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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 21.02.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189602213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18960221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18960221
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungGeneral-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-21
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— Nr. 4L. — ISS«. Diese verbreitetste unparteiische Zeitung erscheint Wochentags Abends (mitDatum des nächsten Tages) und kostet mit den sechs wöchentlichen Beiblättern: 1. Sächsischer Erzähler, L. Meine Botschaft, 3. Gerichts-Zeitung, 4. Sächsisches Allerlei, K. Jllnstrirtes Nnter- haltnngsvlatt, K. Lustiges Bilderbuch monatlich SO Pscnnige. Postliste: 7896"Nr. 2679. Telegramm -Abreise: Generalaajeiger. Ferusprechsl-lle Nr. IS». General- Freitag, 21. Februar. MH Anzeiger für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer Laudes-Anzeig»»). Gegründet 1S7S alS „Anzeiger" re. Verlag nnd RotationSmaschiuen-Dr»« von Alexander Wiede in Chemnitz, Theaterstrabe Nr. 8. Anzeigenpreis: «gespalten» LorPnSzeile (ca.9 Silben fassend) oder deren Rani» tKPfg. (Preis verzeichnisse ä Zeile 20 Pfg.) — Bevorzugte Stelle (S gespalten« Petit-Zeile circa 11 Silbe» lassend) 30 Psg. — Anzeige« könne» nur bis Vormittag 10 Uhr l angenommen werden, da Druck und Verbreitung der groß«» Auslage längere Zeit erfordern. Geschäftliche Anzeiger« Inserat« stnden für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch dl« täglich erscheinende Chemnitzer Cisellbahil-Zeitililg. Zur Erinnerung au das Kriegsjahr 1871. 21. Februar» Paris. Das „Journal osficicl" meldet: Thiers, Jules Favre nnd Picard sind gestern hier cingclroffen. Favre schrieb sofort an den Grasen Bismarck, daß Thiers heute nach Versailles gehe» werde, nm mit ihm zu konferiren. Deutscher Reichstag. Unser parlamentarischer Mitarbeiter schreibt unterm 19. Februar: Die — heute fortgesetzte» —Erörterungen des Militäretats im Reichstag tragen mehr oder weniger das Gepräge von Kommissionssitzungen. Von den nicht gerade zahlreich anwesenden Abgeordneten sprachen auch im Plenum meist Diejenigen, die schon als Mitglied der Budgetkommissiou die Einzelheiten des Etats kritisirtcn, und die vorwiegend in knappem Nahmen sich haltenden Darlegungen ans dem Hause, wie die ebenso kurz gefaßten Antworten vom Ncgierungstisch, verstärkten jenen Eindruck. Richter, Bebel, Dr. Lieber, die Jahr für Jahr zum Militärtctat spreche», fallen sogleich durch das reichlich auf ihre» Pulten liegende Material auf. Und diese Abgeordneten pflegen gründlich zu svndiren; oft noch im Laufe der Sitzungen empfangen sie Zuschriften aus allen Theilen des Reiches, Beschwerden nnd Wünsche enthaltend, die sie dann nach drücklich hcrvorhebcn. Eine längere Debatte knüpfte sich heute an die Bemerkung des preußischen Kri e gs ministe rs, daß er es nblchnen müsse, aus jede Anfrage sozialdemokratischer Ab geordneter einzugehen. Diese auf agitorische Wirkung berechneten Anfragen seien geeignet, die Beralhnngen ins Endlose zu ziehen. (Große Unruhe lin s). Abgeordneter Frohmc (Soz.) rief: „Dann bleiben Sie überhaupt hier fort!" wofür er eine präsidiale Rüge erhielt. Lenzmann (freis. Vvlksp.) prvtestirte gegen eine „unter schiedliche" Behandlung von