Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950911024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-11
- Monat1895-09
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ezugSPrekS kn der Hauptexpedition oder den im Stabt« bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^!4.40. lei zweimaliger täglicher Zusielluug ius L aus 5.50. Durch die Post bezogen für Teutjchland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Zkreuzbandiendung tn« Ausland: monatlich ?L0. Die Mvrgen-AuSgab» erscheint täglich mit An«, unhme nach Sonn- und Festtagen '/,7 Uhr, di« Abend-Ausgabr Wochentag» b Uhr. Ne-artion und Erpedition: AohanneSgasse 8. Dle Exvkdition ist Wochentag- ununtrrbroche» aeöjsuet von srüh 8 bi« Abend- 1 Uhr. /Malen: ktt» Rlemm's Torti»,. (Alfred Hatznt, Universiiätsslraß« l, Lani« Lösche. kkatk arinenstr. 14. vari »nd SöniaSvlatz 7. Abend-Ausgabe. Organ filr Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ^ ^39. Mittwoch den 11. September 1895. Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclam.n unter dem Redactionsstrich l4g«» spalten) 50/ij, vor den Famiiiennachrichlra (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- »rrzeichnlß. Tabellarischer und Zisjrrnjatz nach höhere.» Tarif. Ertra.vtiiagen lgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefärdernng 60.—, mit Postbrsörderung ^ Zinnalfmkschluß für Änzeigeu: (nur Wochentag«) Abrnd-AuSgabc: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-AnSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher- An«ei,en sind stet- an di« Erpedtlia» zu richten. Druck und Verlag von E. Potz fn Leipzig. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, N. September. Vle „Rvrüü. AUg. Itg." wartet heute mit einer Aus einandersetzung auf, die politisch viel zu pikant ist, als Laß sie sie aus ihrer eigenen Seele heraus zu schreiben hätte wagen dürfen. Nach allerhand „Brimborium" wird auS- gesührt: „Vor der Hand müssen wir uns überhaupt gegenwärtig halten, dass noch einige Monate vergehen werden, ehe die Parlamente wieder zusaiiimciilreten und an den Versuch — in welcher Gestalt auch immer — gesetzgeberischer Schrille gegen die Sociaideuivkratie gedacht werden kan». Auch dürste es »ach Len bisherigen Erfahrungen sich kaum empfehlen, Absichten dieser Art schon jetzt in concreter Form bekannt zu gebe» »nd zur DiScussion zu stellen. Denn wir haben mit Len Holtershelser» der Sociaidemokralie — sie verdienen nach dem Eharakier ihrer Veihäiigung keine andere Bezeichnung — zu rechne», die ihr ganzes Bemühen in der ihnen zu Gebote stehenden wcitverzweHten Presse daraus richten werde», auch die heilsamsten und nnerläblichsten Maßnahme». Maßnahme», die mehr und mehr eine Exisleuzsrage unseres Staales und des deutschen Reiches bilden, unter eine Wolke von doctrinairen Einwendungen zu setzen und das gesunde Urtheil des Volkes zu verwirren. Der Kräf tigung durch das Verhalten der obrigkeitlichen Organe, der Bürgschaft, daß auch von dieser Seite mit voller Energie zum Enrscheibllngsknmps eingesetzt werde» sott, braucht darum die Volksbewegung, ans die der Appell unseres kaiserlichen Herrn als Anlwort rechnet, auch unniiitelbar nicht zu entrathen. ES ist ei»« weitverbreitete Ueberzcugung, daß jchvn jetzt von Seiten der Polizei und des Staatsanwalts mehr geschehen könnte, um den Uebcrmuth der Socialdemokratie zu dämpfen und der monarchisch gesinnten Bevölkerung tägliche grobe Aergernisse zu ersparen. Wenn beispielsweise die Socialdeinokraten auch bei ihren Privalbrgräbnlssen mit rochen Emblemen jeder Art, rochen Blumen, rochen Kleidern, rochen Tücher» u. s. w. ausziehen und mit diese» provocatvrischen Denionstrationen am