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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950507029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895050702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895050702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-07
- Monat1895-05
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Bezug-Preis I» der Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Bororten errichteten Au»« yabestelle« vierteljährlich^«.«!^ bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l S.bO. Durch di« Post bezogen ktt, Deutschland und Oesterreich: dirrtellädriich 6.—. Direkte täglich» Kreuzbandienvung in» Ausland: monatlich 7.bO. — DteMorM-Au-gab« erschein» täglich mit Au», »ahme nach Sonn, und Festtagen V«? Uhr, di« Abenv-Ausgade Wochentag» b Uht. Nr-artlo« «nr Erpt-itioa: Sshannesgafl» S. Die lrveditioa ist Wochentag» unuNterbroche, gesstne» von früh 8 bis Abends 7 Uh». Filialen: Vit» Kt»»«'« Larttm. lAlfrep Hatz«)» Universittlrssttaß» I, Lotti« Lösche, Kakhartnenstr. »4, Port, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe nWgerT>Mbla11 Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Andels- und GeschMverkehr. ^- 225. Dienstag dm 7. Mai 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Mai. In der absteigenden Entwickelung unseres Parlament tarischen Lebens hat der Artikel 29 der Reichsverfassung er heblich Schaven genommen und zwar nickt nur dort, wo er sagt, die Mitglieder des Reichstages seien an Aufträge und Instructionen nicht gebunden, sondern auch ,n seiner anderen Hälfte, dir ausspricht: „Die Reichstags- abgeorvniten sind Vertreter des gesammten Volke-." Immerhin baden sich bisher nur der territoriale und der WirthschaftSgruppenparticulariSmu« offen geltend ge macht. die Gegenüberstellung von Partei- unv gemeinem Interesse, so oft sie auch thatsäcklich erfolgt sein mag, ist noch nicht alS «in gute-, ja selbstverständliche« Reckt der Parteien beansprucht worden. Dem hervorragendsten Organ der CentrumSpartei» der „Kölnischen BolkSzeitung", war es Vorbehalten, sich zu einer den Pflichtenkreis der Ab geordneten auch nach dieser Richtung hin verengenden Auf fassung unerschrocken zu bekennen. DaS Blatt schreibt: „Die Mittelparteiler, insbesondere die Freiconservativen, meinen, es könnte aus der Umsturzvorlage das herausgeschält werden, wa» ihnen gerade paßt, wie z. B. die Militair-Paragraphen. Das wäre aber noch schöner, daß die unbedeutendsten Parteien gerade ihren Willen „voll und ganz" durchsetzten und die anderen großen Paneien ihnen das Angenehmste und Schmack hafteste auf dem Präjentirteller entgegentrügen." WaS in diesen inhaltsvollen Zeilen über die Bedeutung der Mittelparleien gesagt wird, darf übergangen werden. Daß aber eine wichtige öffentliche Angelegcnbeit mit Fug lediglich al« Nangfrage der Parteien angesehen werden tan», „dies ist eine Meinung, noch zu neu", al« daß sie nicht der Beurtheilung weitester Kreise vorgelegt werden müßte. Nicht ob die Militairparagraphen zweckmäßig oder nothwendig sind — das CenlruM hat sich in der Com- mission für Beides erklärt —, ist da» Entscheidende, sondern der Umstand, daß Parteien, die schwächer sind, als die CentrumSpartei, aus jene Bestimmungen Gewicht legen. Und dabei handelt es sich nicht etwa um Dinge, dir in den Programmen gerade dieser Parteien eine hervor ragende Rolle spielen, sondern um Vorkehrungen gegen die Untergrabung der militairischen Zucht und Ordnung, also um die Sicherung eines Besitzes, in dessen Wertschätzung daS