Anfragen aus dem Hause. Er forderte streng sachliche Prüfung der vorgcbrachtcn Klagen. — In der That wäre zu wünschen, daß Beschwerden nicht deshalb weniger oder gar nicht beachtet werde», weil sie von sozialdemokratischer Seite kommen. Allerdings hat sich in einigen Fällen das Unbegründete der Be schwerden ergeben. Aber darum können doch andere Mittheilungcn auf Wahrheit beruhen nnd dazu helfen, ernste Unzuträglichkeilen, die nun einmal in einem so riesigen Organismus, wie die Armee es ist, unvermeidlich sind, zu beseitige». Man entzieht der Agitation dadurch am ehesten den Boden, wenn alsbald festgestellt wird: das ist zu treffend und wird geahndet, nnd das ist unzutreffend. Den richtige» Schluß zieht dann die Ocffentlichkeit selbst. 44. Sitzung vom 19. Februar 1896, I Uhr. Am Tische des Bnndcsraths: Brousart V. Schellettdorff und Kommissare. Die zweite Bcrathnng des MiNtävetatS wird fortgesetzt. Beim Kapitel „Militärgefänguitzwefeu" bemerkt Abg. Bebel (Soz.): Im vergangenen Jahre habe ich den Fall eines gewissen Wendtland zur Sprache gebracht, der wegen einer vor Eintritt in den Militärdienst begangenen Majestätsbeleidigung -,n einer Gcfängnißstrafe vcrnrthcilt war nnd deshalb der Arbeiter abtheilung überwiese» wurde. Ich habe mich inzwischen überzeugt, daß dies ein Verfahren ist, das meiner Auffassung »ach einer gesetz liche» Unterlage entbehrt. Die Arbeitcrabthcilnng ist eine Straf abtheilung; es bestehen für sie Vorschriften, die ähnlich denen für das Gcfängnißwese» sind. Ich bestreite der Militärverwaltung bis in die höchsten Spitzen das Recht, Leute, die zum Militär cingczogcn werden, ans Grund früher erlittener Strafen dieser Arbeiterabtbcilnng z» über weisen. Auch keine Kabinetsordrc kann das Rechtsverhältnis; des Soldaten vollständig auf den Kopf stellen, nnd wir haben allen An laß, die bezügliche Kabinctsordre von 1887 uns näher darauf anzu sehen, ob sie überhaupt rechtlich zulässig ist. Vor nicht langer Zeit ist ein gewisser Hermann Schüler, der in Osnabrück diente, und dessen Beschwerden über verschiedene Vorgänge als berechtigt nicht aner kannt wurde», als Querulant der Arbeitcrabthcilnng überwiesen worden. Das Gleiche geschah einem gewissen Bnhr, der in Guben diente, iveil er während eines ihm crthciltc» Urlaubs seine Freunde, allerdings ausgesprochene Sozialdemokraten, in Berlin besuchte. Wenn in diesen Handlungen ehrlose Gesinnung gesehen wird, wegen deren der Soldat der Acbciterabtheilnng überwiesen werden kann, so ist kein Sozialdemokrat davor sicher. Das ist ein rechtloser Zustand, der nicht fvrtdancrn darf. Es ist Sache des Reichstages, hier auf Ab änderung zu dringen. Insbesondere darf die Ucbcrweisnng in die Arbeiterabthcilung nur ans Grund eines militärischen Urlheils erfolgen. Kriegsministcr Brousnrt v. Dchelleudorff: Die vom Abg. Bebel ansgcsnhrlcn einzelnen Fälle sollte» den agitatorischen Charakter seiner Rede verstärke». Es kann von mir nicht verlangt werden, ich bin wenigstens nicht geneigt, jedem sozialdemokratischen Abgeordnete», der mich, »m agitatorischer Zwecke wegen, auf eine Anzahl Fälle, die er irgendwo ausgelcsen hat, anspricht, Rede und Antwort zu stehen. (Beifall rechts. Abg. Frohmc ruft: Daun bleibcn Sie überhaupt fort!) Ich bin auch ferner bereit, gewissenhaft bereit, Anskunst zu ertheilcw, wenn ich dazu im Stande bin, ich bin aber nicht geneigt, die Hand zn