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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188801115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-01
- Tag1888-01-11
- Monat1888-01
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1888
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Erscheint täglicb früh 6'/, Uhr. Kr-artion und Lrprdition Johanne-gaffe 8. Aprkchkniiönl drr Nrdaclioa: LormiitagS 10—12 Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. tzUr »1« iNÜSxid» «m,rt,»d»er M-nuI-riki» «»Nt Itch t>« Redoclion mchl »erdintllch. Annahme der für die «Schstsolgend« Nummer bestimmten Inserate an Wochentagen bis 8 Uhr Nachmittags, au Tonn- und Festtagen früh bis'/.»Uhr. In drn Filialen für Ins.-Annahmr: Ltto Klemm, Universitättstrabe 1. Louis Lösche» Katharinenstr. 23 pari. u. KönigSplatz 7, nur bis '/,L Uhr. Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgcschichte. Handels- und Geschäftsverkehr. Abonnementspreis ' vierteljährlich 4>Mk. iucl. Brinacrlohn ö Mk., durch die Post bezogen 6 Ml. Jede einzelne Nummer 20 Pi Belegexemplar IO Ps. Bebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt Format gefalzt) ohne Postbesvrderung M Mf. mit Postbefördenlng 70 Mk. Inlerate 6gespaltene Petitzeile 20 Ps. Gröbere Schriften laut nnl. Prcisverzeichni Tabellarischer n. Ziffernsatz nach höhcrm Tar:'. dlerlame» unter dem RedactionSstrich die 4ge!pali. Zeile bOPs., vor denFamiliennachrichtc» die 6geipaltene Zeile 40 Pi. Inserate sind stets an die («xpedition zv senden. — Nabatt wird nicht gegeben. Zahlung siraenuirweamio oder durch Post- ultchnabme. II. Mittwoch den 11. Januar 1888. 82. Jahrgang Amtlicher Theil. Vekannlmachllng, die Anmeldung schnlpfiichtiger Kinder betr. Nach tz 4 des Gesetzes vom 26. April t873 bat jedes Kind die Volksschule feines Aufenthaltsortes acht Jahre lang, vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahre, ununterbrochen zu besuche». ES sind daher zu Ostern d. I. diejenigen Kinder, welche bis dabin daS sechste Lebensjahr vollenden, der Schule zuzusübren und vom 11. bis 18 dieses MonatS, Vormittag» 10 bis 12 Uhr und Nachmittag» 2 bis 4 Uhr bei dem Direktor der Bürger- oder Bezirksschule. welche die Kinder besuchen sollen, anzumelden. Dabei ist für jede- an- zumeldcnde Kind ein Taus- oder Gcburtszcuguiß, sowie ein Impfschein und von Seiten der keiner ReligivnSzescllschasl ongehörendcn Dissidenten eine schriftliche Erklärung darüber vorzulegen, in welcher Religionslehre die Kinder unterrichtet werden sollen. Sollen gebrechliche, kränkliche oder geistig unreife Rinder vom Besuche der Schule über daS gesetzliche Eintrittsaller hinaus zurückgehallen werden, so ist die Genehmigung dazu bei dem SchulauSschuffe unter Beibringung ärztlichen Zeug nisse» schriftlich nachzusuchen. Wer diesen Vorschriften zuwiderhandelt, hat sich der gesetz lichen Maßnahmen zu gewärtigen. Leipzig, am 2 Äanuar 1888. Der SchulanSschotz der Stadt Leipzig. Walter. Lehnert. Mtzhol)lttlction. DonaerStag, den 12. Januar «r., sollen von Vor mittag» 9 Uhr an die aus dem dieSjäbrigen Mittelwaldschlage in Abth. 9 und lO de» Durgauer Forstreviers zwischen der Fluthrinne und dem Hunvewasser an den Milita>rschieß- ständen ausbereiteten Nutzhölzer, al»: 33 Eichen . Nutzllötzer von 9V, m Länge u. 26—114 cm Mittenst. 110 Buchen- « . 7 - 26—39 . 