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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930714027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-14
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Beide Male waren .8 Mandate erledigt, diesmal infolge von Doppelwablcn; cö fehlten mithin gestern nur 7 Abgeordnete bei der Abstimmung. Die Vermuthung, das; ein größerer Tbcil der nach der Heimath gereisten bayerischen Gegner der Vorlage nicht zurückkebren würde, hat sich demnach nicht bestätigt. Die Mehrheit von II Stimmen ist sehr gering und sehr geeignet, die Vertreter des neuen CurseS zu ernstem Nachdenken über sich selbst zu vermögen. Die Gegner der Militairvorlage werden nicht verfehlen, diesen Sieg als einen Pyrrhussieg zu bezeichnen und dem Grafen Caprivi vorznrechnen, daß er im neuen Reichstag kaum einen zweiten bescheidenen Erfolg werde erringen sonnen. Und die freunde der Vorlage können dieser Prophezeiung nichts Stichhaltiges entgegensetzen, denn gerade sie werden, wenn die diesmal besonders erwünschte sommerliche Stille vorübergegangen sein wird, Veranlassung nehmen müssen, mit dem Herrn Reichskanzler sich über Das auSeinander- zusetzen, waö sie an seiner Politik zu beklagen finden und was anders werten muß, wenn die bei den Wahlen zu Tage getretene allgemeine Mißstimmung beseitigt werden soll. Zunächst aber darf man sich der Freunde darüber hingcben, baß die Forderung der nationalen Sicherheit endlich und, soweit der neue Reichstag in Betracht lommt, rasch erfüllt wird. Tie noch außenstehenden Abstimmungen über die Militair vorlage werten sicher wie die gestrige auSfallen und die Schlußabstimmung wird wahrscheinlich schon morgen unseren auswärtigen Gegnern beweisen, daß in Deutschland trotz jener Mißstimmung und trotz aller Parteizcrsplitlerung noch immer eine Mehrheit sich findet, welche die schwer- errungcncn nationalen Güter opferwillig zu schirmen bereit ist. — Tie der Abstimmung über H. 1 vorher- aegangc Debatte beansprucht kein besonderes Interesse. Die Erklärung des Antisemiten Zimmermann besagte, waS man vorher wußte, daß nämlich die Anhänger Böckcl's für die Vorlage stimmen würden; jene deö neuen EentrumS- führers wiederholte die schon öfters abgegebene, durch eine zwanzigjährige Geschichte widerlegte Be- bauptung, daß das Eentrum bisher auch andere als consessionclle, richtiger ultramontane Macktzweckc verfolgt habe. Die sehr kühle Aufnahme, welche die Betheucrungen des Grafen Hompesch bei dem Reichskanzler fanden, batten sich eines wohlverdienten heiteren Beifalls zu erfreuen. Herr I)r Lieber, diesmal auf preußischem Boden, erschien natürlich i»i Eoslüm der Königs- und NeichS- treuc. Ta in dieser Jahreszeit keine Volksversammlungen slattsinden, so ist zu erwarten, daß cs drei, vielleicht sogar vier Wochen dauert, bis er sich selbst widerspricht. Die persönlichen Liebenswürdigkeiten, die der zungenfertige Herr mit dem Grafen Eaprivi auStauschte, waren zum Theil recht amüsant, jedenfalls amüsanter als die ein- sludirte Rede des in Nürnberg wohnhaften, aber nicht dort gewählten deutschfreisinnigen Herrn Beckh. Wenn man diese aufreizenden Phrasen kört und weiß, daß sie taS tägliche oratorische Brob der Richtcr'schcn in Franken bilde», so wundert man sich nicht »icbr, daß auch die Nürnberger LandtagSmandate an die Socialdemokratie verloren ge gangen sind. DaS Hauptergebniß der bayerische» Abgeortznetcnwahlc» ist die Zurückdrängung des Eentrums, das bisher