unangebrachtesten Ort die Ruhe des Friedhofs stören und die sonst anwesenden Be- sucher der Gräber ihrer Lieben, die sich stiller Andacht hingeben wolle», in der ärgerlichsten Weise belästigen, — ist das nicht „grober Unfug" in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes, ohne jede« Zwang der Auslegung? Warum werden solche Ausschreitungen also geduldet? Oder warum leidet man, daß Zeitungsv er kaufe r die Hanptsensaiionsstücke irgend einer Nummer des social- demokcalischen HauptblatleS durch die Straßen, in Garteniocale hinein und auch solchen Leute», denen diese ekle Speise wider wärtig ist, ins Gesicht brüllen? Ist den», schon rein in Ansebung des verübten Lärms, eine solche Störung der öffentlichen Ordnung statthaft, und muß sich denn wirklich der inonarchisch und gesetz- müßig denkende Bürger aus Schritt und Tritt in dieser Weise von der locialdemoiratischen Propaganda anrempein lassen und ihre Auf dringlichkeiten, ohne Möglichkeit der Abwehr, geduldig hinnehmen? Bei zahlreichen Auslassungen der socialdemokraiischen Presse seiner mußte sich wieder und wieder die Frage wiederholen: dürfen Sätze so empörenden und für Millionen Deutsche so verletzenden Inhalts wirklich gedruckt und verbreitet werben? müssen sie wirklich »ach dem gegenwärtigen Stande unserer straf« ;cjetzlicheii Bestimmungen ohne Sühne bleiben? Scho» die testen Anfänge einer neuen, minder zurückhaltenden Praxis, die Liese Frage zu ihrer für die noihwendigen Entschlüsse der Zukunft hochbedelitjamen Entscheidung bringt, haben das Gefühl der Genugthuung i» weiten Kreisen hervorgerufen. Und an weiteren Bewei,en der Thatkraft der Obrigkeit und ihres Entschlusses, ihre Schuldigkeit bis zur äußersten Grenze der Möglichkeit zu thun, wird sich auch die Energie des Bürger thums in der Abwehr der Todfeinde bis zum vollen gewünschten Maße ausrichten." Das ist ossiciös, natürlich von der Officiosttät, wie sie heutzutage i» innerpolitischeii Dingen noch möglich ist. Nicht die Regierung, aber ein Regierender hat da gesprochen, und dieser Herr ist der preußische Minister des Innern v. Koller — nicht. Alle die Dinge, die als geschehen aufgeführt werden und nach des Verfassers Meinung nicht hätten ge duldet werden oder doch nicht ungeahndet hätten bleiben dürfen, haben sich in Preußen und zumeist in Berlin zu getragen und sind polizrilich nicht beanstandet worden. Es soll nicht gesagt werden, daß nicht auch von anderen Bundes staaten der angemessene Gebrauch der vorhandenen Waffen gegen socialdemokratische Ausschreitungen verabsäumt worden ist, aber der, von dem man in der „Nordv. Allgem. Ztg." „tabula narrat", ist der preußische Polizeiminister, die Adresse ist ebenso deutlich geschrieben, wie der mahnende Inhalt gerechtfertigt ist. Gerade von Herrn v. Koller, der eine, wenn auch vielleicht mehr extensive als intensive Tätig keit behufs gesetzlicher Bermehrung der staatlichen Machtmittel entfaltet, und der auch das, was man an der preußischen Polizei- Handhabe überflüssig und lästig findet, im Allgemeinen kräftig „herausbeißt", hätte man erwarten sollen, daß er mit dem ihm verliehenen Pfunde gegen die Socialdemokratie entsprechend wuchere. Es gab für ihn auch einen besonderen Anreiz dazu, den er aber nicht auf sich wirken ließ. Er hat in der zweiten Lesung der Umsturzvorlage dieses Gesetz zwar nicht zn Falle gebracht, dazu kam er zu spät, aber durch sein Auftreten die Möglichkeit, späterhin gesetzgeberisch gegen die Socialdemokratie vorzugehen, erheblich erschwert. Unter dem Vielen, was uns nach dem 2. September den Boden für eine Aclion nicht geebnet erscheinen ließ, nahm die Erinnerung an die Verlheidigung des Umslurzgesetzes durch den preußischen