Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.05.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980518014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-18
- Monat1898-05
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
DK Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Au-gabe Wochentags um b Uhr. Ar-actt-» «»- Lr-e-Üir«: A*tzemne-g«ss« 8. DK Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filiale«: Vtt» Klemm'» E-rttm. (Alfred Huhn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), «-»iS Lösche, Aatharinenstr. 14, Port, und König-Platz 7. Bezugs-Preis 1» tztk Hauptexpedition oder de» im Stadt bezirk nutz de» Vororten errichteten Aus- aabestrllea » bg « holt: vierkljährlich 4L0, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hai»- ü.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^ll 6.—. Direkte tägliche Areuzbandsendung in» Au-land: monatlich 7.Ü0. 2^8. Morgen-Ausgabe. MpMer TaMM Anzeiger. Amlsvlatl -es Köitigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aattjes und Notizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Auzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactiou-strich (-ge spalten) 50^Z, vor den Aamiliennachrichlea («gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichn^. Tabellarischer und Zisserasap nach hül-erem Tarif. ltextra-Vrilagktt (gesalzt), our mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poftbesörderuiig ^l 60.—, mn Poslbefürderuug Al 70.—. —-o—c>— Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Amwhincslellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 18. Mai 1898. 92. Jahrgang. Die „stärkere Gruppe". Sä In der kurzen Spanne Zeit, die verflossen ist, seit Lord Salisbury die Geschäfte wieder übernommen hat, ließ er sich zweimal recht pessimistisch über die „verantwortlichen und delikaten Situationen" aus, in die England wegen der gegenwärtigen und wegen künftiger Umgestaltungen in ver schiedenen Theilen der Welt verwickelt werden könnte. Ebenso pessimistisch beurtheilteder englische Colonialminister Chamber lain vor seinen Wählern in Birmingham die auswärtige Lage Englands, ja, Chamberlain erklärte im Grunde ge nommen den Bankerott Großbritanniens gegenüber Rußland, wenn eS gegen letzteres keinen Verbündeten auftreibrn kann. Um so seltsamer muthet die Sorge an, die ein Organ Lord Salisbury's, die „Morning Post", über die Stellung Deutschlands zu empfinden sich den Anschein aiebt. Die „Morning Post" hält den Dreibund für erschöpft, weil Oesterreich zerrissen, Italien durch heimische Wirren gelähmt sei, und folgert daraus, daß Deutschland, eingeklemmt zwischen Frankreich und Rußland, mit diesen beiden Mächten eine Verständigung suchen müsse, sofern eS nicht in einer „stärkeren Gruppe" Platz finde. Als die „stärkere Gruppe" erscheint der „Morning Post" die Verbindung Englands und der Vereinigten Staaten mit Deutschland; eine solche Gruppirung sei angezeigt durch die gemeinsamen Interessen Englands und der Vereinigten Staaten, die beide Deutschland stammverwandt seien und ihm weit näher ständen als irgend eine andere Macht. Betrachten wir die Ausführungen der „Morning Post" kritisch, so fällt zunächst das Urtbeil über Oesterreich und Italien auf. Es ist noch nicht lange her, da wurde die Bündnißfähigkeit der beiden Dreibunomächte in England ganz anders bewerthet. In der That hat die unleugbare innere Zerrissenheit Oesterreichs bisher seine Bündnißfähig keit vom Standpunkte des Dreibundes aus nicht beein trächtigt. Daß es auch in Zukunft nicht geschehe, darf man vom österreichischen Kaiserhause ebenso wie von dem Einfluß Ungarns auf die auswärtige Politik der öster