von den 15!) Mandate» die Mehrheit besaß. Zn der neuen Kammer Kat eS »ur 74 Sitze und bedarf daher zu einer Mehr heit der ncugewählten 8 Vauernbündler, von denen jedoch die meisten gerade gegen das Eentrum gewählt wurde». Ob und wie weil diese neuen Erscheinungen im entscheidenden Falle mit deni Eentrum geben werten, kann erst die Zukunft lehren. Einen schwachen Trost gewährt es der auö ihrer ausschlag gebende» Stellung verdrängten Partei, daß es ihr gelungen ist, in Kcblhcint die Wahl des bekannten Ür. Sigl zu ver hindern. Ein zweiter Trost ist der, daß es auch den Libe ralen nicht gelungen ist, ihre bisherigen Sitze zu behaupte». Auch sie habe» sechs Sitze verloren, von denen bekanntlich die vier Nürnberger den Socialtemokraten zusiele». Die Liberalen kehren also nur in der Stärte von 67 Mann in die Kammer zurück. Wenn man so das Gesammtbild der neuen Kammer betrachtet, so zeigt sich ans den ersten Blick, daß keine irgend zuverlässige Mehrheit vorhanden ist, sondern daß sich immer eine Mehrheit von Fall zu Fall bilden muß. Daß dabei die Socialdemokraten den Ausschlag geben können, ist das Bedauerlichste bei der ganzen Sachlage. Zeigt sich so schon, wenn man nur die Zahlen in Be tracht zieht, ein wenig erfreuliche« Bild, so wird es noch weniger erfreulich, wenn man sich die Namen der Gewählten ansiekt. Im Eentrum sind die „Volksmänner", die demokratisch angehauchten Führer, meist wiedergewählt: unterlegen sind die politisch hervorragenderen Persönlichkeiten. Aber auch die Liberalen haben einige ihrer Führer verloren, so Erämer in Nürnberg und Professor Marquardsen. So mag man denn den Ausfall der bayerischen Wahlen betrachten wie man will, ein glücklicher und befriedigender kann er nur insofern genannt werden, als er der Herrschaft des EentrumS ein Ende macht, über die wir uns für daS nächste Morgenblatt eine Eharakteristik Vorbehalten. Der in Italien zwischen Papst und König schwebende alte Conflict, der in »euerer Zeit seine Schärfe verloren zu haben schien, ist wieder in alter Heftigkeit entbrannt. Der König macht bei Besetzung von gewissen BiSthümern von Lein ihm zustehenden königlichen Patronat Gebrauch. Zu diesen BiSthümern gehört das Patriarchat von Venedig, da« seit fast zwei Jahren, seit Eardinal Agostini's Tode, erledigt ist. Der Papst berief nun zu dieser Würde den Eardinal-Erzbischof Sarto von Mantua, der, um daS Exe quatur zu bekommen, dem italienischen EultuSministcr seine Ernennung zum Patriarchen von Venedig officiell mittheilte. Die Negierung aber versagte dem Cardmal da« Exequatur, weil er die Formalitäten nicht erfüllt hatte, die für Sitze königlichen Patronats gefordert werden. So bleibt denn noch der Posten deS Patriarchen von Venedig unbesetzt und Cardinal Sarto weiter Erzbischof von Mantua. Auch das ErzbiSthum von Bologna, daS seit einem Jahre, seit Eardinal Battaglini's Tode, ohne Oberhirten dasteht, ist mit Rücksicht darauf, daß der frühere Wiener Nuntius, Car dinal Scrafino Vannutelli, der bereits für diesen Posten vom Papste ernannt war, cS abaelehnt hat, sick von Rom zu entfernen, und lieber die Würde des Bischofs von Frascati angenommen hat. noch immer verwaist. Alle Well spricht übrigens davon, daß Vannutelli bei Leo XIII. in Ungnade gefallen sei. Ter Papst hat ihm die einträglichsten Aemter entzogen und sie anderen Cardinälen zugewicscn. Als Candidat für daS Erzbisthum Bologna wird neuerdings der Cardinal - Erzbischof Malagola von Fermo viel genannt. Ob dieser indeß