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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951202020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895120202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895120202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-02
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»selbe« rrzelner mand »erden, Pflicht iaenr, nicht Wahl- Zeit lenr, ns. hier, Vest- an« feinst. Nischen >io.gr. sb»S' kt» x- ,oi4. rolxl. linse». BezngS-PreiS j» der Hanptrxpedltlim oder Lea im Stadt« veetrk and da Vororten errichteten *u«. aabestelleo ab geholt: vierteljährlich ^4.50, oet »wetmaliaer täglicher Zustellung ins Haut ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Dentfchland und Oesterreich: dierttliührlich ^l 6.—. Direkte tägliche Krenzbandsenvuiig tu» AnStand: monatlich 7.S0. Abend-Ausgabe. Dt» Morgru-AuSgab« erscheint um '/,? Uhr. »1« Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. - Nedartio« uud Erpeditio«: 2»tzau«eS,affe 8. Die Expedition ist Wochentags «nuntrrbroche» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale«: Vit« Slem«'« Lortt«. (Alfred Ha-n), UviverfllLtsstrahe 1, Lont» LS,che, Kathariuenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. elpMtrTagMM Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. A*zeige»*.Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Reklame» »ater dem Redactionsftrich k4ge« spalten) 50>^, vor den Familiennachrichtrn (6 gespalten) 40 ^ Bröherr Schrift» lant unserem Preis- pe^eichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postdesörderung SO.—, mit Postbesörderuug 70. -. A«nah«eschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Mora« »-Ausgabe: Nachmittaas 4 Uhr. Für me Moatag-Morgrn-Ausgabr: Sounabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dt« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Z S88. Montag den 2. December 1895. 89. Jahrgang. Amtlicher Theil. Lekannlmachung,' betreffend die Ausreichung neaer Diutdcndenscheine zu de« NeichsbaiitanthetlSschctnen. Zu den Reichtbankantheii-fcheinen sollen neue Dividendenscheine für die fünf Jahr« 1896 bis 1900 etuschlteßlich nebst Talon« aus« gereicht werden. Za dem Ende find die Talons mit einem doppelten Verzeich nisse, wozu Formulare unentgeltlich verabfolgt werden, vom 8. Januar bi« etoschlirßltch den 1b. Februar 1896 in den Bormittag«,tunden von 9 bi« 12 Uhr, entweder der RetchSbankhauptcasse in Berlin, oder einer Reichsbankhauptstelle, Reichsbankstrlle, oder der Reichs- bank-Eommandtte in Insterburg, oder einer der Reichsban kaebru- stelleo in Barmen, Bochum, Darmstadt uud Heilbroun zu übergeben. Nach dem 15. Februar 1896 werden Talons nur bet der Reich-» bankhauptcaffe in Berlin angenommen. Die aruea Dtvidendenschetar und Talon- können bei der ReichS- bankhanptcoffr sogleich, oder doch spätesten- am nächstfolgenden Werktage, bei den genannten Zweiganstaltrn vom 16. März 1896 ab gegen Rückgabe de- quittirten Duplikat-Verzeichnisse- in Empfang genommen werden. Die Reich-bank behält sich da- Recht vor, die Legitimation deS JnhaberS de- Duplicat-Berzrichnisse-, sowie die Echtheit und die «iltigkett der Quittung zu prüfen, übernimmt jedoch keine Ver pflichtung dazu. Berlin, den 88. November 1895. Der Reichskanzler. In Vertretung: von voetticher. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. December. Die Weisheit der Gegner deS Social ist engesetze-, es genüge und müsse genügen, die Umsturz parier mit den Mitteln zu bekämpfen, die da« gemeine Recht an die Hand giebt, wird jetzt auf eine barte Probe gestellt. Daß die zuständigen Behörden alle Kampfmittel in Anwendung bnngen, die ihnen zu Gebote stehen, kann man ihnen nicht verargen: aber jene Gegner haben sich jetzt zu fragen, was sie angerichtet haben, als sic d>e Staat-gewalt nötbigten, zu diesen Mitteln zu greifen. Wie schon telegraphisch gemeldet worden, haben Haussuchungen in Berlrn und in einzelnen anderen preußischen Städten der Berliner Polizeibehörde da- Material geliefert, auf Grund dessen sie die Schließung von 11 socialdemokratischen Vereinen, nämlich von sechs Wahlvereinen, der Preßcommisflon, der Agitation«- commission, der Localcommission, deö Vereins öffentlicher Ver trauensmänner und de- Parteivorstandes der socialdemokra tischen Partei Deutschlands, angeordnet hat. Diese Bcreine haben sämmtlich zwar in Berlin ihren Sitz, einige von ihnen aber gehen weit über einen localen Wirkungskreis hinaus und repräsentiren, wie die Commission für Agitation und der Parteivorstand, geradezu die Spitze der Organisation der gesammten socialdemokratischen Partei Deutschland-. Die Behörde stützt sich bei ihrem Boraehen auf ß. 8 des preußischen VereinSgesetzeS vom 11. März 1850, der für politische Vereine die Beschränkung enthält, daß sie ». keine Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge als Mit glieder aufnehmen und d. nicht mit anderen Ver einen gleicher Art z u g e m e in sa m ea Zwecken in Verbindung treten dürfen, inSdeson- dere nicht durch Comit6S, C e n t r a l o r g a n e oder ähnliche Einrichtungen oder durch gegen seitigen Schriftwechsel. ES kommt hierbei natürlich anz vorwiegend und jedenfalls entscheidend daS durch den druck hervorgebobene Verbot in Frage. Bei Ueberschreitung dieser Beschränkung ist die OrtS-Polizeibebörde berechtigt und im Wiederholungsfälle? verpflichtet, die Vereine vorläufig zu schließen. Sie muß jedoch nach §. 16 binnen 48 Stunden nach der Schließung von dieser Thatsache und von den vorliegenden Gesetzwidrigkeiten, die zu der Schließung Anlaß gegeben haben, der Staatsanwaltschaft Anzeige machen. Findet diese die angeblichen Gesetzwidrig keiten nicht geeignet, eine Anklage darauf zu gründen, so ist die Schließung binnen weiteren acht Tagen aufruheben, andernfalls muß innerhalb derselben Frist die Anklage erhoben oder die Voruntersuchung eingeleitet werden. AlSdaun ist vom Gericht sofort Beschluß darüber M fassen, ob die vorläufige Schließuug deS Vereins bis zum Erkenntnisse in der Hauptsache fortdauern soll. Als Strafe kür die einer Ueberschreitung der mitaetheilten Beschränkungen für schuldig befundenen Vorsteher, Ordner, Leiter sieht das Gesetz eine Geldbuße von 5—50 Thalern oder Gefängniß von 8 Tagen bis 3 Monaten vor. Der Richter kann außerdem nach der Schwere der Umstande auf Schließung deS Verein« erkennen. Auf diese Schließung muß erkannt werden, wenn Vorsteher, Ordner, Leiter sich wiederholt strafbar gemacht haben. So die gesetzlichen Bestimmungen, die also unter allen Umständen die Maßnahmen der Polizei der Entscheidung des Richters unterbreiten. Daß die Untersuchung schon cingeleitet ist, beweist die Meldung des „Vorwärts", e- schwebe im Anschluß an die vorgenommencn Haussuchungen das Gerichtsverfahren gegen Auer und Genoffen. Liebknecht, Auer und andere Socialvemokraten waren bereits vorgeladen und bei Singer fanden wiederholt Haussuchungen statt. Wenn die gerichtliche Beweiserhebung dartbut, daß in der That die vom 8- 8 deS Vereinsgesetzes gezogenen Linien von der Organisation der socialdemokratischen Partei über schritten worden sind, so muß dem Gesetze Genüge gethan