38 Rüftern- R . 10 - » 28—60 » - 12 Linden. O . 7 R O 85—51 » » 32 Elchen- O , 10 » « B 36—40 » » 2 Atiorn- » . 8 O O » 35—45 , « 27 MaSholder« , - G » . 25-48 , 2 Apselbaum- O . 3 » » 33-84 O » 22 Ellern. . . 10 O » A 18-29 3 Aspen» - » 6 O » » 23-25 - R unv 4L Stück Zchirrhölzer unter den im Termine öffentlich auShängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: aus dem vorgedachten Schlage. Leipzig, am 2. Ianuar 1888. DeS RathS Forstdeputation. Ver-kigtrung. Sonnabend, den 14. Januar d. I., Vormittags 10 Uhr soll im Hose dcS alten IobanniSiwspllalS ein Marstallpfrrd (Einspänner) an den Meistbietenden gegen sofortige Bezahlung versteigert werden. Leipzig, den 4 Ianuar >888. Die städtische Oekonomie-Inspecttoa. Vekannluiachimg. Erbtheilungshalber soll die zum Nachlasse des ZlmmermannS und Bauunternehmers Franz Eduard Schmetter weil, in Zwötzen ge. hörige Hosraithe Fol. 228 des Grund- und HypolhekenbuchS von Zwötzen, Fol. 301 des dastgen Katasters. bestehend aus Flurbuchsnummer 508 mit — da 8.16 ar Fläche und 162.64 Sleuereiudeiten, durch uns Mittwoch, drn IS. Februar VsS. I«., vormittags 11 Uhr i» der Tchmcller'schen Hosraithe daselbst öffentlich versteigert werden. Unter Hinweis aus de» vebft den Bersteigerungsbedingungen an diesiger Amtsstelle sowie am Gemeindebrett in Zwötzen ausdängen- de» Anschlag wird dieses mit dem Bemerken andurch bekannt ge macht. daß BorkausSberechtigle sich bei Berlust ihres Rechtes über Ausübung desselben noch vor dem Zuschläge zu erklären haben. Gera, am 7. Januar 1888. Fürst«. Reust. AmtSgrricht, Abth. für srenv. Gerichtsbarkeit. B -Ass. Brenner v. o. Nichtamtlicher Theil. Die Verschärfung des Socialijkngesetzes. Il * Zu den Argumenten, mit welchen die Gegner deS Social,siengesetze» dessen Fortdauer bekämpfen, gehört unter Andern, die Behauptung, daß da« Gesetz La« WachStbnm der Sociatvemokralie nicht verhindert habe, und man pstegt ihrerseits mit sichtlichem Woblgesallen aus die starke Ver- mehrung der soc>aldemokratischen Stimmen bei den ReichS- tagSwaylen im Allgemeinen unv in den großen Städten besonder» hinzuweisen. Ja. die Gegner de» Gesetze» bcbauplen sogar, dadurch, daß man die sociaivemokratische Partei unter ein Ausnahmegesetz gestellt habe, seien derselben Biele in die Arme getrieben worden, welche ihr i« anderen Falle vielleicht fern geblieben sein würden. Wir halten diese Anschauung sür total falsch unv verkehrt. Aus wa» gründet sich den» die socialbem okratische Partei? Ans weiter nicht« al« au die an den meisten Menschen mehr oder weniger vor handene Neigung zur Unzufriedenheit, und die socialistischen Agitatoren haben ^»"1 richtig herau«gefunden, daß e» ein recht leichte- Ding ist, die namentlich in den minder gebil deten ärmeren Bevvikeruag-classra entweder schon von Hau» au- bestrbenve Unzufriedenheit ait ihrer äußeren Lage sür ihre Zwecke zu verwenden oder da, wo der menschliche Ebarakter sich noch durch Zufriedenheit und Genügsamkeit anszeichnet. dieselben durch entsprechende Hetzreden in da» Gegenlheit zu verwandeln. L,e Worte, ivelche vor nunmehr 26 Jahren einer der bedeutendsten Führer drr Socialisten in einer Versammlung m her „Blauen Mutz«' ü, Leipzig zu am« jungen >,beiter sproch, der von der Wanderschaft zurückgekehrt war und welcher die Lage der erzgebirgischen Arbeilerbevölkerung als nicht unbefriedigend