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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950227029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895022702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895022702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-27
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Das Centrum, das braucht nicht mehr gesagt zu werden, „ist rin Egoist", aber es hat sich herausgrstellt, daß der Egoismus diese Partei bei der Finanzresorm mehr auf das Geben als das Nehmen verweist. Wenigstens die nichtpreußischrn Mitglieder des CentrumS. Die „Köln. Bolksztg." war oder stelltf sich schlecht unter richtet, als sie von einer nur kleinen Gruppe ihrer Partei sprach, die der Ordnung des Finanzwesens günstig gestimmt sei. Schon Herr Lieber redete vorgestern — allerdings in der bekannten, an die Echternach'sche Springprocession erinnernden Weise, die ans zwei Ja immer ein Nein folgen läßt — sehr viel milder, als es im vergangenen Jahre bei verschiedenen Gelegenheiten seitens des Centrums geschehen war. Und die Erklärungen des badischen Centrumsmitgliedes Hug lauteten derart, daß man annehmen darf, daß, wenn ein solches Gesetz nicht vorläge, die Centrumspartei in der badischen Kammer es verlangen würde. „So wie es ist, kann es nicht bleiben", hatte am Sonnabend auf Grund seiner bayerischen Budgeterfabrungen Herr Schävler gesagt und Herr Hug meinte dasselbe. Die Noth lehrt bewilligen. Sollte die Re formvorlage noch einmal abgelehnt werden — in welchem Zahlenverhältniß das Centrum sich spalten wird, läßt sich zur Zeit nicht ermessen —, es bereitet sich ein Triumph des gesunden Menschenverstandes vor, wie er in der jüngsten deutschen Geschichte selten zu verzeichnen war. Im Sommer 1896 spätestens wird sich die für eine Mehrheit genügende Anzahl CentrumSmitglieder nicht nach Hause trauen, ehe die Finanzresorm Gesetz geworden ist. Der Gedanke der deutschen Finanzminister, daß die hei mische Noth die reichspolitische Opposionslust überwinden werde, hat sich als richtig erwiesen, und das Fiasco des Herrn Richter ist ein „lückenloses". Beinahe batte man Mitleid empfinden können, als gestern die andere a-koc galvanisirte FreisinnSmumie, Herr Rickert, den allen Parteien im Tone des Vorwurfs „nachwies", daß sie nicht mumifikirt seien und mit den gegebenen Verhältnissen rechneten. Der größte Aerger Richter'« war, daß vr. Miguel die Vertretung der einzelstaatlichen Interessen dem säch fischen Finanzminister und einer Reihe anderer nichtpreußischer Bundesbevollmächtigter überlassen hatte. In seiner angenehmen Art sprach Richter von einem „Massenaufgebote" — ein Vorwurf, den man diesem Parteiführer allerdings nicht zurückgeben kann, selbst dann nicht, nachdem man sich das Wahlergebniß von Oletzko Lyck - Iohannisburg angesehen hat. Diese CommissionS berathung über die Finanznovelle beginnt unter günstigen Vorzeichen, die Modifikation der von den Herren Lieber und Hug allein ernstlich bemängelten Bestimmung, daß nämlich die Ueberschüsse des Reiches ungetheilt der ReichScasse ver bleiben sollen, scheint nirgends auf hartnäckigen Widerstand zu stoßen. Und die Sachlichkeit der Beurtheilung dieses Gesetzes dürfte auf die Tabaksteuer „abfärben". Die Rede, die der Kaiser am Sonnabend an die Mit glicder des brandenburgischen Provinziallandtags gehalten hat, wird in allen politischen Kreisen, mit