Centrum hinter keiner bürgerlichen Partei zurückstehen zu wollen bisher erklärt hat. War eS doch im Grarntheil ein Mitglied dieser Partei, welches vor zwei Jahren den Unterofsicier einen Stellvertreter Gottes in der Arme nannte. Damals also, wie auch noch wieder während der Berathung der Umsturzvorlage, fand eS auch daS Centrum nicht „schmackhaft", dir Aufforde rung zur „Verletzung der auf die Verwendung der be waffneten Macht im Frieden oder Krieg sich beziehenden militairischen Dienstpflichten" straflos zu lassen. Es gehört auch ein eigenartiger Geschmack dazu, in Kasernen die Ver breitung von Flugblättern zu erlauben, die Stellen, wie die folgende enthalten: „Warum wird solch' ein Schuft (ein Ossicier, der Euch quält) nicht gleich auf der Stelle todtgeschlagcn? Warum? Die DiSciplin sagt Ihr, ver bietet das. Man würde solch' einen Act der Gerechtig keit furchtbar, exemplarisch ahnden. Gewiß — Einer, der seine maltraitirten Brüder rächen wollt», wird schwer dafür zu büßen haben. Aber muß eS denn nur Einer sein, cer solchermaßen Menschenrecht und Menschenwürde wahrt? Gebt Acht!" Diese nnverhüllte Aufforderung zur Revolte, der übrigen« trotz der vorstehend gemachten „Con- cession" eine solche zu Einzelmorden folgt, konnte in etwa einem Dutzend Kasernen ungestraft verbreitet werden. Daß dies auch künftighin möglich sei, fordert die „Köln. Volksztg." lediglich aus dem Grunde, weil eine Mittelpartei das Gegen- tbeil, nicht zugleich aber die Zulassung der Gefährdung deS öffentlichen Friedens von der Kanzel aus wünscht. So wahrt man die Interessen deS „gesammten Volkes". Di« Veranstalter der am Sonntag in Berlin abgebaltenen Protest»»«rsamm«unr von Mililtedern kommunaler Körper schaften gegen die Umsturzvorlage thun sich auf den Besuch und den Verlauf der Versammlung außerordentlich viel zu gute. Sie fühlen sich al« Retter de« Vaterlandes, al« die besten Nathgeber deS Kaiser- und als die erfolgreichsten Be- kämpser der ultramontanen Machtgelüst«. Und doch sind eS dir Gesinnungsgenossen VieserVeranstalter, die daß Centrum auf daS Pserd gesetzt haben, auf dem es jetzt die Freiheit der Wissenschaft niederzureiten versucht. Und wenn morgen in irgend einem Wahlkreise ein nationallideraltr, die von dem Centrum in die Umsturzvorlage hineingebrachten Ungeheuerlichkeiten auf daS Schärfste bekämpfender Canvidat mit einem ultramontanen in die Stichwahl kommt, so ist Tausend gegen EinS zu wetten, daß die „freisinnigen" Netter des Vaterlandes den Ausschlag zu Gunsten de« Ultramontanen geben. Aber das ist noch nicht das Komischste an dieser „Retlungsthat". Viel komischer noch ist es, daß geravt dieselben Männer, die nicht eifersüchtig genug über den Rechten des Reichstags wachen und nicht scharf genug da gegen prottstiren können, wenn irgend eine Versammlung die Beschlüsse dieser Körperschaft zu tadeln sich unterfängt, sich selbst das Recht zuschreibrn, den denkbar schärfsten Tavel gegen bereits gefaßte Beschlüsse einer Reichskagöcommission wie gegen eventuell zu fassende deS Plenums auszusprechen und überdies eine Art von communalem Nebenparla ment zu errichten, das solche Kundgebungen zu seiner Specialaufgabe macht. Nichts Geringeres als die Errichtung eines solchen NebrnparlameiitS, zusammengesetzt aus Mit gliedern comniunaler Körperschaften, hat unter dem Beifall der Versammlung Herr Leopold Sonnemalin anempfohlen, indem er den Wunsch aussprach, „Bersainmlungrn dieser Art regel mäßig staltfinden zu sehen". Allerdings ist anzunehmen, daß der Herausgeber der „Frkf. Ztg." und seine