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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895022102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895022102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-21
- Monat1895-02
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Jinnatimeschluß für Äuzeizen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtags früh V,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an die Erpetttian zu richten. UniversitätSstraßr 1, L<ut« Lösche, Kat-ariaenstr. 1«, pari, und KönigSpla- 7. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 98. Donnerstag den 21. Februar 1895. — iKlN 89. Jahrgang. und dem Khedive in der letzten Audienz bezüglich der Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Februar. Mit „tvohltbuender Geschwindigkeit", schreibt heute die „Nat.-Lib. Corr", habe gestern der Reichs tag „bei einer über die Hälfte der Beschluß- fähiakeitSziffer wenig hinausgehenden Frequenz" den Antrag des Zentrums auf Aufhebung des Jesuiten- gesetzeS „abgethan". Wenn die Antragsteller von dieser Geschwindigkeit der so überaus lückenhaften Versammlung „wohlthuend" berührt worden sind, so ist das begreiflich; andere Kreise sind von dieser Art, eine wichtige Frage „ab- zuthun", um so peinlicher berührt^ je wahrscheinlicher es ist, caß nunmehr auch der Bnndesratb leichten Herzens ein Gesetz „abthut", für dessen Erhaltung im ganzen Reichstage keine einzige Stimme sich erheben mag. Kommt es dahin, so werden gerade diejenigen Fractionen, von denen weite Kreise der evangelischen Wähler einen energischen Protest erwartet haben, ihre Lauheit und Gleichgiltigkeit bitter zu bereuen haben. — Im weiteren Verlaufe der so glorreich begonnenen Sitzung erlebte der Reichstag zum ersten Male seit seinem Bestehen das Schauspiel, daß ein Ver treter des BundcsrathS vom Präsidenten rcctisicirt wurde. Der Vorgang ist im Reichstagsberichte unseres heutigen Morgenblattes bereits geschildert worden. Der Präsident v. Levetzow darf der allgemeinen Anerkennung sicher sein für die Entschlossenheit, mit der er die Würde der Volksvertretung gewahrt hat, indem er einen unentschuldbaren Angriff auf eines ihrer Mitglieder zurückwieS. Er durfte das psychologische Moment nicht in Betracht ziehen, daß der beleidigte Abgeordnete vorher durch eine überaus verletzende und taktlose Sprache gegen mehrere Bundesstaaten eine erklärliche Gereiztheit geweckt hatte. Die Würde des Reichstages bat auch der Abgeordnete Richter verletzt, und in einer Weise, von der es mindestens zweifel haft ist, ob sie den während seiner Rede präsidirenden Herrn von Buol nicht zu einer Zurückweisung hätte veranlassen müssen. Herr Richter beschimpfte Vielerlei. Unter Anderm schreckte dieser Volksrcdncr niederen Stils, wie wir aus der „Nat.-Ztg." ersehen, nicht vor der Bemerkung zurück, in Sachsen bestände heute die frühere politische Ordnung nicht mehr, wenn bei dem Dresdener Barrikadenkampf von 1849 nicht preußische Truppen den sächsischen zu Hilfe gekommen wären. Auch den Fürsten Bismarck verunglimpfte Richter in einem Augenblicke, wo er für die Machtvollkommenheit deS von dem Gehaßten geschaffenen Reiches eintrat! Die Logik dieses Mannes ist nicht besser als seine Manieren. Im preußischen Staatsministerium gehen allem Anscheine nach wieder einmal Dinge vor sich, wie sie in der letzten