einziger Ausnahme der extrem-agrarischen, als eine hocherfreuliche That begrüßt, die endlich Klärung in unsre dunkle innerpoli tische Lage bringt und die Befürchtung vor gefährlicher Nach giebigkeit gegen die Forderungen jener Gruppe beseitigt. Mit Recht wirb aber gleichzeitig bedauert, daß solche „Klärungen" fort und fort nvthig sind, um Besorgnisse zu zerstreuen. Daß «olche entstehen konnten, ist kein Ruhm für die Steuer männer des neuesten Cnrses. Wir können dem „Hann. Cour." nur beipflichten, wenn er schreibt: „Hier eine Verbeugung und dort wieder eine, wohlwollende Er wägung auch von Dingen in Aussicht stelle», deren Undurchiührbarkeit von vornherein auf der stachen Hand liegt, das ist nicht das richtige Mittel, excelsiven Forderungen entgegenzutreten und einer „sen- sationellen Agitation" zu begegnen: es ist aber auch keine Haltung, die einer Regierung ansteht, die sich ihrer Stärke und ihrer Ziele bewußt ist. Eine „osficiöse" Aeußerung suchte das „politische System" des Augenblicks damit zu erklären, zu entschuldigen vielleicht, daß man durch eine diplomatische und dilatorische Behandlung der erregten Stimmung Ventile östnen, ihr Zeit geben wolle, sich zu beruhigen. Man hatte dabei vergessen, daß ein gut Theil dieser Stimmung auf Rechnung von Agitatoren kommt, denen daran liegt, die Agitation wach zu halten, und die auch ein nur scheinbares Entgegenkommen der leitenden Stellen sofort festnageln und ausbeuten, um für die Ueberzeugung von der Wahrheit und der Ausführbarkeit ihrer Bestrebungen Propaganda zu machen. Es gilt das in gleicher Weise, wie früher dem socialdemokratischen, so jetzt dem konservativen, ultra» monlanen, orthodoxen und agrarischen Radikalismus gegenüber. Unsere traurigen parlamentarischen Verhältnisse erklären gewiß Manches. Aber ie böier »nd verfahrener sie sind, desto ernster und unerläßlicher ist auch für die Regierung die Pflicht, sich nicht von ihnen treiben und schieben zu lassen, sondern selbst die Führung zu übernehmen. Ein Staats mann, dessen Weisheit sich in taktischen Kreuz- und Querzügen erschöpft, hat noch allemal früher oder später seine politische Zah lungsunfähigkeit erklären müssen. Und bei der Zuspitzung aller nnjerer politischen und socialen Verhältnisse, bei der ganzen Schnell- lebigkeit unserer Tage pflegt solche Bankerotterklärung beträchtlich früher einzutreten, als in der „guten, allen Zeit", in der man aus solche Weise wohl ein paar Jährchen „fortwursteln" konnte. Die Unklarheit über Wege und Ziele hat einen politischen Pessimismus hervorgerusen, der gegenüber der Macht des deutschen Reiches und der gesunden Kraft unseres Volkes keine Berechtigung hat. Er muß und wird jchwinden, wenn der Curs, den die Worte des Kaisers am Sonnabend andeuteten, nun auch wirklich von all den verantwortlichen Steuermännern klar undunverwandt weit er ge steuert wird. Damit würde allen Interessen, den einzelnen wie denen der GesaumNheit, am besten gedient, nicht zuletzt wahrlich auch unserer landwirthschastilchen Bevölkerung, der nur so an Stelle einer unfruchtbaren Agitation praktische HUse zu Theil werden kann. Aber es bedarf oer ganzen zielbewußten Kraft einer starken Regierung, um die Geister zu bannen, die, ab sichtlich oder unabsichlilch, eine gemeinsame ehrliche Arbeit Aller für Alle bisher gehindert habe»." Dem gegenwärtigen sranzöftschc» Ministerium hat man schon wiederholt den Vorwurf