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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-188206158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18820615
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18820615
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1882
- Monat1882-06
- Tag1882-06-15
- Monat1882-06
- Jahr1882
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.06.1882
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Erscheint jedeu Wochentag Abend» S lHr für den I DK andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2ü Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. u. eimnonatl. 7b Pf. 34. Jahrgang. . Donnerstag, de» 15. Jnni. und Tageblatt. Amtsblatt ftir die königlichen and städtischen Behörden zn Freiberg and Brand. Verantwortlicher Redakteur Julin« Brann in Freiberg. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom» men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile j g oder derm Raum 1b Pfennige. Tagesschau. Freiberg, 14 Juni. Die Monopol-Debatte wurde auch gestern vom Reichs tage noch nicht zu Ende geführt, vielmehr auf heute ver tagt. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes ßeben wir die Verhandlung in möglichster Ausführlichkeit wieder. Der Abgeordnete Richter bezeichnete zunächst die vor gestrige Rede des Fürsten Bismarck als eine bloße Kopie des Plaidoyers, welches er am 7. Mai 1879 für das damals in Vorbereitung begriffene Zolltarifgesetz gehalten Es hat sich, sagt Redner, bei dem Herrn Reichskanzler eine gewisse stereotype Rede ausgebildet, die er immer hält, wenn es sich darum handelt, neue Steuern zu er langen, dann wird immer dec Druck der bestehenden Steuern hcrvorgehobcn, und uns eine Perspektive eröffnet, als ob durch die neuen Steuern alte, drückende Steuern beseitigt werden sollen, und daß das mangelnde Vcrständ- niß der parlamentarischen Vertreter diese wohlwollende Absicht der Regierung verhindere. Wenn die Rede des Herrn Reichskanzlers im Jahre 1879 dazu beigctragen, die Bewilligung neuer Steuern im Betrage von 130 Mil lionen herbcizuführen, so muß dieselbe Rede, heute wieder holt, auch auf Andere als uns einen ganz anderen Ein druck machen; denn heute haben wir schon die Probe, was von all' den Versprechungen übrig bleibt, die wir damals vernommen haben. Fürst Bismarck sagt, wir wollen eine Politik, bei der der Steuerexekutor nicht immer nebenhergcht. Das sagte er auch damals, und der Ctcucrexekutor geht heute ebenso umher, wie damals. Wir würden also in einiger Zeit dieselben Erfahrungen machen, wie früher. Wenn die Statistik richtig ist, die der Reichskanzler vorgestern vorgetragen, so wird jetzt noch mehr exekutirt als früher, und es scheint, als ob die Bewilligung der 130 Millionen neuer Steuern die Ursache ist, daß die Exekutionen sich in dieser Weise vermehrt haben, denn gerade die Mindcrwohlhabenden, die Armen sind es, auf welche die neuen Steuern vorzugsweise drücken. Wenn das Petroleum um 6 Pfennig, das Pfund Schmalz um 5 Pfennig durch den Zoll vertheuert wird, ist cs da ein Wunder, wenn am Schluffe des Monats das Geld für die Klasscnsteuer fehlt? Fürst Bismarck kennt die ganze Klasscnsteuer nicht, wenn er sagt, es sei eine Kopfsteuer, die sich nicht nach dem Einkommen richtet. Fürst Bismarck meint, die Klaffenstcuer sei an der Aus wanderung Schuld, und doch besteht diese Steuer in Preußen seit 60 Jahren und zwar aus jener Hardenberg- schen Zeit, die der Reichskanzler so sehr empfiehlt. Die in Amerika bestehenden Schutzzölle sollen die Auswanderung veranlaßt haben und doch geschehe diese Auswanderung in einem Augenblick, wo wir der