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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951105013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895110501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895110501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-05
- Monat1895-11
- Jahr1895
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Tabellarischer und Zisinniatz »ach höherem Tarif. Axtra-Beilagen sgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlut für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen»Au»gabe: Nachmittags 4Udr. Für di» Montag.MorgeN'Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei deu Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 538. Dienstag den 5. November 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Sekannlmachrmg. I» Gemäßheit der 88- 2 und 7 de« Regulativ» sür Gasrohr» leitnugrn und Gasbeleuchtungsanlagen in Privatgrnndstücken vom 2. März 1864 machen wir bierdurch bekannt, daß der Schlossermeister Herr C. G. Pipvig in Leipzig.GohliS, Wilhelmstraße Nr. 37, »r Urbrrnahme solcher Arbeiten bei unS sich angemeldet und den Ersitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgrwiesen hat. Leipzig, den 2. November 189b. Der Rath der Stadt Leipzig. X. 5922. vr. Georgi. Wolfram. Gekanntmirchung, dl« Anmeldung zur Kirchenvorftandswahl in der AndreaS- gemetnde betreffend. In Gemäßheit des 8. 17 der Kirchrnvorstandsordnnng vom 30. März 1868 scheiden mit Ende diele- Jahre- die Herren: Maschinenfabrikant Kikentscher, Kaufmann Kittel» Bankdirector Saner, Modelleur und Ciseleur Scheele» Schuldirektor Schmidt «u» dem Andreaskirchenvorstande a»S. Infolge dessen hat demnächst durch die Kirchengemeinde eine Ergänzungswahl stattzufinden, bei welcher jedoch die ausscheidenden Mitglieder sofort wieder wählbar sind. Stimmberechtigt sind alle selbstständigen, in der Andreasgemeinde wohnhaften Hausväter (Haushaltnngsvorstände) evangelisch-lutherischen Bekenntnisses, welche das 25. Lebensjahr vollendet haben, verheirathet oder nicht, mit Ausnahme solcher, die durch Verachtung des Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel öffentliches, durch nachhaltige Besserung nicht wieder gehobenes Aergerniß gegeben haben, oder von der Stimmberechtigung bei Wahlen der politischen Gemeinde ausgeschlossen sind, sowie derer, welchen durch Beschluß der Kirchen- injpection die kirchlichen Ehrenrechte entzogen worden sind. Alle, welche ihr Stimmrecht auSüben wollen, haben sich entweder mündlich oder schriftlich anzumelden. Mündliche und schriftliche Anmeldungen mit genauer Angabe: 1) des Bor- und Zunamens, 2) des Standes oder Gewerbes, 3) deS Geburtstages und Jahres, 4) der Wohnung werden vom 2. November bis znm 8. November d. I. von Borm. 8 bis Nachm. -4 Uhr in der Kirchenexpedition im Psarr« Hause (Scharuhorstslraße lOO) entgegen genommen. Zu der Andreasgemeinde gehören nachstehende Straßen bez. Straßentheile und Plätze: Altenburger Straße, Arndtstraße, Bayerische Straße Nr. 57 bis 99 und 54—76, Brnndvorwerkstrahe, Elisenslraße 69—77 und 54—88, Fichtestraße, Hardenbergstraße, Kaiser-Wilhelm« straße, Kaiserin-Augustastraße, Kantstraße, Kochstraße, Körner- straße 2—(die rechte Seite), Kronprinzslrciße, Lößniger Straße (von der Körnerstrabe bis zur Kaiserin-Augustastraße), Mahl- mannstraße 2—16, Moltkestraße, Scharnhorststraße, Schenken- dorsstraße, Schlenßiger Weg (von der Mahlmannstrahe in südlicher Richtung), Steinstraße. Südplatz und Südstraße. Bei der Wichtigkeit und Bedeutung der bevorstehenden Waht sür das kirchliche Leben in unserer