werden. Denn selbst ein so veraltetes und gerade in den fraglichen Vorschriften von allen Parteien häufig als Hemm schuh empfundenes Gesetz muß selbstverständlich respectirt werden. Dann haben aber auch die übrigen Parteien in Preußen allen Anlaß, ihre eigenen Organisationen darauf zu prüfen, wie weit sie noch den Bestimmungen de- BereinS- geseyeS entsprechen. Ueder die Interpretation dieser Be stimmungen besteht kein Zweifel, so weit eS sich um ständige pol i- tische Vereine handelt. Thatsächlich haben aber fast alle Parteien die einschränkenden Vorschriften dadurch umgangen, daß sie sich nicht als politische Vereine, sondern als Wahlvereine, ohne Beschränkung der Angehörigkeit aus einen Ort, constituirt uud allen gleichgesinnten Mitgliedern im ganzen Reiche den Beitritt ru einem Wahlvereine gestattet haben, besten Sitz in den meisten Fällen Berlin ist. Es giebt dann nicht ver schiedene politische Vereine, die mit einander in Verbindung treten, sondern einen einzigen Verein, der abwechselnd an dem einen oder anderen Orte seine Versammlungen abhält. Die ge setzliche Grundlagefür diese VereinSbildungist nicht das preußische VereinSgesetz, sondern derArtikel 17de-ReichswahigesetzeS, wonach die Wahlberechtigten da- Recht haben, „zum Betriebe der den Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und Versammlungen zu veranstalten." Die social- demokratische Parteileitung behauptet nun, sie hätte von diesem Recdte in keinem anderen Sinne Gebrauch gemacht als die bürgerlichen Parteien. Darüber wirb nun di« bevorstehende Gerichtsverhandlung Klarheit zu schaffen haben. Kommt dabei zu Tage, daß wirklich die socialdemotrat,sche Partei leitung von dem Art. 17 des ReichSwahtgesetzeS keinen anderen Gebrauch gemacht hat, als die übrigen Parteien und erblickt daS Gericht darin trotzdem einen die Schließung rechtfertigenden Verstoß gegen da» preußische VereinS- gesetz, so ist natürlich die Organisation aller übrigen Parteien bedroht und der Vernichtung anheimgefallen. Und daS wiegt um so schwerer, je weniger die bürgerlichen Parteien im Stande sind, durch gewerkschaftliche Bereinigungen, Turn-, Ruder-, Radfahrer», Theater» und andere Vereine eine geheime politische Thätigkeit zu entwickeln. Müssen aber wirklich die bürgerlichen Parteien in Preußen und infolge dessen im ganzen Reiche mit unter den gegen die Sociatdemokratie in Anwendung gebrachten Strafmitteln leiben, so ist dies eine Lehre, die nicht in den Wind ge schlagen werden kann. Es wird sich dann auch denjenigen, die nur auf dem Boden des gemeinen Recht» den Kampf gegen den Umsturz geführt sehen wollen, mit greller Deut lichkeit zeigen, wie weit mau damit kommt, und daß der Ver such, eine „auf die Gesetze pfeifende" Partei mit dem selben Maßstabc zu messen, wie die übrigen Parteien, ledig lich zum Vortheil der Umstürzler und zum Nachtheile der von ihnen bedrohten bürgerlichen Gesellschaft auSschlagen muß. Bei der Auseinandersetzung über die Vertheilung der Ländergebiete im großen Niger-Bogen, welcher die Regelung der Frage deS Hinterlandes unserer Togocolonte in sich schließt, werden unS die Franzosen noch gefährlicher sein, als die Engländer. Das geht nicht nur auS den Ansprüchen hervor, welche von den Franzosen erhoben, sondern noch mehr auS der Art und Weise, wie diese An sprüche vertreten werden. Nach den vorliegenden Meldungen begnügen sich die Franzosen nämlich nicht damit, die Ver trage — ob giltig, ob nicht, lasten wir dahingestellt sein — welche ihre Afrikasorscher mit eingeborenen Häuptlingen ab geschlossen haben, zur Grundlage ihrer