bezeichnet«, sind uns niemals au» dem Gebächtniß gekommen. Eö war Herr August Bebel, der damals aus die von jenem Arbeiter gemachte Bemerkung, daß er nichts von Unzufrieden heit unter den Arbeitern im Erzgebirge Ivabrgcnoinmcn habe, entrüstet in die Worte ausbrach: „Ja. daS ist eben daS Unglück dieser Leute, daß sic zufrieden sind, daß sie nicht wissen, wie chlecbt es ihnen geht» man muß sie unzufrieden machen!" In diesen Worten liegt daS ganze Geheimniß der Erfolge der socialdcmokratischen Partei, durch sie ist aber auch daS ganze Wesen der socialdcmokratischen Agitation gekennzeichnet. Es ist doch gar nicht zu verwundern, daß Agitatoren, die nicht >m Geringste» davor zurückscheuten. mit solchen Mitteln u openren unv die rohen Empfindungen der Massen in ysteinatischcr Weise auszuwühlen, zeitweilige Erfolge erringen mußten. Und so baden wir cS denn namentlich in» König reich Sachsen in den siebziger Jahren erlebt, daß. bevor daS Gesetz gegen die gemeingesahrlicken Bestrebungen der Socialvcmokratic bestand, die sccialistijchc Bewegung sich als ärmliche Hocbflutb über das ganze Land ergoß. Sachsen war daS Schicksal beschicken, daß Dutzende von socialdemokralischen Agitatoren au» allen Ecken und Enden von Deutschland sich in seinen Grenzen niederlieben und nun die Arbciter- bevölkerung in einer Weise bearbeiteten und ausreiztcn, daß recht bedenkliche Znstänve entstanden und die öffentliche Sicher heit an vielen Orten gefährdet erschien. Eine Agitations- Versammlung folgte aus die andere; die Sprache, welche in diesen Versammlungen geführt wurde, nahm an Wildheit und Rohheit tagtäglich zu; jeder Redner, welcher eS wagte, den Agitatoren entgegenzutreten, wurde niedergefchrien und mußte froh sein, wenn er überhaupt heiler Haut aus dem DersammlungStocal wieder herauskam, und die BersammlungS- und Redesreiyrit schien tatsächlich nur noch sür die Social- demokraten vorhanden zu sein, da von ihnen jede öffentliche Versammlung der OrbnungSparleien gestört und schließlich gesprengt wurde, so daß diese Parteien sich vor die Nolh- wendigkeit gestellt sahen, öffentliche Versammlungen nicht mehr abhalten zu können. Wir erinnern in dieser Beziehung nur an da» schmach volle Verhallen der Socialdemokraten in der bekannten Ver sammlung in der „Eentralhalle" hier, in welcher der ver storbene Abgeordnete vr. Stephani seinen Wählern Bericht erstattete unv durch die Provocation von socialdemokratischer Seite die skandalösen Scenen hervorgerufen wurden, deren sich noch Viele erinnern werden. AlS würdige Partnerin stellte sich vor dem Erlaß deS Socialistengesetze» diesem wüsten Treiben in den Versammlungen die socialdemokratische Presse an die Seite. Wie Gislpilze schossen allcrwärlS socialistische Blätter aus der Erbe empor, unv kein anständiger Mensch war vor den Anglisten unv Verleumdungen dieser Blätter sicher. WaS bals eS, wenn man gegen die Verleumder Straf antrag stellte? In den meisten Fällen konnte nur eine Ver- urtheiluna zu Geldstrafe erzielt werden, der Ton der social dcmokratischen Blätter blieb derselbe. Wir sagen nicht zu viel, wenn wir behaupten, daß Lurch die Enlwickelung der socialdemokralischen Bewegung i» Sachsen vor dem Intrasltrelen des Svcialistengesctzes ein förmlicher TcrroriSmuS entstanden war, den Diejenigen, welche ihn zu bekämpfen wagten, oft schwer genug empfinden