Gemeinde fordern wir alle stimm berechtigten Glieder der Andreasgemeinde dringend auf, sich recht zahlreich an der Wahl zu betheiligen und die Anmeldung zu derselben rechtzeitig zu bewirken. Leipzig, den 31. Oktober 1895. Ter Wahlausschuß für den Kirchenvorstanb der AiibreaSgemctndr. vr. ptül. Schumann. Pfarrer. Ausschreibung. Für den Neubau der Schleiche» und Wege auf dem Areale per «irchenaemetnbe Lctpjig-Entrchfch zur Erweiterung des neuen Friedhofes sollen die 1) Erd- und Maurerarbeiten, 2) Erd-, Macadamisirnngs- und Pflastcrarbeiten Verdungen werden. Die Anschlag sformnlare können im hiesigen Pfarramt ent nommen, sowie die Zeichnungen und Bedingungen daselbst ein« gesehen werben. Die Angebote sind bis »an» V. Akovemlier «>. F». « Tll»r an obengenannter Stelle abzugeben. Die Auswahl unter den Bewerbern, die Thetlung der Arbeiten, sowie die Ablehnung sämmtlicher Angebote wird Vorbehalten. Leipzig-Eutritzsch, am 1. November 1895. I4»rvI>«n-V«»r»t»iiE. k. Vorsitzender. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapicre unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 1. Februar I89S. Die Sbareaffen-Deputation. Gefunden oder als herrenlos angemeldet resp. abgegeben wurden in der Zeit vom 16. bis 31. Oktober 1895 folgende, zum Theil auch gestohlene Gegenstände: 2 goldene Damen-Rcmontoiruhrcn, eine derselben mit Nadel und Ketie, eine silberne, eine ucnsilberne und eine vernickelte Herrcnuhr, rin Opernglas. 2 Portemonnaies mit 4 8» /H, 4 20 n»d verschiedene mit ge ringeren Beträgen, darunter eins mit Lcihha »sicheln. eine Anzahl Briesinarkrn, ein Albuin dazu und ein Betrag von 8 2 Armreife, rin goldenes Kettenarmband» 2 goldene Ringe, theil» mit Steinen, verschieben gravirt, 2 goldene Medaillons mit Pbolographien, eine Corallen- ketle, ein Hornklemmer, eine Amethyst- und eine goldene Brosche, verschiedene LeihhanSscheiilc» ein neues Tranchir- Messer, eine Anzahl Schlüssel, 3 Spazierstöcke, 3 Schirme, ein Degen ohne Scheide, eine fast neue Bogeupeitsche, eine lange Pelzboa, 3 Frauenschürzen, ein brauner Filzhut, ein Herrcn-Wintermantel, rin Packet grüner Kleiderstoff, eine Pferdedecke und eine Schrotleiter. Zur Ermittelung der Eigenthümer wird dies hierdurch bekannt gemacht. Gleichzeitig fordern wir auch Diejenigen, welche vom Juli bis Oktober 1894 Fundgegenstände bei uns abgegeben haben, auf, die selben zurückzusordern, andernfalls darüber den Rechten gemäß verfügt werden wird. Leipzig, den 1. November 1895. Das Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Bretschnrider. Ml. Diebstahls-Lekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) Eine goldene Damen-Eyltndernhr mit Schlüsselaufzug, abgenutzter geriester Rückseite, einem schwachen Riß aus dem Glase und mit anhängender kurzer kleingliedriger Talmikette mit Quaste, am 29. October; 2) eine silberne Herren-Remontoirnhr, inwendig gravirt: „lllux Sekmickt, Vrvxduu d/K.", mit kleingliedriger goldener Kette» am 26. October; 3) eine silberne Yylinder-Remonloirnhr mit gravirt» Rückseite, Fadriknummer 2317? und Rickeikette mit Palentring, am 23. October; 4) eine goldene Remontotruhr mit Sekunde, inwendig gravirt: „älux V/inkIer 1884", und 5) ein Havelock mit Kragen von graubraunem Stoff, 2 Reihen braunen Hornknöpfen, Kettchenhenkel und 3 statt 4 Knöpfen am Riegel, am 30. October; 6) ein Wtnternbrrzieher, blaugrau, mit einer verdeckten Re he Knöpfe, dunklem buntcarrirtrn Futter, Stoffkragen, Stosfhenkel, Billettäschchen, am 25. Oktober; 7) ein Sommernberzieher, rehbraun, mit dunkelbrauuem Futter, Stoffhenkel und braunen Hornknöpsen, am 26. October; 8) ein Winternberzieher» dunkelblau mit hellcarrirtem Futter, Sammetkragen, schwarzen Strinnußknöpfen und Kettchenhenkel, Mitte Oktober: S) ein Post-llniform-Mantel mit duakrlgrauem Schooß» und schwarzem Aermelsutter, am 28. Octob»; 10) eine Geige, rothgrlb polirt, in rothbraonem Kasten mit Verschluß, am 15. Oktober; 11) ein Ballen baumwollener Winterstoff, 18 La schwer, signtrt: „L. dl. 511", am 12. Oktober. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenständ« oder über den Thätrr sind ungesäumt bei unser» Criminalabtheilung zur Anzeige zu dringen. Leipzig, am 4. November 1895. Das Poltzeiamt der Stadt Leipzig. Bretschaetder. Ml. Die russische Macht am Schwarzen Meere. V. 8. Am 31. October dieses Jahres hat sich ein Viertel jahrhundert vollendet, seitdem Fürst Gortschakvw seine berühmte Note an die Großmächte richtete, in der die zarische Regierung sich von gewissen Bestimmungen des letzten Pariser Friedens feierlich lossagte. Nach dem Krimkriege war Ruß land das Recht genommen worden, eine Flotte auf dem Schwarzen Meere zu halten, seine Bedeutung im Süden batte man eingeschränkt und eine künftige Kriegführung gegen die Türken erschwert. Diese cinengenden Artikel, welche Jahrzehnte lang in Petersburg drückend empfunden worden waren, bildeten den Inhalt des Gortschakow'scken Schreibens und dieses brachte den Regierungsstandpunct zum Ausdruck, das Verbot deS Jahres 1856 nickt mehr zu be achten. Von nun an nahm Rußland daS Neckt sür sich in Anspruch, nicht nur einzelne Schiffe, sondern eine ganze Flotte auf dem Schwarzen Meere zu haben, die dem Feinde Achtung einflößen könnte und die Interessen des Reiches nach Süden hin zu schützen im Stande sei. Diese politische Action, deren Bedeutung die öffentliche Meinung des Zarenreiches zu verschleiern stickt, war nur möglich gewesen, weil das Petersburger Cabinet zuvor in Berlin angefragt batte und Bismarck, zufrieden, die Neutralität des östlichen Nachbars im Kriege gegen Frankreich zu erkaufen, seine Unterstützung bereitwillig ertheilte. Der Kanzler hielt auch Wort, denn gleich nach Bekanntwcrden der russischen Note war er der Erste, der den Forderungen des Zarenreiches zuslimmte und der Petersburger Diplomatie zur Seite trat. Auch die anderen Regierungen erboben nun keinen rechten Widerspruch mehr, und bereits im März 1870 konnte die Londoner Con- ferenz die Sache dem Wunsche Rußlands gemäß erledigen. Auf diese Weise bat daS Zarenreich im Jahre 1870 den Grund zn veränderter Lage der Dinge am Pontns und zu seiner eigenen erheblichen Machtstärkung im Süden gelegt. Die erste Zeit freilich geschah nicht viel. Alexander H. war in das Dreikaiserdündniß getreten und pflegte zunächst gute Beziehungen zu seinen westlichen Nachbarn. Aber auch später, als die orientalischen Wirren begannen und die pan- slawistische Strömung zum Türtenkriege drängte, blieb oa« Meiste am Schwarzemeergestade beim Alten. Langsam betrieb man den Wiederaufbau der SebastopolerFestungSwerkr, die seit dem Krimkriege darniederlagen, und besprach dabei den Plan einer neuen großen Flotte; aber beide» kam aus dem Vorbereitungsstadium kaum heraus. Erst kurz vor dem Aus bruch der Feindseligkeiten mit der Pforte trat die „Freiwillige Flotte" ins Leben, zuerst freilich in bescheidenen Anfängen, von denen Niemand wußte, wie sie sich entwickeln würden. In dem wirklichen Kampfe konnten die wenigen Fahr zeuge nick t eingreifen, und die Bestimmung derselben, den (Schlachtschiffen, falls erforderlich, zur Unlrstützung zu dienen, erschien damals vielfach als völlig unerfüllbar. Der letzte orientalische