Minister des Innern einen ersten Platz ein. Nun steht zu wünschen, daß er es, um mit der „Nordd. Allg. Ztg." zu reden, bei den „Beweisen der Tbatkraft der Obrig keit" an der für dieses „Geschäft" unbedingt nöthigen Umsicht und Ueberlezung nicht fehle» lassen wird. Denn in der Ver waltung können „Impulse" eben so viel schaden, wie in der Gesetzgebungspolitik. Bezüglich der von der „Köln. Ztg." mltgetheilten Ant wort der französische» Loeialistcn auf die Veariiffnnas- depesche der Berliner „Genossen" am Sedankage bemerkt der „Vorwärts": „Auf unserer Redaciion und in den Kreisen der Berliner Ber- trauenspersonen ist von dieser Antwort nichts bekannt. Wir wollen bei dieser Gelegenheit erwälmen, daß die „Petite RSpublique", das französische Hauptorgan unserer Partei, in der wärmsten Weise der Smnpaihie für uns Ausdruck giebi und dabei in entschiedener Weise gegen die Revanchehelden polemisirt." Die französischen Socialisten haben also nicht eine kühle, sondern gar keine Antwort aus das Telegramm erfolgen lassen. Sie rechnen wohl auch Landespreisgeber zu den Gesellen, deren man sich wohl bedient, die man aber nicht auf gleichem ' Fuße brhauvcit. Das Schweigen der Franzosen ist der sicherste Beweis dafür, baß sie keineswegs, wie der „Vorwärts" jo gern glauben machen wollte, die jüngste Nevancherede Millerand's Lügen zu strafen gesonnen sind, das Ergebenheitstelegramm der „Deut schen" bot ihnen die beste Gelegenheit dazu. Wenn der Leiter des „Vorwärts", wie er sich den Anschein giebt, unverbind liche Auslassungen eines französischen Parteiblattes wirklich als gleichwerthig mit einem Begrüßungstelegramm betrachten würde, so hätte er sich ja auch wohl seinerseits an seinen Artikeln genügen lassen. Diese klangen jedenfalls schmeichle rischer für französische Ohren, als der „Shmpathieausdruck" der „Petite Rvpublique" für Deutsche. Am letzten Sonntag des laufenden Monats hat das schweizerische Volk über die von den eidgenössischen Näthen beschlossene Einführung des Zündhölzchen-Monopols zu entscheiden. Da Artikel 3i der Bundesverfassung die Freiheit des Handels und der Gewerbe gewährleistet, sv handelt es sich um die Aufnahme einer Bestimmung, welche die Herstellung, die Einfuhr und den Verkauf der Streich hölzer von der Gewerbefreiheit ausnimmt, wie dies bereits durch Zusatzqrtikel für die Zölle, bas Salz, das Pulver und für die gebrannten Wasser geschehen ist. Der Artikel, der das neue Regal schaffe» soll, bestimmt, baß der Ertrag nicht in die Bundescasse fallen, sondern, daß ein allsälliges Reinergebniß im Interesse des Betriebes, namentlich der Vervollkommnung des Fabrikates und der Herab setzung des Verkaufspreises verwandt werden soll, und daß die Verwendung des gelben PhoSphorS bei der Herstellung von Zündhölzchen ausgeschlossen sei. Damit ist das neue Monopol gekennzeichnet. Es bezweckt die Beseitigung der Phosphvrnekrose, jener schrecklichen Berufskrankheit, die bei der heutigen freien Darstellung so viele Opfer ergreift, und es sucht dabei auch weder die Bundesgewalt zu stärken, noch einen Gewinn für den FiScuö herauszuschlagen. Es ist also gewiß ein „unschuldiges" Monopol. Trotzdem hat es so viele Gegner, daß das Ergebnis; der Volksabstimmung zur Zeit noch als ganz ungewiß bezeichnet werden muß. Die einen bekämpfen überhaupt jedes Staatsmonopol, die andern sind blinde Anhänger der Gewerbesreiheit, wieder andere be haupten, cs sei mit der Nekrose nicht so gefährlich, und eine Verschärfung des Fabrikgesetzes zum Schutz der Arbeiter würde genügen. Die Freunde des Monopols weisen mit Recht aus die vor 15 Jahren auf diesem Gebiet gemachten Erfahr ungen hin. Damals verbot ein Bundesgesetz im Interesse der