Segnungen des Schutzzolles ebenfalls theilhaftig werden. Der Herr Reichskanzler kennt die Verhältnisse nicht. Wer wandert denn aus? Sind cs denn nicht Leute, die sich von der Landwirthschaft ernähren oder solche, welche gar keine Klassensteuer bei uns zahlen? Glauben Sie doch nicht, daß, wenn wir heute das Tabakmonopol bewilligen, es damit abge macht ist; was der Kanzler gestern und heute versprochen hat, dazu reichen fünf Tabakmonopole nicht aus, dazu würden 500 Millionen erforderlich sein. Wenn die Kommunen heute damit umgehen, eigene indirekte Steuern bei sich zu erheben, so ist das kaum verwunderlich, denn cs ist doch richtiger, das Geld zu erheben, und es erst an das Reich abzuführen, wo doch überall etwas hängen bleibt. Was würde beispielsweise die Stadt Berlin von dem Monopol haben? Höchstens 2 Millionen Mark, während die geschwächte Klassen- und Miethssteuer 14 Millionen cinbringen. Wir können hier bewilligen, was wir wollen, der Stcuerexekutor wird doch bei uns aus- und eingchen. Fürst Bismarck hat das Bedürfniß gefühlt, hier eine Wahlrede zu halten. Aber ich glaube nicht, daß er mit dem Programm, welches er für den preußischen Landtag aufgestellt hat, viel Glück haben wird. Wenn der Reichskanzler sagt, er wolle dem Steuerdruck abhelfcn, so sind wir auch dabei, aber wir verlangen erst die Er- süllung der alten Versprechungen, wir verlangen dies auf Grund der bereits erfolgten Steuerbewilligungen. Während wir neue Reichssteuern bewilligen sollen, arbeitet man im preußischen Staatsministerium an neuen Staatssteuern; durch Einführung der indirekten Steuern sollen sogar die 14 Millionen wieder eingebracht werden, welche den Steuerzahlern soeben erlassen worden sind. Man fragt, woher die Mittel genommen werden sollen? Eine gute Ernte bringt Mes wieder ein und wiegt alle Wirth- schaftssysteme auf. Redner exemplifizirt auch die ein zelnen Zweige der preußischen Verwaltung, um zu zeigen, daß die Einnahmen im steten Steigen be griffen sind. Das gegenwärtige Steuer-System ist noch gar nicht durchgeführt und wird, wenn es durchgcführt sein wird, noch 50 Millionen ergeben. Die Minimalschätzung der Erträgnisse aus den Zöllen ist jetzt bereits übertroffen worden. Die Resolution Lingens ver langt nichts weiter als angemessene Sparsamkeit, sie weist jede abenteuerliche Politik zurück, sie heischt Sparsamkeit des Etats auch beim Militäretat, bei welchem der Luxus der Kasernen, der Kasinos, der Dienstwohnungen beseitigt werden soll. Die alte preußische Sparsamkeit, die Preußen groß gemacht hat, ist unter den Milliarden bei den Behörden vielfach verschwunden, und diese muß wieder zur Geltung gebracht werden. — Die Resolution Lingens lehnt das ganze bisherige System ab, insbesondere das, was der Kanzler seine Reform nennt, das System von den angemessenen Verbrauchssteuern. Der Plan des Reichs kanzlers bedeutet nichts anderes, als eine Verschiebung der Lasten von den Wohlhabenden auf die Minderwohl- habcnden, auf die ärmeren Klassen. Das ist der Kern der ganzen Reform, das ist das Volksschädlichc der jetzigen Politik. Wer noch im Zweifel gewesen ist über die An nähme der Resolution Lingens, der muß nach der vor gestrigen Rede des Reichskanzlers von dem Zweifel zurück- kommen sein. Wenn der Reichskanzler dem Abgeordneten hause den Borwurf macht, daß es das V-wwendungsgesetz nicht gehörig durchberathcn habe, so ist doch darauf auf merksam zu machen, daß die Regierung 14 Monate ge braucht hat, um das Gesetz durchzuberäthen. Wenn die Regierung nicht hexen konnte, so konnte dies das Abge ordnetenhaus auch nicht. Der Herr Reichskanzler scheint überhaupt nicht mehr mit einem