mußten. Diese» TerroriSmuS gebrochen zu baden, da« erachten nur in unserem Lande als eine der hauptsächlichen i.nd ersreulichüen Folgen des SocialistengesetzcS. Die socialistischen Agitatoren und Wühler dürfen sich heute nicht mehr Alle» ungcscheul erlaube», sie baden sich daran gewöhne» müssen, in itirem Austrete» bescheidener, anständiger und vorsichtiger zu sein, und vor Allem ist es ihnen erschwert, so loichl wie srübcr die unwissenden Massen in ihrem Sinne bearbeiten zu können. Dann kann daS Land nicht mehr in solcher Weise wie damals von den socialistischen Preßerzeugnissen Überschwemmt werden; denn, wenn auch der „Socialdemvkral" unv ähnliche Blätter immer noch verbreitet werben, so hat doch immerhin die Ver breitung socialdemokratischer Lehren Lurch die Presse bedeutende Einschränkung erfahren. Unv diese Wirkung de» Socialisicn- gesetze« nach beiderlei Richtung hin erachten wir sür so doch und ersprießlich, daß alle gegen da» Gesetz gerichteten Ein wendungen schon im Interesse de« friedlichen Beieinander- leben- der verschiedenen BevölkernngSclassen binsällig werden. Daß dir sveialcemokratischett Stimmcn bei den Wahle» sich vermehrt baden, ist durchaus kein Beweis gegen daS Gesetz. Nichts natürlicher, als daß der jugendliche Nachwuchs, aus den die Agitatoren hauptsächlich mitspeculirt haben, allmälig in die Elaste der Wähler einrückl und deren Zabl vermehren Hilst. ES wird auch Niemand bestreiten wollen, daß viele von Denen, die den socialistischeu Candidaten wählen, keine Socialdemo kraten, sondern nur einfach llnzusriedene sind. Aber, wir ballen Len Gegnern de» SocialistengesetzcS entgegen: Wie würde», insbesondere im Königreich Sachsen, heute wohl die Dinge stehen, wenn nicht' der Damm de« Socialisten- gesetzcS ausgericktet worden wäre? Die Frag- laßt sich natürlich bestimmt sehr schwer beantworten, aber nach unserer au» ver Beobachtung und Erfahrung an Ort und Stelle ge- schörsten Meinung würde die Socialdemokratie noch weit stärker vaS Land ergriffen baden, würden Zustände eingetrelen sein, gegen welche die Staatsgewalt an unv für sich hätte einschreiten müssen und zwar jedenfalls mit Reprelnvmaß» regeln, die viel stärker fein mußten, alS sie im Socialisten- gtsetz vorgesehen sind. Wenn nun auch die socialdewokratiscben Führer und Agitatoren in ihrem äußeren A»streten etwa» vorsichtiger und zahmer geworden sind, so haben sie doch darüber keinen Zweifel gelassen, daß sie in Wirklichkeit die Alten geblieben sind und nach wie vor dieselben Ziele anstreben: die Ver nichtung der monarchischen Staatsgewalt »uv der bestehenden Gesellschaftsordnung! Wenn da« nicht aus friedlichem Wege möglich ist, dann, so erklären die Herren Bebel, Liebknecht und Genossen ganz offen, mit Gewalt. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß die socialdemokealische Partei ihren gewaltihätigen, staat«- und ordnungSfeindlichrn Charakter abgestreist hat. im Gegentheil, die Führer der Sociai- demokratie baden neuerdings mebrsach ungescheut den Anarchisten ihre Sympathien bekundet, und Nicht» läßt darauf schließen, daß in dieser Haltung irgend eine Aenderung aus absehbare Zeit zu erwarten ist. Unter solchen Umnänken kann aber doch nur da« Wort Geltung behalten: „Wie Du mir. io ich Dir!" Soll der Staat etwa da« Rüstzeug gegen diejenige Partei adlegen, die ihn in Trümmer