Menschlichkeit die Verwendung des gelben Phosphors bei der Streichholzfabrikation, aber da der Bund keine eigene Polizei zur Verfügung hat, entwickelte sich eine heimliche Darstellung, die Streichhölzer wurden immer schlechter und wurde» als die berüchtigten allumvttvs f6ckvial68 zum Gespötte, die Nekrose forderte nach wie vor ihre Opfer. So wurde jenes Verbot wieder aufgehoben, und obgleich zu gleicher Zeit der Bundes rath strenge hygieinische Maßnahmen zum Schutz der Arbeiter schaft verschrieb, blieb Alles beim Alten, bis im Jahre 1880 die Angelegenheit infolge eines Naiionalrathsbeschlusses neuer dings in eine Untersuchung gezogen wurde, deren Ergebniß die gegenwärtige Vorlage ist. König Leopold von Belgien, welcher gestern in Bad Hombnrg eingetroffen ist, will in dieser Woche zur Beendi gung seiner Cur nacb Aix-les-Bains zurückkebre» und am 20. dss. in Paris den Präsidenten der französischen Republik begrüßen und sich einige Tage daselbst aufhalten. Dieser Besuch des Königs, welcher bisher niemals französischen Boden betreten bat, ist nicht ohne politische Bedeutung. Leopold II., als Mitglied der Familie Orleans und als deutschfreundlich berannl, war in Paris um so unbeliebter» als die französische Presse ihn als Vasallen Preußens bezeichneie und der Congostaat dem französischen Congounter- nehmen Abbruch that. Bei allen französischen congostaat- lichen Grenzstreitigkeiten trat Leopold II., auf England sich stützend, den französischen Forderungen entgegen. Als aber der König bei dem englischen congostaatlichen Abkommen vor Deutschland und Frankreich zurückweichen mußte und von England im Stich gelassen wurde, da ging der König zu Frankreich über und trat ihm die Ge biete am Ubangi und am^ M'Bomu ab und damit den Zugang ^»m Nilbecke». Seitdem herrscht zum Mißver gnügen Englands zwischen Frankreich und dem Congoslaale große Freundschaft, und es ist sicher, daß beide Staaten hin sichtlich des congostaatlichen Vormarsches am Nile einig sind. Das Ministerium Salisbury ist diesem Vormärsche feindlich, kann ihn aber nicht hindern und tritt daher in der Affaire Stokes dem Congostaate u,n so schärfer entgegen. Durch den Besuch des Königs in Paris wird sich die englisch-congostaatliche Spannung noch mehr erhöhen, da es nicht zu bezweifeln ist, daß Frankreich und der Congostaat am Conga und a,n Nile gemeinsame Sache machen.—Was den Zwischenfall Stokes detrifft, sv bringt jetzt die belgische Zeitung „Bien du Peuple" nach einem Telegramm der „Times" eine Mtttheilung, welche dringend der Aufklärung bedarf. Nach Privatbriesen belgischer Officiere, welche sich über den Proceß StokcS ver breiten, war die Anzahl der Mauser-Gewehre, welche einem deutschen Geschäftshause gehörten und deren Versteck dem Capitain Lothaire von Mr. Stokes ent hüllt wurde, l80 Stück! Wir dürfen wohl mit der „Pest" erwarten, daß die belgische Zeitung nun auch das deutsche Geschäftshaus nennt, welches Eigenthümer der Gewehre ist, damit im Falle einer begründeten Anklage eine Untersuchung eingeleitet werde. Die deutschen Verordnungen über Einfuhr von Hinterladergewekren nach Ostafrika sind fast prohibiliv. Die Annahme ist daher sehr gewagt, daß Stokes als Com missionair einer deutschen Firma, welche derartige Geschäste betreibt, dienen konnte. Aber da die Sache einmal in den „Times" erwähnt worden ist, wären weitere Aufklärungen sehr erwünscht, um der Legendenbildung vvrzubeugen, daß der congvstaatliche Beamte, welcher StokeS den Strick um den Hals legte, dadurch indirect einem deutschen Waffenschmuggel zu steuern beabsichtigte. Deutsches Reich. 