Zeit der Aera Caprivi an der Tagesordnung waren und ihren widerwärtigsten Ausdruck in der Katzbalgerei der osficiösen Presse fanden. Diese Katzbalgerei beginnt schon wieder und läßt darauf schließen, daß der Handelsminister v. Berlepsch, von dem schon wiederholt behauptet worden ist, er denke über die Frage der Anerkennung der Berufs- Vereine und der Errichtung von Ar beit er kämm ern anders, als ein Theil seiner Collegen, trotz aller Ableugnungen in der That über diese Fragen nicht in Uebereinstimmung mit dem Gesammtministerium zn gelangen vermag. Bekanntlich meldete am 9. d. M. unser Berliner HK.-Correspondent, eS verlaute, Herr v. Berlepsch sei mit dem Vorschlag, den Berussvereinen Eorporationsrechte ;n gewähren, durckgedrnngen und es werde eine darauf bezügliche Gesetzesvorlage an jenem Tage im Staats ministerium erörtert werden. Darauf erschien in der von dem preußischen Minister des Innern von Koller gegründeten osficiösen „Berl. Corr." folgende Erklärung: „Das „Leipz. Tagebl." vom 9. d. M. enthält die Nachricht, der Handelsminister Freiherr v. Berlepsch sei mit dem Vorschläge, den Berussvereinen Corporationsrechte zu gewähren, durchgedrungen und eine bezügliche Gesetzesvorlage werde in der Ministerialsitzung vom Sonnabend erörtert werden. Diese Nachricht ist unrichtig: eine Gesetzesvorlage mit dem bezeichnet»!, Inhalt ist im Staatsministerium weder im Princip genehmigt, noch überhaupt verhandelt worden." Und heute liest man im „Reichsanzeiger": „Ein in der „Schlesischen Zeitung" vom 12. d. M. veröffent lichter Artikel „Umsturz und Socialpolitik'" vertritt die Auffassung, der Handelsminister Freiherr von Berlepsch habe entgegen seiner früheren Absicht einen Gesetzentwurf wegen Anerkennung der Berufsvereine und Errichtung von Arbeiterkammern im Staats-Ministerium nicht ein gebracht oder den Angebrachten fallen lassen. Das ist nicht zutreffend. Die von dem Handelsminister dem Staatsministerium vörgelegten Vor arbeiten betreffen die Regelung der Eorporationsrechte der Berufsvereine, sie sind im Staatsministerium einer allgemeinen Besprechung unterzogen worden, eine Be schlußfassung hat noch nicht stattgefunden." Nack, dem „Reichsanzeiger", dessen Meldung jedenfalls nicht anzuzweifeln ist, hat sich also daö preußische Staatsministerium thatsächlich auf Anregung des Herrn Handelsministers mit der Frage der Regelung der Eorporationsrechte der Berufs vereine beschäftigt, obwohl die ossiciöse „Berl. Corr." dies in Abrede gestellt bat. Ob dem Staatsministerium ein bereits ausgearbeiteter Entwurf oder nur Vorarbeiten zu einem solchen Vorgelegen haben, ist nebensächlich; die Hauptsache ist, daß eS sich mit der Frage beschäftigt hat und zu einer Beschlußfassung noch nicht gekommen, d.h. über die Vorschläge des Herrn v. Berlepsch noch nicht einig geworden ist. Wenn der „Reichsanz." dies beute zugestcht, warum bat eS die „Berl. Corr." bestritten und sich dadurch einer Berichtigung auSgrsetzt, die unverkennbar auf Meinnngsdifferenzen im Staatsministerium hindeutet? Eine Antwort auf diese Frage ist schwer zu finden. Wie sie aber auch lauten mag: es ist überaus beklagenswerth, daß der alte ossiciöse Betteltanz wieder losgeht und nicht nur daö alte Mißtrauen gegen die ossiciöse Ehrlichkeit aufs Neue verstärkt, sonder» auch auf die collegialen Verhältnisse im Ministerium Hohenlohe ein recht