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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930710010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-10
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Die Expedition istWochentags ununterbrochr» Eröffnet I geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: Ott« »lrmm'S Tortim. (Alfred Hahn)^ UniversitätSstrahe 1, Loni» Lüsche, Kotharinenstr. 14, pari, und Aönigsplatz 7. WpMr.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg^ Reklamen unter dem Redactionsstrich 14 ge spalten) öO->j, vor den Fainiiiennachrichtea (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» lgesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60 —, niit Poslbesörderung 70.—. Ännal,»ielchlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Soun- und Festtags früh V,9 Uhr. Bei den Filinlen »nd Annahmestellen i» ein« halbe Stunde früher. A»;cigrn find slels an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. ^-347. Montag den 10. Zuli 1893. 87. Jahrgang. Bestellungen auf Reifeabonnemcnts nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus llle LxpciUtloit des j^L»8eIl)1r»tte8, Johannisgasfe 8. Amtliche Bekanntmachungen. 1Z62iiIv8V6i 6in Zloutax, ckeu IV. ^ull 1898, ^beocki, <» Llir im 8uule cker ereiteo liUixerseliule. raxesorlluuilgtt I. Ilelerate ckes Ltauckesaussebusses. II. In xomeiusclutttlielier Litxuug» mit ckem Lerirlc8vereiu Oeiprig»- Danck: Xormsliv-Lestimmun^üll tur «teu ^dsol>lu55 von Vor- triitzeü mir Lmulceoeuzsi-ll. I)r. Ilelure. Politische Tagesschau. * Lcippg. 9. Juli. Tie Annahme der Militairvorlagc ist gesichert; dies ist daS Ergebniß der gestern zu Ende gekommenen ersten Lesung. Die Erklärungen, welche die Wortführer der freisinnigen Ber einigung, der Polen und der „deulschen Reformparlei" (Böckcl nnd Genossen) abgaben, haben die Ansicht, daß diese drei Gruppen für die Vorlage stimmen würden, bestätigt. In den letzten Tagen waren — bezeichnender Weise von klerikaler Seite — beständig Nachrichten auSgesprengt worden, welche dicS, namentlich betreffs der Polen, zweifel baft erscheinen lassen sollten. Gerade die gestrige Erklärung des polnischen Redners war am rückt,all losesten: die Fraction wird einmülhig für die Heeresverstärkung rotiren. Herr Rickcrt behielt sich die Jormuliruiig seiner Wünsche betreffs der zweijährigen Dienstzeit für die zweite Lesung vor; eS blieb aber kein Zweifel darüber, daß er und seine Freunde ebensallS für die Vorlage stimme» werde»; was er gegen seine bisherige» Parteigenossen sagte, die meinen, der Liberalismus erfordere Opposition gegen die zur Sicher heit des Landes erforderlichen Opfer, das erinnerte an ver gangene Zeiten, z. B. an das Jahr 1880, als er zur Ver- tkcidigung des zweiten Scptennalcs eine seiner besten Reden hielt. Endlich die Herren Böckcl und Genossen konnten zu frieden sein — und sie waren es, wie man uns schreibt, nach dem Eindruck, den man im Hause hatte — mit der Er widerung des Reichskanzlers auf die Rede deö genannten Herrn, deren Mittelpunct die Forderung gewesen war, daß zur Deckung der Kosten nicht die große Masse der Bevölkerung herangezogen, daß namentlich nicht der Verbrauch derselben höher alS bisher besteuerl werden solle. Graf Caprivi hat dies unter Hinweis ans seine Tags zuvor abgegebenen Erklärungen bestätigt. Nach der „Nat.