Ansprüche zu machen, sondern sie suchen auch die Theorie „der tatsächlichen Be setzung" deS Lande», der „oconpatiou sllecttvs" in einer Weise zu ihren Gunsten anzuwenden, welche mit dem unter civilisirten Staaten geltenden Herkommen in einem schroffen Gegensatz steht. Was es mit dieser „oconpaüon etkeotivs" im Hinterlande von Togo auf sich hat, legt der Führer der letzten deutschen Expedition im Niger-Bogen, vr. Grüner, im neuesten Heft der „Deutschen Colonialzeitung" dar. Ein paar mililairische Stationen in dem streitigen Gebiete, die ihre ganze Aufgabe darin erblicken, sich der Eingeborenen zu erwehren, sollen als Merkmale einer geregelten Besitzergreifung, einer geordneten Verwaltung und Rechtspflege sowie der Sicherung der Wege gelten! DaS Uederraschendste aber ist, daß die Franzosen derartige Stationen nicht nur in dem weiteren Hintertande von Togo anlegen, sondern auch in einer Gegend, betreffs deren längst anerkannt ist, daß sie geographisch, politisch, und ethnographisch zu Togo gehört, in der Landschaft Tschankscho. Es ist za richtig, daß die deutsch-französische Commission, welche vor ein paar Jahren mit der Absteckung der Grenze zwischen Togo und Dahome beauftragt war, ihre Arbeiten nur bis zum 9. Breitengrade ausgeführt und gerade va unterbrochen hat, wo das streitige Gebiet seinen Anfang nimmt, doch haben alle späteren Forschungen dargethan, daß Tschantscho nicht nur mit seinem Hauptgediet vollständig in daS unmittelbare Hinterland von Togo fällt, sondern auch mit seinem ganzen Handel wie mit allen anderen Beziehungen dahin gravitirt. Man mag es bedauern, daß die unter Führung des ReichS- commissar- von Putlkamer stattgehabte Grenzregulirung sich nicht weiter nach Norden erstreckt hat, aber darau» einen Verzicht Deutschland- auf seine bestbegründeten Ansprüche abzuteiten, ist völlig ungerechtfertigt. Mit ihrem Versuche, Tschanrscho für sich zu gewinnen, setzen sich die Franzosen selbst in einen rctatanten Widerspruch zu der von ihnen ver fochtenen Hinterlandtheorie. DaS ganze Gebühren der Fran zosen beweist, daß eS ihnen nur darum zu thun ist, Compen- sationSobjecte für die bevorstehende Regelung der Besitzver- hältnifse am unteren und mittleren Niger zu erhalten. Die CompensationSobjecte in der anerkannt deutschen Interessen sphäre zu suchen, geht aber doch zu weit. Zn Sachen der Zulassung der zweiten StationS- schiffe vor Konstantinopel verlautet, daß die Großmächte auf der Ausfertigung de« betreffenden Fermans ans Grund der Verträge bestehen, dagegen bereit sind, den Bedenken des Sultan« dadurch Rechnung zu tragen, daß die einzelnen Botschafter die Heranziehung der Schiffe von dem Her- vortreten eines Bedürfnisse« abhängig machen. Fast scheint eS, baß die ganze Angelegenheit, nachdem die Nackrichten auS Konstantinopel über die dortigen Zustände seit einigen Tagen etwas beruhigender lauten, an praktischer Bedeutung ab- genommen bat, denn wie man weiß, wollten sich die Mächte nur die Möglichkeit sickern, zum Schutze ihrer Staats angehörigen in ausreichender Weise einzugreifen, wenn die Lage bedrohlicher würde. — Gegenüber den unablässigen Aufforderungen der griechischen Presst an die Regierung ru einer Aclion im Hinblicke auf die Vorgänge in der Türke, betont eine der „Pol. Corresp." aus Athen zugehende Meldung, daß bisher keinerlei Anzeichen auf die Geneigtheit de« CabinetS, diesem Drängen nachzugeben, schließen lasse. Was insbesondere die Ankündigung de» An schlusses Griechenlands an etwaige maritime Demonstrationen der Großmächte betrifft, so dürfe eine Action Griechenlands