begeisterten Hörer bei diesem Vorschlag im Stillen eine wesentliche Einschränkung gemacht und e» als selbstverständlich betrachtet haben, daß das communale Nedrnparlament sich « nicht «infallen lassen dürfe, seine Stimme zu Gunsten von HeereSreformen, Kanitz-Anträgeu rc. auszusprechen. Nur demokratisch-frei sinnig darf daS communale Nebenparlamertt resolviren, sonst ist es ein nichtsnutziges, die geheiligten Rechte deS Reichstag« antasteudes und die Grenzen seiner Eompetenz frech über« schreitendes Gebilde. Um so ungeheuerlicher aber wird der Sonnemann'sche Vorschlag. Wir haben politische und wirthschaft liche Vereine genug, die durch Resolutionen u. dergl. dem Reichs tage bei der Beurtheilung von Gesetzentwürfen und Anträgen an die Hand gehen; bei besonderen Gelegenheiten sind auch die Interessenten rührig genug, um ihre Ansichten und Be schwerden kräftig zu Gehör zu bringen. Es würde «in wahres Chaos entstehen, wenn auch noch Mitglieder com munaler Körperschaften je nach ihrer politischen und wirth schaftlichen Ansicht Nebenparlamente bildeten, die sich gegen seitig das Recht der Meinungsäußerung bestritten, mit um so größerer Anmaßung aber dem Reichstage ihre unfehlbaren Meinungen aufzndrängen suchten. Übereinstimmend melden die ungarischen Blätter, die gestrige Verlesung der Note Kalnoky's im ungarischen Abgeordnetenhause bilde einen Punct der zwischen Kalnoky und Banffy erzielten Verständigung über eine Anbahnung der vom Kaiser gewünschten gütlichen Applanirung, indem beide Theile von der Veröffent lichung dieser Note die Rechtfertigung ihre« Verfahrens Note an anderer Stelle mit. As ms^^ " geheilte sächlich hervor, daß unsere zieml Ug formelles Ansicht richtig ist, wonach »uf bA-n e^^^n Verschulden vorliegt, hervorgeg g und deS gemein- Strlluna de« ungarischen M'uisterpra d ^ ^ samen Ministers des «-ußeren Rom ^ sachlichen Differenzen betrifft, so I F ö beachten: Graf Kalnoky ^w - .Fchkeit yje Reise Angelegenheiten Un^ns a>S e , ^ banffy bezeichnet und sich bereit erklärt, daruv > ' ,,, es wünscht, be m Batican Einsprache und K agr u . Nubien doch »weder als eine exckPti°n-lle beze,chn-t uA Papst um Gottes willen nicht vor den Kopf - um nicht einen Augenblick m Zweifel darüber zu ft,n, dag die Beschwerdeführung Kalnoky's be.m Bat.can ^ spät, d. h. erst nach der parlamentarischen, vom Nunnus beeinflußten Entscheidung über die ^ und daß sie andererseits ,n so maß- »"d ruchlchtSvoUer Form abgefaßt worden Ware, daß sie 'drei, Zweck, we aber malige Überschreitung deS der katholischen Kirche "N Staate Oesterreich - Ungarn gesteckte» Recktsgrcnze zu verhindern. Baron Banffy aber mußte vor Allem daran liegen, noch rechtzeitig vor Eröffnung des für Ungarns Zu unf so enl scheidungSvollen parlamentarischen Kamme«, bei welchem es sich um nichts weniger als um d.e Frage handelt, ob das Land selbst seine Geschicke zu bestimmen hat oder ob es von Rom aus regiert werden soll, den von der klerikal reactionair.n Presse geflissentlich verbreiteten Sch-,n zu zerstreuen, als ob die römische Kirche lediglich dem liberalen ungarischen Ministerium verhagt sei, dagegen der vollen Sympathie deS gemeinsamen Ministers des Aeußeren sich erfreut, der offenbar an der Reise deS Nuntius nicht- Auffälliges und Strafwürdiges finde. Und daS Truggebttde mußte mit fester Hand und gründlich zerstört werden. Daher das rasche, energische, über den Mangel formeller Berech tigung sich hinwegsetzende Handeln deS BaronS Bansty, der, wie allmählich zu Tage tritt, sich nicht von seinem sanguinischen Temperament