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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895020102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895020102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-01
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Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit h« Morgen - Ausgabe , ohne Postb,fordern«« ^4 M.—, m?t Postbeförderung ^ A).—. Anuahmeschlulr für Anzeige»: «bend.Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morge«.Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Sonn- and Festtag» früh V,d Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« j« ei« halbe Stunde früher. Unzeiten sind stets an di« Etpevitton zu richten. Druck and Verlag von E. Pol» in Leipzig 5S. Freitag den 1. Februar 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Februar. Der Reichstag hat auch gestern die ganze Sitzung auf die erste Berathung deS socialdemokratischen Antrags auf Außerkraftsetzung des Dictaturgesetzes von l87l im Reichslande verwendet, obgleich die Antragsteller und die übrigen Befürworter de» Antrags schon vor gestern erfahren hatten, daß und warum die elsaß lothringische Landesregierung wie der Reichskanzler dieses Machtmittel noch für unentbehrlich halten. Der Reichskanzler hatte deutlich erkennen lassen, daß er dem von der Bevölkerung des Reichs landes getbeilten Wunsche, endlich die noch aus der Zeit der französischen Herrschaft stammenden Ausnahmegesetze beseitigt zu sehen, nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber steht; er batte bedauert, daß mit Rücksicht aus die franzö sische Agitation die Aufhebung des Gesetzes jetzt noch nicht möglich sei, und hatte klar darauf hingewiesen, daß der Zeit punkt der Aufhebung erst dann gekommen sei, wenn die französische Agitation davon ablasse, die Bevölkerung von dem Wege ruhiger und gedeihlicher Entwickelung fort zulocken. Wenn trotz dieser so unzweideutigen und bündigen Erklärung die Debatte noch über einen vollen Sitzungslag auSgesponnen wurde, so konnten dabei die Befürworter des Antrags nicht von der Hoffnung geleitet sein, den Bundesrath für sich zu gewinnen, sondern lediglich von dem Wunsche, Stimmung für sich und ihre Parteien in den Ncickslanden zu machen. Es waren Wahlagitationsreden, die von dieser Seite gehalten wurden, und Wahlagitationsreden werden es sein, die bei der zweiten Lesung des Antrags von dieser Seite werden gehalten werden. Hierdurch wird man zu der Vermutbung geführt, daß die oppositionellen Parteien, zu denen in diesem Falle auch das Eentrum gehört, eine Auflösung deS Reichstags für wahrscheinlich halten oder gar auf eine solche hinzuarbeiten suchen. Daß darin für die verbündeten Regierungen kein Anreiz liegt, die Aufhebung des Dictaturgesetzes im Reichslande zu beschleunigen, liegt auf der Hand. Es liegt daher auch im Interesse der reichsländischen Wähler, sich, so ungern sie das tbun mögen, bei dem Bescheide deS Reichskanzlers zu beruhigen und von Ultramontanen, Protestlern und Social demokraten sich nickt in eine Agitation hineintreiben zu lassen, welche den französischen Agitatoren Wasser auf die Mühle sichren und deshalb die Aufhebung des Dictaturgesetzes in immer weitere Ferne rücken würde. Im Eentrum regen sich angesichts der schwankenden Haltung der Partei in der Angelegenbeit der Umsturz vorlage und der Verschärfung der DiSciplinar- gewalt