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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1855
- Erscheinungsdatum
- 1855-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185505304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18550530
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18550530
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1855
- Monat1855-05
- Tag1855-05-30
- Monat1855-05
- Jahr1855
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1855
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Leipziger und Anzeiger ^ ISO. Mittwoch dm 30. Mai. 1855. Hxilung entarteter Sinder. Wer mit der Jugendwelt vertraut ist, der wird wissen, daß wir Beispiele von sittlich verbildeten Kindern gar nicht weit zu suchen haben. Sie kommen un- entgegen auf Wegen und Stegen, in Schulen, an öffentlichen Orten, in Familien und engen Zirkeln. Ader diese Erscheinungen sittlicher Gebrechlichkeit im Jugendalter können kein menschenfreundlich Herz gleichgültig lassen. Kranke Kinder machen unS Sorge, sie können sterben ; sittlich verbildete Kinder erschrecken unS, sie können untergehen im Strom de- Lebens. Mit tiefer Ueberlegung und mit ganzer Kraft müssen wir an ihre Rettung und Heilung gehen, und der Vater, welcher ein Mittel scheut sein verzogenes Kind zu bessern, ist kein Vater. ES sei unS daher erlaubt, in der Kürze einige Mittel zu besprechen, welche zu dm erfolgreichste« gehörm. Bevor wir aber an die Sache selbst gehen, erwähnen wir noch, daß von verzogenen Kindern im Allgemeinen die Rede sein soll, nicht nur von jenen Unglücklichen, die man jugendliche Verbrecher nmnt. Es ist freilich arg wenn ein Knabe von 10 Jahren stiehlt, «mn er sich bettelnd herumtreibt ukd den Mensche« mit Fluchen, Schimpfen und gemeinen Redensarten begegnet. Aber auch in der prächtigsten Kinderstube, im seidene« Kleidchen giebt- kleine Sünder, die bereits Spuren zu großem geistigen Elend in sich tragen und die lm später» Leben nur günstige äußere Verhältnisse von Ver brechen zvrückhalten. Sehen wir nicht hier und da" die Lüge fast bi- zur Kunst entwickelt; sitzen wir nicht da und dort da- Naschen so auSgebildet, daß der Diebstahl so zu sagen schon im Kleinen darin sitzt; sehen wir nicht wie unnatürliche Laster manche- Pflänz chen verderben und zerstören; sehen wir nicht (und wir müssen Vä schen, denn e- ist keine so große Ausnahme mehr) wie Kinder mit herrischer Mime ihre Erzieher meistern, so daß au- ihnen GesetzeS- verächter mit der Zeit entstehen müssen. Alle diese Kinder, bei denen eine Umkehr de- Sittlichen in bedeutender Weise statt findet, sind unter die Entarteten oder sittlich Verwahrlosten zu zählen. Die Heilung dieser kleinen Seelen ist überaus schwer.. Warum? Weil man, um gründlich zu heilen, die Quelle der Entartung genau kennen muß. Dieselbe liegt bald in diesem, bald in jenem Zustande, und oft gerade da, wo eS dev Erzieher gar nicht denkt. Das Kind log. Der Grund? Oft liegt er klar zu Tage und besteht in Furcht vor der Strafe. Ost aber log da- Kind, um ein anderes von der Strafe zu befreien, oder um einen Spaß zu machen, oder um zu prahlen, um zu verleumden. In manchen Fällen scheint dem Kinde nur die Phantasie oder Sprache einen Streich gespielt zu haben und die gesagte Unwahrheit ist ganz grundlos aus ihm hervorge gangen. So lange aber der Erzieher die Quellen der Lüge nicht ganz genau kennt, so lange wird er vergeblich an die Heilung gehen. Erforschung dieser Quellen ist aber immer «och möglich, weun auch dazu ei» scharfer psychologischer Blick gehört. DaS Schwierigste der der Heilung sind die Mittel. Sie liegen oft gar nicht in der Macht der Aeltern. Die Verbildung de- Kinde- ist durch beson dere Verhältnisse und LebenSfälle geschehen und durch solche muß eS auch wieder geheilt werden. Der Erzieher muß eine Art Vor sehung werden für daß Kind, die Gelegenheit zur Offenbarung de- Jnnern giebt, die da- Kind in vortheilhafte Lage bringt, die Lei den und Freuden schafft, ohne daß die