1s Berlin, 10. September. Vor der Einsühcung der Invaliditäts- und Altersversicherung hat man sich vielfach der Anschauung hingegeben, als ob die vornehmiich landwirthschaftlichen Theile Deutschlands ganz besonders viele Altersrenten und die vorzugsweise industriellen beträchtlich mehr Invalidenrenten ausweisen würden. Bisher hat diese Anschauung, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, durch die Wirklichkeit keine Bestätigung gefunden. Eine starke Abweichung von dem allgemeinen Durchschnitt weisen eigentlich nur die beiden Mecklenburg und die preußische Provinz Schleswig-Holstein auf. in denen von je 100 ^ Rentenzahlung im Jahre 1804 auf die Alters renten 84 und ans die Invalidenrenten 16 entfallen. Die übrigen Gebiete weisen Zahlen auf, welche sich um den für ganz Deutschland maßgebenden Durchschnitt von 7 t und 20 bewegen. So kamen auf das Königreich Preußen 72 und 28 Die beiden Provinzen Ost- und Westpreußen ent sprachen genau demselben Verhältniß. Für die übrigen Ge biete stellte sich der Antheil der Alters- und Invalidenrenten von je 100 Rentenzahlung so, daß aus Berlin 67 und 33 auf Brandenburg 78 und 22, auf Pommern 60 und 3l, ans Posen 78 und 22, auf Schlesien 66 und 34, aus Anhalt ?7 und 23, ans Hannover 72 und 28, auf Westfalen und Hessen-Nassau je 68 nnd 32 und auf die Nheinprovinz 67 und 33 ^ entfielen. Aus fallen wird dabei nur, daß gerade die vorzugsweise jandwirthschaftliche Provinz Poinmern verhältnißmäßig stark an der Invalidenrente hethciligt ist. In Bayern kamen 68 ^ auf die Alters- und 32 ans die Invalidenrente, in Sachsen 76 cknd 24, in Württemberg 66 und 34, in Baden 64 und 36, in Hessen 75 und 25, in Thüringen 73 nnd 27, i„ Oldenburg 78 und 22, in Braunschweig 75 und 25, in den Hansestädten 76 »nd 24 und in Elsaß-Lothringen 78 und 22 -iti * Berlin, 10. September. In einem Aufsatz über daS Anerbenxecht bei Rentengütern, den Professor M. Weber-Freiburg i. B. in der „Sociale,, Praxis" (Nr. 50) veröffentlicht, finden wir folgende interessante Bemerkung: „Ich hoffe demnächst zu zeigen, daß die Stetigkeit der länd lichen Bevölkerung, wie sie in dem Quotienten der Orts- gebürtigkeit zum Ausdruck kommt, fast mathematisch genau umgekehrt parallel geht mit der Durchschnittsgröße der Betriebe: — je kleiner diese, ein desto größerer Brnchtheil der Bevölkerung ist o r t S g e b ü r t i g, — und Feuilleton. Schwere Kämpfe. Roman ans dem grollen Kriege. 9j Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Er erhob sich nnd läutete dem Kellner, der gleich erschien. „Bitte ein CurSbnch." „Werde es sofort bringen." Gleich darauf wurde es ihm übergeben. „Danke. Ich werde Ihne» wieder läuten." Der Kellner verschwand. Nun suckte Horn ziemlich aufmerksam im Cursbuch nach, wie er am schnellsten und directesten nach München zurück- kehren könne. Nachts lN/z Uhr verließ ein Postzug Ham burg, der früh 6 Uhr und einige Minuten in Berlin ankam, so daß es noch möglich war, den um 7 Uhr 50 Minuten von dort nach München abgehenven Schnellzug zu erreichen. Er entschloß sich, diesen zu benutzen, läutete wieder dem Kellner, gab ihm das Cursbuch zurück und befahl ihm die Rechnung zn bringen, da er mit dem Nachtzug nach Berlin abreise» werde. Nachdem der Kellner das Zimmer verlassen hatte, packte er seinen Koffer ziemlich sorgsam, gewohnheitsgemäß wie im Manöver zusammen, ordnete sei» Handgepäck und setzte sich wieder aus das Sofa. Der Kellner unterbrach sein Sinnen, indem er ihm die Rechnung präsentirte. Der Ossicier zahlt« und legte ei» reickcs Trinkgeld bei. „Danke gehorsamst, Herr Lieutenant. Werden Sie den Omnibus benutzen, oder soll das Gepäck direct an die Bahn gebracht werden?" „Das ist mir lieber. Ich werde noch einen Spaziergang machen und dann nach dem Bahnhofe gehen. Dort kann