reichisch-ungarischen Monarchie — nach dem ungarischen Ausgleichsgcsetz muß die auswärtige Politik unter der Einfluß nahme des ungarischen Ministerpräsidenten geführt werden — oor der Hand mit Bestimmtheit erwarten. Die „Lähmung" Italiens aber durch heimische Wirren, deren Bedeutung wir nicht verkennen, hat die Tüchtigkeit der italienischen Armee nicht herabgemindert; vielmehr ist in den Tagen schwerster Prüfung die unbeirrbare Manneszucht des italienischen Heeres zu rühmen gewesen. Mit der „Erschöpfung" des Dreibundes ist es also noch nicht so schlimm bestellt. Wäre es anders, dann brauchte das zwischen Frankreich und Rußland „eingeklemmte" Deutsch land die Verständigung mit seinen Nachbarn am Eude auch nicht zu fürchten. Interessengegensätze mit Rußland hat es weder in Europa noch in Asien; Frankreich ist allerdings durch den Gedanken an den Rachekrieg zu Deutschland in einen Gegensatz gerathen, hat sich aber deshalb nicht hindern lassen, in wichtigsten Angelegenheiten, wie beim chinesisch japanischen Kriege, Hand m Hand mit Deutschland zu gehen, oder sich mit Deutschland, wenn es sich um Collisionen, wie den Streit über das Hinterlanv von Togo, handelte, zu ver ständigen. Die „elsaß-lothringische Frage" selbst aber Frank reich lösen zu helfen, hat Rußland um so weniger Veran lassung, je mehr es Gefahr läuft, bei einer Lösung zu Gunsten Frankreichs des letzteren willfährige Gefolgschaft cinzubüßen — ganz abgesehen von der überragenden Wichtigkeit, die der ferne Osten für Rußland gewonnen bat. Von den „stammverwandten" Mächten der „stärkeren Gruppe", die uns nach der „Morning Post" weit näher stehen sollen, als irgend eine andere Macht, trennen uns in Wirklichkeit erhebliche Gegensätze wirlhschaftspolitischer Art. Der Dingley-Tarif und die differentielle Besteuerung des Zuckers haben Industrie und Landwirlhschaft in Deutschland schwer geschädigt, auf Samoa macht sich das amerikanische Condominium hart genug fühlbar, und die Aussicht, die Philippinen in den Besitz der Union übergehen zu sehen, ist für die deutschen Interessen keineswegs verlockend. Der wirth- schaftSpolitische Gegensatz zwischen England und Deutschland ist noch größer; zu dem Wettbewerb um den ersten Platz im Welthandel gesellt sich der Widerstreit kolonialer Interessen. In Südafrika, in Westafrika, in Ostafrika, auf Samoa — überall stoßen die entgegengesetzten Interessen der beiden Mächte aus einander. Gewiß ist eine schiedlich-friedliche Auseinandersetzung Deutschlands mit den Vereinigten Staaten und mit Groß britannien über die angeführten Differenzpuucte möglich und Wünschenswerth. Aber selbst wenn letztere beglichen sind, ist der Nutzen eine- Bündnisses mit den angelsächsischen Staaten für Deutschland nicht einzusehen. Gesetzt, eS ließe sich mit England überhaupt ein dauerhafter Vertrag schließen — schon Friedrich der Große hat erlebt, daß auf einen Pitt ein Lord Bute folgt! —, so müßte ein solcher Deutschland und Ruß land zum ausschließlichen Vortheil Englands entzweien. Für England wäre es freilich höchst erwünscht, wenn in einem englisch-russischen Kriege das deutsche Herr zu Lande und die amerikanische Flotte zur See gegen Rußland ins Feld rückten. Deutschland aber hätte in einem deutsch-russischen Kriege weder von England noch von der Union Unterstützung zu Laude zu erwarten, die allein mögliche Unterstützung zur See wäre demnach gar zu theuer erkauft. Endlich widerspräche der Beitritt Deutschlands zum angelsächsischen Bündniß dem Grundzuge der deutschen Politik, der gerichtet ist auf die Erhaltung des Friedens. Nach der Rede des englischen ColouialministerS Chamberlain weiß alle Welt, daß die „stärkere Gruppe" nur zu dem Zwecke gebildet werden soll, den Krieg gegen Rußland beginnen zu können. Die deutsche Politik aber ist nach wie vor darauf bedacht, der Erhaltung des Friedens zu bienen, wenn sie auch, wie Kaiser Wilhelm in der letzten Thronrede sagte, „für den Schutz bedrohter deutscher Interessen stets mit Nachdruck eintreten wird". Darum wird der Platz in der „stärkeren Gruppe", den die „Morning Post" für Deutschland offen hält, auf absehbare Zeit unbesetzt bleiben. Deutsches Reich. * Leipzig, 17. Mai. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist heute im preußischen Abgeordnetenhanse dies Interpellation des Abg. v. Mendel-Steinfels, betr. die Verunreinigung der Luppe und der Elster durch Schmutzwässer Leipzigs, zur Besprechung gekommen. Dabei hat der Landwirthschaftsminister Frhr. v. Hammer stein-Loxten nach der Meldung unsere- Berliner ßtz-Correspondenten u. A. erklärt, die Stadt Leipzig habe zwar die Uebelstände anerkannt und sich bereit erklärt, das Mögliche zu ihrer Abstellung zu thun, aber die Kläranlagen Leipzigs functionirten ungenügend; dort scheine der ernste Wille zu fehlen. Nach einem Berichte des „Wolff'schen Tel.-Bur." lautete die Erklärung des Ministers, nach dem ganzen Fortgänge der Angelegenheit könne er die Vermuthung nicht unterdrücken, daß die Stadt Leipzig formell zwar gewillt sei, die Lage zu bessern, daß aber ein ernster Wille der Stadt Leipzig auS dem bisherigen Verhalten nicht zu erkennen sei. Hieraus ist zu entnehmen, daß der Herr Minister in der That den red lichen Willen der Stadt Leipzig, resp. ihrer Verwaltung, von ihr anerkannte Uebelstände zu beseitigen, in Zweifel gezogen bat. Das ist um so befremdlicher, je weniger der Herr Minister in Unkenntniß über die zahlreichen und überaus kostspieligen Versuche geblieben sein kann, die in Leipzig gemacht worden sind und noch gemacht werden, um jede berechtigte Klage verstummen zu lassen, und je weniger gerade von ihm an- zuuehmen ist, daß er die großen Schwierigkeiten unterschätze, die zu überwinden sind. Nun ist es ja allerdings bekannt, daß Herr v. Hammerstein-Loxten die Worte nicht immer auf die Goldwaage zu lege» pflegt; immerhin hätte man gerade jetzt, wo die Elemente deS Umsturzes begierig nach jedem Mittel greifen, um staatliche und kommunale Behörden zu diScreditiren, erwarten dürfe», daß der Herr Minister seine Neigung, sich gehen zu lassen, gezügelt und der Versuchung widerstanden hätte, die Loyalität der Leipziger Stadtverwaltung in kränkender Weise anruzweisrln. Ein sächsischer Minister würde in ähnlichem Falle schwerlich in gleicher Weise sich verhalten haben. ES ist daher wohl selbstverständlich, daß unser Rath, sobald der stenographische Wortlaut der Rede deS Herrn v. Hammerstein-Loxten vorliegt, energisch dein« Preußischen Gesammtniinisterium gegen die Anzweifelung seiner Loyalität protestirt. Unser Stadtverordnetcn-Collegium, da» am besten weiß, welche Opfer den Leipziger Steuer zahlern infolge der loyalen Absichten deS RatbeS zu- gemuthet werden mußten, wird sich einem solchen Proteste gewiß einstimmig anschließen. Daß eS nöthig sei, auch einen Protest gegen Herrn v. Mendel-SteinfelS zu erheben, der nach der Meldung deS „W. T -B." sich die Worte erlaubte: „die Stadt Leipzig nasführt uns", sei dahingestellt. ES giebt Beleidigungen, die jeder Anständige «gnoriren muß; und zu diesen scheint unS der Ausspruch deS Herrn v. Mendel-Steinsels zu gehören, weil dieser nach Artikel 84 der preußischen Verfassung nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann und zu sehr „Herrenmensch" ist, als daß er sich um die öffentliche Meinung kümmerte. * Leipzig, 17, Mai. Anläßlich deS 50jährigen Jubiläum- der Eröffnung des ersten deutschen Parlaments wurde dem hochverdienten Leiter jener Versammlung, Neicks- aerichtSpräsident a. D. v>. v. Simson, von den mit ihm selbst noch lebenden „alten Frankfurtern" von der Erbkaiser- partei folgende Adresse übersandt: „Hochverehrter Herr Präsident! Den unterzeichneten „alten Frankfurtern" von der Erbkaiserpartei ist es Bediirfniß, bei dem fünfzigjährigen Jubiläum der Eröffnung des ersten deutschen Parlament- noch einmal Fühlung unter sich zu gewinnen. Der in öffentlichen Blättern ergangenen Einladung zu einer persönlichen Zusammenkunft am 18. Mai in Frankfurt al- am Sitze des Parlaments Folge zu geben, dürfte die Mehrzahl von unS durch ihr hohes Alter verhindert sein. Dagegen glauben wir unsere fortwährende Zusammengehörigkeit und die ungeschwächt» Erinnerung an unser ehemaliges gemeinsame- Wirken nicht besser bethätigen zu können, al- indem wir Ihnen, unter dessen trefflicher Leitung wir einst dte Verfassung vom 27. März 1849 zu Stande ^-achten, in l.erzlicher Verehrung einen kollegialen Gruß entbieten. Längst ist der Unmuth darüber, daß eS uns nicht vergönnt war, die von uns geschaffene Verfassung auch ins Leben zu führen, der stolzen Freude gewichen, daß die Einigung des geliebten Vaterlandes in anderer, ober verwandter Form seitdem dennoch zur Thatsache geworden ist. Je mehr wir die der Erreichung dieses Ziele- sich entgegenstellenden Schwierigkeiten selbst erfahren haben, um so Heller hebt sich aus den großen Ereignissen, die wir dann zu erleben das Glück hatten, das Bild unseres herrlichen Kaisers Wilhelm hervor, an dessen starken und einsichtigen Willen Erfolg und Sieg sich knüpften. Weiter aber verbindet sich heute mit dem Bewußtsein, daß wir seiner Zeit nach bestem Vermögen in redlicher mühe- voller Arbeit das damals Unerreichbare angestrebt haben, dte Bewunderung der genialen staatsmännischen Kunst, der eS, unter- stützt von dem Heldenmuthe unsere- Volkes, gelungen ist, das Reich zu gründen und Deutschland zu Macht und Größe zu erheben. Von solchen Erinnerungen und Gesühlen beseelt; gestatten wir unS, hochgeehrter Herr Präsident, die Bitte, in unser Aller Nanicn dem Fürsten BiSmarck die Versicherung treuer Anhänglichkeit und ehrfurchtsvoller Dankbarkeit übermittel» zu wollen. Backhaus. Biedermann. Haym. Jordan. Meier. Mevissen. Schorn. Schrader. Schultze." Äittau, 16. Mai. Der von nationalliberaler Seite im 1. sächsischen Wahlkreise aufgestellte ReichstagS- canbidat vr. Vogel-DreSden ist nunmehr auch von den Conservativen unv dem Bund der Lanvwirthe acceptirt worden. Im 2. Wahlkreise ist von den Ordnungsparteien der Fabrikant Karl Förster in Spremberg aufgestellt worden. Derselbe hält sich zur sreiconservativen Partei, hat sich aber im Uebrigeu volle Freiheit des Handelns Vorbehalten. * Vcrlin, 17. Mai. Dem Arbeitermaugel in der Landwirlhschaft widmet der Vorsitzende des Central- Vereins für ArbeitS-Nachweis zu Berlin, vr. Richard Freund, in der „Socialen Praxis" eine bemerkenSwerthe Be trachtung. „Die Frage bilde schon seit Jahren den Gegenstand der Be obachtung und der Erwägung der interessirlen Grobstadtkreise. Ta der Großstadt und deren Arbeiterschaft der übermäßige Zuzug von arbeitslosen Elementen unerwünscht sei, sei der Berliner Central- Verein für Arbeits-Nachweis seit Jahren bestrebt, übermäßigen Arbeiterzuzug fern zu halten und die zugezogenen Arbeiter möglichst wieder aufs Land zurückzuleiten. Schon seit 1892 sei den von auswärts zuzieheud'eu Arbeitern die Einschreibung in die Liften deS Arbeits-NachweiseS versagt worden, nachdem vorher in der Tagespresse vor planlosem Zuzug nach Berlin gewarnt worden sei. Von 1892 bis 1897 seien demgemäß 5118 ungelernte Arbeiter zurückgewiesen worden, uud so lauge der Bedarf der Arbeitgeber durch einheimische Arbeitskräfte vollauf gedeckt werde, werde der Central-Verein an dec erwähnten Maßnahme auch festhalten. Nach dem neuerdings die Arbeits-Nachweise sich zu einem Reichsverbande zusammengethan, sei damit zugleich die Grundlage geschaffen, um nach einem einheitlichen planmäßigen Vorgehen die Frage der Arbeiterbewegung zu regeln. Mit der Zurückleitung des Zustromes habe der Central-Verein freilich bisher keinen Erfolg gehabt: die Arbeiter wollten nicht aufs Land. Der Hauptgrund liege in der Un zufriedenheit mit den ländlichen Arbeitsverbältnisseu. Auf der im September vorigen Jahres in Karlsruhe abgehaltenen Arbeits nachweis-Eonferenz habe ein Arbeiter die Landflucht der Arbeiter erklärt mit den schlechten Lohnverhältniffen, der langen Arbeitszeit, der schlechten Behandlung, den schlechten Schlaf- und Aufenthalts, räumen. Daß man auch in dem Kreise der Landwirthschait setbst die Arbeiterwandernng nicht lediglich als Folge von Vergnügungssucht ansehe, bewiesen die Verhandlungen der Landwirthschastskammer für Schlesien, welche einen besonderen Ausschuß mit der Untersuchung der in Rede slehendtn Frage beauftragt hatte. In dem Protokolle dieses Ausschusses heißt es: Ein Zug nach erhöhter Unabhängigkeit gehe durch die Massen, ein Drang nach höherer socialer Stellung und Achtung der Persönlichkeit. Die Ideale, die früher ein Ge- meingut nur der gebildeten Clasjeu gewesen, die Ideale dec Frei heit und Menschenwürde, seien im Lause dieses Jahrhunderts bis in die untersten Schichten durchgesickert. Die Eindrücke, welche im Militatrdiensie gewonnen würden, die neuerdings wesentlich erhöhte Schulbildung und die Verleihung politischer Mitbestimmnngsrechte hätten in der gleichen Richtung gewirkt. Ter Drang, nuszusteigen und unabhängig zu werden, sei eS, der die Arbeits - Vetwffemg der östlichen Guter gefährde, der die Besten und Energischsten vom Lande treibe und den Land-Districten die Schwachen zurücklasje. Diese Aeußerung der Arbeiter und dec Landwirthschaftskammer träfen zweifellos den Kern der Sache. Die Mittel zur Abhilfe seien hiernach von selbst gegeben; die länd lichen Arbeitgeber, nur sie allein, hätten es in der Hand, Wandel zu schaffen, durch Verbesserung in der persönlichen Behandlung dec Arbeiter und der materiellen Arbeitsbedingungen. Das sei das einzige und wirklich „große Mittel", um dem Nothstande abzuhelseu. Sei die Landwirthjchast nicht fest dazu entschlossen, dieses „große Mittel" anzuwenden, dann sei ihr nicht zu helfen." So weit vn. Freund. Sehr segensreich wird der neu gegründete Neichsverband der Arbeitsnachweise deshalb wirken können, weil er in der Lage ist, die Zuwanderung von Arbeits kräften dahin zu lenken, wo ein Bedürfniß thalsächlich vorhanden ist. Die Landflucht macht sich übrigens besonders im Osten br merkbar, und zwar nicht allein aus den von der schlesischen Land- wirthsschaftSkammer angeführten Gründen, sondern nicht zum Geringsten wegen der Folgen des Gesetzes über den Unter- stützungSwobnsitz. Vielfach hat nämlich im Osten di- Unsitte grassirt, den Arbeitern vor Ablauf der zwei Jahre, die zum Unterstützungswohnsitz berechtigen, zu kündigen, so daß die Arbeiter des ewigen Wechsels müde wurden und in den Städten dauernden Wohnsitz suchte. Heute ist aller dings der ostelbische Gutsbesitzer froh, wenn seine Leute bei ihm bleiben, den Anstoß zu den Arbeiterwanderungcn har aber mit der Mißbrauch jenes Gesetzes gegeben. V Berlin, 17. Mai. Der „Köln. Ztg." wird von hier von zweifellos osficiöser Seite