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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950204023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895020402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895020402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-04
- Monat1895-02
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Die Herren waren bei den Vorberei tungen für die Wahlen zur württembergischen Zweiten Kammer tbälig und dürften ihre Thätigkeit im Reichstage und in seinen Eommissionen auch vor den Stichwahlen nicht wieder aufnebmen, die erst ein klares Bild von der künftigen Zusammensetzung dieser Kammer bieten werden. Zn 25 von 70 Wahlkreisen sind Stichwahlen nöthig und unter den Gewählten sowohl, als unter den in die engere Wahl Gelangten sind mindestens 9, über deren politische Grundrichtung Zuverlässiges zur Zeit noch nicht bekannt ist. Immerhin kann, auch wenn die 23 ständigen Mitglieder der Kammer („Ritter" und „Prälaten" beider Bekenntnisse) in Betracht gezogen werden, auf das Zustande kommen der bisherigen national und gemäßigt gesinnten Mehr heit nicht mehr gerechnet werden, da die gvuvernementale „Landespartei" von 22 Mitgliedern aus eins zusammen- geschmolzen ist und die deutsche Partei im besten Falle den Verlust der Hälfte ihrer Sitze zu beklagen haben wird. Dagegen bat der für die Landtagswahlen erst kürzlich in einer württembergischen Cenirums Partei organisirte Ultra- montaniömuS einen beträchtlichen Erfolg aufznweisen. Das neue Centrum hat auch der Volks Partei Mandate abge- nommen, sie aber in anderen Wahlkreisen unterstützt, so daß die Demokratie, da ihr bei den Stichwahlen wohl überall der Beistand der Klerikalen sicher ist, sehr erbeblich verstärkt in die Kammer einziehen wird. Wie sich das Cen- lrum gegenüber den fünf in die Stichwahl gelangten Eandidalen der einen großen allgemeinen Stimmen zuwachs verzeichnenden Socialdemokratie verhalten werde, steht dabin. Bisher hat niemals ein Social demokrat der württembergischen Kammer angehört. Es wird nicht an Stimmen fehlen, welche die Niederlage der mittel parteilichen Richtungen mit begangenen Fehlern erklären. Lei den eigentkümliche» politischen Zeitverbältnissen Württem bergs mußten sich die Mittelpartcien indessen auf einen Rück gang gefaßt macken. Die Verfassung des Landes ist gänzlich veraltet. Sie kennt, wie schon in Erinnerung gebracht, ein Abgeordnetenhaus, das nicht allein auS Wahlen hcrvor- gebt, sondern zu einem Viertel aus ernannten ständigen Mit gliedern besteht, und dazu noch eine erste Kammer: mithin eine im übrigen Deutschland unerhörte starke Vertretung der „Privilegirten". Der Versuch, die Zusammensetzung der Zweiten Kammer zu ändern, ist in der vorigen Legislatur periode gescheitert. Und obwohl die deutsche Partei in der Bereitwilligkeit, den herrschenden Zustand zu beseitigen, hinter keiner anderen zurückgestanden und als die ent schiedenste Gegnerin deS Fortbestandes der aristokratisch- nltramontanen Ersten Kammer aufgetreten war, so ist es doch sehr erklärlich, daß die Extremen mit ibren radikalen Reformverbeißungen Oberwasser bekommen. Wenn ein Fehler das Wahlergebniß verschuldet hat, so ist es der, daß man nicht schon erheblich früher die Bersassungsrevision in Angriff genommen hat. Ganz ohne Zweifel ist auch die in der Wirtschaftslage und manchen politischen Vorkomm nissen begründete, zum größeren Theil aber künstlich erzeugte Unzufriedenheit an dem Ausfall der Wahlen stark betheiligt. Die particularistische Hetze der Ultramontanen und der Volks- Partei, die vor keiner Unwahrheit und Betbvrung zurück schreckte, hat ihre Früchte getragen. Sollte aber auch, was noch nicht feststebt, die Kammermehrbeit eine particularistische werden, so ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung, deren augenblick liche Stimmung sich vielleicht einigermaßen