Nr.46. f Beiblatt nun ,.t5liemniüer Geiicrnl-Anzciger" >md ziia, „Lnchitschcn Landboten". 18W. Die unglückseligen Klöße. „Ja, wenn de Frau Kretschmern damals lisch Klecßel mit Speck gekocht hätte!" Mit diesen aus tiesbetrübter Seele hervor- geseufztcn Worten nimmt der Fabrikarbeiter Oswald F., ein junger Mann mit einem hübschen, nur etwas dreisten Gesichte, auf den Brettern Platz, die die Welt des Unheils be deuten, auf der Anklagebank des Schöffengerichts zu Neiße. Er ist der vorsätzlichen Sachbeschädigung bezichtigt. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er sich schuldig bekenne, seufzt er abermals tief auf und sagt mit philosophischer Resignation: „'s wird woll also sei», aber da sein halt blos de Kleeßel schuld." Aus der Verhandlung erfahre» wir folgende tragische Geschichte: Oswald F. hatte sich bei der Wittwe Kretschmer, bei der er früher einmal eine Schlasstelle innegehabt, in Kost gegeben und findet sich jede» Mittag Schlag zwölf Uhr in ihrer Wohnung ein. um zu speisen, was für ihn sehr bequem ist, dieweil sie ein Quartier gerade gegenüber der Fabrik bewohnt, in welcher er beschäftigt ist. So geschah es auch am 8. August. An dem Tage schienen ihm ganz besondere Genüsse bevorzustchcn. Scho» als er die Treppe hercinfstieg, war ihm ein lieblicher Duft in die Nase gekommen, der die Phantasie seines Magens angenehm erregte, und als er zur Thür hereintrat, ward seine freudige Erwartung zur Gewißheit: Es gab Hefenklöße mit Speck und gebratenen Zwiebel kringel», sein Lieblingsgericht, für das er ohne jegliches Bedenken auf der Stelle seine Erst geburt verkauft haben würde, zumal da sei» Vater kein Majorathsherr war, dieselbe also für ihn wenig Werth besaß. Leider Halle die Mutter Kretschmern cs heut an der gewohnten Pünktlichkeit fehlen lasten. Eine Nachbarin war auf einen Sprung bei ihr gewesen und hatte ihr so interessante Neuigkeiten von dem Hanswirth und der Frau HauSwirthi». sowie von den unterschiedlichen Bewohnern des Vorder-, Mittel- und Hinter hauses erzählt, daß sie ganz Ohr gewesen war und darüber alles Andere, insonderheit ihre Wirlhschaft und das Mittagbrot ganz vergessen Halle. So kam's, daß der Teig zu den Hefen- klüßen noch nicht aufgcgangcn war, als die Fabrikglocke drüben schon Mittag läutete, und daß sic ihre Kostgänger ersuchen »mßte, sich vorerst nur an dem Tust des mit den Zwiebeln lustig kreischenden Specks zu erlaben und bis zur Fertigstellung der Klöße sich in Geduld zu fassen. Oswald zog darob ein sehr schiefes Gesicht, und um sich für die tadelnswcrthc Unpünktlich keit zu rächen, beschloß er, seinen Appetit, der an Kraft und Umfang nie Etwas zu wünschen übrig ließ und heut in der Erwartung de» delikaten Gerichts ohnehin schon gewachsen war, noch künstlich zu steigern, um dann die Frau für ihre Säumigkeit durch eine ganz un gewöhnliche Verwüstung ihrer Speisevorräthe slrafcn zu können. Ans ein Dutzend Klöße wollte er es allermindestens bringen, gelobte er sich im Stillen. Zu dem Zweck erachtete er es für an« gemcsscu, mit dem Tischlcrgeselleu Franz L.» der bei Frau Kretschmern wohnte und auch a» deni Millagstische theilnahm, in aller Ge- innthlichkeit ein kleines Kraftwettspiel i» Szent zu setzen. Seine Herausforderung ward mit Freuden angenommen; die beiden Wettkämpfer entledigten sich ihrer Röcke und begannen i» der Stube zu ringen. Lange schwankte die Entscheidung hin und her; bald flog der Tischler nach Empfang eines kräftigen Stoße» au einen Schrank an, daß cs krachte und die Bretter in allen Fuge» seufzten, bald ward der Gegner mit seiner ganzen Basis auf eine» Stuhl gesetzt, daß die vier Beine des letztere» sich bedenklich schief bogen. Endlich hatte d« Tischler in einem günstigen Augenblick seine» Vortheil ersehen, den unachtsamen Oswald mi» Untergriff um den Leib gepackt, und im nächste» Moment lag der Ueberrmnpelte lang ans der Erd«, während sein Ucberwindcr triumphirend übe» ihm kniete nud jauchzend seinen Sieg verkündet»