zerschlage» will- Volt er Dtriemgeu» die chm al« treue, ordnungsliebende Bürger angehören, wieder dcS wirk- amen Schutze» berauben, welcher ganz entschieden in dem Socialistengesetz enthalten ist? Nein, daS kann kein ver nünftiger Mensch dem Staat anralhen, und deshalb liegt die gebieterische Nolbwcndigkeit vor, daß daS Gesetz gegen die zemeingesährlichen Bestrebungen der Socialvemokratie auck erner sorlbesteht. Die Sociatdemokratie und idr Verhalten allein sind eS. welche diese Noldwendigkei». von der wir auch wünschten, daß sie nicht vorhanden wäre, berbeisühren; an der Socialdrmokratie allein wird cS Lader auch liegen, die ver änderten Verhällnisse entstehen zu lassen, unter denen das Socialistengesetz aufgehoben werden kan». ES liegr nun noch die Frage vor, ob da» Gesetz aus süns Jahre, wie die Negierung eS will, oder aus kürzere Zeit verlängert werben soll. Wir hatten diese Frage nicht für o bedeutend, als daß darüber unter den Parteien, die über haupt sür die Fortdauer de» Gesetzes einlrcken. Streit ent stellen könnte. Wir sind sür eine fünfjährige Verlängerung deS GesetzcS schon aus d e m Grunde, dann: sür geraume Zeit ein in der Regel zu de» heftigste», aufregendsten Debatten An laß gebender Gegenstand aus den Vcrbanvlungc» deS Reichstages ausscheidet und de» socialistischen Abgeordneten die Gelegen heit. die NcichSlaqstridüne zu ibrcr unheilvollen Agitation zu benutze». elwaS beschränkt wird. Wenn, was bestimmt verlautet, die LcgiSlalurperiodcn künslig aus süns Jahre auSgedebnl werden sollen, womit wir unS ebenfalls ganz einverstanden erklären, dann entfällt ja auch der formelle Cinwanv, Laß man dem neugewählten Reichstag nicht die Entscheidung über die Fortdauer eines so wichtigen Gesetze», wie eS das Socia listengesetz ist, verkümmern dürfe. Die bulgarische Frage. Die bulgarische Frage ist jetzt wieder aus den, Puncle an gelaugt. aus welchem sie sich unmittelbar nach der Thron- icsteigung dcS Prinzen Ferdinand befand; nian wird also den FelSblcck jetzt wieder mühsam den Berg hinauswälzcn. dis er dann noch vor Erreichung deS Zieles in daS Tbal zurückrollt. Rußland giebl sich noch immer der Hoffnung hi». eS werde eine Form gesunden werden können, unter welcher ohne äußerlich sichtbare Verletzung de« Berliner Friedens Bulgarien dem Machtbereich Rußland- einverleibt würde. DaS ist aber eine verqtdliche Hofsnnng, und je mehr man sich mil der Aus führung de« russischen Gedanken- beschäitigt, desto klarer tritt die Unmöglichkeit derselben hervor. Ein an sich unbedeutender Vorgang wirft auf diese Schwierigkeit ein wahrscheinlich nicht beabsichtigte-, aber um so wirksamere» Schlaglicht. Bekanntlich hat der deutsche „Rcichsanzciger" sich gegen die dem Prinzen Ferdinand von Eodurg im Gothaischcn Hos- kalcnder zucrkannte Bezeichnung Fürst von Bulgarien erklärt, weil ibm die Bestätigung als solcher durch die Tiinkei und die europäischen Großmächte seble. Daraus hat die Redaktion dcS Kalender« erwidert, daß Prinz Ferdinand sich selbst diese Bezeichnung beilege unv baß sie dem lhaliächlichen Zustande entspreche. Daraus hat der „NeichSanzeigcr" folgende Entgegnung crlheilt: „Bulgarien ist kein souverainer Staat unv kann deshalb ebenso wie Egypten und srüber noch ver schiedene andere Staaten diplomatisch nur von der Pforte vertreten werken". Durch diese Bemerkung