hat Hinreißen lassen, sondern sehr wohl gewußt hat, was er that, als er den von der gegnerischen Presse stets als Freund deS Vaticans auszespielten Grafen Kalnoky auf den gegen Nom gerichteten sehr scharfen, allerdings noch nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten Erklärungen festnagelte. Mag er auch die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten haben, so hat er doch die Lage außerordentlich geklärt und damit Ungarn einen un vergleichlich großen Dienst geleistet. Ein Helles Licht ist durch Banffy's Action auf sein und des ungarischen Libera liSmuS consequent ablehnendes Verhalten gegen jede Ein mischung rönüscherseits ebenso wie auf Kalnoky's halt- und aestnnuiigslose Schaukelpolitik gefallen. Damit sind die Gegen sätze nur noch deutlicher hervorgetreten, ja sie sind verschärft, und dir Kluft ist erweitert. Deshalb widersprechen wir zwar nicht der Auffassung der ungarischen Blätter, daß zwischen Banffy und Kalnoky auf Wunsch des Kaisers, vorläufig wenigstens, ein persönlicher Ausgleich geschaffen ist, ' ' '' ist nichts applanirt und konnte nichts appla- ' Gegensätze zwischen den beiden achlich nirt werden, denn ^die (AtcicijAmänni'i-n „nk di« Urizeigen.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactiontstrich (4g«« spalten) bO^j, vor den Famtltennachrichte» (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichn!«. Tabellarischer und Zifsrrnsstz nach höherem Tarif. Ext*« »Beilagen (gefalzt), nur mit der Margen - Ansgab», ohne Postbesördernog 60.—, mit Postbesörderuvg 70.—. Aimahmeschluß für Anzeigen: (Nur Wochentags) Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpe-trtsn zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 8S. JahrgaG werden können. Deshalb scheint und auch die Frage de« Personenwechsels nur vertagt und die Meldung nicht unwahrscheinlich, Kalnoky habe erklärt, sein EntlaffungSgesuch sei nicht zurllckgenommen und er werde eS auch nicht zurück nehmen, wenn er auch die Bestimmung des Zeitpunkte« seiner Enthebung der Weisheit deS Kaisers überlasten muffe. Die japanische Regierung bat, wie nunmehr feststeht, in Berlin, Petersburg und Paris die Erklärung abgrben lasten, daß sie, dem freundschaftlichen Rath der drei Mächte nachfolgend, sich entschlossen habe, nicht nur auf die endgiltige Besitznahme der Halbinsel Liao-Tong, son dern auch auf die von Port Arthur zu verzichten. Nachdem hierdurch im Princip den Wünschen der drei Mächte genügt worden ist, wird anzunrhmen sein, daß dir chinesische Regierung nach Austausch der FriedenSratificalionen an Japan die Bitte stellen wird , etwa gegen eine Erhöhung der Kriegsentschädigung auf die dauernde Besitznahme von Liao-Tong und Port Arthur zu verzichten, und daß Japan sich bereit erklären wird, in einem Zusatzabkommen zum Friedensvertrage eine entsprechende Verabredung zu treffen. In Tokio hatte man versucht, wenigstens Port Arthur, den befestigten Platz an der Südspitze der Halbinsel, zu behalten; aber die Erwägung, welche vom europäischen Standpunkte aus gegen die Annexion der Halbinsel an Japan sprach, daß dieses nämlich dadurch beständig Peking bedrohen und so auf die erstrebte Vasallenschaft Chinas binarbeiten würde, traf ganz ebenso betreffs Port Arthurs zu. Indem die japanische Regierung sich somit zu der verlangten Abänderung des Friedensvertrags verstand, bat sie sich nicht nur — WaS zu erwarten war — klüger als diejenigen deutschen Blätter er wiesen, welche Japan zum Widerstande gegen die diplomatische Action des eigenen Landes ermunterten; sie hat sich