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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980513024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-13
- Monat1898-05
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Die Morgcn-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, hie Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaction und Expedition: Johannesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ltto Klrmm'S Sortim. kAlfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kathorinenstr. 14, part. und Königsplatz 7. Bezug-.PretS k der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich.st 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich V.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung inS Ausland: monatlich ./ü 7.50. Abend-Ausgabe. UtipWcr Tagrlilail Anzeiger. Amts Klatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 13. Mai 1898. Anzeigen'Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter demRedactionSstrich (4ge- spalten) 50^4, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40/4- Größere Schriften laut unseren, Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfcrnsatz nach höherem Tarif. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t 60.—, mit Postbefürderung .st 70.—. .Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. -p. Die spanische Flotte ist nicht nach Cadiz zu- rückgckehrt. Das dürfte jetzt feststeben, nachdem der spanische Marineminisier die bezeichnende Aeußerung gethan, sie befinde sich nicht in Cadiz, sondern dort, wo sie ihren Weisungen gemäß augenblicklich sein soll. Trotzdem hält ein amerikanisches Blatt, das „New Aork Journal", daran fest, daß das Geschwader umgekehrt sei, wenn auch nicht nach Cadiz, so doch nach den Canarischen Inseln an der Nord westküste Afrikas. Der „Frkf. Ztg." wird darüber berichtet: * London, 12. Mai. Das „New York Journal" hat heute Morgen eine Depesche seines Correspondenten in Cadiz veröffent licht, welche dieser durch einen Courier über die französische Grenze geschickt und von einer französischen Station hatte telegraphiren lassen. Dieses Telegramm besagt, die spanische Flotte sei nicht nach Cadiz, sondern nach den Canarischen Inseln zurückgekehrt. Tas „Journal" fügt hinzu, daß die erste Depesche chiffrirt war, und da weder Cadiz noch die Canarischen Inseln durch den Code auszudrücken waren, konnte keiner dieser Namen in der Depesche angeführt werden, die lediglich be- sagte, daß vier Kreuzer, ein Torpedoboot und drei Torpedojäger zurückgekehrt seien. Die heutige zweite Depesche, welche besagt, daß das Cap-Verde-Gcschwader nach den Canarischen Inseln zurückgekehrt sei, war nicht chiffrirt. Der Correspondent fügt hinzu, daß das spanische Reservegeschwader, das sich jetzt in Cadiz befinde, sehr bald aus diesem Hafen abdampscn werde, um sich mit dem Cap-Verde-Geschwader bei den Canarischen Inseln zu vereinigen. Dir erste Nachricht von der Rückkehr des spanischen Ge schwaders nach Cadi; war von der amerikanischen Botschaft in London ausgegangen. Es hat ganz den Anschein, daß der Gewährsmann derselben in Cadiz identisch ist mit dem Correspondenten des „New Dort Journal", der sich jetzt selbst corrigirt. Eine Bestätigung scheint indessen seine neuere Meldung durch folgende Nachricht aus unverdächtiger Quelle zu finden: Köln, 12. Mai. Tie „Köln. Ztg." meldet