unerfreuliches Licht wirft. In Frankreich haben am Sonntag verschiedene Wahlen stattgefunven, die alle ein gemeinsames Merkmal zeigen: die Gleichgiltigkeit der Wählerschaft, und zwar sogar in Centren der Politik und der Intelligenz, in den großen Städten. Im ersten Wahlkreis von Lyon wurde zum Nachfolger Burdeau's in einem zweiten Wahlgange der Regierungsrepublikaner Faure gewählt; von 11611 ein geschriebenen Wählern gingen nur 5749, also nicht einmal die Hälfte, zur Urne. Im Arrondissement St. Marcellin (Isöre) war der in den Senat gewählte opportunistische Abgeordnete Eaint-Nomme zu ersetzen; von 23 279 Wahlberechtigten gingen nur 15 736 zur Urne; das sind 67 Procent^ waö beweist, daß es aus dem Lande noch besser ist als in den Städten. Ein Ergebniß der Wahl wurde nicht erzielt, da die abgegebenen Stimmen sich auf vier Candidaten ver theilten; cs hat also ein zweiter Wahlgang stattzusinden. Ferner wurden in Marseille die Stichwahlen für den Stadt- ratb vorgenommen. Die socialistische Liste siegte mit durch schnittlich 16 000 Stimmen, während die Zahl der einge schriebenen Wähler rund 80 000 beträgt. Die bisherige socialistische Gemeindeverwaltung scheint es also doch noch nicht arg genug getrieben zu haben. Auch Paris macht in diesem Puncte keine Ausnahme. Am 6. Januar wurde Guerault - Richard, der Beleidiger Casimir- Perier's, im 13. Arrondissement von Paris mit 2742 gegen 1037 Stimmen zum » Ästigen Wahl- Wählern gingen trotz eines ansck > Ursachen dieser kampfes nicht einmal 4000 5"^ Urn - ^ vielfältig; eine d:r- Gleichgiltigkeit der Wähler Md ff , . jedenfalls der selben, und zwar, eine der HauPtur^ sich Uebcrdruß, um nicht zu Parlamentarismus die Einsichtigeren von dem total verrotteten 4 arm der dritten Republik abwenden, zu dem sie aua) Rest von Vertrauen verloren haben. In Rumänien nimmt der Kampf um das B e r g u. die Blätter der liberal - radicalen ^ppoiluon 1«« Le- Anwürfen gegen den König .tvegen seiner .g ^^.fft, so günstigung des Gesetzes. Was das besitz s ! Zerbrechen kann nur blinde Parteiwnth dF-lbe «lS nn ^ gegen die Nation" und als den „Ruin des Landes bezeichnen Rumänien ist sehr reich an Bodenschätzen, w.e Sttinsa^ Petroleum, Stein- und Braunkohle u. v. a. m. Die. beutung dieses Reichthums .unt Ausnahme des Salzes,^ aber sehr gering und daher besitzt das Land z. A >.. . Petroleum, baß es ganz Europa versorgen t°nnte. Rumänien steckt in bergwisienschaftl.cher^Bcz.ebung n°ck' 'n den K ,der schuhen; denn es bat weder Techniker noch Arbeiter die etwas vom Bergbau verstehen. Nun hatte Rumänien als König Karl in das Land kam, keine Ingenieure oder -kckn'ker, die e ne Eisenbahn oder eine eiserne Brücke über emen t)lust batten schlagen können. Man holte Fremde ins Land. Und beute . Heute besorgt Rumänien die schwierig,ten Bauten die,er Art, wie den großartigen Brückenbau von Cernawoda, die ganz hervor ragenden Festungsbauten um Bukarest rc., Alle« mit eigenen, eingeborenen Technikern und Ingenieuren. Was hat also damals der Zuzug der Fremden Rumänien ge,chadet . Gar nichts! Vielmehr hat die Intelligenz und Strebsamkeit der rumänischen Rasse großen Bortheil hieraus gezogen. Und ganz genau so wird es sich mit dem Bergwertsgesetz verhalten, zumal da die Ausbeutung der Bergwerke Len Fremden ;a nur für eine gesetzlich beschränkte Zeit gestattet wird. In den Jahren 1869 bis 1871 