des Reichstags-Präsidenten bereits wieder die Gegensätze. Gleich bei der ersten Nachricht von dem Um fall der CentrumSmitglieder in der Commission für die Um sturzvorlage schrieb die „Dsch. Reichsztg.": „Das katholische Volk verfolgt die Angelegenheit mit großer Aufmerksamkeit und ei wartet von seinen Vertretern dieselbe Ent schiedenheit, die sich in der Commission über die Verschärfung der Disciplinargewalt des Präsidenten bei den Centrumsmitgliedern gezeigt hat." Da das Blatt aber bereits in derselben Nummer die Mittbeilung auS Berlin bringen mußte, daß daS Centrum im Plenum zu einer Verständigung über die Verschärfung der Disciplinargewalt des Präsidenten die Hand reichen wolle, begleitete eS diese Mittheilung mit folgenden Be merkungen: „Aus dieser Notiz schließen wir mit Bedauern, daß ein Theil des CentrumS wieder zur unzeitigen Nachgiebigkeit bereit ist. Wie leicht kann es geschehen, daß das Tentrum die Folgen einer solchen Nachgiebigkeit an seinem eigenen Leibe verspüren wird. Glaubt man vielleicht, es wäre seiner Zeit den herrschenden Par- teien nicht eine wahre Wollust gewesen, einen Mallinkrodt und einen Windthorst, welche die unangenehme Eigenschaft hatten, die Wahrheit zu sagen, für einen Tag oder natürlich am liebsten ganz aus dem Reichstag auszuschlietzen? Es könnte jo sein, daß auch in Zukunft Männer wie Windthorst und Mallmkrodt austreten werden. Man reiche doch nicht den kleinen Finger, wo die ganze Hand ge- »o»nnen werden kann. Uebrigens können wir unmöglich glauben, daß Las Centrum so inconsequenl sei» werde, im Plenum anders zu stimmen, als seine Vertreter nach vorhergegangenem Fractions- beschluß in der Commission gestimmt haben." Nachdem die „Nachgiebigkeit" in der Commission für die Umsturzvorlage Tbaisache geworden ist, lesen wir in einem Artikel desselben Blattes, „Eentrum und Umsturzvorlage", folgende Erklärung: „Es ist Zeit, daß die katholische Presse der Meinung des katho lische» Volkes wieder entschiedenen Ausdruck verleiht, das ist ihre Ausgabe, ihre Pflicht. Nicht um zu schimpfen, zu räsonniren, wie manche leijekreiende Herren so gern behaupten, sondern um die Partei vor einem höchst bedauerlichen Mißgriff zu bewahren. Noch ist es Zeit, noch können wir aushalten aus der schiefen Ebene, deswegen sollen wir uniere Stimmen erheben. Bei aller Anerkennung der großen Verdienste, welche die oberen Zehntausend um unsere gute Sache haben, glauben wir doch, daß sie allein nicht iiiaßgebend sein dürfen. Will man entgegenkommcn, gut, aber nicht jo weil, daß man vergißt, daß das Centrum sich selbst eine Volke- partei nennt." Es wird zunächst darauf ankommen, ob diese Strömung unter den demokratisch gefärbten Anhängern des Cenlrums um sich greift, und dann auf die Ersvlge der „nachgiebigen" Herren m der Umsturz-Commission. Sind diese so groß, wie die Herren infolge des Entgegenkommens der Conserva- tiven gegen bie ultramontanen Wünsche hoffen, so überträgt sich die „Nachgiebigkeit" vielleicht auch auf die radicalsten Cenlrumsdemolraten. Nach dem gestrigen Beschlüsse der französischen Depu- tirtenkammer wird also das Begräbnis des Mar schalls Canrobert auf Staatskosten erfolgen, ein Beschluß, der, mit den Stimmen der Republikaner gegen die jenigen der Radicalen und der Socialisten gefaßt, wenn man an die Vergangenheit Canrobert's denkt, nicht eben besonders republikanisch anmuthet, und die Regierung wie ihre Kammer