selbständigen Parlament arbeiten zu können. Wenn er sagt, der preußische Land tag sei der Auflösung Werth, so möchte ich ihn fragen, warum löst er den Reichstag nicht auf? Wir sind ja doch viel schlechter. Hat der Reichskanzler mehr Zutrauen zu dem Drciklaffcn-Wahlsystem, diesem elendesten, wider sinnigsten aller Wahlgesetze? Der Ton, den vorgestern der Reichskanzler gegen den Landtag angeschlagen, führe auf den Weg der Vergewaltigung. Kein Monarch hat von der Volksvertretung in diesem Tone gesprochen, wie dieser Staatsmann, der doch der Volksvertretung verant wortlich ist. Gerathen wir in Preußen zu einem Konflikt, so wird er auch das Reich ergreifen, und die Verantwor tung dafür trifft die Mittelparteicn. Der einzige Gerechte vor dem Reichskanzler ist nur noch der Ägeordnete v. Ludwig (Heiterkeit), das ist das Ideal eines Bolkver- treters für den Herrn Reichskanzler. Fürst Bismarck führe wieder wie im Jahre 1847 die Sprache des Absolu tismus. Das Heil der Dynastien aber ruhe beim Volke. Wir vertreten hier die Interessen des Volkes, des Vater landes und auch des Königs, dem wir nicht weniger dienen, als der Kanzler. (Lebhaftes Bravo links, Zischen rechts.) Staatssekretär Scholz erwicdert dem Vorredner, daß der Reichskanzler begründete Veranlassung hatte, auf das zurückzukommen, was er schon 1879 gesagt. Diese Rede Richter's wäre übrigens heute nicht gehalten worden, wenn die vorgestrige Rede des Reichskanzlers nicht großen Ein druck hervorgcbracht hätte. Durch die Reden der Oppo sition zieht sich auch der rothe Faden der angeblichen Versprechungen, wogegen der Kanzler wiederholt protestirt hat. Mit den 130 Millionen bewilligter Steuern lassen sich die ins Auge gefaßten Ziele nicht erreichen, für welche mindestens 200 Millionen erforderlich sind. Es wird an der Erfüllung der Versprechungen gearbeitet, das beweisen die Steuererlasse rc. Auch hat der Kanzler darauf hin gewiesen, daß in Folge der Zölle die Exekutionen zurück gegangen sind. Es wird dem Abg. Richter und seinen Freunden schwer werden, in der Wahlkampagne auf die Theorie sich zu stützen, daß erst die alten Versprechungen erfüllt werden müssen, ehe neue Steuern bewilligt werden können. Redner bezweifelt ferner, daß Richter genaue Kenntniß von den neuen preußischen Steuergcsetzen habe. Wenn der Ueberschuß des laufenden Jahres sich schon jetzt als günstiger darstclle, als er (Redner) bei der Bcrathung des Etats anzugebcn vermocht, so müsse doch dahin ge wirkt werden, daß auch für 1883/84 die Matrikularbeiträge nicht erhöht zu werden brauchen. Redner geht ferner auf die von Richter für die Resolution Lingens angeführten Gründe näher ein und führt aus, daß die Regierung an angemessener Sparsamkeit es niemals habe fehlen lassen. Der Kanzler hat stets abgeleugnet, die Worte „Gewalt gehe vor Recht" gebraucht zu haben. Abg. von Min nigerode ist für das Monopol. Charakteristischer Weise tritt auch bei ihm oie Bertheidigung desselben weit hinter die allgemeinen Gesichtspunktes der Steuerreform in Verbindung mit der Sozialreform zurück. Ob diese Ziele durch eine Mehrbelastung des Tabaks oder auf andere Weise erreicht werden, steht für den Redner erst in zweiter Linie, wenngleich er den Tabak als ein Genußmittel par sxesllöncs zunächst für befähigt hält, zu den bedeutenden Leistungen zu dienen, die ihm zuacmuthet werden. Redner verthcidigt das System des Kanzlers gegen die Entstellungen, wie er sich ausdrückt, die Herr Richter gebraucht. Der Letztere wolle nur Unruhe und Aufregung, um den Boden für fortschrittliche Wahlsiege bereit zu machen. Aber selbst ein ganz fortschrittlicher Reichstag würde ihn, den