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Der sächsische Erzähler : 02.06.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735960349-188306020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735960349-18830602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735960349-18830602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1883
- Monat1883-06
- Tag1883-06-02
- Monat1883-06
- Jahr1883
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 02.06.1883
- Autor
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«/HS 22. Somlabeud, de« 2. Juni. 1883. Mekteirißische Meikage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. In Gold vergraben! Novelle von r. 8. (Fortsetzung.) Doris war es, als wenn sie ein Blitzstrahl getroffen hätte. Die wachSarlige Blässe, welche Ihren Zügen ein beinahe leichenartiges Gepräge verliehen hatte, wich plötzlich einer Purpnrflamwe, wodurch ihr Hals und ihre Stirn mit einem rosensarbigen Schein gefärbt wurde. Ihr schöne« Haupt senkte sich auf die Brust herab, die großen dunkelblauen Augen füllten sich mit Thränen und sie schluchzte, indem sie vor van Geldern'« harrte, unbewegliche Gestalt niedersank. «Verzeihung, Papa, Du weißt nicht, wie sehr ich ihn liebe. —" „Nein, wirklich? sagte van Geldern mit spöttischem Nachdruck. Es freut mich unendlich, zu hören, daß ich nunmehr Aussicht habe, einen Schwiegersohn zu finden, der nach Deinem Kopfe ist. Lies was er geschrieben, ich verlange es." „Verschone mich, Papa," bat Doris, die schönen Arme bittend gegen ihn erhebend, „verschone mich, chenn ich vermag es nicht." „Ach so, Du kannst es nicht?" wiederholte van Geldern höhnisch. „Du kannst Deinem Vater nicht vorlesen, was dieser Siraßenjunker zu schreiben wagt. Aber hinter dem Rücken Deines Vaters ihm Stelldichein zu geben, mit ihm bei Nachtzeit zu spaziren, das kannst Du vorzüglich ausführen. Nimm sofort das Billel auf und lies es mir vor, oder ich jage Dich wie eine feile Dirne zum Hause Hinaus." „Erbarmen, Vater, Erbarmen. Verstoß mich, wenn Du es willst, aber ich kann diesen Brief nicht lesen," sagte Dori» laut weinend. „Da kann ich es an Deiner Statt, Du trotzige«, entartete« Kind!" rief vor Zorn ganz außer sich van Geldern aus und bückte sich nach dem Billet, wie schwer ihm diese Bewegung auch fallen mochte. „Um Gottes, um meiner seligen Mutter willen, lie« die Zeilen nicht!' flehte Doris, indem sie in Todesangst die Kniee ihres Vaters umklammerte. Aber van Geldern war unbeweglich. Mit der einem Geschäftsmanns eignen Kaltblütigkeit entfaltete er den Brief und verlas dann mit eintöniger Accentuirung die ersten Zeilen. Ein dumpfer Fall hinderte ihn indeß am Weiterlesea, es war Doris, welche zu seinen Füßen hingestreckt lag. Van Geldern wußte sich mit Kaltblütigkeit in alle Verhältnisse zu schicken, welche bei Geschäften Vorkommen; daß aber eine junge Dame und oben drein seine Tochter, beim Lesen eines Briefe« in Ohnmacht siel, war durchaus ungeschäftlich. Selbst- folglich gerieth van Geldern aus dem Concepte, sogar in dem Grade, daß er, nachdem er Alles versucht hatte, seine Tochter ins Leben zurückzurufen, im unklaren Bewußtsein, daß er in diesem Augen blick keinen zur Hülfe herbeirufen konnte, sehnsuchts volle Blicke auf die Thür richtete, als erwarte er von dorther Beistand. Und der Beistand erschien, wenn auch nicht in der Weise, wie vau Geldern ihn wünschte. Es war klar, dieser Tag war ein Tag der Ueberraschungen. Eine gewandte Hand riß mit einem einzigen sicheren Ruck die schweren Sammtgardinen zurück, und herein trat ein Mann, welcher auf den ersten Blick mehr als gewöhnlich Aufmerksamkeit erregen mußte. ES war ein hoher breitschulteriger Mann, der vom Kopf bis zu den Füßen in schwarzen Sammet gekleidet war. Er trug — der Mode der damaligen Zeit schnurstracks zuwiderlausend — keine Perrücke; im Gegentheil fiel ein dunkles, schweres, lockiges Haupthaar auf seine beiden Schultern herab und verdeckte beinahe die breite Spitzenkrause, welche in ungezwungenen Falten sein Wams umrändete. Innerhalb dieses Rahmens von schwarzen Haarwellen zeichnete sich in breiten, bestimmten Zügen ein edles und männliches Antlitz ab, eine« dieser Antlitze, die sich nun und nimmermehr den Launen des Reichthums oder den Befehlen der Machthaber fügen, weil sie in sich selbst über eine Macht gebieten, die größer ist als die ihrer Widersacher. Ohne ein Wort zu äußern, ja sogar ohne van Geldern eines einzigen Blickes zu würdigen, stürzte er direct auf die ohnmächtige Doris zu, trug sie wie ein Kind auf den nächsten Divan und flüsterte, indem er ihre Hand ergriff: .Erwache, Doris, ich bin ja bei Dir!' Doris schien den Druck dieser starken, warmen Hände, welche die ihrigen umschlossen, zu spüren, denn sie öffnete die großen, dunkelblauen Lugen, be deckte selbige mit der einen Hand und flüsterte ab wehrend: »NiclaS van Dyk!" Van Geldern stand da, wie vom Himmel ge fallen. In seinem ganzen Leben war er nicht so geringschätzig behandelt worden und doch war, seine» Erachtens, noch nie so viel Ursache vorhanden ge wesen, ihn mit größter Aufmerksamkeit zu behandeln, als eben jetzt. Mit weit geöffneten Augen blieb er wie gelähmt an den Fleck gebannt, und seine Ohn macht verwandelte sich in einen geistigen Starr krampf, als er bemerkte, daß van Dyck die lilien weißen Hände seiner Tochter an die Lippen preßte
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