mehrbeit wird noch manches böse Wort darüber zu hören bekommen. Aber eS ist nun einmal nicht anders: seil länger als Jahresfrist regt sich das altsran^ösische Gloirebedürfniß wieder, daS unter der republikanischen Staatsverfassung keines wegs erstorben ist und jeden Augenblick erwachen kann, wenn der Druck, der in Gestalt deS einmütbigen FrieoenswunscheS aller anderen Völker unseres Erdtheiles das gallische Temperament niederbält, einmal weichen sollte. Marjcdall Canrobert war kein Feldherrngenie, aber ein unerschrockener Soldat und tapferer Führer in Actionen zweiten Ranges, wo er sich auch alle seine militärischen Lorbeeren, den Marschallstab einbegriffen, geholt hat. Mit ihm ist der letzte Träger des Stabes der Marschälle von Frankreich heimgegangen, und melancholisch, aber doch mit dem unverkennbaren ZukunftSwunsche, fragen sich die Franzosen, ob eS wohl einem Tapferen aus ihrer Mitte besckieden sein werde, die alten Traditionen des fran zösischen Marschallstabes wieder zu Ehren zu bringen. Alle Achtung vor der Republik, aber sie entspricht zu wenig den repräsentativen Neigungen und Bedürfnissen des Volkes, für dieGloire ist nun vollends unter derRepublik so gut wie gar nicht gesorgt, und daß sie auch das Institut der Marschälle von Frankreich abgesckafft hat, wird ihr von dem Volksinstinct als ein aprioristischer Verzicht auf kriegerische Großthalen . ^ keine formelle Verwabrung ein- ausgelegt. gegen den er j ' , ^^lich rat,- legen mag. den er aber ebens°w-n.fl u-ber- stciren wird. Man gebe den tNazo, ^ siegreich reugung, daß sie ,,, ^ » v durchbricht der Lle.ben werben, und ,n dem lb-r. Schranke, alte Hang zu kriegen,chen Abenteuern aue i ^ Weg folgt die Menge d-n' G-nera^ welcher ^ Mann zum Siege zeigt, und frohlockt, enouip gefunden zu haben, der ihr imponiN. i. Hoffnungen bezüglich einer ^""^^'rcke erfüllt Der Erzbischof"von Westmchst«.' Cardinal LaugHan, welche^sich genannte Ku chensürst dem Papil ganz erklärt, daß na ^ e Meinung die aus eine Annäherung de' be.d-n be zeichneten Kirche» geletzte» Hoff.iungen ab'ow lrug ril ) seien und daß die Ausbreitung res KatbolicismuS in Engla C-rdma> Baugdan ha, s>» »dm. aus- aesprocken daß in Zukunst diese Bekehrungen, namentlich ,n den gebildeten Classe» und bei den Rftualiften der augti^ caniscken Kirche, zahlreicher werden dürsten. Dank dem günstige Eindrücke, welchen in England die „erleuchtete Stellung deS Papste« gegenüber den diffennrcnden Kirchen Hervorrufe. Ter Erzbisä'os von Westminster bat jedoch dem Papste dringenb a b qeratden, über die Frage der Vereinigung der beiden Kirchen ?,n öffentliches Schriftstück an die englischen Bischöfe »» r'chlcn, da der Protestantismus m dieser Beziehung ,ehr empsinblich sei und ein derartiges päpstliches Dokument gewiß sehr gereizt ausnehmen würbe. Leo XIII war von d.e,en Aufklärungen des Cardinals Vaughan, wie begreiflich, nicht angenehm berührt, nnd bat nicht verfehlt, unumwunden auszusprechen, daß es ihm sehr schwer falle, seine Vereinigungsplane aufzugeben. Er bat den Wunsch kund gegeben, auch die Meinung anderer englischer Bischöfe über die Frage zu hören, und es durften zu diesem Zwecke demnächst die Bischöfe von Soulhwark, Nottingham und Salford in Rom emtreffen. Man glaubt jedoch, daß sich diese Kirchensürslen ,n ähnlichem Sinne wie Cardinal Vaughan aussprechen werden. Wir hatten jungst die Erwartung ausgesprochen, es möchten