in dem Wahl ergebnisse ausdrückt, deren politischer Charakter aber ein gemäßigter und nationaler ist, werden die Kammer zu einer sachlichen Behandlung der LandeSangrlegenheiten nötbigen. Und was die Reichspolitik angeht, so ist die süddeutsche Demokratie seit den sechziger Jahren unausgesetzt «in Tdeil von jener Krast gewesen, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Der Untergang der „vlbe" ruft in der französischen Presse den gleichen, theilweise noch viel schärfer gefaßten Com- mentar über das unqualificirbare Verhalten des eng lischen Schiffssührers hervor, wie in deutschen Blättern. »Cs sei Zeit", ineint „Patrie", „England zu zwingen, seinen Seeleuten die Sitten civilisirter Völker beizubringen." Der englische Capitain soll sich damit entschuldigt haben, er hätte in einer bestimmten Zeit die Ueberfahrt machen müssen und hätte sich deshalb nicht aushallen können, obwohl er von seinen LeutenaufdieNolbsignale der „Elbe"ausi»erksam gemacht wurde. BesvnderSscharsaiebtder „Paris" seinerEnlrüsiung über diese Verletzung der Menschlichkeitspflichten dieses Engländers Aus druck. „Nicht das Vorgehen dieses Capitains allein", sagt er, „muß an den Pranger gestellt werden, sondern alle gesitteten Nationen müssen auch bei dieser Gelegenheit gegen die von den Engländern im Allgemeinen aus dem Meere zur Schau getragene Nichtachtung der geschriebenen und der moralischen Gesetze energisch protestiren. Einstimmig müsse verlangt werben, daß der Capitain der „Crathie" unbarmherzig bestraft werde, damit endlich einmal ein Exempel an der englischen Ueberhebung und grausamen Rücksichtslosigkeit statuirt werbe. Hieran hätten alle Nationen gleiches Interesse und jedes Vorgehen der deutschen Regierung in dieserSache würde überall nickt nur gutgeheiße n, sondern auch kräftig unterstützt werden." Der „Figaro" schreibt in einem Leitartikel: „Die Katastrophe der „Elbe" enthüllt wieder einmal, daß das Meer von Schiffen befahren wird, deren Capitaine ihr Gewerbe entehren und Banditen sind, der Achtung und deS Mit leids unwürdig. . . . Immer wieder wird berichtet, daß irgend ein Schiff von einen« anderen unbekannt gebliebenen Schiffe angerannt worden ist, daS heißt — letzteres ist unbekümmert davongefahren, um nicht erkannt zu werben. Diese nichtswürdige Feigbeit ist von dem englischen Dampfer „Crathie" begangen worden. Er ist im Nebel ent wischt wie ein Dieb .... Kann eS ein größeres Verbrechen geben, als daS dieser Seeleute, die ihre Opfer aus Egoismus, Habsucht oder Furcht feige im Stich lassen? Dies Verbrechen fft nicht eine vereinzelte Thalsache. Es ist daher Zeit, daß das öffentliche Gewissen sich dagegen erhebe. Ein erbarmungs loses Gesetz muß gegen diese -seebanviten erlassen werden, die des christlichen Namens unwürdig, die schlimmere Ver brecher sind, als die mit Galeere und Zuchthaus bestraften!" Der Jubel, mit welchem die klerikale Presse Belgiens den nach langem Widerstreben und nur aus das einstimmige Drängen der gesammten Rechten erfolgten Entschluß Beernaerl'S, den Vorsitz in der Kammer nach dem endgiltigen Rücktritte De LantSheere's anzunebmen, begrüßte, kennzeichnet in Wahrheit nur die Verlegenheit, in die die Ungeschicklichkeit eines Einzelnen und die hartnäckige Weigerung De LantSheere's die klerikale Partei versetzt hatte. Denn keines wegs entspricht dieser Jubel den thatsäcklichen Verhältnissen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Schritt Beernaert's aus Kosten seiner politische» Thätigkeit, in der Kammer wenigstens, erfolgt und somit, da diese durch den Eintritt De Lantsbeere's nicht in entsprechender Weise ersetzt wird, eine Schwächung der parlamentarischen Kraft der Rechten bedeutet, die um so empfindlicher ist, als sie ohnehin schon im Vergleich zu der numerischen Stärke der Partei so gering ist, daß diese jetzt schon ihre Redner bis auf den letzten Mann gegen