-Lib. Corr." rechnet man jetzt auf eine Mehrheit von etwa 80 Stimmen für die Militairvorlagc; je nach den Zufälligkeiten der Präsenz kann sich dieselbe indcß noch wesentlich vergrößern. Der Schluß der Reichs lagssession wird schon an« nächsten Sonnabend, spätestens in den ersten Tagen der darauf folgenden Woche erwartet. Von den Anträgen ans dem Hause würden alsdann nur die auf die Futternoth bezüglichen zur Verhandlung kommen. lieber den Ausfall der bahrrischrn LandtngSlvlihlcn läßt ein klares Bild sich erst gewinne», wenn die Abgeordneten selbst gewählt sind. Die Masse der kleinen ländlichen Wahl bezirke, die Unklarheit, die vielfach über die genaue Partei' stellung der aus den Urwahlen hervorgegangenen Wahlmänner herrscht, verhindert einen genauen Ueberblick über Len Stand der Parteien. Immerhin läßt sich so viel sagen, daß die Liberalen außer dem Berlust von Nürnberg keine weiteren Einbußen zu verzeichnen haben werden. Selbst der stark gefährdete Wahlkreis Weide» ist ihnen erhalten geblieben, auch Passau wurde behauptet; die Pfalz bat wieder durchaus liberal gewählt, und fast überall in den Slädlen und größeren Ortschaften sind die Liberalen Sieger geblieben, zum Tbeil mit gesteigerten Majoritäten. Gewinne lönncn die Liberalen noch in Weissenbnrg und Obcrviechtach erzielen; das Resultat ans diese» Wahlkreisen ist noch nicht bekannt. Die Socialtcmokratic hat keinerlei Aussicht, noch weitere Siege zu verzeichnen. DaS Ccntrum wird möglicher Weise in dem zweifelhaften Wahlkreise Weissenbnrg, wo es sich wieder niit den Eonservativcn verbündet bat, einen neuen Sitz erhalten. Nach den bisher vorliegenden Nachrichten verliert es aber ganz Niederbayern, außer zwei Kreisen, an die Bauernbündler. Auch in dem alten Wahlkreis Rilller's, in Traunstein, dürfte eS diesmal den sronkirenbe» Klerikale» »nlerlegen sein. Damit wäre eS im bayerischen Landtag mir der bisherigen Verlhcilnng der Parteien zu Ende. Tic Socialdemokraten, von denen Bollmar, Grillenberger, Scgitz nnd zwei weitere Abgeordnete in den Landtag einziehe», werden mit den Bauernbündlern in vielen Fällen die Ent scheidung geben, oder, wie sich die .Köln. Bolksztg." aus drückt: „Die socialdemokratischen Hechte werden unerwünschtes Leben in den Karpfenteich bringen." Der in Oesterreich, wenigstens in Lessen Hauptstadt Wien schon seit geraumer Zeit mit Erbitterung geführte Kamps nm daS Schulgebet ist seit dem 5. Juti in eine neue Phase getreten, welche eS wohl hinreichend rechtfertigt, wenn auch wir nach längerer Pause dieser Frage einige Worte widmen. Die kirchlichen Behörden der österreichischen Kaiser- ftadt, nachhaltig unterstützt von allen weltliche» katholischen Kreisen, erbeben den Anspruch, daß die katholischen Kinder in der Schule nur unter der Leitung katholischer Lehrer das chulgebet sollen spreche» dürfen. Der BezirkSschulrath und der größte Tlieit der Lehrerschaft binwiereruin vertreten Len Stand- punct, daß der Etasscnlebrer überhaupt, ohne Rücksicht auf seine Eonfession das Scbulgcbcl sehr wokl überwachen könne, wie dies nun bereits seil rund 20 Jabren