aus der Mine der englische» Hvckkirche selbst sich energische Stimmen der Ab- wehr gegen die Umschmeichelungsversuche des PupneS erbeben, jetzt ist den valicanischen Machtgelüsten bezüglich Groß- britanniens von nicht minder competenter Seile ein noch weit wirksamerer Dämpfer aufgesetzt worden. Die Zeit ist aber doch noch nicht reis für die allgemeine Rückkehr »nS „cowwuue ovile". Der an dieser Stelle schon mehrfach erwähnte Gedanke der Zusammenfassung aller australischen Colon ien zu einem einheitlich gegliederten Bunde scheint sich nunmehr seiner Berwirkllchung zu nähern. Wie aus Hobart gemeldet wird, wurde daselbst im Anschluß an die eben stattfindende internationale Ausstellung am 2V. Januar eine von Neusüd- walcs, Victoria, Westaustralien und Tasmanien beschickte Con- ferenz von Premierministern eröffnet, welche die Gründung eines australischen Bundes zum Zwecke hat. Ter Premierminister von Neusüdwales, Reid, gegenwärtig der eifrigste Vertreter der Bundes-Ibee, beantragte, bie Conserenz möge erklären, daß die Gründung eines australischen Bundes die dringendste An gelegenheit der australischen Politik sei. Dem wurde einhellig zugeftimmt. Ueber die näheren Erörterungen verlautet bisher 8S. Jahrgang. noch nichts, da die Bcrathungen bei verschlossenen Thüren gesübrt wurden. Queensland, dessen Premier dem Dundes gedanken noch zweifelnd gegenübersteht. fehlt auf der Conserenz, vie hauptsächlich unter dem Drucke der finanziellen Nöthe der einzelnen Colonien und des Bewußtseins, daß Australien gegenwärtig im Kalle kriegerischer Verwickelungen völlig wehrlos wäre, zu Stande gekommen ist. Deutsches Reich. * Berlin, 31. Januar. In der Sitzung deS Reichstags am 22. Januar hatte der Abgeordnete Graf von Kamtz verschiedene Proben von Leder auf den Tisch des Hauses niedergelegt, und zwar mit Lobe gegerbtes Leder, welches den Eindruck hervorragender Qualität machte, und lediglich mit Quebracho gegerbtes Leder, welches schwammig und filzig war und nicht entfernt die Haltbarkeit des ersteren haben konnte. Graf Kanitz nannte auch die Firma, welche ihm diese Proben geliefert halte, es war ein französisches HauS (Dudosu in Havre). Hierzu wird der „Nat.-lib. Corr." aus Interessentenkreisen geschrieben, daß „auch vie aus gesprochensten Freunde res Quebracho-Holzes" nur in seltenen Ausnabmefällen dazu kommen, lediglich reines Quebracho als Gerbmittel zu verwenden. „Jeder einigermaßen mit den Fort schritten der Neuzeit vertraute Gerber" wende neben Quebracho erhebliche Mengen Eichenrinde und Eichenfrucht (d. i. Valonea) an. Durch ein solches combinirtes Gerbeversahren werde ein Leder bergestelll, daS nach dem Gutachten von namhaften Sachverständigen (Professor 1)r. von Schroeder-Tharandt) dem besten eichenlohgegerbten Leder gegenüber nicht als minder- werthig bezeichnet zu werden brauche. Das nationalliberale Partei-Organ bemerkt zu dieser Aeußerung: „In dieser rein wirthschaitlichen Jnteressenfrage sieben sich bie Meinungen auch in anderen Parteien, theilweise sogar sehr schroff, gegen über. Doch hat die bisher im Reichstag geführte Erörterung jedenfalls so viel klargestellt, daß der Schutzzoll nicht in der Höbe von 10 ^ (-- 200 Procent des Werthes), sondern nur in der Höhe von etwa 2—3 ^ eine Mehrheit finden kann." * Berlin» 31. Januar. In den „Berl. N. N." lesen wir: „Die Angelegenheit Frhr. v. Stumm contra Wagner hat nach vielen Erklärungen