aus Madrid vom 0. d. Mts.: Von dem Geschwader des Admirals Cervera sind 3 Torpedoboote mit den Kohlenschiffen hinter Las Palmas auf den Canarischen Inseln eingetrofsen. Sollte aber hier nicht eine Verwechselung mit den drei unlängst nach den Canarischen Inseln abgegangenen Torpedobooten vorliegen, die am 9. Mai dort angekommen sein dürsten? Wir nehmen dies als das Wahrscheinlichste an, so lange nicht ausführlichere und authentische Nachrichten die Meldung des New Iorker und des Kölnischen Blattes bestätigen. Wir nehmen "auch die folgenden Meldungen nicht ohne Weiteres für baare Münze, die von dem Erscheinen der spanischen Flotte bei den Antillen wissen wollen. Sie besagen: * London, 12. Mai. Tie „Daily Mail" berichtet aus Madrid, Admiral Bermejo habe zugegeben, daß das Cap Verdesche Ge schwader sich jetzt bei Port de France auf Martinique (östliche Antillen-Jnsel) befindet. * Madrid, 13. Mai. (Telegramm.) Ter „Heraldo" ver öffentlicht eine Drahtmeldung, in der es heißt, das Geschwader des Admirals Cervera sei gestern früh bei Port de France (Martinique) eingetroffen. * Madrid, 13. Mai. (Telegramm.) Es bestätigt sich, daß rin spanischer Kreuzer in den Gewässern von Haiti gesehen wurde, der ein amerikanisches Schiff verfolgte. Der Zeit nach könnte Cervera im caraibischen Meer Wohl angelangt sein, doch warten wir lieber die Bestätigung dieser Meldungen, so bestimmt sie lauten, ab. In New 4)ork und Washington selbst scheint man wenig auf das Gerücht von der Rückkehr der Flotte Cervera's zu geben, giebt sich vielmehr in höchst aufgeregter Stimmung der wachsenden Besorgniß hin, daß die Spanier Plötzlich vor den Hafen-Forts der Stadt der Neuen Welt erscheinen könnten. Man lese folgende Meldungen: * New Uork, 12. Mai. Der englische Dampfer „Menantie" berichtet, in der vergangenen Nacht sei ein großer Torpedo- bootjäger mit gefechtsbereiten Geschützen bei der Nantucket- Insel (Massachusetts) hinter ihm passirt und habe Signale mit einem anderen Schiffe ausgetauscht, die von letzterem er widert wurden. Denselben Torpedojäger habe er, der „Menantie", am anderen Morgen wieder angetroffen. Der Capitain sagt, es sei bestimmt kein amerikanisches Schiff gewesen. * Washington, 12. Mai. Ein Mitglied des Staatsdeparte ments erhielt Privatnachrichten, daß zahlreiche Torpedoboote auf der Höhe der Neu-England-Staaten gesehen worden seien. Präsident Mac Kinley ordnete an, daß diese Nachrichten so fort dem Marinerathe zu unterbreiten seien. Die Neu-England-Staaten sind bekanntlich die ehemaligen britischen Besitzungen und jetzigen Unionsstaaten Maine, Bermont, Massachusetts, New Hampshire, Connecticut und Rhode-Island. Die Nantucket-Inseln liegen in nordöstlicher Richtung unfern New Aork! Wie, wenn thatsächlick das spanische Geschwader statt bei den Canarischen Inseln zu ankern, sich zu einem Bombardement New Jorks anschickte ? Aber vielleicht läßt die Aufregung die Amerikaner allzu schwarz sehen. Sicher ist, daß cs an der Nordküste CubaS ein locales Gefecht gegeben hat, bei dem aber nur dort stationirte spanische Kanonenboote betheiligt waren. Es war ein Hand streich, den die Amerikaner auf Card enaS versucht haben, der aber ebenso wie die Promenade vor Santa Clara bei Havanna!) den Amerikanern blutige Köpfe einbrachte. Außer dem, was wir bereits im Morgenblatt darüber ver öffentlichten, liege» uns