Krieg, welcher nicht unerwartet ausbrack, aber Rußland nur mäßig gerüstet fand, hat die Regierung deS Zaren so Manches gelehrt und sie namentlich über ihre wenig günstige Lage im Süden aufgeklärt. Trotz der schon vor Äadren erfolgten Aufhebung der Schwarzemeerclausel batte man die Rüstungen sehr wenig gefördert und die ungünstigen Folgen blieben im Feldzuge nicht au». Nack dem Berliner Congresse entfaltete man größeren Eifer als zuvor; man begann ernstlich zu arbeiten, um Sebastopol zu be festigen, und das Wiederaufleben der Schwarzmeerflotte wurde eine nationale Pflicht. AlS Alexander II. bald darauf durch Mörderhand fiel, zögerte sein Nachfolger Alerander lll. nicht einen Augenblick, da« begonnene, aber nur wenig entwickelte Werk erfolgreich weiter zu führen. Zur Verstärkung der Flotte machte man auf den einheimischen Wersten in Sebastopol, Odessa und Nikolajew SchiffSbestellungen in Menge, und als diese allein die Arbeit nickt bewältigten, nahm man da« Ausland zu Hilfe und erweiterte im Lande selbst die Dock«. Tag und Nackt waren diese in Thätiakeit. um den gesteigerten Ansprüchen zu genügen und dem Wunsche de» Zaren nachzukommen. Daneben schritt auch die Ausrüstung Sebastopol» vorwärts, da» aus einem Handelshafen zu einem Flottenarsenal ersten Ranges um- geschaffen ward und gegenwärtig ein Hauptbollwerk LeS Reiches im Süden bildet. Rußland bat jetzt da» Ziel erreicht, das Potemkin einst vorsckwebte, als das Krimsche Kbanat unterworfen und der Grund zum Sebastopol» KrieaSbasen gelegt worden war. Auf der Südspitze der Halbinsel ist der Auker- platz gelegen, von wo aus die Kriegsflotte die Westküste dcS Schwarzen MeereS beherrschen und im Ernstfälle Konstant, nopel selbst zn gefährden vermag. Al- Zar Alexander III. im Mai 1886 den südlicken Kriegshafen seines weiten Reiches besuchte, die vorgeschrittenen Bauten besichtigte und die Schlachtschiffe manovriren ließ, da gab ihm der Zustand der Dinge am Pontus das Recht dazu, seine Seeleute in einem tönenden Manifeste zu begrüßen und die ins Leben getretene Schwarzemeerflotte zu feiern. Der Kaiser betonte damals, daß „seine Absichten aus eine friedliche Entwickelung des Reiches gerichtet seien, daß aber Umstände ihn zu Len Waffen zu greifen zwingen könnten. Träte dieser Fall ein, so werde die Schwarzemeerflotte die gleiche Standhaftigkeit an den Tag legen, wie vor 30 Jahren, und deshalb sei ihr die Ehre und Würde Rußlands auf dem Wasser anvertraut". Heute verdient die südliche Kriegsflotte des Zarenreiches in der Tbat die Beachtung militairischer Autoritäten, so weit wenigstens die Stärke und Anzahl ihrer einzelnen Fahrzeuge und die Bewaffnung, wie Seetüchtigkeit derselben in Be tracht gezogen werden. Dazu kommen als HilsSgeschwader die 12 und mebr Dampfer der „Freiwilligen Flotte", welche erfolg reich die weiten Fahrten nach dem Osten zurücklegen unv ihrer Auf gabe voll gewachsen erscheinen. Auch dem Feinde gegenüber wären sie sicher beachtenswerlbe Gegner. Damit allein hat Rußland sich indeß nicht begnügt, waS zur Ausdehnung seiner Machtsphäre auch nicht ge nügen würde. Seil einigen Jahren ist ein neuer Kriegshasen hinzugetreten, Batum an der kaukasischen Küste, das im letzten Türkenkriege erobert wurde, aber ursprünglich die Bestimmung erhielt, als Freihafen zu dienen. Im Sommer 1886 indeß, bald nach dem denk würdigen Zarenbesucke in der Krim und der kriegerischen Ansprache des Moskauer Stadthauptes Alerejew, erließ Herr von Giers ein ähnliches Rundschreiben an die Mächte, wie sein Vorgänger Gortschakvw; in demselben bob die russische Regierung die Freihafeneigenschaft Batums in aller Form auf. Nur England prolestirte einen Augenblick hier gegen, beruhigte sich aber rasch, als das Petersburg» Cabinet kategorisch zu wissen gab, daß Alexander v. „aus freien Stücken" die Clausel beigefügt und daß sein Nächtiger das Recht habe, die „freiwillige" Be stimmung jeder Zeit zu vernichten. In Batum nun bat man ebenfalls starke Werke aufgesührt, das Fahrwasser regulirt und einen neuen Kriegsbasen erbaut, der alS Gegen stück zu Sebastopol der Flotte die wichtigsten Dienste zu leisten vermag. Für die Zukunft plant man dann noch eine Verstärkung von Suchum und Kertsch, deren Befestigungen einstweilen ungenügend erscheinen und die in Verbindung mit Batum die Oslküste des Schwarzen Meeres zu einem Waffenlager Rußlands und einem Arsenal seiner Flotte um zugestalten vermögen. In den letzten 25 Jahren ist daS Zarenreich an seiner Südgrenze, an den Gestaden, deren Sicherung in einem kommenden Kriege ihm überaus werlhvoll ist, erheblich vor wärts geschritten. Es bat Alles erreicht, fast ohne Wioer- land zu finden, und ist in erster Linie desdalb Deutschland verpslichlet. Obne Bismarcks Vermittelung im Jahre 1870 hätten weder Gortschakvw noch Alexander II. ihr Ziel so rasch erreicht. Diese Tharsache ist es werlh, Hervorgeboben zu werden, sie verdient zumal den Russen ins Gedächlniß ge rufen zu werden, die die Neutralität Kaiser Alexander'» II. als einen Act der Selbstlosigkeit hinzustellen lieben, der Deutschland sich „undankbar" erwiesen habe. Der Krieg von 1870 und die Unterstützung Bismarck'S in der Schwarzemeerfrage baden Rußland unschätzbare Vortheilr gebracht, große Schwierigkeiten beseitigt und seine Entfaltung im Süden gefördert. Es ist angebracht, daß man jenseits der Weichsel dieses erwägt und daß der Panslawismus der zeitgemäßen Hilfe Deutschlands sich erinnert. Deutsches Reich« * Leipzig, 4. November. Das Reichsgericht bat die in Sachen deS Fuchsmübler Processes eingelegte Revision verworfen. Den ausführlichen Bericht über die Verhand lung veröffentlichen wir an einer anderen Stelle der vor liegenden Nummer. K. Berlin, 4. November. Der Streit um die „Main- linie", d. h. um die Frage, ob die (süd-)deutsche Volkspartei ihre Pürschgänge auf die norddeutschen Jagdgründe der Richter'schen freisinnigen Volkspartei auSdebnen soll oder nicht, geht in den Blättern der Partei weiter, ohne daS Publicum sonderlich zu interessiren. Sehr begreiflich: die süddeutsche Volkspartei ist und bleibt eine württembergische Territorial- partei mit einigen winzigen Enklaven im Badischen und Bayerischen, und die freisinnige Volkspartei hat überhaupt kein nennenSwertbeS Territorium mehr. Es tritt, um die Gleichgiltig keit zu vermehren, der Umstand hinzu, daß der Streit nur an- gezettelt ist, um Herrn Richter des Restes seiner politischen Bedeutung zu berauben. Zwar, wenn der „Fränk. Kurier" die Demokraten beschwört, den „verdienten Mann" — gemeint ist eben Herr Richter — in Ruhe zu lassen, so ist zu be merken, daß die genannte Nürnberger Zeitung seit zwanzig Jahren geistig und politisch von dem Berliner Führer ab hängig rft und eine Charakteristik der Letzteren in ihren Spalten so gut wie ein Selbstportrait anzuseben ist. Aber eS ist richtig, daß die Bestrebungen, Herrn Richter vom Süden aus das Terrain abzugraben, lediglich persönlicher Abneigung entspringen, und zwar ist es der Herausgeber der „Frankfurter Ztg.", Herr Sonnemann — die „Freis. Ztg." nennt ihn immer, wir wissen nicht warum, mit seinem vollen Namen: Leopold Sonnemann — der die Zeit gekommen glaubt, allem Groll Genugthuung zu bieten. Diese Thatsache genügt, um den nationalen Parteien den Standpunkt anzuweisen. Herr Sonnemann ist klüger und politisch gebildeter, als der Zerstörer deS Fortschritts, aber sein Einfluß ist eben deSbalb dem Reiche und dem Liberalismus noch schädlicher, als der seines Gegners. xr Berti«, 4. November. Wie stark die Sympatbien sür den Freisinn auch in Berlin abgenommen haben, zeigt sich bei der Agitation sür die Berliner Stadtverordneten- wahlen. In der nächsten Woche bereit- finden die Wahlen statt, die Socialdeniokraten agitiren mit dem bei ihnen üblichen Eifer, bei den Freisinnigen aber macht sich, wie die demo kratische „BolkSzeitnng" klagt, „eine Wahlmüdigkeit, eine Un lnst geltend, die geradezu erschreckend ist." In einer Wählerver sammlung seien von 422Eingeladenen ganze 5>Wäblererschienen. Das genannte Blatt meint nun zwar, daß der schleckte Besuch sich aus dem langweiligen typischen Verlauf dieser Versamm lungen erklären lasse. Man höre von demselben alten Herrn den sogenannten Rechenschaftsbericht zum soundsovielten Male und sehe hieraus „einen würdigen Jubelkreis sich erbeben, um dem trefflichen Vertreter des Wahlkreises, der seit langen Jahren unentwegt die Fahne des Fortschritts bock- gehalten, standhaft und fest allen Angriffen wider standen habe, den Dank seiner Wähler auszusprechen". Die „Volkszeitung" hofft, der Wahltag werde vorüber geben, ohne besonderen Schaden im Parteibestande an zurichlen, fügt aber vorsorglich hinzu — „vorausgesetzt, daß sich die Zabl Derer, die einem „freisinnigen" Stadtverordneren ihre Stimme geben, nicht zu sehr vermindert bat." Es ist aber sehr wobt möglich, daß diese Voraussetzung nicht zutrifft. Die Freisinnige» werden nach links Stimmen abzeben, zum Theil aus Ursachen, wie sie in dem noch immer nickt be endeten Streit über die Beseitigung der demokratischen „Mainlinie" zur Erörterung gelangt sind. Sie werden aber auch nach rechts oder durch Wahlenthaltung Stimmen ver lieren und dies vornebmlich aus dem Grunde, weil so mancher bisher freisinnige Wähler die Aufgabe der Vertreter der reichsbaiiptskädtischen Bürgerschaft nickt darin erblickt, Deutsch land derart herauszusorkern, wie dies durch den Beschluß der Berliner Stadtverordneten, dem Fürsten Bismarck zum achtzigsten Geburtstag den Glückwunsch rn verweigern, ge scbehen ist. lü Berlin, 4. November. Während des vorjährigen Berliner Bierboycotts war in einer am 5 Juni ab gehaltenen Versammlung von Saalbesitzern Berlins und der Umgegend einstimmig folgender Beschluß gefaßt worden: „Die Versammlung erklärt sich solidarisch mit den Maßnahmen des Vereins der Brauereien Berlins und Umgegend und verpflichtet sich bei einer Convcntionalstrase von 500 ^ in jedem einzelnen Falle und Ausschluß aus dem Ring, ihre Säle zu keiner socialiskische» und anarchistischen Versammlung oder ail Gewerkschasten. Vereine re., welche socialisiischen resv. anarchistischen Bestrebungen huldigen, her- zugeben, falls der Boycott gegen die Brauereien und Gastwirt!:»- bis zum 15. Juni 1894 nicht aufgehoben ist, oder sich wiederholt. Zur Durchführung dieser Maßregel ist eine Commission, bestehend aus neun Herren, ernannt, welche behuss Organisirung der Saal- besitz» weitere Schritte zu ergreifen bat." Unter den Versammelten befand sich auch der Gastwirt!, Z., welcher der laut verlesenen Resolution znstimmre und gleichzeitig genehmigte, daß der mit dem Jncasso für Contra- ventionsfälle betraute vr. M. eventuell die betreffenden Beträge in eigenem Namen einklagen könne. Diese Zu stimmung bekräftigte er dann noch durch NamenSunterscknisk. vr. M. strengte nun einige Zeit darauf gegen Z die Klage aus Zahlung der Couventionalstrafe in vier psällen an, weil derselbe trotz der cingegangenen Verpflichtung seine Säle zu Versammlungen der socialdcmokratischeu Partei und dergleichen hergegeben habe. Die 14. Civil kammer des Landgerichts I wies indeß die Klage wegen man gelnder Activlezitimation des Klägers ab. DaS Recht, diese Conventionatstrafe vom Beklagten zu verlangen, wenn es überhaupt begründet sei, stehe nur den Saalbesitzern selbst zu, und zwar allen Denjenigen, welche außer dem Beklagten der Resolution zugestimmt batten. Außerdem sei die Klage in Rücksicht auf tz. 152 der Gewerbeordnung ungerechtfertigt, indem danach „alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbtreibende, gewerbliche Gehilfen und Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufs der Erlangung günstiger Lohn-undArbeitsüedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter aufgehoben werden. Jedem Tbeilnebmer siebt der Rücktritt von solchen Vereinigungen und Abreden frei, und es findet aus denselben weder Klage noch Einrede statt." vr. M. legte hiergegen Berufung bei dem Kammergericht ein, dessen VI. Civilsenat, vor dem die Sacke zur Entscheidung gelangte, aber nicht auf die materielle Seite der Frage eingiug, sondern schon wegen der mangelnden Activlezitimation des Klägers, in wesentlicher Uebereinstimmung mit den Gesichts- puncten deS Vorderrichters, auf Zurückweisung der Berufung erkannte. * Berlin, 4. November. lieber die Stärke derParteien im Reichstage ist zu berichten: Am Schluffe ser letzten Reichstagstagung (2l. Mai) zählten die Conservativen 6l Mitglieder, die Reichspartei 27, die Deutsch-sociale Reform- Partei l3» daS Centrum 99, die Polen 19, die National liberalen 49, die Freisinnige Vereinigung 14, die Deutsche freisinnige Volkspartei 24, die Süddeutsche Volkspartei 12, die Socialdemokrateu 46, bei keiner Fraktion waren 28. Es waren 5 Mandate erledigt, 1. Unterfranken (Haus jCeiitv. war gestorben). 3. Köslin (v. Gerlach scons.j, das Mandat war vom Reickstage für ungiltig erklärt wordeu), Waldeck (vr. Böttcher snatlib.j, der Reichstag hatte dieses Mandat sür ungiltig erklärt), 3. Posen (v. Dziembowsk - Bomst, daS Mandat war vom Reichstage für ungiltig erklärt worden), 6. Arnsberg (Möller-Dortmund snatlib.j hatte sein Mandat niedergelegt. Bis beute sind die vier ersteren Mandate wicdervesetzt worden: I. Unter franken wiederum durch einen CentrumSmann, 3. KöSIin ging an die Freisinnige Vereinigung (Benoit) verloren, Waldeck an den Candidaleu des Bundes der LanLwirthe und der Antisemiten (Müller), im 3. Posen wurde v. Dziembowsk! Bomst wiedergewählt, im 6. ArnSberg steht die Stichwabt noch aus. In der Zwischenzeit sind sechs weitere Mandate erledigt worden: durch den Tod des Aba. Ncumauil 13. Elsaß-Lothringen, durch den Tod des Abg. Greift 1. Köln, durch Mandatsniederleauugrn deS Abg. HaaS l4. Elsaß- Lothringen, des Abg. Frhrn. v. Hammersteiu 2. Minden, dcö Abg. Frhrn. v. Güttlingen 7. Württemberg und 12. Würt temberg (bisher Pflüger). Nach dem derzeitigen Stande der FractionSstärke werden die Conservaliven mit 59 Mitglieder», die Reichspartei mit 26, die Deutsch-sociale Reforiilpartci mit 14, daS Centrum mit 98, die Polen mir 19, die Nationalliberaleu mit 48, die Freisinnige Vereinigung mit 15, die Deutsch-freisinnige Volkspartei mit 24. die Süd deutsche Volkspartei mit N, die Socialdemokraten mit 46 Mitgliedern in de» Reichstag einziebcn: bei keiner Fraktion werden 26 sein. Im Ganzen sink 7 Mandate unbesetzt.
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