dcS„ReichSanzeigerS" wird die bulgarische Frage in daS allein richtig« Fahrwasser geleilet. Die bulgarische Verwirrung kann nur durch Ver mittelung der Türkei beseitigt werden, also muß da wieder augeknUpsl werben, wo die Türkei ihren letzten RegiernngS- acl alS suzcräne Macht Bulgariens auSgeübt bat, und dieser war die Erklärung, daß Prinz Ferdinand nicht als der gesetzliche Fürst Bulgarien» angesehen werden könne. Die Türkei hat damit offenbar nicht genug gelhan, sie hätte mit dieser Erklärung die Aufforderung an den Prinzen verbinden müssen, Bulgarien zu verlassen, und hätte zugleich im Falle der Weigerung, dieser Auf forderung zu entspreche», mit gewaltsamer Entfernung des zu Unrecht eingesetzten Fürste» drohen müssen. Eine solche Krastansirengung wäre allerdings weit über DaS hiuauS- gegangen, wa« die Türkei seit langer Zeit zu thn» gewohnt ist; sie hat ihre Befugnisse als suzeräne Macht schon zur Zeit der Vereinigung OstrumelienS mit Bulgarien schmählich vernachlässigt und die Initiative, welche ihr selbst zustand, den VeriragSmächkcn überlassen. So ist eS gekommen, daß Rußland sich Befugnisse in Bulgarien angcmaßt hat, die ibm nicht zukommcn, daß c» dort als Herr ausgetrele» ist, während ihm nur die Rolle dcS aufmerksamen ÄeodachterS zngcstanden werten konnte. Die Türkei wollte abwartcn, ob ihr von den VrrtragSmächteii der Auftrag ertheilt werden würvr, die Bulgaren aus Ostrnmclicn hinanSznjagen. unv da die» nickt geschah, hat sie sich auch nicht für desugt er achtet, den Prinzen Ferdinand vem Tbronc zu üoßen. Europa steht beute wieder vor der Frage, ob e« der Türkei den Auftrag zur gewaltsamen Ent'erining de» Prinzen F-rdinand au» Bulgarien erlhcilcn soll. Rußland strebt einen solchen Auftrag an aus Grund deS Berliner Vertrage», und Deutschland wirb keinen Anstand nehincn, Rußland bei diesem Steeden zu unterstützen, aber eS kommt daraus an, ob Oester reich-Ungarn. Italien und England sich Rußland und Deutsch land anschließen werden, und zwar werden diese Mückle aus dem Grunde Bedenken tragen, e» zu thun, weit sie damit der Selbsiständ'gk-it Bulgariens zu »ade treten würden. Der deutsche „ReichSanzeiger- sagt mit Recht: „Bulgarien kann diplomatisch »ur von Ver Pjorte vertreten werben", aber wie bann, wenn die Pforte keine Anstalten teisst, >ui> von diesem Recht den geeigneten Gebrauch zn macken? Die Türkei würde au» eigenem Antriebe niemals dem Prinzen Ferdinand erklärt haben, daß sie ihn nickt al« den gesetzlichen Fürsten Bulgarien» anerkenne, diese Erklärung erfolgte aus den von Rußland auSgrUblen Druck, zu weiteren Schritten verstand sich di« Türkei nicht unter Hinweis aus da« mangelnde Ein- verständniß drr Vertrag-Mächte über die Entsernung de» Prinzen Ferdinand au» Bulgarien. Diese» Einverständniß wäre gewiß sosort zu erzielen, wenn Rußland den guten Willen zeigte, die bulgarische Frage im Sinne de» Berliner Frieden-Verträge» zu lösen, da» heißt also, Bulgarien den Grad von Selbstbestimmung «inznräumen, welchen ihm der Berliner Vertrag verbürgt. Da« kann Ruß land nach Allem, wa» bi-hcr geschehen ist, nicht thun und da» wird auch von ihm nicht erwartet, und deshalb ist eine befriedigende Lötung drr bulgarischen Frage heute ebensowenig abzusrben wie vor zwei Jahren. Was kann e« h-tse». Lea Prmzen Ferdinand adzusetzen, wem, Rußland kn»ea Candidaten namhaft macht, ver