den mit äußerster Rücksichtslosigkeit und überlegener Gewandtheit ge führten Ansturm der Linken aufbieten mußte. Andererseits d übng"nS hr.rseitS die empfangene Lehre wohl auch n cht veraess!., wird, bat sicherlich Geernaert m ertter Lm.e zur Annahme bestimmt. Für seine persönliche Stellung innerhall der Partei wird der Verlust oder doch die Cmtchraiikung der führenden Rolle in den Berathungen aufgehoben durch de Vortheil daß er sein politisches Ansehen in manchen ro vornherein verlorenen Schlachten ausS Spiel seven braucht und die Stunde einer größeren Krisis abwarten kann, wo gewohnbeitsmäßig die Krone sich an d-» Pra,lbente., der Kammer zur Berathung der politischen Lage wmdet Ob es freilich Beernaert gelingen wird, den zlammerverhand ungen ein würdigeres Gepräge zu geben, so lange ^ bisherigen Machtmittel des Vorsitzenden dieselben bleiben u»d sie « « ihrer nunmehr drei Monate lang wahrenden Unfähigkeit zur jegliche schöpferische That herauszureißen, muß die Zukunst lehren. Sehr unbequem scheint für die englische Regierung bei der soeben beginnenden ParlameiitSsession die vor wenig Tagen erfolgte sog. Versetzung des Richters -'aughan Williams vom Bankeroltgerichlshofe zum gewöhnlichen Civilgericht werden zu sollen; sie hat im ganzen z.anbe einen schlimmen Eindruck gemacht, und fast d,e gesammte Presse auch die liberale), mit Ausnahme der ministeriellen „Daily liewS", nimmt gegen Lord Herschell Partei, obwohl Niemand ihm das „formelle" Recht zu seinem Vorgeben bestreiten kann. Aber Niemand läßt sich ausreden, daß Vaugban wegen seiner an hohen Stellen übel vermerkten offenen «spräche über die bankerotte „New Zealand Loan Company" gemaßregell worden sei. Der Londoner Berichterstatter LeS „Manchester Guardian" schreibt: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Gerichtspflege des Richters Vaughan Williams nicht nach dem Geschmacke verschiedener Herren des HaudetsamtrS war. Er controlirte die Handhabung gewisser Gesetze seitens der Staats beamten, was nach deren Auffassung ihm nicht gebührt. Er hat daraus bestanden, Direktoren von Gesellschaften, die sich in Liquidation befinden, auch dann zu examiniren, wenn die amtlichen Masseverwalter es für unnölhig erachteten. Bei Bankerotten hat er die amtlichen Masseverwalter unter scharfe Controle genommen und keine Einmischung des Handelsamles geduldet; er hat Letzteres ziemlich unsanft auf seine ureigent- lichen Functionen beschränkt. Deshalb ist er in der Beamtenwelt durchaus nicht beliebt, aber es ist zweifellos, daß sein Verballen dem öffentlichen Woble dienlich war und daß er vemGeist der in Frage kommenden Gesetze Rechnung zu tragen sich bestrebte." — Noch vor Beantwortung der Thronrede will Lord Wolmer darauf Hinweisen, daß der irischen Partei angeblick ein Check von 2000 Pfv. Sterl. angeboren worden ist, und in Anbetracht dessen Vorschlägen, Len im Jahre l893 gefaßten Beschluß, daß die „Times", indem sie die irischen Abgeordneten für Söldlinge erklärten, sich einer Verletzung der Privilegien des Hauses schuldig machten, zu annulliren. Der Antrag Lord Wolmer'S wird den Vorrang vor dem Adreßantrag haben und gleich am Dienstag gestellt werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die Unionisten in corpore zur Eröffnungs sitzung des Parlaments einfinden Weden; die Regierung wird also Alles ausbieten, um auch ihre Anbänger zusammen zubringen. Wenn aber die Parnelliten sich aus die Seite der Opposition stellen, wird das Zünglein der Waage doch sehr schwanken. « Berlin, ll. Februar. Die „Berl. Pol. Nachrichten" chreiben: „Ein hiesiges Blatt läßt sich aus Hamburg telegraphisch berichten, daß von dort in den nächsten Tagen ein Dampser mit „allerlei Kriegsmaterial für die chinesische Regierung" abgehen werbe u. s. w. Die geringe Zuverlässigkeit, welche den Mittheitungen des g dachten Blattes sonst innewohnt, läßt vielleicht