geschrieben: „Die Veröffeni lichuna der „Franks. Ztg." bezüglich eines zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen geheimen Staats vertrages findet in unseren diplomatischen Kreisen keinen Glauben. Es galt allerdings längst für sicher, daß zwischen Fenilleton. Klar Schiff! Eine kkptsodc au» »em Leben eine» amerikanischen SeckriegSberichterftatterS. Bon Christian Benkard (Oberursel). Nachdruck verboten. „VormarSraa!" „Hallo!" „Nichts in Sicht?" — „Wasser und Luft, sonst nichts." Der wachthabende Officier schimpft ein Stückchen ob der vorlauten Antwort, dann ruft er wieder durch die hohle Hand nach oben: „Scharf ausgucken nach Land und Schiffen!" „Sh, eh!" tönt's zurück, d. h. so viel als „Ja, ja" oder „Ich hab's verstanden"; der Ausgucksposten denkt sich außerdem noch dabei: „Laß mich gefälligst in Ruhe!" Der Mann hat Recht. Es sitzt sich so gut da oben im Bug des VormarSsegelS, beiläufig 80 Fuß über dem Meeres spiegel; was soll er sich die Augen blindgucken? Tabakkauen und ein Liedchen summen ist gerade genug gethan auf dem Ausguck, aber seitdem Krieg ist, wird alles Mögliche verlangt: Geschütz- und Gewehrexercieren, Schießübungen, Segelmanöver. Und wie erst die armen Heizer heranmüssen! Die Tropenhitze erscheint schon am Deck fast unerträglich, da unten vor den Feuern ist sie einfach entsetzlich. Aber, wie gesagt, es ist Krieg und die „DenuS" muß sich beeilen, zu dem fliegenden Geschwader zu stoßen, bevor ein überlegener Feind ihr entgegentritt. Zwei Tage lang geht's jetzt schon unter Volldampf, jedoch bi- morgen soll die Verbindung mit dem fliegenden Geschwader hergrstellt sein. Bis dahin sind'» nur noch ein paar vierstündige Seewachen, denn der Sonnenball zieht sich, dem Horizonte zu eilend, bereits merklich in die Breite und wird sich demnächst empfehlen. Was für eine Prachtaussicht das ist! Der Himmel grünlich mit weißen Federwölkchen, das Meer ultramarinfarben und fast unbewegt; nur wo die Schiffsschraube es aufwllhlte, gährt und siedet ein meilenlanger silberner Schaumstreifen, das weit hin sichtbare Kielwasser. Farbenprächtige Quallen segeln vorüber, hier und dort schwingt sich, von Delphinen gejagt, ein Schwarm fliegender Fische in die Luft, um, sobald ihre Flügel trocken geworden, wieder ins Wasser zu fallen, den gierigen Ver folgern zur sicheren Beut«. „Just so, wie bei den Menschen", beginnt der Ausgucksmann zu philosophiren, als ein leises Schwanken der Takelage seine Aufmerksamkeit nach unten ablenkt. Die Ablösung entert auf, Mütze im Nacken und Daucrpriemchen hinter den Backzähnen. „Nichts Neues?" „Scharf ausgucken", antwortet der Abgelöste und macht An stalten, niederzuentern. Da erhebt sein Kamerad den Arm und fragt: „Schon gemeldet?" „Was denn?" „Dort ist Land." Nun gucken sie Beide. Ja, dort ist flache-, bewaldetes Land. Die Bäume sehen au-, al» ob sie über dem Wasser in der Luft schwebten; das bewirkt die Rundung der Erde. „Willst Du au»singen?" „Mir ist's einerlei." „Mir auch." „^VeU, singen wir zusammen. Also: Land voraus an Steuerbord!" Gut gebrüllt! An Deck ist Alles zusammengefahren, und das „Eh, eh!" d«S wachthabenden Officier» klingt beinahe etwa» nervös. Aus der Hinterluke tauchen mit dem Fernrohr unterm Arm der Commandant auf, der erste und der NavigationS- officier, au» der Mittschiffs- und der Vorderlukr eine Meng« Unterofficiere und Mannschaften. Auch ein Schwarzer ist dabei, kein „eolourect kentlsman", wie der amerikanische Neger sich nennt, sondern ein dem Maschinenraum entstiegener Kohlen trimmer, der Neugierigste von Allen. Mister Fix heißt der Mann und ist der Specialberichterstatter der neubegründeten Bostoner Zeitung „Die