gemacht, baß es sich durch die Drohungen und Verhetzungen der socialistisch-revolutio- nairen Journale einschüchtern und zu Concessionen drängen lasse, welche den Unwillen der konservativen Republikaner Hervorrufen. Ein solcher Fall scheint auch jetzt vor znliegen. Während man vor zwei Tagen noch annehmen konnte, daß die französische Regierung die Einladung des deutschen Kaisers zur Eröffnung des Nord-Ostsee- Canals bereits angenommen batte, wird jetzt von Paris ans versichert, es sei auf die deutsche Einladung von Frankreich noch keine Antwort erfolgt. Es ist zweifellos, daß diese Mittbeilung, welche eine gewisse Zurück haltung der französischen Republik vermuthen läßt, auf den chauvinistischen Hetzartikel des „Intransigeant" zurückzusübren ist, und daß somit die Regierung der Republik abermals vor dein Marquis Henri de Rochefort zurückweicht. Es ist That- 'ache, daß noch vor wenigen Tagen in französischen Regie- rungSkreisen die Geneigtheit bestand, französische Schiffe nach Deutschland zu entsenden. Der Marineminister ließ nämlich in den verschiedenen KriegSkäfen Nachforschungen dar über gnstellen, welche Schiffe durch ihre vorzügliche Ausrüstung und ihre technischen Vervollkommnungen am geeignetsten wären, die französische Republik bei der feierlichen Eröffnung des Nord-Ostsee-Canalö am würdigsten zu vertreten, und Ad miral BeSnard soll bereits beschlossen gehabt haben, zwei Schiffe nach Kiel zu senden, die eine auserlesene Bemannung erhallen und unter den Befehlen eine« Vice-Admirals stehen sollten. Wenn die Entsendung dieser Schiffe unterbleiben sollte, dann könnten Rochefort und Genossen triumphiren, doch ist man in Kreisen, welche der Regierung nahe tehen, überzeugt, daß die Einladung doch noch angenommen werden wird. In Lesterreich fängt bekanntlich der Antisemitismus an, den Klerikalen unbequem zu werden und Cardinal-Erz- bischof Schönborn sowohl wie Bischof Bauer weilen gegen wärtig mit der Mission in Rom, den Papst zu einer Kund gebung gegen die bisherigen Bundesgenossen, die Herren Lueger, Schneider, Gregorig und Genossen zu veranlassen. Historisch steht die Sache so, daß die Klerikalen es waren, welche nach jahrelangen Bemühungen den Antisemitismus, namentlich in Wien, »um Krystallisationskern einer kirchlich gesinnten Partei, welche Rom Handlangerdienste leistet, zu gestalten verstanden. Froh des errungenen Erfolges, nahm man die neu gewonnenen Demagogen mit großen Ehren auf: Lueger wurde auf den Katholikentagen als Wiener Volkstribun ge feiert. Aber es zeigte sich, daß die christlich-sociale Partei Selbstständigkeit von den Bischöfen erstrebte und auf eigene Eroberungen in den „frommen" Provinzen auS- ging. Einige der Herren sprachen sehr despectirlick von den Bischöfen, ließen sich auch durch die größten Bemühungen nicht beruhigen, und im jüngeren Klerus zeigte sich ein be denklicher Geist der Auflehnung. Man förderte den Anti semitismus gern, so lange er sich nur gegen die Liberalen wendete; aber er siel in Ungnade, als er in Graz und Linz unter den Klerikalen Anhänger warb. Insbesondere Bischof Doppelbauer von Linz ist ein energischer Oberhirt, der sich die geistliche Zucht in seiner Diöcese nicht stören läßt. Auf ibn als Urheber ist wohl die Action der Bischöfe zurückzufübren. Er hatte sich den Besuch des christlich-socialen Verein« in Linz verbeten; dieser kam doch und brachte sogar den von dem Prinzen