thatsäcklicb geschehen. Dieser Streit bat bereits die verschiedenen Instanzen be schäftigt, obne bisher zu einer Austragung gelangt zu sein, und neuerdings hat der BezirkSschulrath im Sinne seincs vorstehend bezeicbnelen Slandpunctes einen Beschluß gefaßt, der indessen ebenfalls noch nicht die Angelegenheit zum Ab schluß zu bringen vermag, da minmekr die oberen Behörden zu dem Beschlüsse des BezirkSschulralhS wieder Stellung zu nehmen haben, was im Hinblick ans die Ferien erst im Anfang dcö Herbstes wird geschehen könne». Außer tiefem Kamps um das Schulgebet schweben in Wien noch mehrere Streitigkeiten in der bczeichncleii Richtung, so z. B. über die Form des Gebetes selbst, sowie über die Theiliiabme der Schuljugend an den FrohnleichnamSproceifionen. Derartige Dinge nun haben zweifellos ibre Bedeutung, aber man sollte doch meinen, daß, wen» anders die einschlägigen bestehenden Gesetze unver ändert beobachtet werden sollen, es nicht schwer fallen könnte, derlei Meinungsverschiedenheiten rascher zu ordnen, als Lies in Oesterreich geschieht. ' Die belgische» (solonialpolitikcr sind durch die Sieges botschaften ans rem Eongostaate im höchsten Grade befriedigt. Auch iknen war der Kampf gegen philiströse Engherzigkeit, gegen Kleinmutl) und Unverstand nicht erspart geblieben. Die Gründung des Eongostaates, ein der Initiative deS Königs Leopold entsprungenes Privalunternchmen, Kat an dem officiellen Belgien bis zum beutigen Tage keinerlei Rückhalt, nichtsdesto weniger ist die Eongopolitik in Belgien von Tag zu Tag volköthnmlicber geworden, und der früher oft gehörte Vor schlag, den Congostaat den Franzosen zu überlassen, wird jetzt kaum noch von den größten Franzvsenschwärmern im Ernste vorgebracht. Was man noch mit einem Schein Rechtens einzuwenken pflegte: die Ungewißheit, ja Unwahrscheiiilichkeit, daß es den Männern des Eongostaates jemals gelingen werde, sich ihrer zahlreichen Feinde im Innern deS schwarzen Erdthcils dauernd zu erwehren, scheint durch den jüngsten Erfolg der congostaatlichei: Waffe." endgillig widerlegt Die Nicder- mctzclung der Expedition Hodister bezeichnet den Wendepnnct i» den Verhältnissen der Europäer zu Len arabischen Cclaven- bändlern dcö Innern. Letztere barie» gleich nach dem Be kanntwerden des tragischen Endes Hodister S und seiner Leute jede Mitschuld an dem Geschehenen abgclengiicl nnd sich als die ergebensten Freunde deS Eongostaates erklärt. Was diese LoyalitälSkundgebungen werkt» waren, bewiesen^ die folgenden Angriffe der Araber auf die Station an den Slaiilcy-Hällc». Als nu» der Lieulenaiit Dhanis die s. Zt. besprochenen Waffencrfolge über die Araber von Miiiiiö-Mokana davon- truz, nameiillich seit der Einnabmc von Nyangwe, geriet!» daS ganze arabische Sclavenhändlertbum in Aufruhr, eine allgemeine Erhebung drohte loszubrechcn. Diese Gefabr im Entstehe» erstickt zu habe», ist das Verdienst deS jüngsten von de» EhesS Tob back und Ehall in an de» Stanley-Falls geführten Schlages, geiiau an dem Orte, wo vor Jahr und Tag Tippv Tip einen entscheidende» Sieg über die damals »och ichwackien Slrcilträfte deS jungen EongostaalcS davonlrug. Die damalige Scharte ist jetzt glänzend auögewctzt, und mehr als das. Die Araber, ge