mit Recht ve rweiset», ob die Meldung in dieser Form wenigstens thatsüchlich richtig ist. Aber selbst wenn dem sv wäre, sollte doch ein gewisses Taktgefühl das in Rede stehende Blatt von der Lancirung solcher Miithcilungen, denen unter Umständen doch eine gewisse Tragweite iimewohnen könnte, abhatle»; wenigstens glauben wir nicht, daß . B- englische oder französische Preßorgane in ähnlicher Lage ihr patriotisches Empfinde» hinter die Lust am Auftijchen von Sensationsnachrichten zurückstellen würden." Hierzu bemerken dir „Berl. N. N." sehr richtig: „Was verstehen die „B- P. N." in diesem Falle unter dem „patrio tischen Empfinden"? „Patriotisch", will uns bedünken, ist es in keinem Falle, China im Kampfe gegen Japan zu unter stütze». Eine derartige Aussendung bedeutet einfach einen Neutralitätsbruch, gegen welchen die öffentliche Meinung in Deutschland sich sehr entschieden auflehnen wird." Daß auch die deutsche Regierung einen derartigen Bruch der Neutralität nicht dulden werde, halten wir für selbstver ständlich. Jedenfalls wenden unsere Behörden ähnlichen Be strebungen Chinas, deutsche Hilfskräfte zur Wiederherstellung seiner Kriegsiüchligkeit beranzuziehen, ihre Aufmerksamkeit zu. Dem „B. T." wird nämlich aus Breslau gemeldet: „Chinesische Agenten versuchen, wie verlautet, gediente deutsche Unterofsiciere für den chinesischen Kriegsdienst anzuwerben. Unsere Behörden wurden angewiesen, der Re gierung sofort mitzutheilen, wenn solche Werbungen beobachtet werden." * Berlin, 3. Februar. Das Brodmonopol, das kürzlich in der „Kreuzztg." mit der Begründung empfohlen wurde, es sei besser, daß wir allmählich in den ZukunstSstaat hinein- wachsen, als daß er plötzlich und umstürzend über unS komme, ruft in der conservativen Presse starken Widerspruch hervor. Die „Cons. Corresp." erklärt, die konservative Partei wolle mit solchen weitgehenden svcialpolitischen Versuchen nichts zu tbun haben. Und der „Reichsb." druckt einen Artikel der „Bad. Landes;." nach, in dem es heißt: „Die kläglichen Verhältnisse, wie der Arliketjchreiber sie schilderte, treffrn vielteicht für Berlin und Wien, für Hamburg und Frank furt zu, aber nicht für die übrige Bäckerei in den mittleren und kleineren Städten und aus dem Lande, die neun Zehntel der ge lammten deutschen Bäckerei ausmacht. Gewöhne man sich doch endlich ab, Socialpolitik lediglich vom Berliner Standpunct, vom Großstadtstandpunct, aus zu betreiben. Dieser Berlin - Hamburg- Frankfurter Staatssocialismus is^ im besten Zuge, unS die ganze conservative Partei zu ruiniren. Der Bauer, der Handwerker, der Geschäslstreibenve, der Kaufmann will absolut nichts vom Staatssociatismus wisse», er hat an den vorhandenen Beamten gerade genug und will durchaus keine Aussaugung seiner Existenzen; diese Kresse wissen vhne große „gelehrte" Deduktionen, daß der Mittelstand die Zeche aller staatssocialistischer Experimente tragen muß. Eine conservative Politik geht nicht daraus hinaus, die selbstständigen Existenzen im gewerblichen Leben zu beseitigen. . . . Die Kern truppen der konservativen Partei sind Bauern, Hand werker, Kaufleute. Diese wenden sich aber sicher von uns ab, wenn mir ansauge» wollen, ihre Betriebe zu verstaatlichen. Wer selbst- ständig ist, will kein Tagelöhner werde«; im Gegentheil, er verlangt von einer conservativen Politik, daß sie die wirlhickiastlich selbst ständigen Positionen wirthjchasllich und moralisch stärkt und stützt, gegenüber dem spekulativen ausbeutenden Großkapital, das sich durch Actiengesellschaft und Börse auf Betriebe wirft, wo es nichts zu suchen hat." Wenn man ein Brodmonopol bekämpft, wie kann man ein Getreidemonopol befürworten? Und auf nichts Anderes als aus ein solches Monopol läuft doch der Antrag Kanix hinaus, für den die konservative Presse unablässig Reklame macht. — Wie angekündigt, wurde gestern Vormittag 11*/, Uhr vom Kaiser