Alois Liechtenstein erwirkten päpstlichen Segen mit Man bedenke, in welche Lage der Bischof dadurch gerieth: die Autorität des Papstes wurde gegen ihn ausgespielt. Unter diesen Umständen verspricht man sich auch nicht viel von der Mission der beiden Bischöfe. Es wird auch schwerlich zu einer energischen Zurückweisung der antisemitischen Bewegung sondern lediglich zu einer Abgrenzung der Gebiete kommen Man wird die Agitation vermuthlich auf Wien und Niederösterreich verweisen, wo sie ihren natürlichen Herd habe; Uebergriffen in das Gebiet der klerikalen Partei wird man wohl entschieden entgegentreten, und der in den letzten Wochen häufig» auch von einigen anti semitischen Blättern als Abonnements-Reklame verwertbete päpstliche Segen wird sparsamer ertbeilt werden. Ein ent> schiedeneres Vorgehen gegen die häßlichen Auswüchse der Be wegung würde nur stattfinden, wenn die Regierung daran bestände; diese aber verhielt sich bisher unbeweglich, wobei eS selbst an leisen Connivenzen für Lueger oder gar Schneider nicht fehlte. Ueberhaupt ist es charakteristisch, daß sich der Erzbischof von Wien und der Bischof von St. Pölten in der ganzen Frage in der behutsamsten Reserve verhalten. Und an ihnen läge eS am ehesten, zu sprechen, wenn die Kirche die« für zeitgemäß hielte. So werden denn die christlich socialen Führer mit einigen sanften Mahnungen davonkommcn, die natürlich so gut wie gar nichts nützen werden. Deutsches Reich. A Berlin, 26. Februar. In Bezug auf die von der Commission für Arbeiterstatistik veranlaßten Ver nehmungen kaufmännischer Sachverständiger über die Ein- ührung einer MarimalarbeitSzeit im kaufmännischen Gewerbe und den Schluß der Geschäfte um 8 Uhr Abends ging ürzlich die Mittbeilung durch die Presse, daß unter den vernommenen nur ein selbstständiger Kaufmann sich be- unden habe. Die Nachricht ist nicht zutreffend. Wie wir auf Grund zuverlässiger Informationen constatiren önnen, waren unter den zur Sitzung der Commission ür Arbeiterstatistik zngezogenen sechs sachverständigen Bei itzern drei selbstständige Kaufleute, während außerdem als Auskunftspersonen nicht weniger als 3V selbstständige Kaus- eute neben 36 Gehilfen, 10 Handelsdienern und 2 Vereins beamten vernommen wurden. — Von der Budgetcommission des Reichstages sind im Etat der Marineverwaltung nsgesammt rund 4 396 000 gestrichen worden. Davon entfallen 746 000 ^ auf die fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Etats, 2 650 000 ^ auf die einmaligen Aus gaben des ordentlichen Etats und 1 000 000 auf den außerordentlichen Etat. Im ordentlichen Etat der einmaligen Ausgaben ist die Forderung für Herstellung von Torpedo booten in Höhe von 2,1 Millionen und im außerordentlichen die erste Baurate eines großen Trockendocks aus der Werft zu Kiel gestrichen. * Berlin, 26. Februar. Die „Alldeutschen Blätter" chreiben: „Zu der für nächsten Sommer geplanten Provinzial- Gewerbeausstellung in Posen hatten sich bis vor Kurzem 325 Deutsche gegen 155 Polen als Aussteller gemeldet. Dieses auch an sich recht lehrreiche Verhältnis hat die Polen bestimmt, sich um Zuzug nach Galizien und Russisch - Polen zu wenden und von dort sind auch gegen 20 Anmeldungen eingegangen. Das Programm schließt freilich ausländische Aussteller aus, aber den loyalen Pole» zu Liebe wird man wohl beide Augen zu drücken, während diese Alles aufbieten, der Ausstellung ein möglichst polnisches