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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951004022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895100402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895100402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-04
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Da aber die Delegirten zum Partei tag zumeist auch Diplomaten sind, wenigstens der con- tribuirenden Masse der Parteigenossen gegenüber, so wird der Bericht regelmäßig mit einem Augurenlächetn hingenommen. Eine unerfreuliche Erscheinung hat man aber diesmal doch nicht stuiüm zu übergehen gewagt — ein Beweis, wie grell sie hervortrat. Der Bericht stellt fest: „Oester wird von den Genossen über mangelhaften Ver sa mmlungSbe such geklagt". Der Comparativ bei der Häufungsbezeichnung ist eine Schönfärberei, die Tagung der socialdemokratisckenParteiversammlung ist fastüberall im Reiche stark zurückgezogen. Von dieser Thatsache auf ein Nachlassen der revolutionairen Energie der „Zielbewußten" zu schließe», würde aber keinem Vernünftigen cinsallen. Wie der dem Bericht beigegebene Cassenausweis zeigt, zahlen die Leute noch, und das ist für die Beurtkcilung der Socialdemokratie wichtiger und für die Führer werthvoller, als volle Versammlungs säle. Aber veinlich bleibt der Verzicht auf das Anhören der Reden der Parteigrößen verschiedenen Ranges für diese und die oberste Behörde dock, weil er eine Kritik enthält. Der Bericht wagt auch nicht, die Versammlungen an sich alS interessant zu empfehlen, aber er glaubt ein Lockmittel zu gebrauchen, indem er auf die Wichtigkeit Hinweis!, die die Regierung ihnen beilegt. Eine etwas sonderbare Em pfehlung. Der Parteitag ist nach der socialdemokratischen Verfassung der „Souverain" übe» die Gesammtheit der Genossen. Daö hindert nickt, daß die Parteileitung seinen Willen nur respectirt, wo er ihr genehm ist. Im vorigen Jahre beschloß man die Abschaffung der Accordarbei t in denjenigen Druckereien, in denen Parteiblätter hergestellt werden. Der Bericht erklärt aber, man habe die Ausführung der Beschlüsse „vorläufig auf sich beruhen lassen". Sehr flüchtig und sehr — wahrheilswidrig wird über „in einer Reihe von Parteiorteu vorhandene Differenzen der Genossen unter einander" gemeldet: „Erfreulicherweise wurde allenthalben das gute Einvernehmen wieder bergestelll. Allerorten arbeiten die Genossen einmüthig in geschloffener Phalanx". Vergleiche dazu den Fall Or. Rüdt-Dreesbach, welcher Letztere, beiläufig bemerkt, noch in einen zweiten „Fall" verwickelt ist, den Fall Seifert und ähnliche gar nicht oder schlecht ver kleisterte Risse. Groß ist der Bericht in der Renommage. Zwar über die Maifeier huscht er flüchtig hinweg, aber dafür wird gesagt: „Socialdemokratie und Arbeiterklasse wer den immer mehr identische Begriffe." Nun, gerade der social demokratischen Berechnung zufolge gehört die deutsche Bevölkerung dem Arbeiterstande in der svcialdemokratischen Begrenzung des Begriffs an. Deutschland hat aber ungefähr 10 Millionen Neichskagswäbler und die Social demokratie bringt es auf 1,8 Millionen Stimmen, darunter nach dem eigenen Zeugniß der Partei viele von Nichtsocialdemvkraten. Charakteristisch für die Indolenz des Bürgerthums und sehr beschämend ist es. daß der Bericht jener Neclame den Schein einer thatsächlichen Unterlage durch den Hinweis auf das Ergebniß der meisten Gewerbe gerichtS- wa h le» verleihen darf. Ueber das Verhalten der Partei zu den Erinnerungen an t 870 spricht der Bericht nicht ausdrück lich, doch sucht er in versteckter Weise es so hinzustelle», als ob Lieb knecht mit seinen Rohheiten die Masse der Partei auf seiner Seite gehabt hätte. „Gleich der Feier des l. Mai", so wird gesagt, „hat sich die Feier des 18. Mär; (des Jahrestages der Pariser Commune) einen dauernden Platz in den Herzen der deutschen Arbeiter erobert". Daö ist eine freche Heraus forderung, glücklicherweise aber auch, soweit die deutschen Arbeiter und viele Tausende ihrer socialdemokratischen Schmarotzer in Betracht komme», eine dreiste Lüge. Ans die von Liebknecht und den mit ihm die TZdten des großen Krieges schändenden Burschen in der Beurtheilung des Jahres 1870 abweichende» Stimmen innerhalb der Partei bin- zuweisen, hütet sich der Bericht, der wie stets, am interessantesten in dem ist, was er verschweigt. Bon der „Steg- müllerei" der französischen Genossen, die Elsaß-Lothringen zurück verlangen, kein Wort; keine Silbe von der genossenschaftlichen Bewegung und der durch sie be dingten Gegensätze, ebensowenig natürlich von der Flucht des Bremer „Genoffen" Göttlich, des Vicepräsidenten eines früheren Parteitages, und den von ihm mitgenommenen Parteigcldern — davon braucht der große Haufe nichts zu hören. Auf dem Parteitag selbst wird, wie herkömmlich, m der Sache nicht anders verfahren werden. Einige scharfe oppositionelle Reden, vielleicht die eine oder die andere zur Vorspiegelung der Unabhängigkeit deö„Arbeiterparlamentö" mit einem Wortgefechte, wir einst das „Opponiren" bei den Doctorpromotionen, etwas Theater ----- Gereiztheit der ant wortenden Führer, sodann Annahme der vorher vereinbarten und Absetzung der unbequemen Initiativanträge von der Tagesordnung. Nicht einmal bei der Erörterung des Agrar- programms wird Man wirkliche Aufrichtigkeiten erwarten dürfen. De» „Bauernfang" wollen Alle, die Meinungs verschiedenheit besteht nur über das Maß von Schamlosig keit, mit der er betrieben werden soll. Unter der Überschrift „Staatsanwalt und Gericht" weist die „Nat.-Ztg." auf einen ungewöhnlichen Fall hin, der in einer Verhandlung vor einer Berliner Strafkammer sich ereignet hat, auf den Fall nämlich, daß der Gerichtshof auf vier Monate und drei Wochen Gefängniß er kannte, nachdem der Staatsanwalt 300 Mark Geld buße beantragt hatte. Das genannte Blatt, das der Ueber- zeugung ist, daß die meisten Leser des ausführlichen Ber- handlungsberichts das Urtbeil gebilligt und den Antrag des Staatsanwalts unverständlich gefunden haben, schreibt über diesen Fall: „Angeklagt war ein Gerichtsassessvr, offenbar einer jener Rowdies aus den „gebildeten" Ständen, die, leider nicht ganz selten, zu den unangenehmsten gesellschastlichen Erscheinungen von heute ge- hören. Der Angeklagte kam vor mehrere» Monaten eines Morgens um 4 Uhr dle Alexandrinenstraße entlang, am Arme eine angetrunkene Dirne, er selbst aber nüchtern, so bah er nicht einmal die Ent- schuldigung des Rausches hat. Ohne jeden Anlaß mißhandelt er einen 14jührigen Knaben, der, nicht in jo behaglichen Verhältnissen die Schutzleute Reipect haben "'UV/C' ' h^che Mis. schlägt nach einen, Schutzmann. Eme V^>w 'd' "b rangem a,e chreitungen der Schutzleute gegen ,hn unterlaß er uger We ,-. a° der Presse verhängt zu werden pflegt. gegen l Staatsanwalt vor einiger Zeit » weil wir dem damaligen Polizeipräsidenten Wik''i.ber, wie naMber der Gerichtshof durch Freisprechung amrkannte, o rechügte Interessen gewahrt hatten. Gesten, wie schon bmrerU. antwortete die Strafkammer aus den Antrag oes V>u anwalts mit der Verurteilung des Augeklagten zu vier Monaten haben"d°?