noch folgende Meldungen vor: Madrid, 12. Mai. Drei große und drei kleine amerikanische Schiffe setzten gestern Morgen bei Cardenas ein Boot mit Marinefoldaten aus und bemächtigten sich des Leuchtthurms. Darauf fuhren die Schiffe in die Bucht ein und unternahmen eine heftige Beschießung der Stadt, die nur von zwei Kanonen- booten, einer Compagnie Infanterie und 300 Freiwilligen vertheidigt war. Zahlreiche Granaten trafen die Stadt, eine verursachte einen Brand. Ein Kanonenboot ist diestunsähig. Jndeß wurde der Landungsverjuch zurückgewiesen. Die Amerikaner dampften ab, einer schwer beschädigt. — Marschall Blanco hat den Behörden von Cardenas seinen Glückwunsch gesandt. * Madrid, 13. Mai. (Telegramm.) Ueber das Gefecht bei Cordenas werden folgende Einzelheiten bekannt: Das Kanonenboot „Antonio Lopez", ein altes Schiff, wurde von 12 Kugeln getroffen, kämpfte aber, bis es seine Munition verschossen hatte. Die Beschießung begann ohne eine vorherige Benachrichtigung. * «ch-West, 12. Mai. („Reuter'schcs Bureau".) Zu dem Gefecht bei Cardenas wird weiter gemeldet, daß das Feuer der Batterien und der spanischen Kriegsschiffe sich auf den „Winslow" concentrirte, dessen Kessel in die Luft gesprengt wurde. Die Kreuzer „Wilmington" und „Hudson" eilten dem „Winslow" zu Hilfe und alle drei Schiffe zogen sich sodann zurück. DaS war eine amerikanische Abfuhr! Ob auch eine Beschießung von Cienfuegos (Südküste Cubas) statt gefunden hat, ist noch zweifelhaft. Man berichtet unS: * Köln, 12. Mai. Ueber amerikanische Landungsversuche auf Cuba wird der „Köln. Ztg." aus Madrid gemeldet: 4 amerikanische Kriegsschiffe beschießen seit gestern srüh Cienfuegos und versuchten 8 Boote mit Waffen für die Aufständischen zu landen, wurden aber durch die an der Küste ausgestellte Infanterie zurückgewiesen Die Spanier hatten 14 Verwundete. Die Amerikaner wechselten' die Stellung für eine abermalige Beschießung und einen aber maligen Landungsversuch, aber auch an dieser Stelle vereitelten 2 Bataillone ihre Absicht. Gleichzeitig geht unS aber die folgende Meldung zu: * Washington, 12. Mai. (Reuter'sches Bureau.) Bei dem Marine-Deparlement ist keine Nachricht eingegangen über ein an- gebliches Gefecht bei Cienfuegos, bei welchem die Spanier zwei Landungsversuche mit großen beiderseitigen Verlusten zurückgewiesen hätten. Man glaubt, daß es sich um eine Verwechselung mit dem Gefecht von Cardenas handelt. Dagegen treffen, während wir dies schreiben, folgende für Spanien sehr betrübende Nachrichten ein: * London, 12. Mai. Ter „Standard" meldet aus St. Thomas. Tie Beschießung San Juans aus Puerto Nico begann gestern früh » Uhr. Zwei spanische Schiffe sind zerstört. Es geht das Gerücht um, San Inan habe sich nach einem achtstündige» Kampfe ergeben. * Port au Prtuce (Haiti), 13. Mat. (Telegramm.) Tie Stadt San Juan liegt in Trümmern. Admiral Sampson begann mit st Schiffen gestern vor Sonnen aufgang die Beschiessung Tic Schiffe „Jova" und „Indiana" eröffneten das Feuer. Tas Fort Morro war in wenigen Minuten ei» Trümmerhaufen. Tie Beschießung wurde fast gar nicht erwidert. Die auswärtigen Eon- suln und mehrere Tausend Einwohner flüchteten sich in das Innere. Das bedeutet für Spanien den zweiten großen Schlag: den Verlust der Insel Puerto Rico, die als Kohlen station für die spanische Flotte unentbehrlich ist. Diese ver liert mit Puerto Rico ihren Stützpunkt und wird einen solchen auf dem blockirten Cuba schwerlich zu erlangen ver mögen. Möglich, daß Spanien nunmehr den Krieg aus- giebt und um billige Friedensbedingungen bittet. Dann er übrigte sich eine Beschießung HavannahS und die Entsendung größerer Truppenmassen nach den Philippinen. Dort ist die militairische Lage noch die gleiche wie nach der Schlacht von Cavite, wie aus folgender Meldung hervorgeht: * Washington, 12. Mai. Nachdem die telegraphische Verbindung mit der Bay von Manila wiederhergestellt worden ist, hat der Marine - Secrctair Lang folgende Drahtmeldung des Admirals Dewey erhalten: „Seit meiner letzten Depesche ist die Lage wenig verändert. Die von den vernichteten spanischen Schiffen er langten Gewehre und die Munition aus dem Arsenale von Cavite habe ich aus unfern TranSportdampser bringen lassen. Ich erhalle eine enge Blockade aufrecht." Wenn englischen Berichterstattern zu trauen ist, ist für die Amerikaner auf den Philippinen überhaupt nicht viel zu holen, da die Aufständischen angeblich die amerikanische Herr schaft ebenso perhorresciren wie die spanische. Man meldet unS darüber: * Hongkong. 12. Mai. („Reuter'fches Bureau".) Das englische Kanonenboot „Linnet" ist hier eingetroffen, nachdem es am Montag Manila verlaßen hatte. Dasselbe berichtet, daß auf den ganzen Philippinen Anarchie herrsche. Admiral Dewey, welcher nicht im Stande sei, etwas auszurichten, auch wenn die spanische Herrschaft abgesegt wäre, da die Aufständischen sich jeder Aufsicht entziehen, würde einer großen, mit speciellerErfahrung ausgerüsteten Macht bedürfen, um die Ordnung im Innern wieder herzustellen. Inzwischen hielten die Spanier immer noch Manila besetzt und weigerten sich, die Stadt zu übergeben. Admiral Dewey zögere mit der Beschießung der Stadt, da er hoffe, die Unterwerfung durch Aushungern zu erreichen. Die Spanier hätten jedoch daS Vertrauen, mit Erfolg widerstehen zu können, sie behaupteten, genügend Lebensmittel für die Garnison zu haben, welche außerhalb des Bereiches der amerikanischen Artillerie auf- gespeichert seien. Zwei deutschcKriegsschisfe.ein französisches und ein japanisches feien vor Manila eingetroffen, ein russisches werde erwartet. Die Bevölkerung leide Hunger, und Verzweiflung beginne sich derselben zu bemächtige». Jedenfalls wird die Entscheidung nicht aus den Philippinen, sondern am Atlantischen Ocean fallen, wenn sie nickt bereits gefallen ist. Eine Reihe weiterer Telegramme, die für den Gang der Ereignisse von minderem Belang sind, theilen wir unter „Amerika" mit. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Mai. Immer wieder muß auf die frivole Ausbeutung der hohen Getretdepreise — Roggen um 55, Weizen um mehr als 100 pro Tonne höher als am 23. Mai vorigen Jahres — zu WahlagttationSzwecke» hingcwiesen werden. Die gewerb lichen Verhältnisse des deutschen Reiches sind so eigenartig, daß zu niedrige Getreidepreise und eine Thcuerung wie die gegenwärtige eine schwere Calamität bedeuten. Zu niedrige Preise gefährden die Landwirthschast und eine Theuerung trifft alle Consumenten, die Brod kaufen müssen, also auck diejenigen Landwirthe, die Getreide für den Verkauf gleich nach der Ernte bauen und ihren Brodbedarf späterhin durch Einkauf decken. Und weil somit die Frage des Getreide- preiseS eine des Gemeinwohles ist, so ist es gleich verwerflich, den Preisstand so oder so agitatorisch auSzu- beuten. Die sachgemäße Prüfung ergiebt, daß die jetzige Preiß- entwickelung zunächst durch den Ausfall der Welt ernte ver anlaßt worden ist, die 1897 um ein volles Siebentel geringer war, als noch im Jahre 1895. Sodann, daß die hierin begründete steigende Tendenz durch eine wüste Specu la tion, wie sie nur in denVercinigtenStaaten möglich, unter Ausnutzung der spanisch amerikanischen Differenzen durch ungemcsicne Getreideaufkäusc zeitweise dergestalt verschärft worden ist, daß in einer Anzahl europäischer Länder, wo die Ernte schlecht ausgefallen war, aber auch die wirthschaftlichen Verhältnisse allgemein gedrückt sind, sogar schwere politische Eruptionen erfolgt sind. Feuilleton. Die Herrin von Echtersloh. Isj Roman von Toni Krüger. Nachdruck verboten. Pünktlich UM 7 Uhr stellte sich Joseph zum Wecken ein und war nicht wenig erstaunt, wie schnell sich heute sein Gebieter aus den Armen des Schlafes losriß. „Nun, Joseph, hast Du meine Sachen alle gut in Stand gesetzt während meiner Abwesenheit?" „Jawoll, Herr Leitnamt!" „Knöpfe die Epaulettes auf den Waffenrock, ich muß mich gleich melden." „Befell, Herr Graf." Der Herr Graf war heute ganz besonders guter Laune; lustig pfeifend, oder mit dem beglückten Joseph scherzend, machte er seine Toilette. „Na, wie geht's denn Deiner Guste?" fragte er, sich vor dem Spiegel mit zwei Bürsten das Haar glättend. „Ach, Herr Leitnamt, was die Juste is", sagte Joseph, ver legen lächelnd, „hab ich sie laufen lassen. Zog sich weg am 1. October von Guthke's und hab ich gedacht —" „Nun, und der Ersatz?" „Ja, for die Juste is sich nu Minna da. Und was sich Minna is, hat sich so Bäckchen rundliche und sieht sich so nett in's Gesicht aus! Und Wurschtschtullen kann se zurecht machen " Joseph schnalzte mit der Zunge, als wenn ihm das Wasser im Munde zusammenliefe. „Na, da kann man ja zu der neuen Braut gratuliren!" Inzwischen war der Graf zum Ausgehen gerüstet. Sporen klirrend eilte er -die Treppe hinab. Der neue Vorgesetzte, Oberst von Brixen, wohnte noch im Hotel und empfing seinen Adjutanten mit ernster Zurückhaltung. Er schien im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein etwas schwieriger Herr zu sein, scharf und unangenehm gründlich im Dienst. Herbert merkte auch sofort, daß er mit ihm einen schweren Stand haben würde, ein Grund mehr für ihn, sich mit vollem Eifer den Dienstgeschäften zu widmen. Es mußte ihm gelingen, das Vertrauen seines Chefs zu gewinnen. Länger als eine Stunde fesselte ihn der Oberst, um ihn dann endlich mit einer Menge von Weisungen zu entlasten. Die Mittagsstunde war vorüber, als Herbert endlich Zeit fand, seinen Besuch bei Hirschfeld zu machen. Dieser bewohnte im Gegensatz zu Beitel Silberring eine hübsche Villa in der Vorstadt, die von einem wohlgepflegten Garten umgeben war. Als Herbert sich der Gartenpforte näherte, vernahm er lachende Stimmen aus den Laubcngängen. Bald darauf trat ihm eine überraschend schöne Frauengestalt mit einem Kinde auf dem Arm entgegen. Ihre dunklen Locken waren leicht im Nacken zusammengenommen, aus den schwarzen Augen sprühte lebensvolles Feuer, und ihre sanftgerötheten Wangen zeigten jenes zartgetönte Bronzccolorit, wie es den schönen Frauen jüdischen Stammes eigen ist. Das blonde Lockenköpfchen des Kindes bildete einen reizenden Gegensatz zu der dunklen Schönheit der Mutter. „Wünschen Sie meinen Mann zu sprechen, Herr Graf?" fragte die junge Frau mit einer tiefen, klangvollen Stimme. „Jawohl, Frau Hirschfeld. Ist er zu Hause?" „Ich denke, er wird in seinem Arbeitszimmer sein. Darf ich Sie dort hinführen?" „Wenn Sie die Güte haben wollen, würde ich Ihnen sehr verbunden sein", war die höfliche Antwort. Die hohe Frauengestalt wandte sich an seiner Seite dem Hause zu, dessen Heller Giebel über die Bäume herüberschaute. „Noch nicht 'reingehen, Mama!" bat das Kind in weiner lichem Ton. „Wir gehen gleich wieder in den Garten zurück, Selma, komm', sei artig!" tröstete die Mutter. „Selma heißt die Kleine?" wandte sich der Graf freundlich zu dem Kinde und streichelte die blonden Löckchen. „Sie sieht dem Vater recht ähnlich", bemerkte er. Die dunklen Augen der jungen Frau leuchteten auf: „Ja, das ist mein ganz besonderer Stolz!" Die kleine Selma hatte mittlerweile an der glänzenden Uniform des Officiers Gefallen gefunden und griff lachend mit den kleinen dicken Patschhändchen nach den blanken Knöpfen. Frau Hirschfeld hatte Herbert in das Sprechzimmer geführt und ihn gebeten, Platz zu nehmen. Es war ein Helles, freundliches Parterrezimmer, einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. Hier empfing Herr Hirschfeld die Herren, die ihn zu sprechen wünschten. Herbert warf sich in einen Sessel und lauschte auf die sich entfernenden Schritte der Hausfrau. Er hörte, wie sie mit ihrem Kinde lachte und tändelte, dann eine Thür öffnete und freundlich hineinrief: „Schatz, bist Du da?" „Ja, meine Rahel, das ist lieb, daß Du mich besuchst —" dann verhallten die Stimmen, sie hatte wohl die Thür geschlossen. Was für rin schönes, friedliches Leben diese Leute führen mochten! Wie unendlich beglückend muß es sein, ein treues Weib an seiner Seite walten zu sehen, die dem Gatten nach des Tages Last und Hitze die Falten auf der Stirn glättet und ihn mit sorgender Liebe und freundlichem Glück umgiebt! Ja, er wollte es diesem glücklichen Menschen gleichthun, wollte ein holdes junges Weib an seine Seite fesseln! Bei Gott, es sollte Alles anders werden! Das zügellose Junggesellenleben konnte solch inneres Glück doch nie gewähren! Die Thür öffnete sich ein wenig, und die kleine Selma schlüpfte herein, um sich zutraulich an das Knie des jungen Officiers zu schmiegen. „Wie heißest Du?" fragte sie ernsthaft. „Nenne mich Onkel Herbert", antwortete der Graf lachend und sich zu dem Kinde niedcrbeugend. „Onkel Herbert, Du hast so einen schönen Rock an!" und sie schlang ihr weiches Aermchen um seinen Hals. Herbert hob sie auf sein Knie und plauderte freundlich mit dem aufgeweckten Kinde. Da trat Herr Hirschfeld ein und begrüßte seinen Gast mit verbindlicher Verbeugung, jedoch ohne die Unterwürfigkeit, mit der Beitel ihn zu empfangen Pflegte. Hirschfeld war ein noch junger Mann mit weltmännischen Manieren, die er sich im Umgänge mit den Großgrundbesitzern seiner Kundschaft angeeignet hatte. Sein blondes Haar und die offenen grauen Augen verleugneten fast seine israelitische Abstammung. Als er den Grafen in so freundlichem Verkehr mit seinem Kinde erblickte, glitt ein freudiges Lächeln über sein Gesicht. „Nun mußt Du uns aber verlassen, Selma, ich habe mit dem Herrn Grafen zu sprechen", ermahnte er. „Bitt' schön, Papa, Selma darf hier bleiben bei Onkel Herbert", und sie sah mit großen, flehenden Augen zu ihrem Vater auf. Auf des Grafen liebenswürdige Verwendung ward es ihr gestattet. Herbert bekannte nun Herrn Hirschfeld rückhaltlos seine Lage, die Summe seiner Schulden, die 10000 Thaler betrug, wie die ihm in Aussicht stehende Erbschaft von 20000 Thalern, und bat ihn mit bewegten Worten um seine Hilfe zum völligen Arrange ment seiner Verhältnisse. „Selbstverständlich verlange ich die Summe nicht ohne jede Garantie von Ihnen", fuhr Herbert fort, „ich würde Ihnen die Testamentsabschrift meines Onkels zur Einsicht und schriftlich mein Ehrenwort geben, daß ich die Summe mit Zinsen zurück zahlen werde, spätestens drei Monate, nachdem ich Rittmeister geworden bin, was in zwei Jahren zu erhoffen ist. In Ihrer Hand liegt mein Schicksal." Herr Hirschfeld blickte nachdenklich vor sich hin und zuckte bei den letzten Worten des Grafen leicht die Achseln. Eine kleine, für Herbert unendlich beklemmende Pause trat ein, bis der Ge schäftsmann antwortete: „Ihr Vertrauen, Herr Graf, ehrt mich ungemein, und mit Freuden würde ich Ihnen zu Diensten stehen. Wenn Sie aber die Sache objectiv betrachten, müssen Sie mir zugestehen, daß, so fest ich von Ihrer Ehrenhaftigkeit überzeugt bin, ich Ihnen ohne sichere Bürgschaft nicht helfen kann. Wer steht mir dafür, daß Sie, Herr Graf, ob Sie die Erbschaft er leben oder nicht, nicht neue Schulden auf die alten häufen?" „Aber Herr Hirschfelv!" fuhr der Graf aufgeregt dazwischen, „wo soll ich in aller Welt sichere Bürgschaft hernehmen?" „Nun, ich bin zufrieden, wenn Ihr Herr Vetter, der Baron von Echtersloh, gutsagt, oder wenigstens einer Ihrer Herren Kameraden." „Ich habe Ihnen schon gesagt, daß mir mein Vetter nicht helfen will, und einem Kameraden kann und mag ich das Opfer nicht zumuthen. Ich muß dafür sorgen, daß meine Lage im Regiment unbekannt bleibt." Herbert schwieg beklommen. Er war verloren, wenn Hirsch feld nicht half! Noch einen letzten Versuch wollte er machen! Er trat dicht an ihn heran, legte ihm schwer die Hand auf die Schulter und sagte mit leiser Stimme: „Herr Hirschfeld, wenn Sie mir jede Hoffnung nehmen, so bin ich nicht allein der Ver zweiflung preisgegebcn. Noch ein anderes Geschöpf wird un glücklich,'ein holdes, liebreizendes Wesen: Meine Braut Louison Gerard, die Freundin Ihrer Gattin!" Unwillkürlich streckte Hirschfeld dem Grafen beide Hände hin und ein Strahl aufrichtiger Freude verklärte seine Züge: „Mademoiselle Gerard!" rief er, „ich gratulire von Herzen, Herr Graf, sie ist ein herrliches Mädchen!" „Und bleiben Sie unter diesen Verhältnissen noch immer un erbittlich, Herr Hirschfcld?" fragte Herbert gespannt. „Es thut mir doppelt leid um Sie, Herr Graf, und um Ihre liebreizende Braut, die uns so oft ein lieber Gast ist; ich würde Ihnen gern helfen! Wenn ich nur einen Ausweg wüßte! Aber ich habe Weib und Kind, für die ich sorgen muß, und es wäre ein Raub an ihnen, wollte ich rin so großes Capital unsicher stellen." Herbert ließ den Kops sinken, nahm mit finsterer Miene die Mütze und wollte sich verabschieden. „Sie lassen mir also keine Hoffnung, Herr Hirschfeld?" „Nun, wir wollen die Sache noch nicht verloren geben, Herr Gras", erwiderte dieser, „ich werde es mir überlegen. In den nächsten Tagen hören Sie von mir. Thun Sic nur bis d^hin
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