ich also meine Sache» finde»?" „Jawohl, Herr Lieutenant. Unser Diener, der den Namen des Hotels auf der Mütze trägt, wird Sie am Ein gänge des Wartesaais II. Classe mit dem Gepäck erwarten. Wenn Sie sich noch etwas zu amüsiren wünschen, so wären das ConcerthauS oder Hornhardt'S Garten »u empfehlen. In beiden spielen Militarrcapellen im Freien, sowie Streich orchester in den Sälen. Wenn Sie nicht weit gehen wollen, so ist heule Abend das Concert auf der Alsterlust zu empfehlen. Es ist dort ein schwedisches Streichquartett. Von dort aus wäre es auch näher zum Bahnhöfe." „Ich danke Ihnen. Ich weiß noch nicht, was ich thue". Der Kellner verschwand, Horn schnallte mechanisch den Säbel um, hing seinen Mantel Uber den Arm, setzte die Mütze auf, schob Koffer, Handkoffer und Helmschachtel zusammen und verließ das Zimmer. Unten mußte er noch verschiedenen Kellnern, dem Stubenmädchen nnd dem Portier Trinkgelder zahle», erinnerte wiederholt, seine drei Gepäck stücke kurz nach 11 Uhr auf dem Berliner Bahnhof bereit zu halten, und verließ das Hotel. Wohin? DaS war ihm ganz gleichgiltig. Co schlenderte er gerade so wie heute Nachmittag langsam in der Allee neben der Binnen-Aister hin, blieb hier und da stehen und blickte auf das beim Scheine von Hunderten und Tausenden von Laternen und Lichtern noch interessanter, noch eigenartiger erscheinende Bild auf der Alster. Aber er sah eigentlich nichts. Für jeden Vorübergehenden erschien es, als ob er z. B. mit größter Aufmerksamkeit die Bewegung eines der Dampfer verfolge. Er selbst bemerkte ihn aber gar nicht, d. h. das Schiff zog vor seinem physischen Auge vorbei, während sein geistiges keine Ahnung hatte, ob cS ein Dampfer oder ein Eisenbahnzug war. Aber er dachte in seinem Innern auch nicht über seine Lage nach. Er sah nur immer das Bild Renatens, wie sie ihm am Kafseetisch im Fährhause erschienen war, vor sich, und dies starrte er an, dies verfolgt er im Geiste bei jeder einzelnen Bewegung, ohne geordnet etwas dabei zu denken. Dann schlenderte er wieder weiter, sah ebenso geistes abwesend einem anderen Dampfer nach und wiederholte die« immer von Neuem. So kam er nach und »ack, ohne es eigentlich zu wissen, wieder zur Alsterlust. Mechanisch trat er ein, zahlte, als man ihn darum ersuchte, ohne eine Silbe zu reden, einen Schilling Eintrittsgeld, ging langsam durch den schon ziemlich gefüllten Saal auf die Terrasse und setzte sich an einen der wenigen noch leeren Tische. Ein Kellner eilte herbei und fragte: „Bier gefällig?" „Ja, ein GlaS Bier." „Speisekarte gefällig?" „Ja." Der Kellner übergab sie ihm und entfernte sich, um das bestellte Glas Bier zu holen. Als er zurückkehrte, saß der Ossicier noch unbeweglich da; die Speisekarte lag unberührt vor ihm. „Haben der Herr Lieutenant schon gewählt?" „Nein." „Vielleicht gutes Beefsteak gefällig?" „Ja, bringen Sie mir ein Beefsteak." „Mit Ei oder ohne?" „Ohne." Der Kellner verschwand, Horn blickte tbcilnabnislos vor sich hin. Im Saal begann die Musik und konnte auf der Terrasse ganz deutlich vernommen werden. Er hörte nichts. Nach einiger Zeit brachte der Kellner ein sehr einladend aus sehendes Beefsteak. Der Ossicier zerschnitt es, stocherte etwas daran herum, aß auch einige Bissen, dann legte er Messer und Gabel bei Seite und starrte wieder vor sich hin. Nach etwa fünf Minuten aß er noch einige Bissen. Hierauf wiederholte sich das Gleiche wie vorher; er sah starr und stumm in eine Ecke. Als er zum dritten Male einen Versuch machte, noch etwas zu essen, war Alles so kalt geworden, daß es ihm nicht mehr schmeckte. Da gab er die weiteren Versuche auf. Auch sein Bier schmeckte ihm nicht. Er trank es nur halb aus, sah auf die