L87I. Sonnabend, dm 4. Februar belletristische Anlage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. In Thoren wie in Krakau, in Kalisch wie in ZamoSz, in Czenstochau wie in Ostrolenka war es an dem selben Tage, an welchem in Warschau der Aufruhr ausbrechen sollte, zum Kampfe zwischen den zusammen gelaufenen Haufen der Aufrührer und den Truppen der Regierung gekommen, und Capitän Menzel, der in der achten Morgenstunde des für ihn so ent scheidungsvollen Tages sich beim Feldmarschall von Flemming anmelden ließ, um demselben mitzutheilen, was er von dem Juden erfahren und nm Vollmacht zur Verhaftung der Verschwornen zu bitten, hörte nicht ohne Befremden von dem alten Kammerdiener des Feldmarschalls, daß Se. Excellenz infolge so eben durch einen Courier erhaltener wichtiger Nach richten aus Pultusk für Niemand zu sprechen sei. Der Gedanke, daß der Feldmarschall schon im Besitz seines Geheimnisses sei, beunruhigte ihn um so mehr, da das, was er demselben mittheilen wollte, dann sein Verdienst schmälern mußte, wenn er der Erste nicht war, der eine so wichtige Nachricht, gebracht, und dennoch schien ihm nicht möglich zu sein, daß außer ihm, der Baroneß, dem Juden und dem Falkenwirth irgend Jemand von dem Plane der Verschworenen in Warschau schon Kenntniß haben sollte. Meldet mich nur, ich verantworte es! begann er, daher sich von Neuem an den Kammerdiener wendend, der ihm wiederholt versicherte, daß es un möglich sei, zu dem Feldmarschall zu gelangen. Aber Herr Capitän, Se. Excellenz hat mir streng befohlen, Niemand heute anzumelden, und ich kann es wahrhaftig nicht wagen, besonders da er mit dem Baron von Struchwitz schon seit heute Früh 7 Uhr in seinem Cabinette arbeitet, und dieser der Einzige ist, den der Herr Feldmarschall verlangt hat. Ich befehle es Euch im Namen des Königs, daß Ihr mich meldet, befahl jetzt ernst der Capitän, und kopfschüttelnd ging der Kammerdiener, der einem solchen Befehl, auf diese Weise gegeben, nicht zu widersprechen wagte. Nach wenigen Minuten kam der alte Diener mit einem sehr grämlichen Gesicht zurück. Ich will Euch wünschen, Herr Capitän, brummte er grollend, daß Ihr Euch eines bessern Empfanges erfreuet, als mir zu Theil geworden; der Herr Feldmarschatt fluchte gewaltig und stampfte erzürnt mit dem Fuße, als ich zu meiner Entschuldigung sagte, daß Ihr im Namen Sr. Majestät Euch zu melden befohlen und der Herr Baron von Struchwitz sah mit häßlich spöttischem Lächeln dabei auf Se. Excellenz. Ei« sächsischer Wachtmeister. Zeitbild aus der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Von E. Gottwald. (Fortsetzung.) Verliert den Muth nicht, den Ihr ja immer Euch bewahrt, tröstete der Capitän, seine Freude über den in seine Hände gegebenen verhaßten Neben buhler bei dem Kummer Augustens vergessend; doch als er sah, wie die junge Baroneß, nachdem sie sich auf einige Secunden ihrer Angst und ihrer Sorge um den Geliebten mit ganzer Seele hingegeben, und auf das tiefste erschüttert, all' ihre innere Kraft, all' ihren festen Muth, der sie so selten verließ, ver loren zu haben schien, sich langsam wieder ermannete und von ihrem Sitz sich erhebend, wie Trost und Hoffnung von ihm verlangend, auf den Capitän blickte, fuhr er ermulhigend fort: Noch ist für Euch nichts verloren. Traut meinem Worte, der Obrist ist zu retten; ich streiche seinen Namen aus dieser Liste, sucht Ihr nur alles auf zubieten, unter welchem Vorwand es auch sei, Euren Verlobten am morgenden Tage bis Abend zehn Uhr bei Euch fest zu halten, dann habt Ihr gewonnen. Ihr habt Recht! Noch ist nichts verloren; wieder holte Auguste ermuthigt, reichte dem Capitän die Hand und rief, das Zimmer schnell verlassend: Gott schütze Euch! den Grafen sollt Ihr nicht finden; und bald perkündete das Rollen eines Fuhr werks, welches vor dem Hause, die Baronesse er wartend, gehalten, deren Rückkehr zu Sophien. Die Verschwörung zu Gunsten Stanislaus Les- zczynski'S, deren Häupter zu Warschau am Abend des Tages nach der Besprechung des Capitäns Menzel mit Ben Jochai die letzte Versammlung im Gasthofe zum weißen Falken halten wollten, ehe der entscheidende Schlag ausgeführt werden sollte, war eine der weit verzweigtesten und für den Thron des Königs von Polen und Churfürsten von Sachsen gefährlichsten. Ehe man in Warschau eine Ahnung von der drohenden Gefahr hatte, welche über des Königs Krone schwebte, früher als es die Ver bündeten in der Residenz des Reiches wünschten, brachen in dem am entferntesten von einander liegenden Woiwodschaften die Flammen des Aufruhrs aus.