v,e Z» sti,»mung de« bulgarischen Volke« erhält? Fürst Alexander hat dem Macktgedot deS Kaisers Alexander weichen müsse». Strinz Waldemar von Dänemark hat die Erlaudniß seine« Vaterö zur Annahme der aus ihn gefallenen Wahl nickt erhalten und Prinz Ferdinand wird von Rußland »nt derselben Enl- chiedenbeit abgelehnt wie sein« beiden Vorgänger. Damit ist der Geduld deS bulgarischen Volkes osscndar mebr ;u- gemulbct, alS i» der Regel ruhig ertragen zu werden pflegt, und wenn iil Folge dessen wirklich die aus Zerstörung des Bestebcnten und der Ilnkerwerfung unter Rußlands Willen rngen-nglen Bestaiidtbeile deS bulgarischen Volkes die staal lichc Ordnung i» Bulgarien umstürztcn und wirklich die Anarchie herdeijiihrtcn. deren Herrschaft in Bulgarien von Rußland seit langer Zeit grundlos behauptet wird, so wäre das wahrlich kein Wunder. Daß aber die Dinge so nicht weiter gehen können, daß ein Ende gemacht werden mutz, leuchlct jedem unbefangenen Bc- urthciler der Sachlage ein. ES ist in der Thal unerträglich, daß durch die bulgarische Berwirrung, wie der Brüsseler „Nord" sich aiiSbrnckt, der europäische Friede fort und fort in Frag« gestellt wird, und deshalb ist es nöthig, einen Zu- stand ausznrichkcn, welcher diese Gefahr beseitigt. Wie dieler Zustand beschaffe» sein muß. kann nur durch dieselben Kräfte iestgestcllt werden, welche bei Feststellung de« Berliner Friedens- vertrage» milgewirtt haben. Der Berliner Friede ist durch die Vereinigung Bulgariens mit Ostrumelicn bereits in einem wesentliche» Theile abgeändert, und andererseits bedarf da« Verhältnis; der Türkei zu dem neuen StaalSgebilde unzweifel haft der Regelung. Der Vorschlag, die bestehende» Schwierig keiten durch eine» Congreß zn beseitigen, ist also gewiß der richtige. WaS aus diplomatischem Wege geschehen kann, ist eit länger als zwei Jahren geschehen, aber mit wie geringem Erfolge, liegt klar zu Tage. Rußland- Abneigung, aus den Eongreßgedankcn einzugehen, hat seinen Grund hauptsächlich in der Unlust, an die Stelle unklarer Dvrschrljtcn klare Bestimmungen zn setzen, welche den Anforderungen der Gegenwart entsprechen. Der Unlust Ruß land», einen Len Bedürfnissen de» bulgarischen Volke« enl- prechenden Zustand in Bulgarien aufznrichlcn, ist die Beunruhigung, welche dcn Friede» Europas seil mehr al« zwei Jahren unausgesetzt stört, allein zuznschreiben. Ter gut: Wille dazu ist aus Seilen Rußlands nicht vorhanden, iim so mehr muß von de» übrigen VertragSmächlen daraus hingewirkt werde», daß vieler Mangel durch Einigkeit aus ihrer Seite ergänzt wird Frankreichs negative russensreund- licke Haltung war bisher ein .ssauptstein de« Anstöße», an welchem die Lösung der bulgarische» Frage scheiterte. Pra- ldent Earnot hat seine friedliche Gesinnung wieterbolt und in der wohlwollendsten Weise zn erkennen gegeben, möge er auch die Hand dazu bieten, Rußland aus den rechten Weg z»rückzusül,rc». dann ist der europäische Friede aus lange Zeit hinan» gesichert. , Leipzig, 11. Januar 1888. * Nachdem der Vorsitzende der Commission, welche da» deutsche Eivilgesetzbnch zu entwerfe» hatte, dem Herrn Reichskanzler den scrtiagcstellten Eutlvins über reicht hat, ist selbstverständlich die Hrage eine brennende ge worden. wann und in welcher Form die Arbeit zur öffent lichen Kenntniß gebracht werden wird. Ter Reichskanzler hat dieselbe