schlagen an den Stanlcn-Fällcii, am Lomani nnd Lualaba, bei Angoi und Nyangwe, endlich am Tanganyikasee von der Expedition Jacques zu Paaren getrieben, sind jetzt in voller Auslösung nnd haben sich so gründlich von der Ueberlegenbeil europäischer Kriegführung überzeugt, daß ihnen voraussichtlich binnen absehbarer Zeit jedes Wider setzlichteilsgelüst ansgetriebcn ist. Diese SicgeSdepeschen vom Evngo kommen gerade rechtzeitig, um den ohnehin schwachen Widerstand gegen die beabsichtigte Acnderung von Artikel 1 der belgische» Verfassung, im Sinne der Ermächtigung Belgiens zum Erwerb von Eolonien, ganz unv gar hinfällig zu mache». Wie uns heute aus Paris telegraphisch gemeldet wird, ist der ganze Sonnabend daselbst obne Zwischenfälle verlaufen, überall herrsch!,: vvllkommene Ruhe. Die heutigen Morge»- blälter gebe» der Hoffnung Ausdruck, daß jetzt die Unruhen endgillig beendigt seien. In der Deputirtenka mmer kamen, wie unsere Leser aus unserem gestrigen Pariser Tele gramm bereits wissen, die wiederholt erwähnten Inter pellationen über die betreffenden Ursache» und die Schließung d er Ar b c i tS b örse zur Bcrathnng, und die Beratkung nahm für den Ministerpräsident Dupuy einen über alles Erwarlen günstigen Verlaus. Nach einigen aller dings unvermeidlichen hesligen Ausfälle» der ultra- radicalcn Deputirten wurde mit 84.8 gegen 144 Slimmc» eine Tagesordnung angenommen, durch welche die Erklärungen der Regierung ge billigt werden. Dupuy l»ob, nachdem er sein Bedauern über die traurigen Vorgänge der letzten Tage ausgesprochen batte, mit Recht hervor, der Charakter des Instituts der Arbeitsbörse habe sich geändert, auch sei diese eine Gefahr für die Arbeiter selbst geworden. Hinsichtlich der Heran- zicbung zahlreicher Truppenlheile betonte Dupun, dies sei geschehen, weil die Anwesenheit »»ifasscnder militairischer ^ireiikräftc allein genüge» koiinlc die Ordnung wieder bcr- znstellen. Niclil überraschen kann, daß der Radikale Millerand bchaupiele, die Negierung habe durch die Schließung der ArbcitSbörse daS Gesetz verletzt; sie balle die den Arbcucrn gemachten Versprechungen nicht, der Minister »visse nicht, wobin die Politik der Herausforderungen und der Beschimpfungen der Arbeiter führe. Von der Ministerbank aus wurden diese radicalcn Tiraden energisch zurückgewiesen. AiiffaUcnder erscheinen muß, daß Brisson in Uebereinstimmnng »ist den Parteigängern rer Commune »er Regierung vorwarf, sie säe Zwietracht uiilcr den Republikanern, indem er zugleich gegen daS „brulalc Vergeben" der Polizei protestirtc. Freilich ver sprach der Ministerpräsident selbst, daß die Polizei reorga- nisirt werden sollte. Obgleich die Ultraradikale» von An fang an erkennen mußten, daß die Stimmung in der Tcputirtenkammer ihnen nicht günstig wäre, verlangte Ernest Roche Loch noch die Dringlichkeit für den Antrag, den Ministerpräsidenten Dupuy in Anklage zustand zn versetzen. Die Vorfrage wurde indeß mit 8tl gegen 44 Stimmen gulgebeißen nnd somit der Antrag Roche'S abgelebnt. Die Annahme der Vorfrage bedeutet, daß die Mehrheit es nicht einmal für angemessen erachtete, in eine Erörterung über einen solchen Antrag einzulreten. Die rcpnblikanifchcn Blätter beglückwünschen mit Recht