haben genau dieselben Menschen den Fürsten in der tollsten Weise bekämpft wegen seiner Eisen- bahnpolitik. Heute ist Rumänien stolz auf seine Eisenbahnen, die dem Lande Wohlstand und eine großartige Forderung des Verkehrs gebracht haben. Es wird noch heftig um das -Bergbangesctz gestritten werden, aber daS Ministerium «st ent schlossen, mit demselben zu stehen oder zu fallen. In Egypten ist wieder ein bedenklicher Eonstict zwischen dem Khedive und der englischen Verwaltung ausgebrochen. Ab bas Pascha ist mit der Haltung des Ministeriums Nubar Pascha, das sich ganz den englischen Ansprüchen in der inneren Verwaltung fügt, nicht einverstanden; er möchte einen Wechsel eintreten lassen. Dagegen wenden sich drohend die Engländer, sie sprechen von der möglichen Entfernung deö Khedive, und die „Times" brachten einen Drabtartikel aus Kairo, der LordCrcmer zugeschrieben wird, und welcher Alles überlrifft, was bisher gegen den Herrscher des Nillandes noch geschrieben wurde. Es ist wieder der französische Einfluß, der mit dem englischen in Kairo um die Macht ringt, nur deckt sich das Interesse der einheimischen Bevölkerung diesmal mit dem Kampfe gegen die britische Verwaltung, die auch die letzten Spuren von Selbstständigkeit zu vertilgen bestrebt ist. Der Khedive wehrt sich energisch, wie eine Meldung der „Voss. Ztg." aus Kairo besagt, nach welcher Lord Cromer, der diplomatische Agent Englands, in einem vom Khedive inspirirten Artikel des unter französischer Protection herausgegebenen officiösen „El-Achram" beschuldigt wird, das, was zwischen Unzufriedenheit des Abbas' mit dem Ministerium Nubar taltgeflli den, falsch dargestellt zu haben. Falls das Ministerium eine Haltung nicht ändere und weiterhin England an- latt seinem Sonverain und dem Lande diene, sei, wie dasselbe Blatt äußert, eine Ministerkrisis unausbleiblich. Der englische Ministerrath bat sich bekanntlich bereits mit der Sacke beschäftigt und scheint zu einem energischen Schritt entschlossen. Der Khedive wird wieder nachgeben müssen, wenn ihm nicht von anderen Mächten Unterstützung gewährt wird. Die Pforte steht diesmal sicher auf Seite AbbaS Paschas, schon ans Aerger über die Einmischung England in die armenischen Angelegenheiten; Frankreich könnte sehr eicht den Anlaß benutzen, England unangenehm zu werden, und wie sich die übrigen Großmächte verhalten, ist bei der inbeliebtbeit, deren sich die gegenwärtige britische Regierung erfreut, nicht im Voraus fcstzustellen. Deutsches Reich. L. Berlin, 20. Februar. Die Ablehnung deö wesentlichen .heiles des §. 120 in der „Umsturzcommission" würde, wenn sie als eine definitive anzusehen wäre, wohl das vor läufige Scheitern der auf gesetzliche Bekämpfung der Umsturz bestrebungen gerichteten Äction bedeuten. Der abgelehnte Passus will die Bedrohung mit Verbrechen mit Zuchthaus bestrafen, wenn der Thäter in der Absicht gehandelt hat, nur gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staatsordnung hinzu- arbeiten. Es handelt sich also in diesem Puncte mehr um ein Anarchisten- als uni ein Socialistengesctz, und ans Schonung für die Socialdcmokratie durfte das Centrum eine den Zweck der Bestimmung erheblich beeinträch tigende Abschwächung nur Vorschlägen, wenn es voraus sah, daß die Socialdemokratie die anarchistische Praxis der Androhungen von Bombenattentaten und dergleichen zu der ihrigen