet. Miegs- minister Rödiger wurde vom Grafen Witte be auftragt, die Trauerbotschaft der ° Witwe des Ermordeten mitzuteilen. — — — Die Frau, welche die Tat ausführte, gehört einer Sek tion der revolutionären Partei an, die haupt- ! sächlich für Abschaffung der Todesstrafe ein- ! tritt. Die Tat macht tiefen Eindruck, und man ; glaubt allgemein, daß die Revolutionäre in ! Petersburg diesem Beispiele folgen werden. Doch : die Mitglieder der Regierung find entschlossen, ' uns Patriotismus ihre Pflicht weiter zu erfüllen. — Tas Martyrium der Lehrerin Prasko- wia Dugentzvwa. Eine entsetzliche Episode aus den Schreckenstagen der ruisischen „Gegenrevo lution" erzählt ein Augenzeuge, der Student gcvkolew, der sich in Stawropol aufhielt: Sta wropol ist ein Loch; Revolutionäre gibt es dort kaum, und das „intellektuelle" Element vertreten dort Lehrer nud Lehrerinnen der Ele mentarschule. Als am 19. Oktober die Polizei behörden erfuhren, daß Witte den Sieg davon getragen habe, uns daß die Verfassung ver sprochen sei, beschlossen sie, für diesen Sieg der „Intellektuellen" sie Lehrer büßen zu lassen. „Lie sind die Ursache aller Uebel!" hieß es. Noch wütender Ivar die Geistlichkeit. An der Spitze einer aufgeregten Menge gingen die Po pen in die Schule, holten die Lehrerin Pras- kowia Dugentzvwa heraus und begannen sie auf oer Straße zu schlagen und zu stoßen. Zwei Svtnias Kosaken kamen, im ganzen 200 Manu, unter Führung des Atamans Brat kow. Die Lehrerin eilte ihnen entgegen. „Brü der", rief sie den Kosaken entgegen, „rettet mich." „Uebergebt uns die Lehrerin", rief der Atamane der Menge zu. „Wir wollen sie einem kleinen Examen über die Politik unterwerfen." „Gut gesagt, sehr gut gesagt!" brüllte fröhlich oer Pope. — „Es lebe der Ataman! Der hat immer die besten Ideen!' riefen die Poligeileute und stießen das junge Mädchen roh in die Reihen der Kosaken, Praskowia Dugentzvwa fühlte sich trotzdem sicher; sie glaubte, daß der Ataman sie, um ihren Verfolgern zu entziehen, ins Gefängnis schicken werde, wo sie wenigstens nichts für ihr Leben zu fürchten hätte. Ter Ata man packle sie jedoch brutal bei den Händen und zwang sie niederzuknieen. „Jetzt", sagte er, „wirst du auf meine Fragen antworten. Was für eine Religion hast du?" Ms die Lehrerin schwieg, versetzte er ihr mit der Nagaika einen furchtbaren Schlag. „Lassen Sie mich! lassen Sie mich!" schrie das unglückliche Mädchen. „Sie wissen ganz gut, daß ich zur orthodoxen Religion gehöre, der Pope kann es Ihnen be stätigen." — „Ja, ja! wir wissen, daß du in die Kirche gehst — aber du bist gegen den Zaren, wie die Juden." — „Tas ist nicht wahr", schrie Fräulein Dugenzvwa, „ich! bin nicht gegen den Zaren. Aber ich wünsche die Freiheit für mein Vaterland!" — „Ah!! du willst die Frei heit! Dachten's uns dock !" höhnte der Ata man, indem er einen neuen Nagaikahieb auf die Schultern der Lehrerin niedersausen ließ. „Deshalb freutest du dich auch., als du das falsche Manifest sahst, das dm Juden erfunden haben, und das sie dem Zaren zuschreiben!" — „Sie täuschen sich!" protestierte Fräulein Du- g-entzvwa. „Der Aar allein ist es, oer seinem unglücklichen Volke endlich die Freiheit gibt." — „Ah, du willst hier revolutionäre Propa ganda machen?" tobte der Ataman. „Auf, Brü derchen!" Nun folgte eine grauenerregend« Szene. Die Kosaken und der Pöbel stürzten sich auf des junge Mädchen, rissen es zu Bo den und traten es mit Füßen; wer ihm mit den Stiefelabsätzen den Leib zertreten konnte, war glücklich. Noch einmal gelang es der Gemar terten, sich halb aufzurichten und mit herz zerreißender Stimme zu rufen: „Herr, ich will sterben; möge mein unschuldiges Blut meinem Vaterland« zum Heil gereichen!" Da er fürch ten mochte, saß diese Wort« einen der Henker rühren könnten, warf der Atamane das jung« Mädchen rafch von neuem zu Boden. In wilder Blutgier stürzte sich die Menge auf die Lehre rin und schlug sie mit Stöcken, Peitschen und Eifenstangen tot. Noch war die Wut nicht ge stillt; unter einem wahren Jndianergeheul er griffen diefe Stützen des russischen Volkes den zerfetzten Leichnam und warfen ihn in die Luft, worauf sie ihn, wie beim Ballspiel, wieder auf-
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