Gepräge aufzudrücken. So wurden z. B. vor Kurzem die polnischen Hausbesitzer in der Stadt Posen durch die Presse aus- gefordert, an ihren Häusern die Straßennamen in polnischer Sprache anzubringen, damit bei ihren aus Russisch-Polen und Galizien zum Besuche der Ausstellung kommenden Landsleuten nicht der üble Ein druck erweckt werde, daß Posen eine deutsche Stadt sei. Wie werden sich die Behörden zu dieser Demonstration stellen?" Auf das Verhalten des Ausstellungscomitös darf man in sofern gespannt sein, als, wie die „Post" weiter erfährt, drei größere industrielle Werke in der Provinz Posen ihre An Meldung zur Beschickung der Ausstellung unter ausdrücklichem Hinweis auf die ganz programmwibrige Zulassung aus- ländischer Aussteller zurückgezogen haben. Das bisherige Verhalten des ComiteS läßt vermuthen, daß dieses den Mull, nicht hat, auf die einzig richtige Lösung der Frage, also ans die Ausschließung russischer und galizischer Aussteller Hinzu wirken und hierdurch den erwähnten deutschen Ausstellern die Wiederanmeldung zu ermöglichen. * Berlin, 26. Februar. Ob die körperliche Tüchtig keit unserer studirenden Jugend den militairischen An sprüchen mehr oder weniger genügt, als die des übrigen Er satzes, läßt sich zwar nicht mit unbedingter Zuverlässigteil, aber doch annähernd aus der preußischen Universitätsstatistik FerrNlptsir Ein Lecher Leihe. ILj Roman von R. Teilet. Nachdruck verbot'». (Fortsetzung.) „Ich wünschte, ich könnte Ihnen meine Freundschaft auf irgend eine Art bezeigen", sagte ich. „Sie können es gleich thun", antwortete sie lächelnd. „Ich möchte Sie in einer Sache, in der ich mir nicht zu helfen weiß, um Ihren Rath fragen." „Mein Rath kann Ihnen nicht viel nützen", erwiderte ich, „aber ich verspreche Ihnen, ihn ehrlich zu ertheilen." „Ick danke Ihnen. Sehen Sie, ich bin ziemlich wieder hergestellt und erhole mich unter vr. Falck's einsichtsvoller Behandlung täglich mehr und mehr. Er ist wirklich ein sehr gescheiter und sehr theilnehmender Arzt und ich kann ihm nie genügend danken." Mir war eS nicht sonderlich angenehm, vr. Falck so loben zu hören, nnp ich war schleckt genug, zu erwidern: „Wissen Sie, daß er ein geschworener Weiberfeind ist und nur für die Wissenschaft allein lebt?" „Nein, das wußte ich nicht, und hätte es nie von ihm geglaubt. Er hat mir derartige Ansichten stets sorgfältig ver heimlicht." Ich ärgerte mich über des DoctorS doppelzüngiges Wesen. Warum stellte er sich mir gegenüber anders als zu Elhelrcn? „Er ist sthr Aut gegen mich", fuhr Ethelren fort. „An jedem Morgen bringt er mir Blumen, welche Freundlichkeit Sie mir ja auch immer erweisen, Mr. Lindley. Er giebt mir jetzt deutschen Unterricht und leiht mir oft Bücher, englische und französische, da ich im Deutschen noch nicht weit genug bin, um ein Buch lesen zu können." „Er ist ja bauz unschätzbar", sagte ich bitter. „Aber wenn ich mich nicht irre^ wünschen Sie in einer brstimmten Sache meinen Rath zu Horen." > „Ich komme sofort darauf. Es ist mir wirklich sehr Pein lich, davon zu sprechen. Sie werden es für ganz unglaublich halten." „Ich glcytbk zu errathen, um was eS sich handelt." „Da« können Si« sicher nicht" erwiderte sie, noch tiefer erröthend. „Es ist jedoch möglich, daß Jemand Ihnen davon erzählt hat." Ich wollte ihr meine Vermuthung, von der ick nicht wußte, ob sie die richtige sei, nicht mittheilen. Daker schwieg ich und