Kriegsfackel". Da er auf keine andere Art an Bord kommen konnte, hat er sich vom Commando der „Venus" als freiwilliger Kohlentrimmer anwerben lasten, und so oft irgend ein Ruf in die Kohlenbunker dringt, eilt er an Deck, notirt, was los ist und steigt wieder in den finsteren OrkuS hinab. „Cap in Nordwest halb West; meine Rechnung stimmt ganz genau", bestätigt der Navigationsofficier von dem hohen drei beinigen Bock aus, auf dem der Peilcompaß steht. Der Commandant dankt und sagt zum ersten Officier: „Eine Begegnung mit dem Feinde haben wir jetzt kaum mehr zu erwarten." „Leider", ergänzt der Angeredete und fügt überzeugt hinzu: „Ein Gefecht mit einem gleichwerthigen Schiffe hätten wir nicht zu scheuen brauchen. Auch der Feind hat noch Holzschiffe und Scheinpanzrr von dem Typ unsere» „Mars"." Während der Commandant mit einem Lächeln antwortet, schlängelt sich sein Adjutant an die Herren heran und äußert gleichfalls sein Bedauern: „So ein kleiner Zweikampf wäre doch furchtbar interessant gewesen. Im Geschwadervcrbande kommt da» einzelne Schiff viel schwerer zur Geltung." „Schiff querab an Backbord!" schallt'» plötzlich von der Lormarsraa herunter so laut, daß die auf dem Achterdeck auf- und niedergehenden Officiere erschreckt Halt machen und der Commandant zu seinem Adjutanten sagt: „Wollen Sie mal sehen, um wa» c» sich handelt; der Mensch da oben schreit ja, al» ginge das Schiff über Bord." Ein mißbilligender Blick nach dem AuSguckSposten begleitet diese Worte, aber kaum ist der Adjutant bi» zur halben Mars- höhe aufgeentert, da fängt auch er an zu schreien: „Große» Schiff unter Dampf! Außer dem Schornstein und den Gefechts masten noch nichts in Sicht." Nun entern auch der erste und der Navigationsofficier au ft Die beiden mehr beleibten, als jugendlichen Herren pusten nick: schlecht bei der ungewohnten Turnübung, aber sie denken „o'c- la xusrre" und schroten sich bis zur Baginraa hinauf, von w' aus sie die Meldung bestätigen. „Jetzt kommt auch das Unte. schiff in Sicht; es ist ein großer Panzer", ergänzt der „Erste", und der Navigationsofficier stellt fest: „Er steuert etwa zwe Striche niedriger als wir und will uns offenbar abschneidcn." Der Commandant hat genug gehört, er winkt den Osficieren, niederzuentern, schickt den Wachthabenden auf seine Manöver station und übernimmt selbst das Commando. Seine Stimme bebt ein wenig; wer sic hört, weiß sofort, jetzt wird es ernst. Und Alle hören sie: „Alle Mann auf, klar zum Manöver! MarSraaen und Stengen an Deck! TopSgäste und Marsschrotleute entert auf!" Die drei mächtigen, je 40—60 Centner wiegenden Raaen und die drei ebenso fchweren Stengen in wenigen Minuten aus ihrer luftigen Höhe herunter zu nehmen, bedeutet eine Riesen arbeit, welche die Anspannung aller Kräfte erfordert. Noch be vor eS völlig dunkel geworden, ist sie geleistet und auch der Klüverbaum ist eingenommen, die Takelage mithin gefcchtsklar. Die Segel würden ja doch fast nichts nützen; wozu also den, Feind eine so hohe Zielscheibe bieten? Schlägt eine Granate oben ein, dann fängt das getheerte Tauwerk im Handumdrehen Feuer und die herabsausenden Holzsplitter verursachen entsetzlich Wunden. In früheren Seekriegen haben die SchiffSärzte ein zelnen Verwundeten drei bis vier Dutzend Holzsplitter aus dem Leibe geschnitten und dennoch waren die Unglücklichen verloren weil noch andere Eiterherde im Fleische saßen. Fort alsn, möglichst unter Deck, mit allem entbehrlichen Holzwerk, nur die Unterraen bleiben oben, um nöthigenfall» die großen Boote aus setzen zu können! E» dunkelt schon, al« da, Manöver beendet ist. Der erste
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite