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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189509230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950923
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950923
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-23
- Monat1895-09
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1895
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Filialen: ktt< Rle««'» Sortim. tAlfred Hah«)» Universitätsstrabr 1, Loni» Lösche. Katharinrnstr. 14. pari, und König-Platz 7. "«59. Amtliche Bekanntmachungen. Auclions - Lekanntmachung. Dienstag, den 24. ds. MtS., Vormittags von IN Uhr an sollen im Ttadthansc, Eingang Muhlgasse Nr. 1, verschiedene Wirthschastsgcgenstände, Kleidungsstücke, Taschenuhren, Musik instrumente, 1 Wand- und Druckpumpe, 1 Nähmaschine, 1 Hobel bank, l Arislon, 1 Geldschrank und verschiedene andere Gegenstände an den Meistbietende» gegen sofortige baarc Bezahlung öfsent- lich versteigert werden. Leipzig, am 12. September 1895. Ter Rath Ser Stadt Leipzig.. Ick. 10 086/1. u. s. w. Or. Georgi. Hübjchmann. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. September. Der Nachricht der „Post", daß dem Reichstage in der bevorstehenden Tagung eine Tabaksteuer-Vorlage zugehe» werde, wird von den nicht selten zu Mmheilunge» aus Negiernngskrcisen benutzten „Berl. Polit. Nachr." die Ver sicherung entgegengesetzt, es liege nicht in der Absicht der Neichöregierung, dem Reichstage ein neues Tabaksteuergesetz vorzulegen. Auch die „Nordd. Allgem. Ztg." erklärt: „Gegenüber einer in einem Berliner Blatte enthaltenen, von anderen Blätter» uachgedruckten Mitthcilung, betreffend die Tabak- fabrikatstener, können wir feststellen, daß Gras Posadowskl, bei seiner Anwesenheit in Süddeutschland nicht über einen neuen Tabuksteuer-Entwnrf verhandelt hat und im Reichsschatzamt z. Z. rin solcher Entwurf nicht ausgearbeitct wird." Die „Post" ihrerseits, die gestern, als an einem Sonntag, als Morgcnblatt erschienen ist, hat es unterlassen, diese Ge legenheit zur Äufrechterhaltung ihrer bestrittenen Meldung zn benutzen. Ein viertes (demokratisches) Organ versichert, die Vorlage hänge mit neuen Forderungen für Heer und Flotte zusammen, und endlich wird dem „Hamb. Corr." aus Berlin geschrieben: „Zunächst bleibt zu bemerken, daß, die Richtigkeit der Mittheilung überhaupt vorausgesetzt, nunmehr auch das Räthlel gelöst ist, wes- halb in Sachen der Convertirung der vierprocentigen Anleihen so plötzlich zum Rückzug geblasen worden ist. Bon der Convertirung wird erst die Rede sein können, wenn über das neue Tabaksteuer- Gesetz die Entscheidung im Reichstage erfolgt ist. Wird dasselbe, wie wahrscheinlich, wiederum abgelehnt, so hat die Regierung in der angeblichen Nothwendigkeit einer Steigerung der Einnahmen den besten Vorwand, die wirthschaftlichen Bedenken gegen die Convertirung in den Hintergrund treten zu lassen und behufs Durch- führung der Reichsfinanzreform, sowie behusS Herstellung des Gleich gewichts im preußischen Etat die vierprocentigen Reichs- und Staats- Papiere zu couvertiren." Es eröffnen sich also die besten Aussichten auf ein neues Hin und Her von Behauptungen und Ableugnungen und auf eine agitatorische Ausnutzung der ersteren. „Freisinnige Zei tung" und „Vorwärts" fangen bereits an, die Hetzconjunctur auszubeuten. Daß die Negierung amtlich im „Reichs anzeiger" dem beginnenden anmuthigen Spiele ein Ende machen werde, kann nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht gehofft werden. Daß aber die Presse, d. h. diejenige Presse, die sich selbst nicht lediglich unter dem geschäftlichen Gesichtspuncte taxirt» allen Grund hat, bei Mittheilungen dieser Art die äußerste Vorsicht walten zu lassen, geht aus einer niedrigen Unterstellung hervor, mit der das socialdemo- kratische Parteiorgan sofort bei der Hand ist. Es schreibt: „Also wieder eine neue Beunruhigung der Tabakindustrie und, was bemerkt werden muß, wieder eine neue Anzeiger. er,»« sir P«M, Mch-sMr/ A«sH<l»»l>M'M Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag- 4 UhL Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dir Gtzpetzikt«« zu richten. Druck und Verlag von E. Pokz in Leipzig. Montag den A!. September 1895, 89. Jahrgang. Gelegenheit für die Unternehmer in derselben, die Arbeiter durch Lohnreductionen zu schröpfen." Die dieser Tage mitgetheilte Erklärung der „Nordd- Allgem. Ztg.", daß die Herren v. Hamme»stein und Stöcker keinen Einfluß bei Hofe gebabt hätten, hat bereits erkennen lassen, daß man an dieser Stelle recht empfindlich gegen jede etwaige Vermuthung ist, vas politische Treiben dieser Herren habe in Hofkreisen Billigung oder gar Unterstützung gefunden. Eine neue Kundgebung des ofsiciösen Blattes, die sich besonders gegen Herrn Stöcker und sein Organ, das „Volk", wendet, beweist, daß man an derselben Stelle von dem Bekenntnisse des früheren Hof- predigers, der vielbesprochene Brief des „Vorwärts" mit der Empfehlung einer zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck Mißtrauen säenden Taktik entspreche im Wesent lichen seiner Auffassung, höchst peinlich berührt ist und von der conservativen Partei erwartet, sie werde sich von der politischen „Methode" des Herrn Stöcker entschieden lossagen. Da die Kundgebung, die von dem Versuche des Partei raths des deutschcon servativen Wahlvereins aus- gcht, Herrn Stöcker von der Absicht, Kaiser und Kanzler von einander zu trennen, reinzuwaschen, lautet: „Das ist leider eine unhaltbare Behauptung. Ganz abgesehen von der Tendenz, die uns in dem Briefe so klar wie nur denkbar entgegentritt, spricht dieser auch ausdrücklich aus: „Merkt der Kaiser, daß man zwischen ihm und Bismarck Zwietracht säen will, so stößt man ihn zurück." Es wird also nicht in Abrede gestellt, daß Zwietracht gefäet werden soll, sondern nur davor gewarnt, diesen Willen merken zu lassen. Ueber- haupt wird der unbehagliche Eindruck sich nicht aus der Welt reden lassen, den der Brief hervorruft und der — wenn das wirklich noch ausführlich dargelegt werden muß — auf folgenden Gründen beruht. Die Entlass ungdesFürsten Bismarck hat einen großen und wahrlich nicht den schlechtesten Theil der Nation an einer sehr empfindlichen Stelle berührt. Der Entscheidung des Kaisers hatten wir uns indessen zu fügen und haben wenigstens wir uns rückyaltlos gefügt; der Ver such aber, in eine Angelegenheit, die ausschließlich zwischen dem Kaiser und dem Kanzler lag, sich einzumischen und Nachhilfe zur Herbeiführung eines Bruches mit einem Kanzler von diesen Verdiensten zu leisten, zeugt von großer Leicht herzigkeit in der Uebernahme einer schweren Verant wortung und kann in patriotischen Kreisen, in denen man jetzt von diesem Versuch erfährt, nur Unwillen hervor- rufen. Es ergiebt sich ferner eine Differenz zwischen diesem Brief und neueren R^den des Herrn Stöcker, in denen Fürst Bismarck verherrlicht wirb, die peinlich berührt. Und endlich widersprechen künstliche Veranstaltungen, um das Urtheil zu prüpariren, und zwar durch einseitige Wahl der Themata, die „auf das allerschärsste ausgeuutzt" werden, auch einseitige Eindrücke hervor- zurusen, der conservativen Geradheit. Wirklich wohlmeinende und klarblickende Freunde des Herrn Stöcker hätten ihm also den Rath geben müssen, sich in der Besprechung dieses Briefes so kurz wie möglich zu fassen. Statt dessen soll auch in diesem Falle die conservative Partei zur bewundernden Anerkennung gezwungen werden, und Las „Volk" läßt zu diesem Zweck die üblichen, vielfach erprobten Mittel des Terrorismus spielen. In einein Versuch dieser Art ist allerdings der Pfeil auf den Schütze» zurückgeprallt: der Fall beleuchtet das System nach welchem im „Volk" gearbeitet wird, so drastisch, daß wir hier ausführlich darauf eingehen. Nr. 221 des „Volk" vom Freitag also enthält folgende Correspon- denz aus Hamm: „In hiesigen conservativen Kreisen ist man aufs Höchste erregt über das Vorgehen der „Cons. Corr." gegen Stöcker. Hat denn die conservative Parteileitung kein Mittel in der Hand, ihr eigenes Vorstandsmitglied gegen solche Angriffe in ihrem eigenen Organ zu schützen? Wirmeinen, es müsse darauf bestanden werde», daß die „Cons.Corr." diese unwahren, verletzenden Angriffe schlankwegwiderruft. Das war ja auch nichtsNeues in ihrer nicht immer ruhmvollen Geschichte. Als 1889 in der Zeit des wüstesten Kartelljpuks unser früherer Abgeordneter Oberst lieutenant Krug von Nidda mit einer seitdem berühmt N-d- d-n so mächtigeHerrv.Helldorls, der ^ Herr v. Krug hatte, wandte und krümmt s - ^ die Nennung möge in dem Widerruf der jch genannt haben , seines Namens verzichten -.Gerade den Hclldors, war die Antwort. Und so krock v sammt der „C. C „,ji unbedingter Entschiedenheit diesmal erwarte» wir, daß an nu i ^ Ziehen wird, aus einen unumwundenen W'deruf der ^ Nidda in der Demgegenüber veröffentlich ",,cu letzten Nummer des „Volk legende Ben g Artikel aus Hamm, ° „Das „Volk" bringt in Nr. 221 «,.»<-» ^ ^geroere," welcher sich mit »leiner Rede voin l. to kiiupsenden „Bismarck" be,chä,tigt und scRießlich d UM „,as mich Verhandlungen mit Herrn v-Hnl bo^ff ^ed ^ -«erst der veranlaßt, die,e richtig 'teilen. » Leiter der Umstand, daß Herr v. °er oama^g ^ conservativen Presse, um lene Z . ^ pje Verhand- He,malh Bedra abwe,end Rückkehr des- lnugen sich erheblich zögerten ^4. Lctober .Lons Corr." zu nennen, gewahrt. wa rend weöe r H er r kr°ochem-°Tam7Aff- ich ien" Episode endlich schließen zu läßt, um für eine Ei nsch ü ch t erungsact.on gegen die..Consil^ - den Boden zu bereiten, hämische und 6 ^ k<.,ten ru P ivier UI bringen. In diesem Falle hat die Ehrlich keit und vornehme Gesinnung eines Conservativen von altem Schrot und Korn ihm das Concept verdorben. J> anderen Fallen lausen die tendenziösen Pamphlete ungehindert ihren Weg und erzielen die erstrebte Wirkung. - „ Man darf wohl erwarten, daß dieser Appell an die Ehr lichkeit und vornehme Gesinnung der Conservativen von altem Schrot und Korn nicht ganz fruchtlos bleiben wird. Die Polen rüsten sich in sehr energischer Weise zu einem politischen Feldzug. Die bestehenden Organisationen genügen ihren Führern nicht mehr, und sie fordern im Oredownik" jetzt öffentlich zur Bildung politischer Vereine -ruf. Als Basis füs eine erfolgreiche OHamsation sollen die ''NdustrievereinL benutzt werben, die zu einem großen Verbände zusammenzuschließen wären, in dem politische Fragen zur Sprache gebracht werden könnten. „Außerdem", fahrt das geiianute Blatt fort, „könnte man einen Verein „Zur Unterstützung der polnischen Industrie" gründen. Wenn dieser Gedanke nicht Beifall finden sollte, würde es sich vielleicht ver lohnen, zn überlegen, ob es nicht von Nutzen wäre, andere politische Vereine oder den früher in Wesipreußen bestandenen „Verein zur Unterstützung moralischer Jntercssen der polnischen Bevölkerung unter preußischer Herrschaft" oder etwas Aebn- liches ins Leben zu rufen." Hoffentlich wird die preußische Regierung a» der Hand des Vereinsgesetzcs rechtzeitig jeder Auöschreiiling auf dem Gebiete der polnischen Agitation einen Damm entgegensetzen, um zu Verbindern, daß die polnische Bewegung einen noch gefährlicheren Charakter annimmt, als sie schon jetzt hat. Welche Früchte sie im Jahre 1870 ge zeitigt hatte, ist bereits am Sonnabend an einem Beispiele dargelegt worden. Ein zweites finden wir im „Kreis- und Wochenbl. für den Kreis Czarnikau". Es heißt dort in einer Zuschrift: „Als die Kriegserklärung in Czarnikau 1870 bekannt wurde, äußerte eine bekannte polnische Persönlichkeit: Jetzt werden wir Truppen zurückgekehrt waren und ein alter polnischer Krieger sich bei einem Bürger bedankte für die Wohlihalen. die derselbe seiner Familie während des Krieges hatte zu Theil werden lassen, da iragie ihn dieser, ob er auch im Kriege seine volle Schuldigkeit aeihan habe. Ja, sagte dieser, mir wurde zwar ror tem Ausmarsch immer von hohen polnischen Herren gepredigt und porgesagt. ich dürfe nicht auf die Franzosen schießen, des jeien unsere wahren Freunde, aber ich habe mich nicht daran gekehrt und habe meine Schuldigkeit gethan. Bereitwillig soll das polnische Volk die Opfer zum Kriege gebracht haben — nun, ich l,abe immer eine andere Vorstellung von dem Bilde der Bereitwilligkeit gehabt. — Dem gesetzmäßigen Zwange mußte ein Jeder sich fügen, >o lange Preußen die Macht in den Händen hielt und von Sieg zu Sieg schritt. Aber wozu bei der großen Bereitwilligkeit zu den Kriegsopfern bereisten polnische Emissaire, die so lange in Paris und im Auslande gelebt hatten, so eisrig die Provinz Posen und conferirten in Kirchen und Palästen mit ihren Landsleuten? Opfer, die man für Preußen bringen wollte, waren es, glaube ich, nicht über die man sich besprach. Dies hätte ja auch nicht so geheim zu geschehen brauchen. Als dann die Siegesdcpesche» kamen, wie das ganze deutsche Bolk ausathmete und jubelte, wie es seine Häuser mit Flaggen und Kränzen schmückte und des Abends die Fenster festlich erleuchiete — da erschienen die polnischen Damen in Trauer, auch die keinen theuren Tobten zn beklagen hatten; da zeichneten sich die Häuser der Polen durch Schmucklosigkeit und Dunkel- beit aus. Als daun die ersten Gefangenen in die polnischen Landes- thcile kamen, da wußten die polnischen Damen und auch die hohen Herren nicht genug, was sie den Gesangeneil Gutes anthun iolllen; sür die tapferen Sieger, für die Landcskmdcr, hatte man nichts übrig. Das war die bereitwillige Lpsersreudigkeit der Polen im Kriege 1870—71. Es ist gut, wenn so etwas nach 25 Jahren aufg'esrischt wird." Die Presse hat den Beleidigungen Italiens, zu denen die klerikalen Organe wie aller Länder, so auch Deutsch lands am Jahreslage der durch die Eroberung von Rom vollzogenen Einigung teS Königreichs sich Hinreißen ließen, im Großen und Ganzen wenig Beachtung geschenkt. Man sagte sich mit Recht, daß die befreundete Nation jene Ausbrüche Deutschland nicht anrechnen werde. Ebenso gleichmüthig wird man sich gegenüber den klerikalen Versuchen ver halten, die von dem deutschen Volke dem italienischen be kundete Sympathie gegen den Bestand des deutschen Staats und gegen daS Deulsckthum in Deutschland und Oesterreich auszubeuten. Aber verzeichnet zu werden verdient es immerhin, daß die „Gesimania" Deutschland gewissermaßen für vogelsrei erklärt, weil deutsche Zeitungen mit der Billigung der Eroberung Roms dtaS „Recht der Revolution verherrlicht" hätten. Nun, ob dick Einnahme der Haupistadt des souve ränen Kirchenstaats dunch die regulären Truppen des König reichs Italien ein Act rer Revolution gewesen sei, darüber läßt sich »och streiten, lrber die Losreißung Belgiens von den Niederlanden war ohne Zweifel eine Revolution. Bei dieser aber sind die katholische Partei und die katho lische Geistlichkeit bekanntlich sehr stark betheiligt ge wesen, und beide fühlen sich gerade jetzt besonders wohl im Vollgenuß der Früchte des 1830 begangenen „Unrechts", und die deutsche ultramvntane Presse stellt nicht selten dieses dem „Recht der Revolution sein Dasein verdankende Staats- Wesen als mustergiltig hin. Sie würde dies gewiß unterlassen, wenn sie nicht den belgischen Staat als zu Recht bestehend anerkannte. Indessen, an Belgien hat die „Germania" wohl nicht gedacht, als sie den Rechtsbestand Deutschlands als durch die Zeitungsartikel zum 20. September in Frage gestellt, bezeichnete. Aber hinsichtlich der von einer kleinen italienischen Partei für Italien geforderten öster reichischen Gcbietstbeile, die es nennt, widerfährt dem Blatte das Mißgeschick, die „eigenen Leute" aus drücklich zu beschuldigen. ES schreibt: „Ein Theil der italienischen „Patrioten" freilich hält die territoriale „Einigung" (Italiens) noch immer nicht für vollständig; die „Italic» Feuilleton. Schwere /Kämpfe. Neman aus dem grotzcn Kriege. 19j Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Die vorzügliche französische Aussprache des deutschen Officiers mußte der Dame ausgefallen sein. Sie nahm ein Lorgnon zur Hand und betrachtete ibn ohne jede Scheu von Kops bis zu Fuß. Ter Oberlieulnant ließ sich lächelnd diese Musterung gefallen. Nun schien die Französin ihre Neu gierde befriedigt zu haben. Sie nahm daS Lorgnon wieder ab, sah schmunzelnd Horn ins Gesicht und rief lustig: „Lli voilst un xrisoliuier!" Der Officier ging sofort aus den Scherz ein und erwiderte: „Es ist so, wie Sie sagen, Madame. Jch bin Ihr Gefangener. Wenn Sie nicht den Weg frei geben, muß ich hier bleiben und kann Ihnen nicht Platz machen." „DaS würde mir eigentlich Spaß machen, Sie hier ge fangen zu halten." „Mir auch, Madame!" „Wieso, Ihnen auch?" „Das ist sehr einfach. Jch bin nur so lange Gefangener, als Sie mir den AuSgang versperren. Sie müssen also so lange hier stehen bleiben. Es ist aber ein wahrer Genuß, eine so schöne Erscheinung recht mit Muße betrachten zu können." „Ei, ei, mein Herr! Verstehen denn deutsche Officiere auch zu schmeicheln? DaS hätte ich Ihnen gar nicht zu- getrautl" „Sie haben vollständig richtig geurtheilt, Madame! Wir können nicht i»> Geringsten schmeicheln. Wir sprechen sters unsere wahrste Ueberzeugung auS." „So Hallen Sie mich also für schön?" „Nein, ich halte Sie nicht für schön. Sie sind schön." „Gott, wie komisch diese Deutschen doch sind! UebrigenS, Sie gefallen mir. Ich würde eS für ein Unrecht halten, Sie länger Ihrer Freiheit zu berauben. Der Weg ist frei." Da mit machte sie einen Schritt zur Seite. Horn trat auS der Laube, blieb aber vor der nun ihrerseits nach der Laube sich wendenden Französin stehen und bemerkte: „Jch hätte nicht gedacht, daß Ti« ebenso grausam seien, wie Sie schön sind." „Warum grausam? Ick habe Jbnen ja gerade ein Zeichen meiner Gutmülhigkeit gegeben, indem ich Sie freiließ." „Ja, und mir dadurch indirect gesagt: So, nun machen Sie, daß Sie weiterkommen." „Nein, Das wollte ich damit nicht auSdrücken." „Jch darf also bleiben?" „Sie sind der Gast meines Bruders. Jch habe Ihnen hier nichts zu verwehren." Damit setzte sie sich auf die Bank und ließ also den Eingang der Laube frei, damit Horn eintreten konnte. Er tbal eS und lehnte sich an ein Fenster, wodurch er der hübschen Französin gerade gegenüber stand. Sie war wirk lich hübsch. Dunkle Haare, dunkle Augenbrauen, dunkle Augen, die leuchtende Blitze zu werfen verstanden, gaben ihr einen ungemein rassigen Ausdruck; ein schöner blendender Hals, der ziemlich weit sichtbar war, seine langfingerige Hände, eine zarte kleine Figur ließen die echte Pariserin erkennen. DaS zeigte übrigens auch ihr nach der neuesten Mode gefertigter Anzug, und es verrielb ein von ihr aus- strömendcr Duft eines fast betäubend riechenden Parfüms. Aber es fehlte ihrer ganzen Erscheinung jener Ausdruck von Bescheidenheit und Slttsamkeil, der deutschen Mädchen und Frauen den Hauptreiz verleiht. Sie erschien eigentlich wie eine zwar hochelegante, aber doch unverkennbare Dame der Halbwelt. Ter große stramme Officier mußte ihr recht wobl ge fallen. Ohne jede Scheu betrachtete sie ihn wiederholt ganz genau. Horn begann das Gespräch, indem er fragte: „Madame, Sie sind also die Schwester deS Grafen Consarv?" „Ja, und wenn Sie es noch genauer wissen wollen, die Gräfin Saint Armand." „Danke vielmals. Gestatten Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle, Oberlieutnant Horn." „Wie beißen Sie, 'orn?" „Nein, nicht Orn, sondern Horn." „Ach, daS ist auch so ein barbarischer Name, den Nie mand aussprechen kann. Schade, Ihr Name beeinträchtigt etwa« den Eindruck, den Sie sonst macken." „Jch bedauere e« sebr, Comtesse. Aber ich kann meinen Namen doch nicht verleugnen. Vielleicht gefällt Ihnen mein Vorname besser; er heißt LouiS." „Lk dien, der gefällt mir viel bester. DaS ist ja «in französischer Name." „Aber auch der eines deutschen Königs, des Königs von Bayern". „lKsis oui. Er stammt aber doch von unseren Königen a-b und ist also französischen Ursprungs." Horn wollte sich nicht mit ihr in einen Disput über den Namen Ludwig einlassen und frug daber nach einer kleinen Pausc. ob ihr Gatte, der Gras Saint Armand, auch hier im Schlosse weile. Mit der richtigen leichten Oberflächlichkeit einer Pariserin erwiderte sie: „Nein, den habe ick in Paris gelassen. Er hilft dort die Aufstellung einer neuen National- armce betreiben, welche alle Prussieus in kurzer Zeit über de» Rhein zurückjagen soll". „Der Graf bat also sehr viel zu klmn?" „Ob, das ist nicht weit her. Man braucht nur seinen Namen und sein Geld. Jch glaube, daß er sich mebr um die Erfolge einiger Damen vom Ballet als um die Armee kümmert." zu ,eill. rvu auch in Pari» ziemlich getrennt. Der Graf bewoln einen Flügel unseres dortige» Palais, ick den anderen lick, soviel ich weiß, ist so Etwas sür einen cnah Deutschen unverständlick." „Aber langweilen Sie sich denn da nicht?" „Llais, muu5wur Eouis, da muß ich wirklich Daran erkenne ich, daß Sie wenig Erfabrung mit s baben. Nein. daS ist zu komisch! Ein Mann, der die Gräfin Saint Armand langweile sich, weil ihr G> einem anderen Flügel wie sie wohnt, ein solcher M. mir doch noch nie vorgckommen. äu contrriiro, mon IWu, ich wurde mich entsetzlich langweilen, wenn mein G> meinem Flügel wohnen würde." Das waren freilich Ansichten, wie sie Horn nock vernommen hatte. Auch das ganze Gespräch der Frc auicte so anders, als er es von Damen der Gcse bisber jemals gebort. Mebr als alle ,bm bekannten Romane gab ,h,„ diese Gräfin du ch ihre EM, Das Signal zum Appell mußte Horn daran erinnern, daß er beim Dienst zu erscheinen habe. Er küßte ihr zum Abschied die Hand, und Beide sagten sich herzlich auf Wiedersehen. Der Appell dauerte ziemlich lang, weil es eine Menge von Dingen zum Nachsehen gab. Als derselbe vorüber war, rief der Hauptmaun die Officiere zu sich und theilte ihnen mit, daß der Bataillvnscommandeur sie zu sprechen wünsche, ohne daß cs im Schlösse Jemand hören könne, was er mit- zutheilen habe. Daher versammelte man sich vor dem Dorfe an einem kleinen Weiber und ließ durch Jägerposten eine jede unberufene Annäherung verhindern. Zu ihrer größten lleberraschuiig vernabmen nun die Herren, daß die I. und kl. preußische Armee nach dem siegreichen Gcscckt bei Spichern gegen Metz vorgerückt sei, am l4. August bei Nouilly-Colombey die französische Nheinarmee ge schlagen und zurückgeworfen habe und man eine weitere große Schlacht erwarte, welche die cndgiltigc Einschließung der ganzen Armee des Marschalls Bazaine herbeifübren solle. „Aus diesem Grunde", schloß der Commandeur, „werden wir in den »äcbslen Tagen nur sebr kleine Märscke macken. Die Bewohner dürfen gar nicht ahnen, daß man bei der III. Armee mit einer gewissen Spannung den Kampf um Metz abwartet. Deshalb theilen wir auch unseren Mannschaften noch nicht- mit, ehe nickt die Lage sich dort vollständig geklärt hat." Nunmehr entließ der Oberstlieutenant die Officiere. Das war ein reicher Uuterhaltungsstoff. Wenn eS den beiden Mten deutschen Armeen wirklich gelang, die französische Rbeinarmee in Metz einzuschließe», dann war ja ihr, der III. Armee der Weg bis in daS Herz von Frankreich offen. Wenn nicht, so mußte böchst wahrscheinlich diese an die beiden ersten herangezogen werden, um mit ge meinsamer Macht der entwischten Rbeinarmee nachzu- Diese Erwägungen beschäftigten Horn ebenso wie „.s ^Meiere in so bohem Maße, daß er die pikante Fran zösin fast ganz vergessen batte, bis er in das Schloß des Grafen Consarv zurückkebrte. Dort fiel sie ihm wieder ein, und um rechtzeitig zum Souper bereit zu sein und vielleicht am Tische de» Platz neben ihr zu erlangen, beeilte er sich, leinen Anzug so gut als möglich in Stand zu setzen. Der lziraf und die Damen befanden sich schon in« Salon. Auch der Oberstlieutenant und ein Hauptmaun waren schon an- ^>knd. Horn wurde durch den Grasen den beiden Damen vorgestellt. Selbstverständlich erwähnte die Gräfin Saint Armand, daß st« ven Officier bereit» kennen gelernt hatt«.
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