Dlipiiv, der am 8. Juli in der Tbat einen sehr glücklichen Tag balle, so glücklich, wie er seit lange leinen erlebt batte, zn seinen energischen Erklärungen in der Kammer. Dieradicalen Blätter bringen ebenso selbstverständlich gereizte Artikel gegen Dupuy und erklären, zwischen den radicalen und regierungs freundlichen Republikanern sei jetzt eine unheilvolle Spaltung eiiigetrcten. Die conservativen Journale endlich äußern sich in ähnlichem Sinne. Die mehrfach von »ns erwähnte Anklage gegen das ge stürzte liberale Ministerium Avakumo witsch ist am 8. Juli, wie bercilS telegraphisch gemeldet, in der serbische» Skupschtina cingebrachl worden, die nach einem Belgrader Telegramm der „Voss. Zig." an diesem Tage nnd a»S diesem Anlaß ein ungewöhnliches Bild bot. Die Abgeordneten waren vollzählig erschienen; auf den Galerien drängte sich in dichten Reiben das Publicum und auch die soiist lcerc Diplomalc»- loge war diesmal von Gesandlen und Secretairen aller Staaten besetzt. Nach einigen spannungsvollen Minuten, die der Ver lesung geschäftsmäßiger Aetenstücke folgte, erklärte der Präsident Paschi tsch, eS sei eine von 27Abgeordneten Unterzeichnete An klage gegen die frühere liberale Regierung einge bracht worden, deren Verlesung sogleich beschlossen wurde. Mil eisiger Ruhe nahm hierauf das Haus von dem An träge, der ziemlich in die Breite gebt, Kcnntniß. Nur zwei mal, als deö jugendlichen König« Erwähnung geschieht, brach die Skupschtina in lebhafte Hochrufe a»S. Tic Anklage enthält elf Puiictc gegen das Gesaiiimlcabinet und je einen speciell gegen den früheren Minister deS Innern und den KricgSininister. Die wichtigsten sind die ver fassungswidrige Wahl der Kammer durch Absendung folgender, im Original beigesüglen Drahtmeldung des Ministers deS Innern an eine» Präfectcn: „Wenn Sie die Wahlen in Jhiem .Kreise nicht als ungesetzlich erklären, sind »vir verloren"; verfassungswidrige Zusammensetzung der Kammer; gegen das Gesetz verstoßende Verlängerung des HandclSver lragS; ferner Nichtivahl eines dritten Regenten; daS Blulbad von Gvratsckitza; Verhinderung der Arbeiter an den könig lichen Werkstätten in Kragujevatz zur Ausübung deS Wahl rechtes. Der Antrag verlangt die strengste gese^l><be Strafe, sowie materielle» Ersatz für den vom Staate erlittenen Schaven, waS, falls letzterer Punct angenommen würde, einer Beschlagnahme des Vermögens aller früheren, »icislcns sehr bcmillelten Minister gleich käme. Nack, Bcr- lksting der Anklage wurde aus Antrag des Präsidenten die Eröffnung der Debatte hierüber am 15. Juli an genommen. Diese Debatte dürfte einen ziemlich lebhaften Verlaus nehmen. Die Blätter von Kairo widmen zur Zeit, was auch ganz bebrciflich ist, der Frage deS von 1-gygtcn an die hohe Pforte alljährlich zn entrichtenden recht ansehnlichen Tributes lange Artikel. Dieser Tribut beträgt jährlich 005 041 egyplische Pfund (fast l4 Millionen Mark) und wird zum größten Tbeil an die Bank von England uno daS HauS Rothschild direct eingezablt zur Verzinsung verschiedener türkischer Anleihen. Ta die türkische Regierung i» Wahr heit für Egypten nichts leistet, so fragt sich das egyplische Volk mit Rert, warn», eine so große Summc nicht für des eigenen Landes Wohlfahrt