endloser Verlängerung der Debatten zn bieten. Am Donnerstag sprachen allein vier Sozialdemokraten. Ich erkläre ein für allemal: Ungesetzlichkeiten werden jedesmal streng »ntcrsncht und geahndet. Aber ich »ins; mir das Recht Vorbehalten, ans die Fülle einzugehen, wo Ucbcrtreibnngcn nnd objektiv »»wahre Fälle vor« getragen werden. Ich will nnn das Ergebnis; der Recherchen mit- theilen, die ich ans die Reden zweier sozialdemokratischer Abgeordneten habe anstcllcn lassen. Anknüpfend an den vom Abg: Bebel erwähnten Vorfall beim Gerberstrcik in Frankfurt a. O. hatte der Abgeordnete Schulze eine» anderen erzählt, bei den, in Königsberg eine Anzahl Pioniere als Klempner bei einem Klempncrstrcik Verwendung fanden. Grundsätzlich ist cs untersagt, daß die Truppe sich in Lohnstreitigkciten durch Stellung von Soldaten cinmischt; cs soll nur da geschehen, wo Staalsinteresse und Staatskasse in Frage kommen. Das war aber hier der Fall, da, wenn die Soldaten nicht aufgefordert worden wären, sich freiwillig zu der Arbeit z» melden, die Pionierkaserne, um deren Bau es sich handelte, zum 1. Oktober nicht hätte fertig gestellt werden können. Der Abg. Bebel sagte mit Bezug auf diese Dinge, schließlich werde die ganze Armee zu solchen Arbeiten verwendet werden. Und nun werden zwei solche Fälle erzählt. Wie kann man da noch verlangen, daß ich die Sache ernst nehme. (Zustimmung rechts.) Der andere Fall ist der vom Abg. Bebel vorgetragene. Es handelte sich nm den angeblich vollkommen betrunkenen Offizier, der in Güstrow mit dem Säbel eine Anzahl Personen verwundete. Gegen diesen Offizier konnte nicht weiter cingcschritten werden, weil er nach ärztlichem Gutachten in eine Nervenheilanstalt gebracht worden ist. Und diesen Fall nahm der Abg. Bebel zum Anlaß, Ken Offizieren ein ihren Vorrechten entsprechendes Benehmen zu empfehlen. Ich überlasse dein Hause das Urtheil über dies Alles. Mein Urtheil steht fest! Ich finde es empörend, daß das schwere Mißgeschick des unglücklichen Offiziers zu agitatorischen Zwecken ansgebcntct worden ist, wie cs vom Abg. Bebel mit dem ihm vom Abg. Lieber altcslirten Ernst geschehe» ist. Mir ist die Sache auch ernst, weil es dem Abg. Bebel beliebt hat, einen Appell an die Offiziere zu richten, zn ver fahren, wie cs sich gebührt. Ich meinerseits nehme nicht Anlaß, an den Abg. Bebel den Appell zn richten, den er an die Offiziere gerichtet hat. Wenn Herr Bebel die Rechtsbestcindigkcit der Kabinetsordrc in Frage gestellt hat, so befindet er sich im Jrrthum. Davon kan» gar keine Rede sein. Sie besteht zn Recht: daran ist gar nichts zn ändern. Der Musketier Schüler war vor seinem Eintritt in das Militär in Celle wegen Brandstistung bestraft. Er kam dann zur Truppe, nnd dort ist cs ihm allerdings nicht besonders gut ergangen. Trotz Verbotes hat er beim Militär den Kontrvlapparat einer auf dem Kasernenhvfe befindlichen Wasserkunst verdorben. Er wurde deshalb bestraft. Er behauptete nun, es müßte ihm bewiesen werden, daß er den Apparat mnthwillig zerstört habe. Er beschwerte sich über seine Bestrafung nnd erhielt nunmchr vom Bataillvnskommandcur noch einige Tage Arrest wegen unbegründeter Beschwerde dazu. So ging der Man» bis zum Generalkommando. Ich war selbst damals komniandirender General nnd versuchte dem Manne den Unterschied zwischen disziplinarischem nnd gerichtlichem Urtheil klar zu machen. Ich