machen werde. In diesem Falle wäre die Vor schrift der Regierungsvorlage erst recht nothwendig. Tie Schweiz, England und andere Staaten besitzen eine ähnliche Gesetzesbestimmung bereits, und schon ans diesem Grunde wird das Centrum nicht dauernd in seiner Zurückhaltung verharren können. Ein positiver Beschluß steht in zweiter Lesung zu erwarten, da die Centrumsvartei sich mehr und mehr überzeugen muß, daß man kein Gesetz gegen den ge waltsamen Umsturz zu Stande bringt, wenn man Alles daraus entfernt, waS sich gegen den gewaltsamen Umsturz richtet. * Berlin, 20. Februar. Die Berufung des Staats- rathes steht bekanntlich bevor. Abgesehen von dessen Er gänzung durch die Ernennung neuer Mitglieder werden auch seine Äea inten neu ernannt werden müssen. In dem Ab schnitte „Staatsrath" im Staatsbandbuche für 1895 werden der Präsident, der Vicepräsident und der Staatssecretair als „fehlend" bezeichnet. Im Jahre 1890 bei der letzten Tagung des Staatsrathes ward, wie die „N. Pr. Z." in Erinnerung bringt, vr. Bosse zum Staatssecretair des Staatsrathes ernannt; derselbe ist seitdem Staatsminister geworden und kann daher für diesen Posten nicht mehr in Frage kommen. Als Vertreter des Staatssecretairs im Staats- rathe wird im Staatshandbuche der Direktor der Colonial- Abtbeilung, Wirkt. Geh. Regiernngsratb vr. Kayser, aus gesührt. Im Jahre 1890 war Or. Kayser noch Vortragender Rath und wurde für die Dauer der Beratbungen des Staats rathes von seinen amtlichen Geschäften entbunden. Diese Be freiung würbe sich jetzt nicht mehr gut bewerkstelligen lassen. Dem Staatssecretariat war danials auch der Geh. RegierungSrath Dr. Wilhelmi aus dem ReichSamt des Innern beigegeben. FertNletsn. Ein Lecher Lethe. 7s Roman von N. Teilet. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ich war starr vor Staunen und Entrüstung. Dann kam mir plötzlich der Gedanke, 1)r. Falck müsse ohne Frage zu jenen trockenen Humoristen gehören, die Scherze aller Art machen, ohne eine Miene dabei zu verziehen. Aber nein. Sein Gesicht sah vollständig ruhig und aufrichtig auS. Er sprach nur, was er wirklich dachte und glaubte. „Ich würde Ihre Ansichten begreiflich finden", erwiderte ich, „wenn Sir siebzig Jahre wären, statt " „Statt sünfunddreißig. Wissen Sie, daß ich diese Be merkung als große Schmeichelei betrachte? Sie sagen mir damit, daß ich mir schon jetzt die Weisheit anßeeignet habe, die man gewöhnlich erst im späteren Alter erhalt." „Ich glaube nicht, daß ich das zu sagen beabsichtigte. Ich meinte mit meinen Worten, daß das Leben nicht nur zum Studium der Wissenschaft, sondern auch zum Genüsse ge geben ist." „Genieße ich es denn nicht in hohem Grade?" „Aber Sie genießen Ihre Jugend nicht. Sie genießen eS, wie Sie selber zugeben, wie ein Mann von siebzig Jahren." „Sehr viel mehr, da meine geistigen Eigenschaften selbst verständlich frischer sind. Sonst aber wohl »n derselben Art, d. h. ich habe die Elemente vertrieben, die das Gleichgewicht der Vernunft stören." „Aber bildeten diese Elemente nicht einen Theil Ihrer Natur?" „Ja, ihren gröberen Theil." Er sah, wie ungehalten ich über seine Ansichten war und sagte lachend: „Sie können mir nun einmal daS Recht nicht nehmen, eigene Ansichten zn haben und ihnen entsprechend zu leben. Ich stellte ja meine Regel nicht für Ändere fest. Mögen die Mensche» hciratben, auS Liebe heiratben, so viel sie wollen und wünschen! Mir genügt die Wissenschaft." Ich hatte keine Lust, länger mit ihm zu streiten und empfahl mich daher. So klug und interessant er war, hatte er mich doch jetzt sehr abgestoßen. Seine Ansichten waren in meinen Augen schlimmer als ketzerisch — sie waren unnatürlich und abscheulich. 8. Capitel. Ich besserte die Vase meinem Versprechen gemäß aus, und die Arbeit gelang mir ausgezeichnet. Die Vase besaß wenig künstlerischen Werth, und daß die Baronin ihren Verlust so sehr beklagt hatte, war ein Beweis großen Geizes oder großer Armutb. Vielleicht war die Vase auch ein liebes An denken und dadurch wertbvoll, aber dieser letztere Fall dünkte mich wenig wahrscheinlich, da die Baronin mir bei ihrer mittheilsamen GemüthSart sonst sicherlich diese Thatsache er wähnt hätte. Am anderen Tage begab ich mich mit dem wieder her gestellten Gegenstände nach der Leipziger Straße Nr. 37. Ich ging um die Visitenstunde hin und fand die Baronin wohl genug, um Besuche zu empfangen. Sie saß allein im Salon und rief mir, als ich ihr die Vase überreichte, liebens würdig entgegen: „Wie freundlich von Ihnen, Mr. Lindley, sie so rasch zu bringen! Und wie schön Sie die Vase ausgebessert haben! Wahrhaftig, man sieht den Schaden gar nicht mehr!" DaS war ein wenig zu viel gesagt, aber ich glaube, die Baronin meinte, was sie sprach. Die Beleuchtung war momentan nicht sonderlich gut, vielleicht war auch das Augen licht der Baronin nicht mehr scharf genug, um den Bruck zu entdecken. Ick fand eS nicht für nöthig, ihr ihre Einbildung zu rauben. Eine kurze, verlegene Pause trat ein, dann fragte die Baronin zögernd: „Wie viel bin ich Ihnen für Ihre Mühe schuldig, Mr. Lindley?" Unwillkürlich mußte ich lachen — hoffentlich war das keine zu große Ungezogenheit von mir. Die Baronin sagte sofort: „Bitte, verzeihen Sie die Frage! Ich glaubte. Sie seien Künstler von Berus. Von einem Fremden hätte ich eine solche Mühe unter keiner Bedingung umsonst verlangt." „ES ist allerdings mein Ehrgeiz, Künstler von Beruf zu sein", versetzte ich, „und ich würde durchaus keinen Anstand nehmen. Ihnen ein Bild für zweihundert bis dreihundert Pfund zu verkaufen, aber auck daS thate ich nur, um meine Selbstachtung zu befriedigen, denn eS giebt wenig Künstler, die — so wenig ans Erwerb angewiesen sind wie ,ch. Mein Vater, Lord Riverton, läßt mich keine Noch leiden. — ES liegt nicht in meiner Art, mit meines DaterS Titel zu prahlen. Diesmal hatte ich jedoch einen sehr triftigen Grund für meine Worte. Ich wünschte, mit der Baronin Felsenburg gut zu stehen und ahnte, daß ich durch nichts so leicht ihre Gunst gewinnen würde, als wenn sie erfuhr, daß ich der englischen Aristokratie angebörte. Ich konnte mir denken, daß Ethelren später in dies Haus zurückkehren würbe, und es war daber von großem Werthe für mich, Zutritt als Gast in dasselbe zu erhalten. Darum lüftete ich ab sichtlich das Geheimniß meiner Herkunft. Ich hatte richtig speculirt. Natürlich war die Baronin viel zu sehr Welt dame, um ihre Ueberraschnng oder Befriedigung zu vcr- rathen, und nabm meine Mittheilung auf, wie alle Ereignisse, die keinen pecuniären Schaden verursachen, mit einem freund lichen, gleichgiltigen Interesse; aber cs entging mir nicht, daß sie mich von Stunde ab anders behandelte als vorher. Die leichte Herablassung, die Höherstehende fast