in dieser Form als ausgeschlossen gelten, da den über diese Frage in Athen eingetroffenen Informationen zufolge an die Heranziehung, beziehungsweise Zulassung anderer Staaten zur Betheiligung an eventuellen Demonstrationen der bezeichneten Art von den Großmächten durchaus nicht gedacht werde. ES sei ferner eine Thatsache, daß die griechische Regierung überhaupt zu einer aktiven Stellungnahme gegenüber den Ereignissen in der Türkei von keiner der Großmächte im Geringsten ermuthigt worden ist. Unter diesen Umständen dürfe an der Erwartung fest- gehalten werden, daß das Athener Eabiaet auS seiner bis herigen beobachtenden Haltung nicht hrrauStreten werde. Gewissen Vorkebrungen, welche die Regierung nichtsdesto weniger mit Bezug auf die Flotte trifft, sei lediglich die Bedeutung von Vorsichtsmaßregeln beizuleaen, damit Griechen land unter allen Umständen für die in Betracht zu ziehende Eventualität der Bedrohung griechischer Unterthanen im ottomanischen Reiche vorbereitet sei. Nack dem Wortlaut der großen IntervellationSrede des italtentschen Ministerpräsidenten CriSpi, hat sich dieser viel schärfer gegen den Batican ausgesprochen, als auS dem betreffenden, gerade diesen Punct nur sehr flüchtig, berührenden Telegramm zn ersehen war. CriSpi sagte u. A.. „Ich weiß eS, der Vatican ist übermächtig, durch die Freiheit die wir ihm lassen, durch seine Organisation und durch eine Bewegung in der ganzen Welt zu seinen Gunsten. Die Congregationen haben sich vermehrt und ihr Einfluß bat sich vergrößert, nicht bloS in Italien, sondern auch anderwärts In der ganzen Welt ist eine katholische Bewegung erstanden und man muß für die Zukunst des menschlichen Fortschritts Besorgnisse hegen. Der KatholiciSmuS hat die Freiheit, die wir ihm gewährten, zu benützen gewußt, um sich auf festeren Grundlagen zu constituiren. Aber diese« Problem wird weder mit Geräusch noch mit Schreien gelöst. Sicher ist der Staat gegen diese Bewegung nicht hinreichend bewaffnet, aber er ist «1 FrirrHetoir. Der Kampf ums Dasein. Roman von A. von BerSdorfs Nachdruck »erkoten. (Fortsetzung.) Er schwieg, und wahrend der leise verhallende Donner in den himmlischen Räumen verklang, schloffen sich ihre Hände fest ineinander. „Und was soll geschehen?" „Eine andere Thätigkeit muß für ihn gefunden werden, eine andere Arbeit, die er beberrschen kann, die ibm nicht nur der Pflug ist, mit dem er dem harten Boden da» täg- liche Brod abzwingt, sondern Da«, was die Arbeit sein kann und sein soll — der Inbegriff irdischen Glücke»." „Und nun? Zunächst?^ ,„Zunächst gebt er morgen wieder in die Expedition. Schmidt wird ihn sehen und ihm dringend Urlaub anbieten, daß er sich erholen kann, da er sonst sehr bald nnfäbig würde, Überhaupt etwa» zu leisten. Ich kenne Schmidt'« Art, er wird ihn überzeugen, ohne ihn zu verletzen, und Ihr Mann muß sich krank fühlen, ich sah ihn vorher!" „Und der Ausfall de« Geldes?" „Ah — Ihr Schwiegervater ist nicht ia der Lage, um —" „Um uns Beide zu erhalten? UnS Beide, die wir unser Glück unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen er zwangen — in dem stolze» Wahn, daß e« menschlichem Willen und menschlicher Kraft ja doch gelingen müßte! ? Nein, unser armer Vater ist oicht in der Lage, so reichlich Almosen zu geben." „Still, Iakoba, liebe Freundin. Nicht so bitter sich gegen da- eigene Herz gewendet! To darf, so soll man streben, denken, hoffen — aber nicht nur zeitweise, bi« zur ersten Ent täuschung — nein, immer wieder und wieder soll man auf stehen, wenn unverschuldete Widerwärtigkeiten unS niederwerfen, immer wieder und wieder in dem heiligen, wahrhaftigen Glauben an GotteS Hilfe, die hinter der menschlichen Kraft steht: daß eS menschlichem Willen und menschlicher Kraft ja doch gelingen müsse!" Ein klarer Lichtschein floß durch da» Gemach, den Schimmer der Lamp« seltsam glanzlos machend. DaS Wetter war vor über, die Sonne kam noch einmal wieder an diesem dunklen Tage, und als Iakoba neben Bergmann an da» Fenster trat, da spannte sich hoch über den engen, düsteren Hof mit seinen bösen Dünsten in ihreu leuchteudeu Farben die himmlische Hoffnungsbrücke. „Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten!" flüsterte Iakoba. „Noch ein Wort", begann Bergmann wieder, „ein noth- wendigeS Wort. Sie wissen, welche Antwort allein Sie auf DaS, waS ich Ihnen jetzt sage, geben dürfen, wenn Sie nicht unter Ihrer Würde, klein und enge denken. Den Ausfall de« Gehalt- decke ich, bis Ihrer und Ihre- Gatten Arbeit der Lohn geworden, dessen sie Werth ist." Eine Minute sah Iakoba zu Boden, wie in stillem Gebet. Dann bob sie den Blick. „Ich danke Ihnen, mein Freund, und nehme Ihre Freund schaft an." „Sir haben eine Arbeit uoterwegS?" „Nur kleine Sachen." „Zu wie viel ungefähr?" „Wenn alle angenommen würden — fünfhundert Mark." „Gut. Er muß doch wissen, wo eS herkommt. Und Sie müssen da- Oeheimniß bewahren, bi« irgendwie sich eine Nothwendigkeit zeigt, die Aufklärung fordert." „Ich werde eS bewahren. Ader die Nothwendigkeit wird kommen. Ich kenne Helmuth." „Ich werde jetzt gehen, und in de» allernächsten Tagen hören Sie von mir." „O bitte, gehen Sie nicht! Komme» Sie mit hinüber I Mir wird eS dann leichter, »u lächeln, und eS schneidet alle verwunderten, vielleicht argwöhnischen Fragen ab, wenn Sir heiter und harmlos mit hinüberkommen zum Thre." Bergmann sab sonderbar bedenklich auS; dann strich er mit der Hand leicht über seine hohe Stirn und sagte mit scherzendem PathoS: „Soll ich mich wirklich der Gefahr auSsrtzen?! Wie geht e« denn der blonden Jungfrau mit den mütterlich«» Augen und dem stolze» Verzicht der zarten Lippe?" Ganz erstaunt sab ihn Iakoba an. Welch ideale Auffassung von ihrer Schwägerin! Schade, daß sie da« nicht hörte und nicht hören sollte! Und schon mit der Hand aus der Klinke fragte sie rasch: „Warum denn Gefahr? Warum denn nicht Glück?" „Weil sie doch Nein sagt." Iakoba schüttelte lächelnd das Haupt. Welch wunderliche übertriebeneZagbaftigkeit und Bescheiden heit eine« gefeierten Manne« einem verdlübendeu mittellosen Mädchen gegenüber! DaS ließe sich nur erklären, wenn er sie wirklich lieb batte. Al- Iakoba mit Bergmann in- Wohnzimmer trat, erregte da« Erscheinen de« DoctorS so aufrichtige, freudige Ueber- raschung, daß er sich Wohl befriedigt fühlen konnte. Als Iakoba ihren Helmuth sah, wie er so unbefangen freundlich mit dem Freunde seiner Frau sprach, vermochte sie kaum die Tbränen zurückzuhaltrn. Ach! eS wurde ihr bitter schwer, zu lächeln, und nur als sie in Bergmann'- edle-, ruhige- Antlitz sah und dem festen, gütigen Blick begegnete, kam auch Zuversicht und Vertrauen in ihr bange- Herz. Mit scherzender Frag« nach dem Ergebniß der literarischen Besprechung wurden Bergmann und Iakoba empfangen. „DaS Resultat ist, daß die Baronin sich entschließen will, mehrere kleine Arbeiten an einen Agenten zu verkaufen", sagte Bergmann, „und sich mit dem allerdings viel unbedeutenderen Preise von 500 Mark für alle begnügen will. Der Einzel verkauf würde ja mehr bringen, aber vielleicht sehr lange dauern." Ein« freudige Röthe schlug über Helmutb'S bleiche« Gesicht. „Aber das ist ja ein großes Glück, verehrter Herr Doctor, WaS Sie unS da in Sturm und Wetter gebracht haben." Bergmann drückte fest die schmale, kalte Hand de« jungen Manne«. „Möge e« der Grundstein wahren Glücke- sein", sagte er sanft und suchte Hoffnung gebend Iakoba « Auge. Dies« mußte sich übrigen« gesteben. daß man wirklich auf die Reize mancher Menschen aufmerksam gemacht werden muß, um sie dann selbst zu bemerken. Maria-Margarethe war ihr noch nie so mädchenbaft lieblich erschienen, so liebens würdig in ihrer kleinen hausmütterlichen Würde wie an diesem Abend vor dem bübsch besetzten Theetisch. Sie hatte wirklich hübsche« Haar, von dem seidigen, glatten Blond, wie auch Helmuth, nur viel reicher, und »ach den „mütterlichen Augen" mußte sie immer wieder schauen, um sich vorzustellen, wie sie denn wohl so schön aus „fremde Kinder" geblickt battru. O und wie befangen sie Bergmann die Taffen und Platten bot, wie bübsch sie auSsab mit den immer heißer werdenden Wangen. Fast zog eS sie ab von dem eigenen schweren Verbängniß. Als man beim Thee saß, klingelte eS. Ein Brief für den Obersten und ein kleine- Packet. Er betrachtet» Beide- und schnitt den Brief vorsichtig aus. Von dem Verleger, welchem er seine Kriegserinnerungen geschickt hatte. Ruhig und gefaßt entfaltete er den Brief, auf welchen er so große Hoffnungen für seine armen Kinder gesetzt hatte. Mau äußerte sich ziemlich anerkennend über die Arbeit, meinte aber, als Buch sei die Sache nicht gangbar, und machte den Vorschlag, da das Manuskript wirklich viele recht hübsche, wenn auch natürlich nicht neue Scene», Bilder und Ab schnitte entstielte, aus dem Wcrkchen einzelne Aufsätze und Skizzen zu macken, wozu der Oberst nur an jeden einzelnen Aussatz u. s. w. einen kleinen Eingang und Schluß zu fügen habe. In dieser Form würden Tageszeitungen wahrscheinlich sehr gern von den im Feuilleton an zweiter Stelle immer sehr beliebten Kriegserinnerungen Gebrauch machen. Der Oberst in seiner bescheidenen Dankbarkeit war sestr befriedigt und ganz einverstanden, die Arbeit geduldig noch mal« umzuarbeiten und nochmals abzuschreiben, und Berg mann bestärkte ihn darin. Er begab sich zeitig nach Hause, denn seine Gedanken waren in schwerem Nachdenken mit dem Wobt und Wehe seiner jungen Freunde beschäftigt. Als er Maria-Mar ga retbenS Hand fast ehrfurchtsvoll au seine Lippen führte, dankte er ihr leise für den schönen Abend und ihre Güte, die ihm da« Bleiben gestattet hatte. 21. Auf Torlitten, dem Gute de« kranken Herrn von Raffski. war man ia voller Erntetbätigkeit. DaS Wetter war pracht voll, wenn auch, wie oftmals »n Nordosten zur Hochsommer zeit, sehr beiß. Die Augustsvnne meinte eS redlich in dem Bemühen, die Erde vor dem Eintritt der rauhen Jahreszeit, di« hier gewöhnlich allzu früh mit Nachtfrösten anfängt, noch recht zu erwärmen. Die hoben Erntewagen mit ihrer gold gelben SegenSlast, gezogen von gut und kräftig auSsehrnden, wenn auch kleinen Pferden, konnten schon nicht mehr auf die Tenne der Scheunen fahren, denn die großen Räume waren voll, und di« Wagen hielten aus den Feldern still beim Bau der riesigen Getreideschober, di« kunstvoll geschichtet dem Ein fluss« der nassen Witterung lange genug Stand zu ballen vermochten Torkitten war letzthin berühmt wegen de« vor züglichen Baue« dieser Schober. Die meisten Felder dehnten sich schon leer gegen den Wald, und die Schafe und Gänse rupften da« reichlich zwischen den kurzen Stoppeln aufsprießende GraSl Weiße wallende «chleirr de« Lltweiversommrr« zogen durch di« klar« blaue Luit uud
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