und Repliken endlich einen friedlichen Abschluß gefunden. Professor Wagner bat an den Cartelträger des Freiherrn v. Stumm folgende Mit theilung gerichtet: „Ew. HochwohlgeborenI Auf Grund der mir von meinem Freunde gemachten Mitthcilungen erkläre ich hiermit, daß ich die in dem Arlikel des „Volk" vom 2ü. Januar enthaltenen Aus drücke, so weit sie gegen Freiherrn v. Stuinm gerichtet sind, zurücknehme, indem ich specietl hervorhede, Laß die Worte „leicht- fertige Verleumdung" nicht die Bedeutung haben sollten, ich Hölle dem Freiherr» v. Stumm die Absicht untergelegt, wider besseres Wissen jene Aeußerungen gcthan zu haben, was mir ganz fern lag. Ich habe damit lediglich sagen wollen, daß diese Aeußerungen jeder thatiüchlichen Unterlage entbehrten, daß dieselben aber gegen mich und meine Fachcollegen die Wirkung einer Ver leumdung haben müßten: eine Wirkung, welche durchaus geeignet sei, uns in der öffentlichen Meinung zu discreditiren. Gegen eine derar'ige Wirkung von Ausführungen, welche vor der ganzen Nation im Reichslage von einem einflußreiche» Abgeordneten gethan worden, habe ich nicht nur das Rechk, sondern auch die Pflicht, Stellung zu nehmen. Ich nehme meine Aeußerungen zurück, aber ui der Voraussetzung, daß Frhr. von Stumm seiiierjeits an meinen Freund — — die schriftliche Erklärung abgiebt, er habe die Be merkungen in Betreff der Vorgänge in der Studentenschaft und der behaupteten Theilnahme der Prosefforen dabei Mangels genügender Information gethan." Feuilleton. Graf Jarl. 2? Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verbot««. (Fortsetzung.) Zuletzt konnte er die Ungewißheit nicht mehr ertragen, schritt auf den bilderbesetzten Flur mit den blankblitzenden Schränken und rief seine Mutter. Jetzt eben kam sie die Treppe herab, schüttelte aber schon von oben ber den Kopf und verzog den Mund, wie Jemand, der nichts Gutes zu berichten hat. „Nun, Mutter", drängle der Mann. „Nein, Eduard, nein. Sie sagt, sie kann nicht! Ihr ist noch immer sehr schlecht, sie will schlafen, auch nichts essen. Höchstens etwas Suppe. Es tbut mir so leid. Der schöne Hammelrücken, den ich seit acht Tagen in Sahne liegen batte." Der letzte Satz erregte Eduard Halberts auiS Aeußerste. Er wollte seiner Mutter mit einer schroffen Aeußerung be gegnen. Dennoch bezwang rrsick und stieß, mit der sorgend eschwätzigen Frau Betty den Weg ins Wohnzimmer nehmend, eraus: „Hast Du ihr denn nicht gesagt, Mutter, daß ick sehr wünschte, daß sie käme, daß ich mit ihr sprechen wolle?" „Nein, Eduard, wie tonnt' ich wohl? Bist Du denn noch immer so aufgeregt? „Wenn ich nur wüßte — Das mit Deinen Eindrücken beim Wieversehen war ja nichts, Eduard. Wenn ma» sich elend fühlt, denkt man nicht an —" „Ach, Mutter. Du verstehst nicht —" Er wa»dte sich in höchster Ungeduld von ihr ab, griff nach ihrem Strickkorb, stieß ihn hin und her und packte einen Knäuel Garn, daü er zwischen seinen Händen zerdrückte. „Ja, soll ich denn noch zu ihr hinaufgehen —" berichtigte sich die Frau fügsam und wieder voll Beängstigung, ihn er zürnt zu haben. Sie gab sich wie ein Kind, .das Verkehrtes gut macken will. „Ja, Mutter! Ich bitte Dick, geh zu ihr und frage sie, ob sie zehn Minuten ausstehen könne, nur zehn Minuten. Ich müsse sie etwas fragen. Ich halte es nickt mehr aus, Mutter! Mir ist " Wollen wir aber denn nicht erst essen. Eduard? Der Braten verbrennt! Aber wenn Du durchaus willst — „Gut, essen wir denn erst, obschon ich nickt den geringsten Appeiit habe —", schloß der Mann finster, nickte, verließ zur Erhärtung seiner unumstößlichen Beipflichtung das Gemach und wandte sich in sein nach vorn gelegenes, an deS Pastors Studirraum stoßendes Zimmer. Wenige Minuten später klopfte Frau Betty bei Beiden an. „Essen, Halberts! Essen, Eduard!" Sogleich erschien PompejuS, säuerlich nach Tabak duftend, und auch Eduard, blaß, finster und im Gegensatz zu der spießbürgerlichen Erscheinung seines alten Vaters, mit blendend weißer Wäsche, sorgfältiger Kleidung, kurz mit dem tadellosen Aeußern eines Mannes der bevorzugten Kreise. Nachdem daS Mittagessen wortkarg verzehrt war, auch Mariekcn auf der Pastorin Frage gemeldet batte, daß die Suppe, die sie dem Fräulein hinanfgetragen, fast unberührt geblieben sei, ergriff Eduard doch ein leises Schwanken, ob er seine Mutter mit dem verabredeten Auftrag an Tessa ab senden solle. Die nach MariekenS Bericht noch immer Leidende auf einen bloßen Eindruck hin in so schwerwiegender Weise auf- zurezen, erschien ihm rücksichtslos. Er wich deshalb auch der kleinen Frau Betty, die nach PompejuS Entfernung sogleich sorgend »nd fragend an ihn berantrat, unschlüssig und einsilbig aus, und stieß erst nach geraumer Weile, von einer plötzlichen Idee ersaßt, heraus: „Nein, Mutter, nicht so, wie ich es vor Tisch wollte. Aber ich möchte Dich um etwas Anderes bitten. Ich werbe riniae Zeilen an Tessa schreiben." Nach diesen Worten nakm er, sich der Beipflichtung seiner Mutter versichernd, den Weg in sein Zimmer, ging noch eine Weile überlegend auf und ab, schob dann den breit schultrigen Körper an den Schreibtisch und richtete an seine Braut die nachsoigeuden Worte: „Liebe Tessa! Seit dem Augenblick unseres Wiedersehen- peinigt mich ein nicht zu beschreibende« Gefühl der Unruhe. Solche Zweifel quälen mich, daß ick nur den einen Gedanken habe, mich au» diesem unerträglichen Zustande zu befreien. Da Du allein mich erlösen kannst, wende ich mich an Dick! Ich bereite Dir. der Kranken, eine Belästigung, aber Du wirst mir verzeihen! Ich frage Dick zweierlei auf.Drin Gewissen, und bitte es zu beantworten. Warst Du gestern Nacht in, GnkSgebölz und mit wem? Und ferner: Hatte Deine kalte Begegnung heut' Morgen eine Beziehung zu diesem nächtlichen Ausflug, oder bist Du noch immer dieselbe, mit den alten Gefühlen der Liebe? Sprich ehrlich! Ich bitte Dich, und ich küsse Dich zärtlich. Eduard." Nachdem Eduard Halberts diesen Brief dzrrch seine Mutter hinaufgesandt batte, begab er sich, um der ungeheuren Er regung, die ihn beherrschte, besser Herr werden zu können, vorläufig ins Freie. Sein Entschluß war gefaßt. Bestätigte sich seine Ver- „luthung, wie er es fürchtete, so wollte er sogleich auf's Schloß und rücksichtslos den zur Rede stellen, der ihm sein Dasein vernichtet hatte. Endlich, nach einer langen Viertelstunde, sab er Frau Betty in solcher Eilfertigkeit über den Hos schreiten, daß sie einem der bei dem Neubau der Scheune beschäftigten Maurer leute, der mit einer Frage an sic herantrat, kurz kopfschüttelnd und mit abweisende» Worten auSwich. Sie hielt ein Couvert in der Hand und Eduard fühlte sein Herz hörbar schlagen. Noch wenige Sekunden. Dann wußte er sein Schicksal! Altes Glück oder endloses Elend! Nun war auch schon Frau Betty mit allerlei Entschuldigungen an seiner Seite. „Bitte, Mutter, laß mich