°die^ sich mit den, natürlichen RechtsgefM in Widerspruch setzen. D Justiz minister wird diese Erscheinung nicht unbeachtet lassen ^"'Die Nat-Hta." Kälte nock, darauf Hinweisen können, daß Strafanträge, wie der in Rede stehende, der socialdemo- tratischen Presse die willkommenste Gelegenheit zu auf reizenden Betrachtungen über den Maßstab liefern, mit dem die „berufenen Wächter der jetzigen Gesellschaftsordnung d.e Ausschreitungen von Gliedern der „Bourgeoisie messen. Mehr als in jeder andern Zeit ist es jetzt geboten, mit aller Strenge grobe Ausschreitungen von Angehörigen gerade zrner Gtsellscha'stSclaffen zu ahnden, die mit gutem Beispiel allen übrigen vvrangehen sollten. Verfehlte Milde in solche» Fälle» verletzt nicht nur das natürliche RechtSgesühl, sondern vertieft die Kluft. die zwischen den Elasten gähn, und züchtet Socialvemokraten. —— Hu einem förmlichen Blutbad ist die friedliche Demon stration der Armenier in Konstantinopel geworden. Wie gemeldet wurde, wird der Verlust der Türken auf sieben Ossiciere und fünsundvierzig Mann angegeben; daraus, daß über die Verluste der Armenier nichts verlautet, darf man schließen, daß dieselben sich auf eine erschreckend hohe Zahl beziffern, und darin, daß man nicht wagt, diese Zahl zu nennen, zeigt sich daS Schilldbewußtscin der türkischen Polizei und Derer, die sie als ihr Werkzeug benutzten. Wie toll muß es zugegangen sein, wenn der ofsiciöse und officielle Draht zugesteht, daß „Einzelfälle iücorreclen Vorgehens" der Polizei vorgekommen seien, für welche der „Adlatus des Polizei- ministers" die Verantwortung trage, und daß eine „Aufreizung der türkischen Bevölkerung" vvraufgegangen sei. Damit ist doch zu- gestanden, daß, wie wir gestern schon andeuteten, von türkischer Seite eine Provokation der Armenier in Scene gesetzt wurde, nm diese und die ganze armenische Bewegung in de» Augen deS Auslandes zu compromittiren. Wie plump und unbeholfen nimmt cs sich dagegen aus, wenn man auf der Pforte den Spieß umdreht und behauptet, die Armenier hätten die türkische Bevölkerung zu Gewaltthattn provociren wollen, um so eine fremde Einmischung hrrbeizuführen und die etwas zurückgedrängte armenische Frage aufs Neue zu beleben! Allerdings batte die Demonstration den Zweck, die Pforte an daS Aufgeber, ihrer unredlichen Zauderpolitik zu mahnen, sonst hätte sie ja gar nicht unter nommen zu werden brauchen, aber man kann die Führer der armenischen Bewegung, die es bis jetzt nicht an Klugheit baden fehlen lasten, sich doch nicht derart mit Blindheit ge schlagen denken, daß sie sich zu einem Vorgehen entschlossen hätten, von dem sie wissen mußten, daß eS ihnen picht nur blutige Köpfe eintragen, sondern auch die Sympathien der Mächte ver- scherzcn und ihre Sache heillos verderben würde. Man ver gegenwärtige sich nur einmal den Tenor der Drahtmrleungen deS vttomai'ischen PreßbnreauS! Erst hieß eS: nur für den Fall eines Angriffes auf die Pforte darf die Polizei von der Waffe Gebrauch machen; dann: dir Polirei habe „Widerstand ge leistet", weil der Trupp, vor der Pforte angekvmmrn, nicht zurückweichen wollte; endlich: die Polizei wollte Nur eine kleine Deputation zur Ueberreichung der Adresse in den Palast einlassen, darauf sei auf Seite der Armenier der erste Schuß gefallen. Soviel Meldungen, soviel Widersprüche! Dabei wußte man auf der Pforte durch die Botschafter der Mächte, schon mehrere Tage vorher, daß die Manifestation einen durchaus friedlichen Charakter tragen werde. Um nun dochdaSEinschtkiten der Polizei zu erklären, muß die auf ihre Richtigkeit hin lin- cvntrolirbare Erklärung herhalten: „Die Türken behaupten, die Armenier hätten eine große Anzahl Revolver gleichen Calibers angeschaffk", das beweise, daß man eS auf einen Putsch abgesehen gehabt. I» den ersten Meldungen wurde den MäNi- seslanten zum Vorwurf gemacht, daß sie überhaupt Revolver bei sich getragen. Man hat das Thörichte dieser Beschuldigung — iin Osten trägt bekanntlich Jeder einen Revolver wie bei uns einen Regenschirm — bald eingesehen und hat bann die Behauptung voN den Revolvern „gleichen Calibers" erfunden. Auf welcher Seite zuerst von der Waffe Gebrauch gemacht worden ist, wird schwerlich jemals aufgehtllt werden, aber mag auch die trste Waffe, die loSgegangcn ist, eine armenische gewesen sein, wag man die ganze Demonstration als verfehlt bezeichnen, am letzten Ende trifft doch die Pforte dir Schuld an dem beklagenSw rthen Verfall, denn sie ist für den jetzigen haltlosen Zustand in Armenien verantwortlich. Sit hat die im Berliner Vertrage übernommenen Reformverpflichtnngen nickt erfüllt, sie hat Gewalttbat auf Gewalttbat häufen lassen, jede Besserung verschleppt und sich selbst dem Drucke der Mächte trotz wiederholt geübter Langmuth widerspenstig gezeigt. Jetzt zeigen sich die Folgen, und es steht zu sürchen, daß dieselben sich noch weit schlimmer gestalten werden. Wenn man den rnglisch-offiriösen „Standard" liest, welcher plötzlich gegen die Armenier Partei ergreift, und sagt, „die Lösung des armenischen Problems sei jetzt ferner denn je, für England wenigstens Werve die Intervention zu Gunsten der Bedrückten fast unmöglich, selbst die Sympathie für dieselben müsse schwinden", so hat man den bestimmten Ein druck, daß daS Cabinet Salisbury mit Freuden nach einer Gelegenheit hascht, die „unglückselige Erbschaft Nosebery'S und Gladstone'S" los zu werden, da die Pforte, bestärkt durch die laue Unterstützung der englischen Aclion durch Rußland und Frankreich, zur thatsächlichen Einführung von Reformen doch nicht zu zwingen ist und daS vereinzelte Vorgehen Englands Feuilleton. Schwere Kämpfe. Mo in an ans dein gratzen Kriege. 29) Von Carl Taneta. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Am Abend des 14. fanden sich die Familie Strecker mit Renate, Frau Näthin Horn und ibr Sobn, sowie einige andere Bekannte aus der Gesellschaft „Euterpe" auf dem festlich geschmückten Bavariakeller zusammen. Bald schlossen sich einige bei den Depotabtheilungen siebende Ossiciere an, und gleich darauf zeigte sich auch Herr von Hast. Als er be merkte, daß die Platze neben Renate Thorstraten von Horn und einem Hauptmann eingenommen waren, setzte er sich ikr gegenüber. Das Gespräch drehte sich naturgemäß um die Schlacht und den Sieg von Orleans, worüber in den letzten Tagen ausführlichere Depeschen angrkommen waren. Man fühlte sich besonders deshalb in gehobener Stimmung, weil ein bayerischer Fcldberr» der General von der Tann, in erster Linie mit seinen Bayern die schöne Stadt an der Loire erobert hatte. Dann ging daS Gespräch auf den Krieg im All gemeinen über, und natürlicherweise wurde Horn, als der ältere anwesende Ossicier, welcher einen Theil deS Feldzüge« mitgemacht hatte, immer wieder gefragt und gebeten, zu er zählen. Darüber ärgerte sich der vieutenant von Hast sichtlich, besonders als es ihm nicht gelang, die Aufmerksam keit Nenate'S auf sich zu ziehen und sie durch seine Er zählungen von der Schlacht von Beaumont vom Zubören aus Horn s Schilderungen abzulenken. Als eine kleine Pause entstanden war, gab er dieser Stimmung Ausdruck, indem er in ziemlich bissigem Ton bemerkte: „Dir Herren der Linie baben eS immer besser wie wir. Nicht nur, daß man ibren Erzählungen mit größerem Interesse tauscht al« denen eines LantwehrlientenantS, auch dienstlich werden sie bevorzugt. So sehe ich soeben, daß Herr Obrrlieutrnant Horn für sein Vorgehen in unserer ersten Schlacht schon den Militair- verdirnstorden erkalten bat, während ich vielleicht noch lange daraus warten muß, obwohl mir derselbe fest versprochen wurde. ES ist mir nämlich gelungen, zwei französische Kanonen vor dem Herrn Oberlieutenaat unv seinen nicht so schnell wie meine Infanteristen angekommenen Jägern zu erobern." Auf diese Worte trat eine peinliche Stille ein, und Alles sah erwartungsvoll auf Horn. Dieser erwiderte ganz ruhig: „Herr Kamerad, Sie befinden sich in einem dreifachen Irrtlmm. Erstens bevorzugt Niemand einen Linienvfficier vor einem Landwebrosficier, sondern man gicbt Orden nur Jenen, die es verdienen, gleichgiltig, welcher Kategorie des Heeres sie angehören. Zweitens habe ich den Militair- verdienstorden nicht für die Schlackt vom 30. August, wie Sie annehmen, sondern für mein Eingreifen bei Wörth ani 4. August erhalten. Für Beaumont werden wahrscheinlich noch viele Auszeichnungen vertheilt werden, und eS soll mich nur freuen, wenn Sie einer der Glücklichen sind. Ihr dritter Irrthum liegt in der militairischen, Ihnen selbstverständlich nicht so wie einem Berufssoldaten geläufigen Ausdrucksweisr. Dir Geschütze bei Beaumont waren, als die Compagnien des 3. Regiments und des l. Iägerbataillons auf sie zustürmten, bereits von den französischen Kanonieren verlassen und feuerte» nicht nirhr. Sie, Herr Lieutenant, batten mit Ibren Leuten daS Glück, freie Bahn vor sich zu haben. Ich mit meinen Jagern mußte einen sehr schwierigen Graben und eine nasse Wiese überwinden. Darum kamen Sie eher bei den Geschützen an, die Sie also — und darin liegt die von Ihnen irrtbümlich gebrauchte Ausdrucksweise — nickt erobert, sondern erbeutet baben. Unter „erobern" versieben wir Berufssoldaten „im Kampfe nehmen", nicht aber „stehen gebliebene Trophäen" ergreifen." Während Herr von Hast sich in wildem Ingrimm auf die Lippen biß, sprach Horn über Renate hinweg nock, einige die Episode hei Beaumont erläuternde Worte zu dem Haupt mann und damit war das peinliche Gespräch beendet. An dem Blicke Renatens erkannte der Oberlieutenant, wie sebr sich daS Mädchen über seine Ruhe und einfache sachgemäße Erwiderung gefreut hatte. Man unterhielt sich nun über Allgemeines, und bald herrschte die gewöhnliche lustige Kellerstimmung. Nur Hast und Horn blieben ruhiger als dir übrigen Herrn. Elfterer sann nach, wie er sich für die erhaltene Zurechtweisung rächen könnte, und Letzterer hätte so gern inniger mit Renaten gesprochen und fand dazu keine Gelegenheit. Mit einem Male entstand ein peinliche« Aufsehen dadurch, daß der Capitain Gaston Aubert in Civilkleidung erschien, einen Stuhl mitbrachte unv mit den Worten, er bitte um Erlaubniß, sich an den Tisch setzen zu dürfen, Miene machte, sich zwischen dem Hauptmann und Renate tinzuschieben. Er kam aber schlecht an. Kaum erfuhr Hauptmann Nöllmann, daß der neue Gast ein gefangener französischer Ossicier sei, so machte er demselben den Standpunkt klar. ES paffe sich überhaupt nickt, daß ein Franzose auf einem Feste erscheine, welches der Verherrlichung eines von Deutschen in Frankreich erfochtenen Sieges gelte, und zweitens habe er kein Recht, in CivilkleidLrn auf der Straße zu erscheinen. Auf diese directe Abweisung blieb dem Franzosen nichts übrig, als sich schleunigst wieder zu entfernen und den Keller zu verlassen. Mit wütbcndem Blicke maß er die ganze Gesellschaft, besonders den Oberlieutenant. Das lebhafte Gespräch, welches sich an diese Episode knüpfte, ermöglichte eS Horn, Renate so, daß es Niemand bemerkte, zu fragen: „Gnädiges Fräulein, was haben Sie gedacht, nachdem ich Hamburg verlassen batte?" Die Frage kam sehr plötzlich über sie. Sie stockte einen Augenblick, sab erröthend zu Boden, hob dann aber wieder den Kopf in die Höhe, blickte ihn fest an und sprach so leise, daß nur er eS vernehmen konnte: „Ich habe meine damalige Handlungsweise bereut." Sie konnte nickt mehr sagen. Der eifersüchtige Lieutenant von Hast erkannte aus den Mienen der Beiden, daß sie im Begriff waren, etwas zu sprechen, was ihm vielleicht nicht genehm sein könnte. Darum rief er über den Tisch hinweg Fräulein Tborstraten eine allgemeine Frage zu, worauf sie antworten mußte. Unterdessen war Herr von Hast auch mit seinem Racheplan im Reinen und äußerte ziemlich laut- „Wie gern möchte ick noch hier in München bleiben. Allein da« Pflichtgefühl zwingt mich, so schleunigst als möglich zu meinem Regimente zurückzukebren, um keinen Tag zu ver säumen, an dem ich vor dem Feinde als echter Mann beweisen kann, wie sebr nur da« Wohl und Weh« meine« Vaterlandes am Herzen liegt. Freilich wenn man sieht, wie sogar BerusS- soldaten iede Gelegenheit, oft ganz leichte Verwundungen, benutzen um möglichst lange den Feldtruppen fern zu bleiben dann mochte man sich dir Frage stelle», ob denn eine solche Pflichttreue für unsere,neu auch am Platze ist." Bei diese» Worten hatte er Horn scharf angrblickt und jedes Wort so betont, daß dieser eS genau verstehen mußte. Letzterer wendet« sich daher sofort an den Ingenieur und frug kur» und be stimmt: „Herr Lieutenant von Hast, darf ich bitten, sich zu Die mit Ihrer Bemerkung im Auge hatten" Ebe der Lieutenant etwa« erwidern konnte, rief jedoch der Hauptmann Rollmann: „Meine Herren. Ihr Gespräch scheint etwa« ,p,tz zu werden. Gestatten T.e mir di. Bemerkung. d?v k« "Sch meiner Ansicht eine der größen Pflichtverletzungen für Ossiciere wäre, wenn sie sich jetzt unter einander entzweien würden, statt ihr ganze« Sinnen auf den Krieg unv ihre Tbeilnabme an demselben zu richten. UebrigenS rufe ich in daS Gevächtniß zurück, daß die Allerhöchsten Vorschriften jede Austragung eines StreiteS von Osficieren während der Dauer des mobilen Zustandes bei Strafe sofortiger Degradirung verbieten, und auch einen Streit, der ein erst nach dem Kriege auSzufechtendes Duell zur Folge hätten, mit Dienstentlassung ahnden." DaS energische Auftreten des HauptmannS bewirkte, daß sowohl Horn als auch Herr von Hast schwiegen. Erst nach einiger Zeit, nachdem man sich über verschiedenes Andere unterhalten batte und sich zum Aufbruch rüstete, bemerkte der Oberlieutenant: „Ich benutze die heutige Gelegenheit, um mich zugleich bei den lieben Bekannten und Freunden, dir ich das Vergnügen habe, hier zu sehen, zu verabschieden. Ich ver lasse mit dem morgigen TranSportcvmmando München, um zu meinem Bataillon zurückzukehren." Im höchsten Grade erschrocken rief Frau Horn: „Aber Ludwig. Du bist ja noch gar nicht kräftig genug, um Märsche auszuhalten. Dein Entschluß ist ein übereilter und un überlegter." „Rein, liebe Mutter, ich habe ihn schon vor drei Tagen gefaßt, mich bei der Cemmandantur gemeldet und bin zum Coinmandanten des TheileS deS Transporte- ernannt, der die Leute meiner Brigade enthält. Morgen früh müssen sich dies« Alle um 7 Ubr im Hofe der Türkencasrrne bei mir melden; um 8 Ubr reisen wir ab." Herr von Hast biß sich wütbend auf die Lippen, denn zu den zur Meldung Verpflichteten gehörte er als Lieutenant de« 3. Infanterie-Regiment* ja auch. Da« batte er nicht erwartet. Renate aber blickte mit wahrem Stolz auf Horn. Jetzt erst wurde sie lebhaft. Sv erregt wir noch nie wünschte sie ihm alle» Gute für die kommende Zeit und fügte bei, so sehr sie eS auch bedauere, daß er wieder in den Krieg ziehen müsse, so könne sie seine Handlungsweise doch sehr verstehen, denn sie wisse ja, daß er ein ganzer Mann, ein echter pflichtgetrruer Officier sei. Er konnte ihr nicht so danken, wie er e« wollte; aber seine Blick« sagten ihr, wie wohl ihm ihre Worte gethan. Nunmehr erhob sich Alle«, um nach Haus« zurückzukebren Frau Strecker bemühte sich, Frau Horn, die nur schwer ihre Tbränen niederkämpstr, zu berubige«. Der Rath glaubte den Abschied dadurch zu erleichtern, daß er schnell eine Droschke bestellt hatte und nun trieb, dieselbe zu besteigen. ^ ru und di« Uebrigen begleiteten di« Damen an de» Wagen.
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