Uhr, bemerkte, daß eS bald '/«N Uhr sei, winkte den Kellner herbei und bezahlte stumm, ohne nachzurechnen, was derselbe verlangte, und noch ei» ordentliches Trinkgeld dazu. Dann hing er den Mantel über und verließ, ohne sich umzusehen, das Local. An der Thür fragte er den Portier nach dem nächsten Weg zum Berliner Bahnhof. „Hier den Anlagen entlang. In zehn Minuten sind der Herr Lieutenant dort." Er wanderte zn, sah nicht rechts und links, nur vor sich auf den Weg, und mit einem Male stand er vor dem Bahn hof. Die dortige Uhr zeigte erst 11 Uhr. Von dem Hotel diener mit dem Gepäck war noch nichts zu entdecke». Da siel ihm ein, er könnte seinem Burschen telcgraphiren, weil er ja doch erst kurz vor Mitternacht in München ankäme und sonst Alles verschlossen sein würde. Bis er daS Telegraphen amt gefunden und die Depesche besorgt hatte, war auch der Hoteldiener mit seinen Sachen gekommen; er konnte sich eine» Platz in dem schon bereitstehenden Zug nehmen. Dort saß er nun und bemerkte eS gar nicht, daß nach und nach noch vier Herren einstieaen. Er blieb ruhig in seiner Ecke sitze», kümmerte sich, als sein Billet coupirt war, nicht um das Ab fahren des ZugeS, um keinen Halt auf den Zwischenstationen, um nichts. Er starrte nur vor sich hin und sah im Geiste nichts, als das Bild der im Uhlenhorster Fährhause vor ihm sitzenden Renate, und hörte immer wieder jedes Wort, das sie zn ihm gesprochen. So kam er, ohne eine Secunde zu schlafen, in Berlin an. Dort fuhr er direct mit einer Droschke nach dem Anhalter Bahnhof, besorgte sein Gepäck und »ahm dann eine Tasse Kaffee, und zwar nur deshalb zn sich, weil er den Bahnsteig »och nicht betreten durfte und ihm der Portier bemerkte, es sei noch übrig Zeit, Cafs zu trinken. Als er in den Zug steigen durfte, setzte er sich wieder in eine Ecke. Das gleiche düstere Vprsichstarren wie zwischen Hamburg und Berlin be gann wieder und dauerte mit wenigen Unterbrechungen fort, bis er Abends nach 11 Uhr endlich in München ankam. Diesmal hatte er sogar übersehen, in Hof zu Mittag zu essen. Nur in RegenSburg nabm er einen ganz kleinen, an das Coupü gebrachten Umbiß zu sich. Witzelberger stand ans dem Bahnsteig, als der Zug in die Halle einfuhr. Kaum erkannte der brave Bursche seinen Herrn im Halbdunkel des Wagens, so ries er fröhlich: „Grüß Gott, Herr Leitnant, Wies mi' dees freit, daß scho' wieda da san. I' Hab s z'erst goar nit glaub'n woll'n, wica i' die Depcsch' —" Plötzlich brach er ab. Sein Herr stieg aus dem Wagen und kam damit in daS volle Licht einer der großen Bahnhosslaternen. Entsetzt rief der Bursche nun aus: „Jesus, Maria, Josef! Wiea schaug'n denn Sie aus! Um Himmels will'n, am End' wer'» S' wieda krank! Jesses, Jesses, dces Unglück!" „Sei doch still, Witzelberger, Du machst ja alle Menschen aufmerksam mit Deinem Klagen. Nimm mir lieber den Handkoffer ab." Witzelberger nahm Handkoffer und Helmschachtel in Empfang und starrte seinen Herrn an. Dann rief er wieder: „Heiliger Sebastian, Sie könna ja goar nit grad gehe! Jesses, Jesses! So was kann i' goar nit sehg'n. Du, Kofferträger, nimm die Sach', i' muß mei'm Herrn helf'n." Damit gab er einem Träger das Gepäck und wollte seinen Herrn unter stützen. Er kam aber schlecht an. „Was fällt Dir denn ein. Witzelberger? Ich bin ja gar nicht krank. Hier hast Du den Schein. Hole wenigstens den großen Koffer, da Du doch das Handgepäck schon abgegeben hast. Bring' ihn hinaus zu einem Fiaker! Ich gehe voraus." Da es ihm peinlich war, daß der Burscht durch sein Klagen die Ansmerksamkeit mehrerer Reisenden erregt hatte, nahm sich der Lieutenant sehr zusammen und ging so stramm
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite