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Großenhainer Unterhaltungs- & Anzeigeblatt : 18.11.1873
- Erscheinungsdatum
- 1873-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id38343789X-187311180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id38343789X-18731118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-38343789X-18731118
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungGroßenhainer Unterhaltungs- & Anzeigeblatt
- Jahr1873
- Monat1873-11
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Redaction, Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. L8V» Dienstag, den 18. November )et rr, ?et >et !t- >et et et n // c. len n., nd Abonnement: Vierteljährlich 10 Ngr. >es te, i- :rk i. p Inseratenannahme: Bis Tags vorher spätestens früh 10 Uhr. triebenen Arbeiter wieder über das Land zerstreuen, die Arbeitslöhne von ihrer unnatürlichen Höhe sinken machen, sie wird die Kapitalien wieder in andere Bahnen lenken und das übermüthige Geldprotzerthum wieder in seine Schranken zurückweisen. Genug, diese Krisis ist eine 'große sittliche Reinigung und ein Regulator der wirthschaftlichen Bewegung. Möge sie uns zur Lehre und Besserung dienen, um nie wieder in die falschen Bahnen einer unnatürlichen Concentration des Kapitals und Credits an der Börse zurückzugleiten. Erscheinen: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend mit Ausschluß der Feiertage. Inseratenpreis: Für den Naum einer Spalt zeile 1 Ngr. Politische Weltschau. Für die Gesundheit eines Staates giebt es kein besseres Zeichen, als eine recht farblose Thronrede, welche gewisser maßen dem ruhigen Pulsschlag zu vergleichen ist. Die Thronrede, womit in voriger Woche der pr eußische Landtag eröffnet wurde, besitzt diese Eigenschaft in ziemlich hohem Grade. Zunächst constatirt sie die günstige Finanzlage des Staates, welche neben der Befriedigung laufender Bedürfnisse noch Ueberschüsse zu Neuschöpfungen und Verbesserung öffent licher Einrichtungen gestattet. Namentlich sollen davon Stromregulirungen und Kanalbauten bestritten werden. In diesen Ueberschüssen steckt unzweifelhaft auch die Zeitungs stempel- und Kalendersteuer, von deren Abschaffung die Thronrede keine Silbe erwähnt. Wir sollten aber denken, bei so ungerechtfertigten und ungerechten Steuern hätte die Staatsregierung, wenn sie in der glücklichen Lage ist, sich eines Überschusses rühmen zu können, vor Allem die Pflicht, jene Steuern abzuschaffen. Geschieht dies nicht, so muß die Volksvertretung ihre Schuldigkeit thun und unablässig auf Beseitigung dieser schädlichen Steuern hinwirken. Die Thronrede verheißt ferner die baldige Vorlage des Berichts der Eisenbahn-Untersuchungs-Commission und eines Gesetzes über das Concessionswesen. Inzwischen werden im Lande Stimmen laut, welche die Errichtung von Darlehnskassen fordern, um der „gedrückten Lage der Industrie" aufzuhelsen. Mit anderen Worten: man soll denjenigen Producenten, welche im Taumel des Gründungsschwindels die mannig fachsten Anlagen geschaffen haben, die Möglichkeit gewähren, mit dem Verkauf ihrer Producte zu warten, bis höhere Preise eintreten. Es ist wohl zu erwarten, daß weder im Finanzministerum noch im Abgeordnetenhause Neigung zu solchen Abenteuern vorhanden sein wird, mit denen man nur den Todeskampf wackliger Institute verlängern und die Lage der Gläubiger und Actionäre verschlechtern würde. Zu beklagen ist es, daß keine Vorlage über die Civilehe in Aussicht gestellt ist. Ohne Einführung der obligatorischen Civilehe kann und wird man der kirchlichen Wirren nicht Herr werden. Oft und erschöpfend genug ist von der Presse nachgewiesen worden, daß die Eheschließung auf bürgerlichem Wege alle Gründe der Vernunft und des natürlichen Rechtes für sich hat. Die Geistlichen selbst müssen zugeben, daß in der heiligen Schrift sich nirgends eine Stelle findet, welche ausschließlich die Priester mit der Eheschließung beauftragt. Das deutsche Volk wußte bis vor zwei, drei Jahrhunderten noch so wenig von einer zwangsmäßigen kirchlichen Ein segnung des Ehebundes, daß Luther noch in seinem Trau büchlein lehrte: „Die Ehe ist ein weltlich Ding." Aber abgesehen von diesen Gründen hat sich jetzt ein Nothstand erzeugt, welcher gebieterisch den baldigsten Erlaß eines solchen Gesetzes fordert. Nicht alle Katholiken stehen zum Unfehlbar keitsdogma. Nun hat zwar die preußische Regierung die Altkatholiken anerkannt, aber in wie vielen Orten war es bisher unmöglich, den Beitritt zu dieser staatlich anerkannten Kirchengemeinschaft zu bewerkstelligen! Und in wie vielen dieser Orte sieht sich der Staat genöthigt, ungesetzlich er nannten Geistlichen die Bestätigung zu versagen und die von ihnen vollzogenen Handlungen für null und nichtig zu erklären. Welche Verwirrungen müssen daraus für das ge- sammte bürgerliche Leben entstehen! Es kann auch nicht behauptet werden, daß Preußen mit Einführung der Civilehe ein gewagtes Experiment unternehmen würde; denn in den meisten Staaten Europas besteht diese Che schon lange und zwar zum großen Segen der Bevölkerungen. Die Frage wegen Erweiterung der Reichscompetenz auf das bürgerliche Recht, womit sich unsere sächsische I. Kammer bereits beschäftigt hat und die II. Kammer sich im Laufe dieser Woche beschäftigen wird, rief in der bairischen Abgeordnetenkammer eine äußerst lebhafte Debatte hervor. Die Freunde und Feinde des Reiches bekämpften sich mit den schärfsten Waffen ernster und humoristisch-beißender Natur. Völk empfahl seinen Antrag auf das wärmste; er hob hervor, nur das Reich sei im Stande, ein gemeinsames Recht herzustellen. Das bairische Ministerium wolle wissen, wie die Kammer in dieser Frage denke. Auch das Reich wolle endlich erfahren, wie man in Baiern gesinnt ist. Nach langem Hin- und Herwogen der Debatte erklärte der Justizminister, der Völk'sche Antrag sei ihm äußerst will kommen, um sich über die Angelegenheit offen auszusprechen. Wie die Sache jetzt liege, könne er nur aufrichtig wünschen, MmDSVlatt des Königlichen Gerichtsamts und Stadtraths zu Großenhain Börse und Staat. Das Geschrei nach Staatshilfe ertönt heute nicht allein aus dem Munde der Socialdemokraten, sondern Börsen männer und Speculanten erheben dieselbe Forderung. In Oesterreich hat sich auch wirklich die Regierung vor Monaten durch dies Geschrei verleiten lassen, die Baukacte zu sus- pendiren und sich zu einer Intervention zu entschließen. Es ist damit nichts weiter erreicht worden, als eine Verlängerung der Krisis. Auch in Deutschland treten derartige Forderungen auf; wo sie sich aber erheben, werden sie von allen Denen be kämpft, die an dem Börsenspiel unbetheiligt geblieben sind. Wenn jemals Klagen der Landwirthe über Mangel und Theuerung des Credits laut wurden, dann waren es gerade die Börsenmänner, welche immer schnell den Grundsatz bei der Hand hatten uud verfochten: „derartige Krisen müssen von Innen überwunden werden". Der Landwirth trägt aber die wenigste Schuld, wenn sich das Kapital der Land- wirthschaft entzieht, um an Agiotage und verheißenen hohen Dividenden theilzunehmen; er leidet unter der Manie, welche andere Leute ergriffen hat, und die er nicht zwingen kann, vernünftig zu sein. Wenn jedoch eine Börsenkrisis ausbricht, dann sind alle Diejenigen allein daran Schuld, die dem Kapitalmarkt entweder zu viel zugetraut, oder den Unter nehmern und Gründern zu viel Glauben geschenkt haben. Ihnen allen können wir auch nur zurufen: „derartige Krisen müssen von Innen überwunden werden". Daß schließlich einmal eine Katastrophe ausbrechen und große Verheerungen anrichten mußte, wußten Alle seit Jahr und Tag. Schon im Herbste vorigen Jahres wurde man hinlänglich gewarnt, als die preußische Bank die Wechsel Derer nicht mehr dis- contirte, die als besonders eifrige Gründer galten. Im December 1872 erfolgte schon ein Rückgang der Course. Aber mit dem neuen Jahre ging man wieder frisch ins Zeug, als müßte die Calamität mit aller Gewalt vergrößert werden. Da krachte es zuerst in Wien, dann krachte es in Berlin und zuletzt krachte es auch bei uns. War je eine Börsenkrisis eine selbstverschuldete, so ist es diese. Man ging mit einer Leichtfertigkeit, mit einer absichtlichen Ver nachlässigung aller Eigenschaften, die bei Leitung großer Geldinstitute unumgänglich sind, in die Geschäfte hinein, wie eö in dem sonst so vernünftigen und besonnenen Deutsch land wohl noch niemals vorgekommen ist. Und da sollte nun der Staat interveniren, da sollte er das Vertrauen wieder aufrichten, nachdem es abhanden ge kommen? Verdienten denn überhaupt alle diese Unter nehmungen von vornherein Vertrauen? Mußte nicht die Ueberstürzung aller möglichen Projecte ein ganz gerechtfertigtes Mißtrauen Hervorrufen? Hätte man damals von Staats wegen zur Vorsicht gemahnt, wie laut würden die Börsen leute geschrieen haben über unberechtigte Eingriffe in das wirthschaftliche Leben, über den Unverstand, die neue Aera vom grünen Tische her zügeln zu wollen! So wie damals die Ueberspeculation nicht gestört sein wollte, so muß man auch heute ihr überlassen, die Folgen ganz allein zu tragen. Der Gesundungsproceß kann nur dann normal verlaufen, wenn alle nothwendigen Consequenzen der Ueberspeculation zur ungestörten Entwicklung kommen. Es darf nicht durch Hilfe von Außen her der Schein erweckt werden, die Krisis sei vorüber, wie schon vor Monaten in Wien. Nein, über lasse man die Krisis sich selbst, dann werden wir mit der Zeit wieder zu gesunden Zuständen gelangen. Unzweifelhaft sind die Verluste schwer zu beklagen, denen die Einzelnen unterliegen, die an dieser tollen Jagd nach dem Glück Theil nahmen. Die Weltordnung straft alle Ausschreitungen streng, aber gerecht. Unter schweren Opfern lernen wir die hohe sittliche Wahrheit wiederfinden, daß uns nur das gehört, waswir durch täglich saure Arbeit erwerben und daß der leichtfertige Gewinn weder für den Einzelnen noch für die Nation eine Vermehrung des Wohlstandes ist, sondern gerade so flüchtig vergeht, wie er entstand. Wie gewonnen, so zerronnen! Es ist kein natürlicher Zustand, wenn das halbe Nationalvermögen der Börse anvertraut wird, wenn über den Credit der Handel- und Gewerbtreibenden wie der Landwirthschaft an der Börse entschieden wird. Die Börse traute sich unbegrenzte Kräfte zu; Alles sollte von ihr abhängig werden; Kapital und Credit wollte sie concentriren, aber Kapital und Credit dürfen in solcher Weise nicht concentrirt werden. Was war die Folge dieser Bestrebungen? Gründungen ohne Maß und Ziel, Vertheuerung der Arbeitslöhne und Rohstoffe, Ent- werthung des Geldes, überflüssiger Credit nach der einen, knapper und Lheurer Credit nach der anderen Seite. Die Erschütterung des Riesenbaues ist zugleich die Rück kehr zu gesunderen Grundsätzen und zu normalerer Wirth- schaft. Darum soll man die Krisis nicht aufhalten. Sie wird wieder eine größere Decentralisation des Kapitals und Credits herbeiführen, die Selbstverwaltung in ihr Recht einsetzen, sie wird die in die großen Städte zusammenge daß die Kammer den Antrag nicht zu einer fruchtlosen Ver neinung verurtheilen möge. Die gemeinsame deutsche Gesetz gebung sei die idealste Frucht der wiedergewonnenen Einheit. Nach dieser mit großem Beifall aufgenommenen Rede fand Völk's Antrag Annahme. Im österreichischen Reichsrathe sind die finanziellen Vorlagen eingebracht worden. In der That will die Re gierung ein Silber-Anlehen von 80 Millionen Gulden aufnehmen, um der Börse zu Hilfe zu kommen. Als Zweck dieser Credit-Operation wird ausdrücklich die Hinausgabe von neuen Banknoten bis zum gleichen Betrage bezeichnet, dazu dienend, erstens den Eisenbahnbau zu fördern, dann den Handel und die Industrie mittelst Vorschußkassen zu unterstützen. Der Börse wird also theils direct, theils indirect unter die Arme gegriffen; letzteres dadurch, daß die Vorschußkassen ermächtigt werden, alle möglichen Pa piere in Kost zu nehmen. Diese Finanzmaßregeln begegnen in den Wiener Blättern einer ausnahmslos ungünstigen Kritik, freilich aus sehr verschiedenen Beweggründen. Die einen