eine aus den Herren Oberbürgermeister Zelle, Feuilleton. Graf Jarl. LS> Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Nun batten wieder die Dinge das andere, das entgegen gesetzte Gesicht. Sie bat, und sie siebte statt seiner, daß er ihr nicht zürnen möge. Sie lag vor ihm aus den Knien und rang um Vergebung, daß sie den Andern liebe und nicht von ihm lassen könne, obschon er nichts mehr sei und habe, obschon alle Welt sich von ihm abwende und ihn verdamme. Aber das ziehe sie nicht ab, sondern nur noch mehr zu ihm. Er vereinige in sich für sie alle männlichen Vorzüge, da er einen Wille» und zugleich ein Herz besitze. Keinem sei so viel Hoheit der Gesinnung und so viel Ebelmuth gegeben. Eduard werde eS auch noch erkennen. Und dieses Lob, das sonst sicher Eduard Halbert'S Leidenschaft bis ins Ungemesseue gesteigert haben würde, klang ihm jetzt als ein Trost. So würde ihm Jarl das Furchtbare vergeben, so würde er ihm nichts Nachträgen, weil er mit ihm fühlen werde — „Ja, ja, gewiß, mein lieber Sohn! Es soll geschehen. Und noch mehr. Ich will selbst ins Schloß und ihn zu sprechen suchen. Für diese Angelegenheit giebt's nur eine» Boren." So sprach die Frau zu dem Sohne, streichelte ihm zärtlich die Wangen und eilte — — ein unvergleichliches Beispiel eines goldenen HerrenS und aufopferndster Mutterliebe — nach dem Hörster Gutöhof. Aber sic klopfte nicht im Neubau bei Leonore an. sondern begab sich i» die Caftellanwobnung, öffnete die Tdür und spabte nach Jung oder Nclly aus. Es beunrubigtc sie, das, Niemand da war. In diesem Augenblick schritt Hunck durch das Schloßportal und wandte sich dem Schloß Eingang zn. Ce kam ihr, als habe ihn Gott gesandt. „Lreber Hunck, auf ein Wort!" sprach sie den alten, sich tief und in gewohnter Ehrerbietung verneigenden Mann an. „Ich suchte »ach Frau Jung, um mich nach dem Grafen zu erkundige». Ist er da? Würde ich ihn wohl sprechen können?" Frau Betty stieß den letzten Satz zagend heraus. Sie zitterte vor der Antwort; sie fühlte, wie die Knie ihr wankten. Ab! Und wie sie ausatbmete, als der Alle sorglos freund lich nickte, als sie das bestätigt fand, was für sie in diesem Augenblick der Wünsche höchste Erfüllung war. Ja, er sei da. ausgestanden, fertig noch nickt, aber eben beim Ankleiden. Er wolle sie melden, wenn's Eile habe, sonst Auskunft einbolen, wann der Graf sie empfangen könne. Er ermunterte sie auch höflich, inS Vorzimmer zu treten. „Nein, nein, Hunck, ich warte hier. Paßt's jetzt nicht — sagen Sie nur, ich wolle nicht lästig fallen — dann kehre ich einstweilen wieder um. Und hören Sie, Hunck! Würden Sie Wohl einen Boten nach dem Pnstorenhaus schicken können, wenn der Graf mich annimmt? Er soll etwas von mir bestellen." Der Alte neigte rasch bereitwillig den Kopf und eilte dann fort. Nack einer bangen, kurzen Frist kehrte Hunck zurück, und sie forschte voll Unruhe und Spannung in seinen Zügen. „Herr Graf lassen sagen, vaß er selbstverständlich gleich zu der Frau Pastorin Verfügung sei. aber anbeimgebe, ob er etwa in einer Stunde nach dem Frühstück Frau Pastorin und Herrn Pastor besuchen dürfe. Herr Graf verlassen beute Horst. Ohnehin war eS des Herrn Grafen Absicht, hinzu- kvmmen." „Gewiß, gewiß, eS ist gut, sehr gut. Ich lasse dem Herrn Grafen danken." Eine solche Lall löste sich von der Brust der Frau, daß sie hätte dem alte» Mann um den Hals fallen mögen, und doch bandelte es sich nur um die Zusage eines Besuches, unv dock kam die Botschaft von Dem, dem sie fortan für alle Zeiten entfremdet war, von Dem, der ihr und ihrem Sohn daS Leben für immer vernichtet batte. Aber die stärkere Sorge vernichtete die kleinere. Allezeit hat das größere Unglück den Eisenhammer zur Hand, mit dem cS das Geringere zerschmettert. Im Welt meer zerfließen die Flüsse, in den Flüssen die Bäche, in den Bächen die HimmelSlropfen. Gegen elf Ubr betrat Graf Adam den Flur