Redner, nicht schrecken, und noch weniger vermuthlich den Fürsten Bismarck. Ucber den Patriotismus der Fortschrittspartei könne man, zumal nach dem Beispiel, welches die Koufliktszeit geboten, das Urthcil getrost der Geschichte überlassen, und wenn die Herren Richter und Genossen längst nicht mehr genannt werden, dann würden die unsterblichen Verdienste des Fürsten Bismarck noch im Munde der Nachwelt leben. Zur Sache erklärte Herr v. Minnigerode, daß ein Theil seiner politischen Freunde für, die Hälfte etwa gegen das Monopol stimmen würde. » Abg. Windthorst verwahrt sich im Eingänge gegen die Insinuation, als ob er die Entscheidung über die Monopolfragc habe verzögern wollen, vielleicht um für Kompromisse auf anderen Gebieten Zeit und Raum zu gewinnen. Nie sei ihm Derartiges eingefallen. Ich wünschte nur — so fuhr der Redner fort — daß die Sache gründlich erörtert werde, und ich wollte namentlich hindern, daß die Fortschrittspartei das Monopol bei den Wahlen wieder so ausnutzt, wie sie es bisher gethan. Ich kann weder die Kommissionsbcrathung, noch den vor liegenden Bericht als objektiv bezeichnen; es liegt keine objektive Berechnung der Entschädigung und ebenso keine Erläuterung über die Frage vor, wie weit die neue Steuer auf das Gewerbe der Tabakintereffenten eingcwirkt hat, und gerade diesen Punkt ausführlich zu erörtern, wäre nothwcndig gewesen. Wenn Sie diese Untersuchungen unterlassen, so sage ich Ihnen im Voraus, daß daraus das stärkste Argument für die Wiedereinbringung des Monopols angeführt werden wird. Wenn die Regierung mit dem Monopol wieder kommt, wird man begreifen, daß es richtiger gewesen wäre, wenn man dem Rathe des alten Windthorst gefolgt wäre (Heiterkeit). Ich habe keinen Verzicht des Reichskanzlers auf das Monopol ver nommen und ich möchte deshalb in dieser Beziehung keine Illusionen aufkommen lassen. Wir Gegner des Monopols hatten also alle Ursache, die Sache gründlich zu prüfen, und die Fabrikanten mögen es sich gesagt sein lassen, die heutige Diskussion ist das Ende nicht. So lange eine Erklärung der Regierung nach dieser Richtung nicht vor liegt, so lange wird eine Beruhigung nicht eintreten. Das ist aber ein großer Schaden für eine große Industrie und für die weitere ruhige politische Entwickelung. Im In teresse einer gesunden ruhigen konservativen Politik möchte ich deshalb noch einmal an den Herrn Reichskanzler die Bitte richten, offen und bestimmt zu erklären: „Nach dem ablehnenden Votum trete ich von dem Mo nopol zurück." Redner bespricht sodann das neuliche Votum des Reichstages bezüglich der weiteren Erhöhung der Zölle auf einige Artikel und stellt eine Wiederholung der Vorlage in Bezug auf Honig und Schiefer in Aus sicht. Er halte den Gedanken des Reichskanzlers für sehr bedeutend, aber er thcile denselben nicht und glaube auch nicht, daß er sich in diesem Leben zu der Ansicht des Kanzlers bekehren werde. Zahlreiche Leute würden durch das Monopol brotlos, viele Existenzen vernichtet werden. Vorzugsweise aber würden unsere Hansastädte unter dem Monopol leiden, ein Menschenalter würde nicht ausreichen, diesen Schaden wieder gut zu machen. Gerade aber für Norddcutschland seien die Hansastädte von der größten Wichtigkeit. Denken Sie sich dieselben hinweg und Sie werden sehr bald, namentlich in Hannover, die Folgen desselben empfinden. Die Hansastädte sind die Ammen des Handels, die den Handel überhaupt ernähren. Was die Auswanderung anlange, so sei es zum Theil der Steuerdruck, der die Leute von hier forttreibt, dann aber auch, weil man es in Deutschland Vielen unmöglich ge-
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