auch Anspruch auf anerkennende Beurtheilung seitens der Culturmächte erworben, in deren Kreis Japan einzutreten wünscht und mit denen eS bekanntlich in Verhandlungen über Fragen wie die ConsulargerichtSbarkeit steht. China aber hat, wie es durch das Vorgehen Deutschland-, Rußlands und Frankreichs davor bewahrt worden ist, künftig unter den Kanonen Japans existiren zu müssen, zugleich die Bürgschaft erhalten, daß es, wenn es nur selbst an der Erhaltung seiner Lebensfähigkeit und Selbstständigkeit arbeiten will, dabei auf mächtigen Schutz und Rückhalt rechnen kann. Die englische Politik aber hat daS Nachsehen und zum ersten Mal ist den Orientalen acl ocuIo8 bemonstrirt worden, daß es Dinge giebt, welche ge schehen können ohne England. Damit ist dem englischen Prestige rin schwerer Schlag verfehl, zu dem «S noch «ine wesentliche Verschlechterung seiner Beziehungen zu Rußland mit in Kauf nehmen muß. — Ob und welche Compen- sationen Japan sich ausbedungen hat, darüber verlautet noch nichts. — Deutsches Reich. tii. Leipzig» 7. Mai. Die diesjährige Generalversamm lung des Evangelischen Bundes finde: voraussichtlich vom 29. September bis 1. October in Zwickau statt. ^ Berlin, V. Mai. Die Thatsache, daß dem Reichstag heute zwei weitere Vorlagen zugegangen sind, ändert nichts an der Richtigkeit der Berechnung, daß der Schluß der Session vor dem Pfingstfest erfolgen könne, geschweige denn an der Ausfassung, daß eine Vertagung nicht geboten sei. Beide Entkvürfe bieten keine Schwierigkeiten. Der eme verpflichtet die Behörden der Bundesstaaten zu gegenseitigem Beistände bei Einziehung der Abgaben und der Vollstreckung von Ver- m ögens st rasen, decretirt also etwas für ein politisch und rechtlich geeintes Gebiet, wie daS deutsche Reich, Selbstver ständliches. Der andere Entwurf betrifft die Fürsorge F-irill-tsn. Die Erbin von Abbot-Castle. Lj Original-Roman von F. Kllnck-Lütetsburg. Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Acht Tage später war Graf SaunderS tod — vergiftet. Will Gullham sprach zuerst die Meinung au«, daß nur die Pflegerin da» Verbrechen begangen baden könne, sie allein war um den Kranken in einer ganz auffälligen Weise bemüht gewesen. Jedermann hatte befremdend gefunden, daß sie sich Tag und Nacht für den alten, griesgrämigen Grafen förmlich auf- geopsrrt. Und dann — Mary Connor batte in der That nicht« Unterlasten, da- sie hätte verdächtig machen können. Un mittelbar nach dem Tode de« Grafen schickte, sie sich an, SaunderS-Hall zu verlassen; sie war von den GerichtSpersonrn zurückgrhalten worden. Warum sie eS mit ihrem Fortgehen so eilig gehabt? Sie hatte nicht sagen können, baß sie einer Begegnung mit Edgar SaunderS habe auSweicken wollen, auch nicht warum sie unter dem Namen Harrlet Clutcher sich hier aufgehalten. So batte sie keine Antwort auf die an sie gerichteten Fragen gegeben, sondern zu Allem geschwiegen, schließlich auch zu den harten Anklagen, die man gegen sie erhoben. Sie batte nur einen Trost gehabt in dieser furchtbaren Zeit — ihr Gottvertrauen, die Menschen fragten nicht nach ihr. Jeder Mund, der zu einer Zeugenaussage sich öffnete, belastete sie, selbst Edgar SaunderS! Wa« sie empfunden, al« jener Brief, den sie an ihn unter heißen Schmerzens- tbränen geschrieben, öffentlich verlesen worden war, al« Beweis, baß sie den teuflischen Plan zu der Ermordung eine« alten Mannes, der ihrem Glück hindernd im Wege gestanden, reiflich erwogen, wer mag eS sagen? Nur Eine würde für sie gezeugt haben — Harriet Clutcher. Einmal batte sie in einer