immer gegen Niedere anwenden, war bei Seite gesetzt, und die Baronin erhob nnch zu demselben gesellschaftlichen Standpuncte, auf dem . IO. befand. Es klang fast wie ein Anflug sehn süchtigen Neides, als sie jetzt sagte: „Ach, ich kenne Ihre Familie sehr gut. Meine Tante, Liddy Deepdem, hat einen Verwandten Ihres Großvaters zum Mann. Riverton Castle ist eine herrliche Besitzung." "Eine sehr langweilige", bemerkte ich. „O, die jungen Männer von heutzutage sind zu anspruchs voll", sagte die Baronin, und drohte nur mit ihrem fetten, kleinen Zeigefinger. Diese winzige Bewegung sprach Bände. Nie hätte die Baron,» dem Künstler so mit dem Finger gedroht. Natürlick fühlte ich mich pflichtschuldigst geehrt, obgleich ich ff, meinen Augen kein Anderer geworden war, als ich vor fünf Minuten gewesen. „Sie liegt, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, an der Nord- ostkuste". sagte ich, „nn Winter ist das Wetter bei uns ein fach sckeußlich." „Ist Lord Riverton viel zu Hause?" -I- LLU E' mmm. s-m. Mich,« di- E"°°in°^" I-h- b-g--i„ich», ,»g„ sie im Stillen meines Vaters Jahres- „Mem Vater gehört der alten Schule an" erwid«-., ^ „und erfüllt dir Pflichten eines EdelmannrS. aus seinem Gttte zu leben, daselbst Justiz — namentlich Wilddieben gegen- über — zu üben, zu sehen, daß die Kinder in den richtiger Grundsätzen für Kirche und Staat erzogen, und daß nn, streng orthodoxe conservative Prediger angestellt werden — getreulich." „Entzückend", sagte die Baronin. „Und Sie theilen seim Ansickten natürlich ?" „O, ich bin der dritte Sobn", antwortete ich lächelnd „und brauche daher nicht unbedingt mit ihm übereinzn stimmen. Ich werde nie die Verwaltung des Gutes über nehmen, denn ich habe zwei ältere Brüder. Daher ist e( mir gestattet, eigenen Liebhabereien zu folgen." „Die hoffentlich nicht zu gefährlicher Natur sind", be merkte die Baronin scherzend. Nun wußte ich bereits, daß ich als reicher junger Mani aus vornehmer Familie fest genug in ihrer Gunst stand, un ibr unbesorgt meine kleinen Eigenthümlichkeiten gestehen z können. Daher sagte ich ganz offen, daß ich, so sehr ic meinen Vater liebte und achtele, doch die meisten Dinge i anderem Lichte betrachtete als er. Meiner Ansicht na< >ätten wir das Feudalsystem überlebt, das ausrecht zu ei »alte» er sich noch immer bemühte. Auch sei ich durchau nicht konservativ und gestattete Freiheit jeder Art und vc allen Dingen Freiheit der Meinungen. Wieder erhob die Baronin drohend ihren Zeigesingc Sie lächelte huldvoll. Dem Sohne eines Lord Riverton sa man viel nach, das stand fest. „Und nun Baronin", sagte ich, „möchte ich Sie bitten, gütig m vrbrer gestern begonnen Erzählung über Miß Stuart' Ansall fortzufahren." „Ach, das arme Mädchen! Haben Sie gehört, wie e 'hm heute geht?' „Ja; sie erholt sich langsam." „)ch muß sie wirklich besuchen — der Doctor muß > erlauben." „Ich glaube nickt, daß Jemand zu ihr Hineingelasien wir Sie ist sehr schwach." „Dann muß ich mich also noch gedulden. Welch eil wunderbare Errettung^ Mich schauderts, wenn ich dar« denke. Nicht wahr, Sie sagten, der Sarg sollte eben z: genagelt werden?" „Die Männer begannen schon damit." „Cs war eine Schicksalsfügung, daß Sie rugegen waren „Sicherlich. Aber Sie wollten so gütig sein, mir zn ei zahlen, was Miß Stuart s Anfall vorausging."
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