deS Pastore Kaufes. Der Gang wurde ihm nicht leicht, er ward ih schwerer als einer zuvor in seinem Leben. In den wattigen Kriegen, die er mitgekämpft, batte sein Herz ru geschlagen. Heute war's unruhig, es vibrirte heftig, l kam zu Denen, in deren Leben er Etwas hineingeschoben hat was die Gegenwart verfinsterte und der Zukunft kaum Li , Jeder Mensch hat ein Ziel mit starken Hoffnung, Wlrd S ihm geraubt, so sinkt alle Hoffnung-- und Leber sreudigkeit hinab in einen Brunnen ohne Boden. Gt Adam erkannte, wie es in den Herzen der Bewohner l Pastorenhauses aussah. Einst war er geliebt und gefürchtet worden. Dann s der Glanz. WaS vordem eigenartig und keinem Tadel unt< lag, war als Leichtsinn und Narrheit verurtheilt wordl uud ,etzt ward er — gehaßt. E,nS erl«chrerte den Gang: Eduard'« Verbrechen. Ab Jarl s edle Seele hatte beschlossen, sich zu geben, als sei nich vorgesallen. Für Schuld — vornehmes Verzeihen? So wollte es sein adeliges Herz. Marieken erschien und forschte zudringlich beflissen in d Grafen Miene. Er aber wies sie zurück mit kühlen Wort und trat, ihre Worte körend, ins Wohnzimmer. Einige Minuten verrannen, dann öffnete sich die Tbi und Betty und Pompejus erschienen. " Die alte Frau sah herzerbarmrnd aus. Es riß d Mann ans Herz. Aber auch auf Pompejus' Antlitz lagen dunkle Schatten, daß Graf Adam, von seinem Gefühl so genssen, Beide zunächst wortlos in tiefster Bewegung umarn Detty's verzehrendes Schluch ttnterlrochene Pause trat rin. S,e wankte zurück und fiel einen Stuhl, wahrend sich der alte Herr mit den aroi knochigen Fmgern durch die Augen wischte wie ein Kind , dann ernst dem Gaste e.nen Stuhl bot ' Und nun begann Graf Adam von Jarl und sagte: Ptbe Freunde, nm meinem tiefen Kunn h/ben "" 0'^"' s° furchtbares Herzeleid be?c Wenn ich durch irgend Etwas Ihnen daS abnehmen könnte, es würde freudig, mit allen Opfern geschehen. Das ist das Eine, und ein solches Wort ist — Sie müssen es wissen — bei mir kein leerer Schall. — Zudem habe ich noch ein Zweites zu erklären: Ich babc einen Kampf gegen diese Neigung gekämpft, wie Wohl wenig Herzen ihn je bestanden haben. Zuletzt unterlag ich meiner Natur, aber dennoch ihr weniger, als der Einsicht, daß mir die Wahl stand, das arme Geschöpf, das in seiner Verzweiflung einen Selbstmord begehen wollte, untergeben zn lassen, oder cs durch eine solche Annäherung dem Leben zn erhalten. So bitte ich denn für sie und mich um Nachsicht und Vergebung, auch Ihren Sohn, der, ich hoffe eS, noch einst mein Freund werden wird. Und nun leben Sie wohl! Eduard'S Kugel bat Niemanden getroffen! Auch Tesia blieb unversehrt. Sie ist inzwischen »n Berlin angelangt. Eine Depesche hat es mir berichtet. Adieu, Frau Betty — Adieu, mein alter, lieber Freund! Glauben Sie an das Gute in mir, vergessen Sie das Ueblc, grüßen Sie Eduard aufs Beste!" Wenige Sekunden später hatte er das Haus verlassen. Nur noch eine halbe Stunde Fahrt waren Jarl und sein getreuer Hunck, der neben ihm im Coupe hatte Platz nehmen müssen, von Berlin entfernt. Immer wieder forschte der Letztere in Len zerstreuten Zügen seines Herr« und grübelte, waS Jenen bejchäftigcn möge. Aber auch den Alten beherrschte keine frohe ^Stimmung. v»bm war im Gegentheil zu Muthe, als schleppe er blos seinen Körper mit, als wolle die Seele, die er in Horst zurückgelassen, nicht folgen. Nie war ihm die Trennung so schwer geworden, wie diesmal. Es kamen ibm auch die Erinnerungen an Alles, was man ihm zugeraunt batte, und zudem besaß er selbst Augen, und die verriethe» ibm, daß scu, sehnsüchtigster Wunsch sich nicht erfüllen werde. Gras Adam — cs stand außer allem Zweifel — dachte nicht daran, Eva Campe zu seiner Frau zu machen. Und damit waren denn auch alle Hoffnungen auf den Wiedererwerb und eine dauernde Rückkehr nach Horst vabin. (Fortsetzung folgt.)
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