wartete, daß sie wieder das Wort ergriff. Nach einer kurzen Pause that sie eS und sagte: „Können Sie es glauben, daß ich, obgleich ich mich körper lich und geistig vollständig wiederhergestellt fühle, mich an nichts, was in meinem früheren Leben geschehen ist, erinnern kann? Es klingt wie ein Märchen, nicht wahr? Ich gestehe Ihnen, ich wundere mich, daß Sie mich nicht auSlachen." „Ich finde Ihre Erzählung durchaus nicht unglaublich", antwortete ich, „auf eine derartige Thatsache war ich vor bereitet." „Wodurch? Weshalb?" „Ein vollständiger Gedäcktnißmangel ist schon sehr oft als Folge eines Starrkrampfes beobachtet worden." „Hat vr. Falck Ihnen das gesagt?" „2a." „Er sagte mir ungefähr dasselbe, und da ich mich sehr unglücklich fühlte, so tröstete er mich durch seine Worte ein wenig. Ich hatte eine Empfindung, als sei ich nicht mein eigenes Ich." „Aber das fübten Sie jetzt nicht mehr, nicht wahr?" „Nein, Dank vr. Falck. Er sagte mir, natürlich sei eS ein unangenehmer Umstand, aber durchaus kein beunruhigen des oder auf geistiger Störung beruhendes Symptom." „Immer vr. Falck! Da Sie vr. Falck's Meinung wissen", entgegnete ich, „so wundere ick) mich eigentlich, daß Sie Ge wicht darauf legen, die Meinung eines so unbedeutenden Sterblichen, wie ich bin zu hören. Sie sah mich verwundert an. „O, auf Ihre Meinung lege ich daS allermeiste Gewicht", sagte sic mit ihrer süßesten Stimme. „Mir liegt ja haupt sächlich daran, Ihnen Alles klar zu macken, denn eS thate mir sehr leid, wenn Sie mich falsch beurtheilen sollten." Das genügte, um meine Eifersucht zu dämpfen. E« war ein wonniges Gefühl, sie so sprechen zu hören. „Ich fürchtete immer", fubr sie fort, „Sie könnten mich für einen ganz unnahbaren Charakter halten, da ich Ihnen nie etwas aus meinem Leben mittheile. Aber glauben Sie mir, wenn es mir möglich wäre, mich meiner Vergangenheit zu erinnern — Ihnen vor allen Anderen würde ich sie mittheilen." Wieder diese reizende kindliche Bevorzugung meiner Person. Es war sehr hart, daß ich die Liebeserklärung, die mir auf den Lippen brannte, nicht auszusprechen wagen durfte. Nur mit der größten Anstrengung und Willenskraft vermochte ich sie zurückzuhaltcn. „Erinnern Sie sich absolut an gar nichts?" fragte ich. Sie legte die Hand vor die Augen, als wollte sie ihre Ge danken concentriren. „Ich will Ihnen genau sagen, wie mir ist", antwortete sie, „das heißt, so gut ich es beschreiben kann. Als ich ohn mächtig zu Boden fiel —" „Verzeihen Sic einen Moment", sagte ich. „Erinnern Sie sich nicht im Entferntesten eines Umstandes, der Ihren Unfall veranlaßt haben könnte?" „Keines, keines." 2ch schwieg. Offenbar hatte ihre Umgebung ans Vorsicht vermieden, von dem Briefe zu sprechen, den Ethelren unmittel bar vor ihrem Anfalle erhalten hatte und der zweifellos die Ursache desselben gewesen war. „Als ich ohnmächtig umsank", fuhr sie fort, „kam ein selt sames Gefühl über mich. Eine große schwarze Wolke schien aus der Erde aufzusteigen und mich zu umschlingen. Ich sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts, ich konnte weder denken noch mich bewegen. Aber trotz alledem hatte ich immer das unbestimmte Gefühl, daß ich nicht wirklich todt sei. Sie werden sagen, ich hätte also doch gedacht, aber ich glaube, es war nur der Schimmer eines Gedanken« — eS war ab und zu wie ein bewußter Pulsschlag " „Ich kann es mir vorstellen", sagte ich. „Diese