Stunde, in welcher ein natürliche« Verlangen nach Rechtfertigung sich in ikr geregt, ihrem Ver- tbeidiger den Namen der Freundin genannt, aber Recht«- anwalt Primrose beantwortete ihre Andeutung zunächst nur mit einem Achselzucken. Dann hatte er gesagt: „Miß Clutcher'« Zeugniß kann gar nicht in Frage komme», e« würde durchaus nicht als maßgebend angesehen werden können. So viel mir bekannt geworden ist, bat man an berufener Stelle sogar erwogen, ob nicht die Anklage wegen Beihilfe auf Miß Harriet Clutcher auSzudehnrn seui würde. Man hat lediglich davon Abstand genommen, weil man annehmrn konnte, daß Sie zufällige Umstände benutzt haben." Sie batte dann keinen Entlastungszeugen Mehr in Vor schlag gebracht, vielleicht aber doch noch gehofft, Edgar SaunderS würde für sie zeugen. Gerade er aber war es ge wesen, der sie tödtlich getroffen, man war allgemein der Ansicht, daß seine Aussagen allein eint ungünstige Entscheidung hätten herdeiführen müssen. Aber sie war doch frei geworden. Sie hatte den Saal verlassen können und nicht den entsetzlichen Kerkerraum mit einem anderen, noch entsetzlicheren vertauschen müssen. Sie war frei. Der Wagen hielt, sie stieg au«, indem sie sich fester in ihren Mantel hüllte und den Schleier über da« Gesicht zog. Sie wollte dem Kutscher ein Geldstück in die Hand drücken. „Ich bin bezablt." Ein bittere« Lächeln umspielte ihren Mund, und sie wunderte sich selbst, daß sich noch eine- bitteren Gefühles fähig, daß nicht Alles in ihr erstorben war. Rechtsanwalt Primrose hatte wohl gedacht, sie verfüge nicht über Geld mittel. Er hatte sich sehr gut gegen sie benommen, um so mehr, als er von ihrer Unschuld nicht überzeugt gewesen war. Aber sie batte Geld, mehr al« sie je in ihrem Leben im Besitz gehabt. Da« Schicksal seiner Enkelin, welche« den Tod seiner Tochter im Gefolge gehabt, rüttelte wohl an dem barten Herzen de« Besitzer« von Abbot-Castle. DaS kleine Päckchen, welches Rechtsanwalt Primrose ihr unmittelbar, nachdem da« freisprechende Urtheil verkündet worden war, aus gehändigt hatte, und in welchem sie wenigsten« einen letzten Gruß von der Mutter zu finden erwartet, hatte Bank noten — nur Banknoten enthalten. Zweites Eapitel. Mary Connor saß im Coup«, einem CoupS erster Claffe. Hier durste sie nicht fürchten, neugierigen Blicken auSgesetzr u sein. Nur ein junges, vielleicht gleichalterigeS Mädchen aß ihr gegenüber und blickte mit einem ängstlichen GestchtS- anSdruck in den draußen wirbelnden Schnee hinaus, während e« wiederholt tief aufseufzte. Der Zug war an dem letzten Hause der Vorstadt vvrübrr- gebraust und befand sich im freien Felde. Es war eine Art von crrleicyierung, we:cye 2-cary ourcy cas neivuyl,eln empfand, nun nicht mehr neugierigen und verachtungsvollen Blicken auSgesetzt zu sein. Der Druck war dadurch nicht von ihr genommen. Sie dachte nicht daran, nach Abbot-Castle zurückzukehren. Dir Mutter war todt. Das grausige Schick sal ihres Kindes, besten HerzenSreinheit über jeden Zweifel erhaben gewesen war, hatte sie getödtet. WaS sollte sie in Abbot-Castle? Mochte auch der Sinn deS alten Mannes sich geändert haben, Mary konnte — wollte dort nicht leben, wo rin Jeder sie kannte, und mit Fingern auf sie zeigen würde. WaS wollte sie beginnen? Sie war sich selbst nicht klar darüber. Niemand würde ihr ein Unterkommen gewähren, Niemand ihr Arbeit geben. Mary Connor! Der Name war weit über dir Grenzen ihre« Vaterlandes hinan« bekannt geworden, jede Zeitung hatte von dem heimtückischen Mord auf Saunders-Hall berichtet. Sie wollte reisen, weit