gab ihm schließlich ebenfalls Arrest, worauf sich der Mann an den Kaiser waudte. Diese Beschwerde hat uugesähr acht Vogen; er sprach darin von Schopenhauer und Gott weiß was, so daß wir Alle die Ucberzengung hatte», in dem Kopfe des Mannes dreht sich etwas herum. (Zuruf bei de» Sozialdemokraten.) Weshalb er in die Ärbcitcrabthci'lnng kam? Er überwarf sich auch mit seinen Kameraden, es kamen fortwährende Klagen über ihn, und da blieb nichts Anderes übrig, als ihn als ein für die Disziplin gefährliches Element in die Arbeiterabthcilung zu versetze», und das war nach meiner Meinung ein sehr nützliches nnd zweckmäßiges Mittel. Präsident Frhr. o. Buol: Der Abg. Frohme hat während der soeben gehörten Rede des Kriegsministers bei dessen Bemerkung, er könne nicht ans Alles antworten, ihm zugernscn: Dann bleiben Sie überhaupt fort! Diese Aeußerung ist unter den gegebenen Verhältnissen in hohem Grade ordnnngswidrig. Ich rufe deshalb den Abg. Frohme zur Ordnung. (Beifall rechts.) Abg. Bebel (Soz.): Dicke Art der Entgegnungen, wie der Kriegsminister sie liebt, wenn ei» Mitglied unserer Partei in Frage komnit, macht auf uns gar keinen Eindruck, und einen angenehmen Eindruck inacht sic im Lande gewiß auch nicht. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Was ist denn heute wieder einmal berichtigt worden? In Königsberg ist thatsächlich das Koalitionsrccht von dem Regimentskommandeur verletzt worden, dabei bleibe ich. In dem Güstrowcr Fall habe ich den Eindruck erhalten, als ob inan den Leutnant schnell in eine Nervenheilanstalt gesteckt hat, nm Aufsehen zu vermeiden. (Widerspruch rechts.) Ja, cs wäre nicht das erste Mal, daß ein solches Mittel beliebt wird. (Heiterkeit.) Uebrigcns hat der Kriegsministcr wohl auch nicht Alles inilgcthcilt. Auch hin sichtlich der Kabinetsordrc von 1887 hat mich der Kriegsminister nicht widerlegt. Er sagt, Disziplinarvorschriftcn hat der oberste Kriegs herr z» erlassen. Es fragt sich nur, ob cs sich hier nm eine Disziplinar- vorschrift handelt. Die Frage ist die: kann nnd darf die Militär verwaltung eine» Man», welcher vor dem Dienstcnitritt eine straf bare Handlung begangen hat, in die Arbciterablheilung stecken? Wenn das Rechtens sein soll, so muß cs rcichsgcsctzüch fcstgestcllt werden, nichts Anderes habe ich behauptet. Die Broschüre» des Schüler habe ich gelesen, und Sie würden daraus ersehen, daß man cs hier mit einem durchaus gebildete», geistig gesunden und sogar humorvollen Menschen zn thun hat. Er ist auch jetzt seit Jahresfrist Redakteur eines fortschrittlichen Blattes in Hannover. Wie konnte inan ihn, weil er als Knabe von 12 Jahren irgend eine» Strohhanfe» in Brand gesetzt hat, in die Arbeitcrabtheilnng stecke»? Nun lesen Sie einmal in den Broschüren die Schilderung seines Aufenthaltes dort- selbst. Hätte er Falsches darüber berichtet, so wäre er nuzwcifclhast bestraft worden; die Broschüren erscheinen heute noch ungehindert. Wenn solche Sachen wirklich unparteiisch untersucht werden sollen, dann kann man nicht blos Diejenigen hören, die hier die Angeklagten sind. Ich habe keinen Grund, etwas von dem, was ich gesagt habe, znrückznnchmcn. Kriegsministcr Brousart v. Schellendorff: Ich prolcstire auf's Entschiedenste dagegen, daß der Abg. Bebel mir in meiner Eigenschaft als Bnndcsbevollmächligtcr unterschiebt, daß ich mir bei amtlichcn Auskünften Beschönigungen, Verschleierungen nnd Bemäntel ungen der Wahrheit zn Schulden kommen ließe. Gcncrallcntnant v. Spitz: Die Einstellung in eine Arbciier- abthcilung ist eine Disziplinarmaßrcgel. Bedarf sie einer Erweiter ung oder Beschränkung, so ist dies daS Recht Sr. Majestät. Eine Erweiterung ist im Jahre 1887 crsvlgt zum Vvrthcil des Heeres »ach allgemeinem Urtheil. Es werden dadnrch Elemente, die ans den Geist der Truppen »achthcilig einwirkcn könnten, entfernt. In dem Fall Bnhr war der Aufenthalt in Berlin nicht so harmlos Schüler war für die Truppe ein gefährlicher Mann. Abg. Lieber (Zentr): Dem Abgeordneten Bebel wird nicht entgangen sein, daß er die Militärverwaltung und das Haus in eine andere Situation gebracht hat, als es bei ähnlichen Dingen sonst der Fall ist. Die Regierung wird, wenn Einzelfälle sonst vorgebracht werden, vorher davon verständigt (Zustimmung); sie ist dann in der Lage, auf Grund der Alten zu antworten. Bei diesem Verfahren entbehrt der Redner freilich des wohlfeilen Triumphes, zunächst als Sieger ans der Erörterung hervorzugchen. (Sehr richtig!) Ich bitte den Abgeordnete» Bebel, an diesem alten Brauch festzuhalten. Ein Eingreifen der Militärbehörde bei einem Streik kann unter Umständen zulässig sein, weil wichtige militärische Interessen anf dem Spiele stehen können. Die Frage der Ueberwcisnng a» die Arbeiterabthcilung ist so schwierig, daß der Abgeordnete Bebel H' in der Budget kommission hätte Vorbringen sollen; sie ist hier jetzt nicht zu erledigen. Ich behalte mir deshalb vor, sie in der nächstjährigen Budget- kommissio» einer näheren Prüfung z» unterziehen. Abg. Leuzmau» (fr. Volks.): Ich muß dem Abgeordneten Bebel in allen Stücken Recht geben. Ein sozialdemokratischer Redner hat denselben Anspruch auf Antwort von der Behörde wie das Mit glied einer anderen Partei. Gewiß ist cs bedauerlich, wenn ei» ün-> glückichcr Mensch zn Agitationszwecken benutzt wird. Ich habe aber in den Ausführungen des Kriegsministers vermißt, ob der betreffend« Leutnant schon früher »crvenkrank^war, oder ob er cs erst nach jenem Vorgänge geworden ist. Die Ucberweisung an die Arbeiterabtheilung gehört allerdings zur Disziplinargewalt des Kaisers, nnd Keiner vog uns ist berechtigt, einzngrcifen. Die Disziplinargewalt ist doch aber nicht schrankenlos! Im Interesse der Disziplin kann doch nicht alles Mögliche angcordnet werde»! Sonst könnte man auch dahin kommen, Soldaten im Interesse der Disziplin füsiliren zn lassen. Ein Vergehen, das durch frühere Strafen gesühnt ist, sollte nicht ausreichen zur Ucberweisung. Jedenfalls aber darf doch die Militärverwaltung Jemanden nicht für etwas bestrafen, was er gar nicht als Soldat begangen hat und, wofür er seine Strafe bereits erhielt. Im Falle Schöler muß ich mich auf den Standpunkt des Abgeordneten Bebel stelle». Den Kriegsministcr möchte ich bitten, alle ihm auch von jener (sozialdemokrat ischer) Seite vorgetragenen Uebelstände zn prüfe» und eventuell ab- znstellen. Damit nützte er der Armee nnd damit dem Vater lande. Generallelitüant v. Spitz: Die uns vorliegenden Akte» bezüglich des Schöler enthalten über das Alter desselben zur Zeit der Branb- stiflung nichts, auch nichts darüber, ob das Urtheil rechtskräftig geworden ist. Abg. Werner (Antis.) wendet sich gegen die Art, in welcher der Abg. Bebel seine Beschwerden vorbringt, nnd geht näher auf den Fast Schöler ein. Abg. Bebel (Soz.): Dem Abg. Lieber bemerke ich: Ich bin so lange im Parlament, daß ich selbst weiß, wie ich mich zn verhalten habe. Ich brauche die Belehrung des Herrn Lieber nicht. In Franksurt handelte cs sich nicht nm militärische Interessen, sondern um die Erhaltung des Kapitals; aber auch da hieß der Abg. Lieber das Verhalten der Militärverwaltung gut. Ans welchen Gründen also die Militärverwaltung Soldaten an Unternehmer abgiebt, sie kann auf die znstimmcnde Unterstützung des Abg. Lieber rechnen. Nach meiner Meinung sollte sich die Armee unter keine» Umständen in die Lohnstreitigkciten mischen. Die Prüfung des DisziplinarrechtS der Ucberweisung in die Arbciterablheilung kann schon heute vvrge- nonnnen werde». Die Frage ist einfach: soll die Militärbehörde länger eigenmächtig solche Strafen verhänge» dürfen? Da aber hente keine Neigung zu bestehen scheint, sich weiter anf die Sache einzn- lassc», so behalte ich mir vor, in der nächstjährigen Budgctkvnnnission darauf znrückznkommcn. Abg. Gröber (Zentr.): Die Frage der Uebcrwcisnng i» die Arbeitcrabthcilnng kam heute wie ans der Pistole geschussen, so daß sich Niemand darauf vvrbereilcn konnte. Wenn Bebel so leicht von einer kaiserlichen Verordnung behauptet, sic bestehe nicht zn Recht, so wird uns eine derartige Behauptung nicht so leicht. In dem Einfnhrungsgcsctzc zn dem Militärslrafgcsctzvnch ist ansdrncktich die Disziplinarordnung dem Militärstrasgesctzbnch gegenüber gestellt. Laband sicht deshalb mit Recht in der Disziplinarordnung eine zweite Art Mililärstrafgcsetzbnch. Es handelt sich also hier »m die thatsächliche Anfrcchlerhallnng eines uralten Zustandes, und ohne Vorbereitung läßt sich über die Sache nicht weiter nrthcilcn. Beim Titel „Beschaffung von Munition" weist Abg. Bebel (Soz.) anf den Pnlvcrring hin, der sich seit 1884 organisirt habe. Zunächst hat cs eine Pulverfabrik i» Nvttwcil ge geben, die 1871 gegründet worden ist. Dann ist ans einem dem Fürsten Bismarck gehörigen Gute eine zweite entstanden, und darauf ist eine dritte in Köln (die Rheinisch-westfälische Pulverfabrik) crricht.t worden, die sich dann zn einem Ringe vereinigt haben. Die Dividenden sind von Jahr zn Jahr gewachsen. Man ließ eine Er höhung des Betriebskapitals der Gesellschaften eintreten, lediglich um die Dividende kleiner erscheinen zn lassen. Dieser Ring hat alle» anderen Wettbewerb todt gemacht, nnd die Militärverwaltung hat für ihre Pnlverbezüge weit höhere Preise zn zahlen als Privatleute. Zum Beispiel hat die Firma Friedrich Krupp Pulver zn viel niedrigeren Preisen bezogen als die Heeresverwaltung. (Redner führt dies an einigen Zahlen ans.) In einem Jahre hat die Heeres verwaltung über drei Millionen mehr bezahlt, als sie nach den Preisen, die Krupp gicbt, zn zahlen gehabt hätte. Bei der Fabrik in Rvttwcil hat der Vorsitzende des AnfsichtSraths allein an Sondervergülnngen in vier Jahren 742,0 0 Mk. bezogen neben den Tantiemen von jährlich 40,000 Mk. Das Alles geht anf Kosten der Heeres verwaltung. Zwei andere Mitglieder des Anssichtsraths haben auch i» den letzten Jahren durchschnittlich 40,000 Mk. an Provisionen jährlich bezogen. Die Firma Krupp hat einen vertragsmäßigen Profitanthcil von 560,000 Mk. bezogen. Auch »och an ander« Stelle» werden solche Prvfitantheile vergeben. Dieser gesammtc Profit
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