Rainen» des BunteSralh» zu empfangen gehabt, unv bei diesem wird eS zunächst stehen, über Zeit unv Art der allgemeinen Bekanntgabe z» beschließen. ES hat nicht« darüber verlautet, ob dem EommissioiiSeniwurs auch eine Bc« gründung deigegeben ist oder die Ausarbeitung einer in« Einzelne gebende» Begründung etwa nock beabsichtigt wird. Jedenfalls würde im zweiten Falle noch einige Zeit vergehen müsse», bis der Entwurf der allgemeine» Oeffenttichkclt und damit auch dein allgemeinen Urtheil unterstellt wird. Ohne Zweifel sind in den verschiedenen DurckgangSstadien der Bc- ralhung auch die Gesichtspunkte hervorgelwben und erörtert worden, von welchen die Verfasser der Theitentwürsc unv i» ihrer zusammcnsasscnven Thätigkcit die Mitglieder der Gcsammtcomnnssion auSgingen, aber etwa« davon Ver schiedene« ist doch ein einheiilicher und fortlaufender Eommeu- tar zur Gcsammtarbcit. Darüber, ob ein solcher überhaupt notbwcndig ist, kann man sehr verschiedener Meinung sei». Vielleicht würde cö sich eher empsehlcn. bei einer Reibe von Hauplsragen die leitenden Gesichtspunkte in besonderen Ab- bandlungcn oder Denksckriste» zum Ausdruck zu bringen. Ohne Zweifel wird die Entscheidung darüber »n Schoße dcS hohen BundeSratb» reiflicher Erwägung unterbreitet werden, wir hielten es aber sür angezeigt, daraus hinzuweisen, daß cs von dieser Entscheidung abhänge» wird, ob die Veröffentlichung kiese« Enlwurs» schon in der nächsten Zukunft oder einer immerhin entfernteren Zeit erwartet werden kann. Wenn die GesctzgcbungScommission sonnt auch ibre Hauptautgal: schon erledigt bat und durch die Ncbergabe deö Entwurfs an der Schwelle de» neuen Jahre» ein denkwürdiger Zeitpnnct ibrer angestrengten und dankenSwerlhcn Thätigkcit bezeichnet ist, so liegen derselben doch noch in der Bearbeitung der Uebergang»- und Ned»,gesetze zahlreiche und wichtige An, gaben ob, deren richtiger Erfüllung wir da» beste Gedeihen wünschen. * Die schon früher zurnckgewiesene Behauptung, der Bo: - scbaster v. Schweinitz habe eine besondere Aufgabe oocc besondere Aufträge bei seiner Rückkehr nach Petersburg gebabt, gehört, wie der .Kölnischen Zeitung" au» Berlin geschrieben wird, zu den oberflächlichen Erfindungen, deren Urheber sich nicht einmal klar werden, welchen Schaden cS anrichlen müßte, wenn solche Meldungen in erste» politischen Kreisen geglaubt würden. Neuerdings ist sogar die am NrujahrStage erfolgte Verleibnng deS Schwarzen Adler- Orden» an dcn kaiserlichen Botschafter in Petersburg als eine Anerkennung seiner erfolgreichen Tbätigkeit bei Gelegenheit der behauvlete» Vermittlungen bezeichnet worden. Welchen Eindruck solche Dehanpknngen von geheimen und erfolg reichen Vermittlungsversuchen und von grheimnißvollen „Negotiationen" zwischen Deutschland unv Rußland aus andere befreundete Mächte unv deren Vertrauen zur deutschen Politik machen können, darüber findet bei den kübncn BcrmulbungSpolitikern ein Nachdenken und eine Er wägung osscndar nicht statt. Der kaiserliche Botschafter v. Schweinitz bat sich seit Enke September aus Urlaub 1c» iunden, hat diese» Urlaub in Süddeutschland und Italien zu- I gebracht und während dieser Zeit aus die Geschäfte keinen I Einfluß genommen. Er hat den Schwarze» Adler-Orden — I nach der bestehenden Gewohnheit Deiner Maiefiat, hohen
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