Verwendung sindculkaii». Schwer lich bezweckt die nunmehr angctretene Reise des Kbedive nach Konstanlinopel eine Erleichterung dieser nicht un- bcdcuteiideli Last. Vielmehr ist trotz aller gegentbeiligen Ver sicherungen anzunebnien, daß man in Konstanlinopel sich weit mehr mit der dem Khedwe naturgemäß sebr am Herzen liegenden Frage beschäsligen wird, wie die Abbängigkeit Egyptens von England zu mindern sei. Zwar wird der Miiustcrpräsideiil Ria; Pascha, der Urheber der für das europäische Capital nicht »nbedenllichen Parole „Egypten für die Egypter", seinen jungen Herrn auf dieser HuldignngSreise nicht begleiten; dagegen befindet sich in dessen Gefolge der Minister der auswärtigen Angelegen heiten, Tigrane Pascha, der sich diese Parole völlig zu eigen gemacht bat und vielfach als der Hauplurheber der „Krise" des letzten WinlerS gilt. Ria; Pascha ist übrigens seinen nationale» Grundsätzen trotz des wenig erniiilbigeiiken Verlaufes jener Krise treu geblieben. DaS zeigt sich in der ablehnende» Haltung, die er jeder Anstellung eines Fremden entgegensetzt. Es soll z. B. Mühe gekostet babcr, die Be rufung eines »icbt einheimischen (deutfchen) Bacteriologen als Onaranlaine-Arzt in Alexandrien durchzusetzcn, und die „nationalen" Zeitungen sind darüber, daß eS dennoch ge lungen, sebr erbittert, obwohl das Vorhandensein eines tüchtigen Hygieimkers in Aegypten, an der Pforte des Orients, deS Herdes so vieler verderblicher Seuchen, aber für Europa durchaus wünschenSwerth ist. Erinnert man sich dieser Thatsache nnd der weiteren, daß die gegenwärtige egyplische Negierung, wie unseren Lesern bereits bekannt, das Hauptgewicht darauf legt, daß egyplische Beamte, Lehrer rc. aus Beförderung nur zn rechnen haben, wenn sic des heimischen SprachitiomS, deS Arabische» vollständig mächtig sink, so wird man unwillkürlich auch an Riaz Paschas Parole „Egypten den Egyptern" gemalmt und cs ganz erklärlich finden, wenn die bevorstehende HultignngSrcise rcS Khcdive, dem die Türkei trotz des diesen zu leistenden Tributs ein kleineres Hebel als daß herrschsüchtigc England ist, bei de» Engländer» wenig Beifall findet, ui» so mehr hingegen bei den Franzosen, deren Einfluß in Egypten aber durch die Engländer so ziemlich lahm gelegt worden ist. Deutsche- Reich. * Berlin, 9. Juli. Es ist ein charakteristisches Zeichen des neuen Reichstages, daß die Entscheidung über die Militairvorlagc bei den kleineren Fraktionen rubl und diesen dadurch eine Wichtigkeit verliehen wird, welche sie bislang noch in keinem Reichstage gehabt haben. Sie selbst »üblen sich natürlich noch »veil wichtiger, als sic in Wirklichkeit sind, und ibre Redner sprechen mit einer Verve und einem Hvch- Mlttb, als ob die 20 oder 80 Stimmen, die hinter ihnen stehen, die Gcsainmtpvlitik deS deutschen Reiches bestimmen könnten. Das bemerkte man vorgestern bercilS bei dem Abgeordneten Payer der Süddeutsche» Volkspartei, das konnte man gestern wieder bei dem Abgeordneten Or. Böckcl, dem Vorsitzenden der Deutsche» Reformpartei erkenne» und das trat in ganz besonderem Maße in der Rede deS Abgeordneten Richter hervor, der mit vollem Brustton in die LobcSposaune der eigenen kleinen Partei blies. Herr Richter sprach erregter, als