tadeln, daß der Staat der bedrängten Börse zu Hilfe kommen wollte; die anderen, daß er ihr nicht längst schon zu Hilfe gekommen fei; alle aber sind darin einig, die gegenwärtige Situation für eine überaus trostlose zu be zeichnen. Das Reich ist in seinem Wohlstände erschüttert und seufzt unter dem doppelten Drucke der Mißernten und einer beispiellosen wirthschaftlichen Katastrophe. In der Schweiz hegt man jetzt die besten Hoffnungen auf das Zustandekommen des Revisionswerkes, nachdem die Beschlüsse des Nationalraths in der Militärfrage die Grund lage zur Verständigung gelegt haben. Was die kirchlichen Zustände aulangt, so ist anzuerkennen, daß das Vorgehen der Berner Regierung im Jura an Entschiedenheit nichts zu wünschen übrig läßt. Die Nachrichten aus Italien stimmen darin überein, daß in der Umgebung des Papstes jetzt eine trübe Stim mung herrscht. Pius IX. ist namentlich durch den Passus der österreichischen Thronrede, welcher auf das Verhältniß der Kirche zum Staate nach factischer Beseitigung des Con- cordats Bezug nimmt, sehr schmerzlich berührt worden. Aus Frankreich ist noch immer keine Entscheidung zu melden. Die Confusion der Bestrebungen, Pläne und Jntriguen aller Parteien dauert fort und es ist uns un möglich, den rochen Faden einer vernünftigen Entwicklung darin zu erblicken. Ein Theil der Legitimisten will gegen die Verlängerung der Gewalten Mac Mahon's stimmen, um keine festen Verhältnisse aufkommen zu lassen, weil sie hoffen, daß das gepeinigte Frankreich dann endlich sich dazu entschließen werde, den „Roh" zurückzurufen. Ein anderer Theil, zu welchem die Bonapartisten halten wollen, soll beabsichtigen, nur dann die Verlängerung zu bewilligen, wenn ausdrücklich erklärt wird, daß der Titel eines „Prä sidenten der Republik" in dem Gesetz als ein provisorischer bezeichnet werde. Dagegen hat das linke Centrum den ent schiedenen Willen, dem Provisorium ein Ziel zu setzen, und erklärt sich bereit, die Präsidentschaft Mac Mahon's zu verlängern, indem sie das Gesetz der Verlängerung mit der schnellen Organisation der Gewalten der Republik eng verknüpft. Ob nun die Verlängerung auf 10, 7 oder 5 Jahre, vielleicht auch auf noch kürzere Zeit ausgesprochen werden wird, verdeckt noch Alles der Schleier der Un gewißheit. Eine zwischen Spanien und Nordamerika ent standene Verwicklung nimmt unter den auswärtigen Nach richten unstreitig den ersten Platz ein. Wie bekannt, ist die westindische Insel Cuba schon seit länger als einem Jahre im vollen Aufruhr "gegen die spanische Herrschaft begriffen; und noch viel länger blicken die Aankees mit verlangenden Augen nach dem schönen Eiland hinüber, der Perle der Antillen, die von den unendlichen Gebieten, welche Spanien noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in der neuen Welt besaß, fast das einzige Ueberbleibsel ist. In diesen Tagen nun hat die thörichte Verblendung der spanischen Negierung den Nordamerikanern einen willkom menen Vorwand zur Einmischung in die cubaischen Ver hältnisse gegeben. Ein spanisches Kriegsschiff nahm nämlich das nordamerikanische Fahrzeug „Virginius" weg, an dessen Bord eine Anzahl von der spanischen Regierung in eon- tumaeium zum Tode verurtheilter cubaischer Insurgenten sich befand. Auf Befehl des spanischen Gouverneurs wurde der Capitän und 48 jener gefangenen Leute erschossen. Ver gebens hatte die Washingtoner Regierung in Madrid gegen die Ausführung der Hinrichtungsordre protestirt und einen solchen Act als ein Vergehen gegen die Menschlichkeit und Civilisation sowie einen Schimpf für die Vereinigten Staa ten bezeichnet; die Hinrichtung der Gefangenen wurde voll zogen, angeblich weil wegen einer Störung des transatlan tischen Kabels der Aufschubsbefehl aus Madrid zu spät kam. Wir können zwar nicht beurtheilen, ob die Spanier mit ihrer immerhin brutalen That nach formellem Rechte ver- j fahren sind, klug aber war es sicher nicht, das mächtige Großenhainer WechMlilgs-MAnzchedlÄ
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