Veranstaltungen dazu sicht bar werde«. Diese Eingriffe in da- Leben der Kinder sind aber vielm Erziehern nicht gestattet. A. B. der Näscher kann nicht besser geheilt werden, als wenn man ihn an einm Platz bringt, wo e- nichtS mehr zu naschen giebt. Da- wird aber in tansmd Fällen nicht möglich sein. Deshalb aber keine Verzweiflung an der guten Sache, denn einzelne Mittel bleiben immer in der Gewalt aller guten, vernünftigen Aeltern. DaS erste Mittel ist die Ableitung. Es ist eine bekannte Sache, daß man sein Augenmerk immer nur auf einen Gegenstand auf einmal (wenigsten- mit ganzer Energie) richten kann. Ist der Geist fortwährend mit Lust und Vergnügen beschäftigt, so kann er sein Augenmerk nicht aufs Denken richten; ist die Seele erfüllt von trüben Bildern und müßig, so wird ire eben bei diesen Bil dern verharren und ihnen nachhängen. Sobald aber ein neue- Feld sich aufthut, sobald andre gewaltige Reize eindringen, so wer den jene Bilder verdunkelt, d. h. sie treten mehr oder minder in- Unbewußtsein. Daß sie hiermit auch an Einfluß verlieren, ist klar. Aber warum nur erst Worte machen von dieser Ableitung, denkt vielleicht Mancher bei sich, sie ist ein so triviale- Mittel, daß e- wohl kein Hau- giebt, wo sie nicht exereirt und als Medicin ge- handhabt wird. Geduld, eben weil da- Mittel so allgemein ist, rede ich davon. ES wird falsch angewandt von Kindermuhmen, Bonnen und dem ganzen Hofstaat, welchen Kinder in der ersten Zeit ihre- Leben- um sich haben. „Sei still," heißt eS, „hier hast du ein Stückchen Zucker, o da- schmeckt prächtig." Hier ist die Ab leitung geradezu eine Verleitung. Oder da- Kind sott zu Hause bleiben, eS schmollt und zümt. Um e- wieder gut zu machen, heißt eS: „Du bekommst deine Arbeit heut erlassen und kannst recht hübsch spielen." Lauter faule Sachen. Da ist ja der Gegenstand, durch welchen man ableitet, schlimmer als der, von welchem man da- Kind abziehen will. So geht eS nicht, wenn man heilen will. Der Ableiter muß Werth für da- Kind haben, oder muß wenig sten- gleichgültig, weder schädlich noch nützlich sein. Denken wir unS einen kleinen Taugenichts, der im Naschen groß ist. Er kommt und quält um einen Groschen. Was soll der Erzieher thun? Ver sagen? DaS ist wohl da- Einfachste, aber eS erregt bei solchen Kindern oft große Mißstimmung. Er sagt also: ich gebe dir aller- ding- einen Groschen, aber hör' mich an: weißt du, auf dem Markt sahen wir doch neulich einen Spielkasten, nicht wahr, der war reizend! Du kannst ihn erhalten. Nimm den Groschen und lege ihn hin und den nächsten, den du bekommst, auch dazu, bald wird da- Geld beisammen sein. DaS Kind kommt wieder und eS erfolgt eine ähnliche oder dieselbe Ableitung. Auf diese Weise ver liert da- Kind seinen Fehler, e- weiß nicht wie, ohne einen andern dabei anzunehmen. Denken wir un- ein andere- Kind, da-durch seinen Müßiggang in allerhand tolle Streiche gerathen ist, die nun mit ihm aufstehen und zu Bette gehen. Hier ist al- Ableitung nur eine Arbeit, ein Werk zu gebrauchen, welche- große- Interesse für da- Kind hat. In diese- Werk lasse man da- Kind sich recht vertiefen, und während e- angestrengt thätig ist, kann e- ja nicht- Böse- thun, ja e- kann nicht einmal mehr über lose Streiche Nach denken. Daher steht auch in allen Rettung-Häusern anhaltende Arüeit otzen an. Aber nächst der Ableitung ist die Schwächung de- Bösen im Kinde ein treffliche- Erziehungsmittel. Sie wird bewirkt durch Verstopfung der Quellen, au- welchen die Fehler entstehen. Eine solche Quelle ist da- Betteln oder Müßiggehen. Sie wird ver schlossen durch nützliche Thätigkeit. Eine andere ist die Noth und schlechte Behandlung; sie wird gehobm durch wohlwollende Pflege und Sorge. Roch eine andere die Unwissenheit; sie wird unschäd lich gemacht durch praktischen Unterricht. Rur ein Beispiel mag einen Beleg dazu gebm. Ich kannte einm ungerathenen Sohn von IS Jahrm, der sich durch faule-, liederliche- Lebm da- Wohl-
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