seil langer Zeit, man hörte aus seinen Worten den inneren Schmerz und den Zorn heraus, der in ibm wühlte und kochte. Einen kleinen Dämpfer setzte den kleinen aber bocbmüthigen Parteien Herr v. Bennigsen auf, der sich hauptsächlich an die Person deö Herrn Payer wandte, dein er mit Recht die Bcfngniß absprach, als Vertreter der kleinsten Gruppe im Reichstage über die Haltung der großen Parteien ein Ilrtbeil zu fällen. Im Ucbrigen zeigte auch Herr v. Bennigsen gegen seine sonstige Gewoknheit eine Leb haftigkeit, die vielleicht durch den Wunsch bervorgerufci» wurde, in allen bürgerlichen Parteien das Bewußtsein der Zusammengehörigkeil gegenüber der Socialdcmokralie wach zu rufen. Der iiativnalliberale Führer wies auch mil großem Recht darauf hi», daß der ParticulariSmuS, wenn derselbe in der letzten Zeit wieder mehr erstarkt sei, nicht inner halb der verbündeten Regierungen und der deutschen Fürsten dynastien zu suchen sei, sondern innerhalb der Parteien. DaS waren goldene Worte, und die Führer der übrigen bürgerliche» Parleicn sollten die versöbncnte Hank, die Herr von Bennigsen ihnen allen in selbstlosester Weise entgegenstrcckke. ergreifen, »im gemeinsam zum Heile des Vaterlandes gegen die vatcrlandslese Partei der Social- dcmokralie Front zu macher. Daß eine solche Anregung von dem Führer der »alionalliberalcn Partei anSgcben konnte, gereicht der Partei selbst znm hoben Rubine und sichert ihr die hervorragende Stellung im politischen Leben der Zukunft, welche sie in» politischen Leben der Vergangenheit ein genommen bat. * Berlin, 9. Juli. Aiitije initenallerRichtungei», Boeckeliancr. Alllwardlianer und die um Stoccker, waren am Freitag Abend in den Gerinaiiiasälen lEntröe 20 Psg ) zusammengekoinmeii i»id hielten mit einander Abrechnung. Der Reichstaqsabgeordnete I)r. Boeckcl war der Redner des Abends. Gegen ibn herrscht unter den Ber liner Anttirniiten große Mißstimmung vor, weil er sie in seinem „Reichshcrold" mit den Etirenbezeichnuiigc»: „Sportsanlisemiteii und Fatzken belegt Halle. Herr Boeckcl führt clwa aus: TaS Schicksal der Militairvorlagc bange von den Antiiemitcn ab (stür mischer Beifall», über deren StcUungnabine sich aber »och nichts Besttinmtes sagen lasse. In seinen B in rknngen über Ahlmardt meinte der Redner n. a.: die a: 1i emitische Bewegung sei nicht dazu da, nm Scandal zu machen (ungeheurer Lärm >, sondern um in den Tiesen der Volksseele zu lesen. lBeisall.) Stoecker fei ihm auch nicht sympathisch (Widerspruch nnd Gelächier, Zuruse: „Da wird er sich gerade viel daraus machen!") Er werde bei der konunenden Wahl Alles daran setzen, daß im Kreise Siegen ein Eandidar der Resornipariei durchkomme. (Bcisall, großer Lärm.) Im Reichstag gebe es in ollen Parteien Antisemiten, zu diesen ge höre auch Sigl. (Oho! Unruhe.) Sigl sei ein aller Antisemit, man werde sich jedoch bitten, ihn in die Fraciion auszunchmen. Wenn es nber gegen die Juden loSgehe, müfie man alle antisemitischen Kräfte zuiainmennchmen. Zum Schluß forderte Herr Boeckcl eindringlich zu Geldbeiträge» sur die Nachwahl in Ahlsseld aus. Redacteur Bading: Tic ganze Rede Bocckel's habe ßch fast nur gegen Stoecker gerichtet. (Widerspruch.) Beincrkungcn, wie Boeckcl iiber