und immer weiter, vielleicht, daß sie in der Ferne irgendwo ein Unterkommen fand, und wenn — O Gott, welch ein Leben wartete ihrer, selbst wenn cS thr gelingen sollte, durch alle nur erdenklichen guten Eigen schaften einen Platz in der Welt sich zu erobern. Sie würde nur unter dem Damoklesschwert athmen, ein Wort, ein Blick mühsam Errungenes erbarmungslos zerstören können, verlohnte e« sich noch zu leben? O, warum fürchtete sie doch den Tod so sehr? Ihr konnte er nur zum Befreier von namenloser Pein werden. Während sie so ihren verzweiflung-vollen Gedanken sich überlasten, hatte draußen em furchtbarer Schneesturm lick entwickelt. Der Wind heulte mit verstärkter Kraft und da« Gesicht de« jungen Mädchens welche« Mary gegenüber saß ,ru, d,» Äu«dru>« ,,°ß« >>»d 'A war e,n angenehme« Gesicht, nicht gerade hübsch und von e.ner etwas krankbaften Bläffe, aber voll Unschuld und Güte aekchntt,'.'" "Uu'AUschsn Zug um einen besonders fein- nÄ w ^ war «ine mittelgroße Gestalt, bei- nahe wie Mary Connor, nur etwa« kräftiger gebaut. s ch,.?'* diesem Augenblicke nicht um ihre Reiseb.g etter,n gekümmert, so sehr war sie mit ibrem !!>b "si! Schicksale beschäftigt. Indem sie aufblickte . .?"L" G---E-I« Mi, <i„m imMch,; Ausdruck« auf sich gerichtet. Gleichzeitig bemerkte ste dab g'Ne^t'und LwL üuÄ re chend gegen die Kalte geschützt war. Die Livven delleik-n zeigten eine bläulich« Färbung ^ „Kann ick. Ihnen womit dienen, meine liebe Miß?,, fragte sie, dem unwillkürlich in ihr auflodernden Verlangen, zu helfen, nachgebenv. DaS junge Mädchen erröthete. ES befand sich sichtlich in einer peinlichen Verlegenheit. Die sanfte, melodische, zu Herzen sprechende Stimme Mary Connor'S verfehlte ihre Wirkung nickt. „Ich bin sehr unruhig, Miß, ich fürchte, ich bin in ein falsches Coupö gerathen und werde nachzahlen müssen." Ihre Lippen zitterten, während sie dies sagte, und Thränen füllten ihre Auge». „O, wenn es weiter nicht« ist, daS Sie beunruhigt? Sie werden mich sehr erfreuen, wenn Sie meinen Beistand in Anspruch nehmen wollen. Ich würde Ihnen sehr gerne aus helfen, die Differenz kann nur eine ganz geringfügige sein." Sie hielt dem jungen Mädchen ihre Börse geöffnet ent gegen. In den Augen desselben leuchtete eS auf. „Wie gut Sie sind! Wenn Sie mir erlauben wollen, es Ihnen zuriickzuerstatten. Großmutter wird mir daS Geld geben. Wohin darf ich eS Ihnen schicken?" Die bloße Frage erschreckte Mary Connor. Sie konnte dieselbe nicht beantworten. Wenn sie ihren Namen nannte! Ob da« junge Mädchen ihn schon gehört hatte? O, gewiß. Mit Schrecken und Abscheu würde eS sich von ihr wenden, sich wohl gar hilfesuchend umblicken, war eS doch mit einer mutbmaßlichen Mörderin allein in einem CoupS. Diese Vorstellungen machten sie erblassen, und die leichte Spannung in ihren Zügen machte wieder einer großen Er schlaffung Platz. „Ihnen ist nicht Wohl, Miß — Miß — Verzeihen Sie, mit wem habe ich die Ehre?" „Miß Connor". Die Antwort war unverzüglich, wie es Mary selbst scheinen wollte, mit dem Muthe der Verzweiflung gegeben worden. Nun mußte es kommen. Sie warf einen heraus fordernden Blick auf ihre Reisegefährtin. „Miß Connor, ich danke Ihnen. Mein Name ist Liliaa Smith." Mary Connor athmete auf. Ihr Name war der jungen Dame ein fremder. „Wohin reisen Sie, Miß Smith? Sie werden in dieser Frage keine Neugierde erblicken." „O, gewiß nicht. Sie sehen nicht neugierig au«, aber so gut und mitleidig. WaS wäre au« mir geworden, wenn ich Ihnen nicht begegnet wäre!"
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