tiefe, schwarze Dunkelheit", fuhr sie fort, „dauerte sehr, sehr lange." „Und Sie wissen nichts von Dem, was in der Todtenhalle vorging?" fragte ich ein wenig enttäuscht. Ich bemerkte, daß sie bei dieser Frage abermals erröthete „ES kam mir vor", antwortete sie, „als kämen ab und ru Leute und blieben bei mir stehen. Ich konnte sie weder sehen noch hören, aber eö war. als ginge eine Lebenswelle von ihnen ru mir herüber, so daß mein Leben im Moment nicht ganz so stille stand als vorher. Aber erst als Sie zu mir herantraten, erlangte ich mein vollständiges Bewußtsein wieder Wodurch? ich.weiß es nicht. ES mag ein bloßer Zufall ge wesen sein — vielleicht erschienen Sie gerade im Moment, als die Wirkungen d«S Anfalles zu sckwinden begannen Oder vielleicht wirkte daS Mitgefühl, da- Sie für mich hegten, so mächtig, daß ich dadurch erwachte." „Ich wäre glücklich, wenn daS in der That die Ursache Ihres Erwachens gewesen wäre", erwiderte ich. „In jedem Falle bin ich Ihnen unendlich dankbar", sagte re leise. „Erinnern Sir sich des Läutens der Todtenglocke?" ragte ich. „Ja von dem Moment an, als Sie erschienen, erlangte ich mein Bewußtsein wieder. Und als Sie und der alte Stephan mich verließen, hatte ich daS Gefühl, als sei, wenn ich Sie nicht zurückrufen könnte, jede Hoffnung auf Rettung worüber. Ich hatte die Erzählungen Stephan's über die Todtenglocke angehört und wollte gern daran ziehen. Mein Zustand war fürchterlich — ich kann Ihnen denselben kaum schildern. Ich wußte, daß ich einen Willen hatte, eine» festen Willen, aber mir fehlten die Mittel, ihn auszufübren. Stellen Sie sich das Gefühl vor, das man im Momente hat, da ein Pferd mit uns durchgeht und die Zügel mitten durchgerissen sind. Man hat den stärksten Willen, das Pferd zu halten, aber daS Mittel dazu ist vernichtet. Ich mochte denken, was ich wollte, ich war nicht im Stande, meinen Körper in Be wegung zu setzen. Selbst jetzt ist cs mir unerklärlich, auf welche Weise die Glocke läutete. Ich war mir nicht bewußt, sie gezogen zu haben. Im Gegentheil, ich hatte nach wie vor baS Gefühl äußerster Hülflosigteit. Vielleicht hat meine höchste Angst die Bewegung veranlaßt; die geringste Regung genügte ja dazu. Der eine Arm sank zur Seite und die Glocke begann zu läuten. Vielleicht lief eine Ratte über die Schnur und veranlaßte die Bewegung. Ich weiß nur, daß ich Sie zu meiner großen Freude zurückkommen hörte und mich gerettet glaubte. Aber als Sie bei mir standen, konnte ich nichts thun, nichts sagen. Ich konnte die Augen nicht öffnen, keine MuSkel bewegen, kein Lebenszeichen geben» und es graute mir vor der Möglichkeit, trotz allem doch noch le bendig begraben zu werden. Sie glauben nicht, wie dankbar ich Ihnen war, als Sie daraus bestanden, daß ein Arzt geholt wurde und wie verzweifelt ich war, als derselbe erschien und behauptete, ich sei todt. Aber das Schrecklichste von Allem war der andere Vormittag, als ick begraben werden sollte. Ich litt unbeschreiblich, und eben diese höchste Anspannung deS Schmerzes muß es gewesen sein, dir mir schließlich ein wenig Gewalt über mich verlieh. Aber ohne Sie wäre dennoch Alles zu spät gewesen. Ich habe Ihnen' schon gedankt, aber ich weiß, daß ich es nie, nie genug thun kann." Ich bat sie, nicht davon zu sprechen, sagte ihr, daß ich nicht gethan hätte, wa« so viel Dankbarkeit verdiene — hatt
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