Stoecker gemacht habe, habe inan bisher nur in ganz gemeinen Judenbläticrn gelesen. (Großer Bcisall und heftiger Widerspruch, Lärm. Ruse: „Pfui Teufel!" „Gemeinheit!" Der Redner wird im Weiteren niedcrgchrnlli.) Boeckcl: Wo war Herr Stoecker in den 99 Tage»? (Tumuttuarische Unrube.j Verschwunden war er! (Allgemeiner Lärm. „Lüge!" „Unverschämtheit!" Großer Bcisall.) Ahlwardi Hai sich auch dahin ausgesprochen, er danke Gott, daß Stoecker durchgefallen sei. (Tchlußruse und Unterbrechungen; einige Zwischenrnser sollen verhauen und hinauSgcworsen werden, in dem allgemeinen Wirrwarr kann man weder etwas hören noch erkennen). Herr Topp, der frühere Stadt verordnete, greift ebeiisalls die christlich-sociale Partei scharf an; sie könne mit ihrem beschränkten Programm nichts erreichen (Oho! Lärm!) Bading: Es ist unwahr, daß Stoecker während der 99 Tage verschwunden war(Lochen und Beifall). Redacieur Rensch wirft den Bveckeliancrii vor, daß sie i» Siegen gegen Stoecker für den NalionaUtberalen gestimmt hätten. Es biete auch ei» be trübendes und beschämende» Bild, die maßlose» Angriffe Boeckel'S gegen Ahlwardi zu vernehmen. (Tosender Beifall, Widerspruch, Lärm, Zischen und Cchlnßruse.) Alle Antliemiieil „außer dem Particiilaristcn Sigl" müßten sich zu einer Partei zusammenthun. (Beifall und Widerspruch.) Kaufmann Sedlatscheck fragt, ob Herr Boeckel Ahlwardi i» die Fraciion ausnebnien werde. Boeckcl stiebt hierauf in seinen, Schlußwort keine Auskunft, sondern ergebt sich nochmals in heftigen Ausfällen gegen Stoecker. Selbst Ahl- wardt sei zncrsi dessen Freund gewesen, jetzt sei er aber gründlich curirt. (Beifall und Lärm.) Beim Verlassen des Saales suchlcn sich die verschiedene» Parieien mit Hochrufen auf Boeckel, Ahlwardk, Stoecker und Förster gegenseitig zu übcrschrcien. — Der Kaiser empfing gestern im Lause deS Vormittags den Cbcf des GcneralslabeS Grafen v. Schlieffcn I. und den Ehcf des Militair-Cabincts v. Habnkc zum Vortrage, ferner um l l Ubr den CuIluSminister I)r. Bosse, den Präsidenten des evaiigelifchen ObcrkirchenratbcS Iw. Barkbausen, den Professor Adler und Herrn v. Mirbach. Nachmittags ent sprach der Monarch einer Dincrcinladung beim Lsficiercorps deS Lebr Jnsantcriebataillons. Heute wird der Kaiser dem Präsidium des Reichstages im neuen Palais die bei Be ginn der Reichstagstagung übliche Audienz erlbeilcn. — In der am 0. d. M. unter dem Vorsitz deS Staats- sceretairS Di. vvn Bvcttichcr abgcbaltcnen Plenarsitzung des Bilndcsrathö wurde über die Eingabe des GründungS- Comit'S der Plettcnber^cr Straßenbahn wegen Zulassung der Ausgabe von auf Namen lautenden Actien zum Ncnnwerthe von 200 über die Gesuche der „Hansea tischen Land-, Minen- und Handels-Gesellschaft für Deutsch - Südwcstasrika" zu Hamburg und des Jnnungs verbandeS „Bund deutscher Steinsetzer-Innungen" mit dem Sitz zu Berlin um Verleihung der EorporationS- rechte, endlich über das RccurSgcsuch eines Reichöbeamten gegen seine zwangsweise Versetzung in den Ruhestand Be schluß gefaßt. Der Entwurf eines Anhangs zu den Be stimmungen wegen 'Ausführung des Gesekes vom 19. Mai l89l, betreffend die Prüfung der Laufe und Verschlüsse der Hand-
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