allein. Freude oder Schmerz, ich muß Beide mit mir zunächst allein abmachen", entschied er, strich ibr, um sie weniger zu enttäuschen, sanft über die Backen und riß, nachdem sie willig und mit hoffendem Blick sich entfernt, in der Allee das Couvert auseinander. DaS Schreiben lautete: „Lieber Eduard! Ja! Ich war gestern Nacht im Gehölz am See und batte — völlig verfinstert in meiner Seele — Schreck liche« vor. ^ Mein Vorbaben wurde jedoch vereiteltWie eS geschah und was dann folgte, sage ,ch Dir Morgen, beute habe noch ^ «w ^E'ner körperlich und seelisch zerrütteten Tessa " m Mann >a« d:e Zeilen und sank aufgelöst aus die srst^noch^i" vermlitket hakte. Ja. wollen — batte einen Selbstmord begeben sinster mußte es in ihrem Innern ausseben! Zunächst uberwogen d,e Gefühle deS Mitleid- und die Ge- trafs-ft ^ft Tchmerz, der sein Ich ^ spater nahm die Vorstellung stärker und immer selbst auf dem Spiele stand. Und dennoch hatten sie ihm keine volle Gewißheit gegeben, ließen sie noch immer Zweifel. Eine solche sich aber zu verschaffen, nicht bis zum kommenden Tage den wabnsinnigen Ungewißheitsschmerzen auSgesetzt zu sein, beherrschte ihn derart, daß er aufsprang, aber nicht vorher noch in die Wohnung zurückkehrte, sondern zur Rechten über die Felder den Weg nach dem Schloß nahm. Einer konnte ihm, gleichviel ob er neben Tessa gestanden batte in den schrecklichen Augenblicken der Notb, al« Freund oder als Dieb seines Glückes, Auskunft ertheilen. Dieser eine woknte im Schloß. Zu ibm wollte und mußte er, und wenn er sich den Eingang erzwingen sollte. Da Eduard wußte, daß Graf Adam im alten Schloßbau wobnte, klingelte er bei Ankunft nicht, wie sonst bei der Comteffe Eleonore, sondern nahm gleich den Weg zur Castellan- wohnung. Er wünschte auch von Niemandem gesehen zu werden. Er fand Nelly, die hinter muntern Blumen in dem allerliebsten Castellcinzunmer saß und sich eben zu einem weißen Kätzlein bera> bückte. Als sie emporschauend Eduard gewahr wurde, tauschte sie zunächst einige freundliche Wieber- sehensworte mit ibm ans und erklärte ans seine Frage, daß Graf Adam und die Damen einen Ausflug zu Wagen unter nommen hätten. Zwischen vier und süns Uhr werde gespeist, vor sechs oder halb sieben Uhr werbe ber Graf nicht zu sprechen sein. , „So sagen Sie, ick bitte, gar nicht, daß ich dagewesen sei, Frau Jung", entschied Eduard HalbertS, nachdenklich an dem blonden Schnurrbart rupsend: „Ich weiß nicht, ob ich meinen Besuch rann nicht biS Morgen verschiebe!" Hierauf nickte er ibr zu, fügte noch ein Scherzwort bei und trat den Rückweg an. Zu Hause angelangt, sagte er seiner sich in sorgender Unruhe an ihn drängenden Mutter, daß Tessa's Brief nichts bestätige, aber auch seinen Argwohn nicht aushebe. Er werde sich bi« zum Morgen gedulden und, um sich zu zerstreuen, einen Ausflug zu Pferde nach Schranken dorf machen. Er wolle sich Claudius Stute leiben. Hierauf zog er fick in sein Zimmer zurück, griff nach Reilmütze und Gerte und nahm den Weg nach dem Pachtkof. Nach einem mehrstündigen, seine Entschlüsse befestigenden Ritt kehrte Eduard zurück, stellte die Stute wieder ein, hörte allerlei Überflüssige und allerlei medisante Reden von Fraulein Marxen und begab sich abermals ins alte Schloß. Nelly nickte ibm schon auS der Entfernung zu, al» »ufälliz sein Auge auf die Fenster der CastellanSwohnuag siel. Auch
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