der Negierung genehm ist, bleibt abzuwarten. Wie bereits telegraphisch gemeldet, bat der Sultan von Zanzibar durch eine Proclamation die Verwaltung deS Hafen gebietes von El Benadir provisorisch für drei Jahre an Italien überlassen. Da Zanzibar mit seinen Dcpen- denzen — so viel davon noch vorhanden — unter englischer Oberherrschaft steht, so ist der Sultan selbstverständlich nur eine vorgeschobene Figur; die Verhandlungen sind, wie s. Z. auch in unserem Blatte erwähnt wurde, seil längerer Zeit schon zwischen England und Italien geführt worden. Daß die Ueberlassung deS Benadir-Gcbictcs an Italien, wenn auch zunächst nur für eine bestimmte Reihe von Jakren, nunmehr thatsächlich erfolgt ist, darf als ein neuer Beweis der vortrefflichen B e - iehungen zwischen den Cabinettcn von Rom und ondon bezeichnet werden. Denn selbst gute» Freunden gegenüber pflegen die Engländer von dem, was sie cke kruto oder clo suro besitzen, sonst auch nicht einen Fuß breit preis zugeben. Bei unS hat mau unter dem neuen EurS auf die Betonung deS guten Verhältnisses zu England gewiß den höchsten Wertb gelegt und dock haben wir bei dem deutsch- englischen Abkommen wegen OstafrikaS von« Juli 1890 ein nichts weniger als glänzendes Geschäft gemacht. Versuche einer Annäherung zwischen Serbien und Bul garien sind in den letzten Jahren schon wiederholt gemacht worden, baden bisher aber noch nie zu einem greifbaren Re sultat geführt. Da ist cs denn interessant, daß soeben eine Broschüre von dem Belgrader Professor Wladimir Karic erschienen ist, betitelt: „Serbien und der Balkanbund", die den engen Anschluß Serbiens an Bulgarien fordert und Stambulow als den bedeutendsten LtaatS- mann der Balkan-Halbinsel bezeichnet. Serbien, sagt Karic, habe von Rußland nichts gehabt und nichts von ihm zu erwarte». Schon Milosch erklärte, er werde im gegebenen Momente vor ganz Europa beweisen, daß Rußland nicht Einen Tropfen Blutes für Serbien geopfert habe. Serbien mußte schreck lich büßen, daß seine Staatsmänner auf den Zar gebaut hatten. Die sogenannten intelligenten Kreise Serbiens, welche von Äossovo und Duschan'S Kaiserthnme faseln, haben Kossovo niemals gesehen, sind wahre Salontiroler in der^Politik, Oesterreichs Einfluß auf der Balkanhalbinsel datM noch aus der Epoche vor den Nemanjiden. TaS siegreiche Vor dringen österreichischer Heeressäulen bis Nisch und UeSküb befestigte diesen Einfluß, als Rußland noch von Mongolcn- Kbaiis regiert wurde. Nur in Anlehnung an Oesterreich konnte Serbien vom Belgrader Paschalik aus seine Befreiung erkämpfen, wie auch die Hauptsübrer in den Kämpfen und Karageorg selbst in der österreichischen Armee die Kriegskunst erlernt hatten. Kein Zweifel kann obwalten, daß Serbien sich dem Westen anschließen und diesem Zwecke auch die cyrillische Schrift und den alten Kalender opfern und gemein sam alle Kräfte ausbietcn müsse, damit keine Großmacht unk auch Rußland nicht sick Konstantinopels bemächtigt. Die Broschüre verdient um so größere Beachtung, als Professor Karic, ein hervorragender Radikaler, längere Zeit ein höherer Beanitcr im Ministerium deS Acußern und später Eonsul in UeSküb war und als ein gründlicher Kenner der serbischen und bulgarischen Verhältnisse gelten darf. Wir haben bereits gemeldet, daß in der jungen Republik Brasilien, welches Land seit der Betreibung seines milden Herrscher«, des Kaisers Do» Pedro kl., wie bekannt, noch nickt wieder recht bat zur Ruhe kommen können, schon wieder ein neuer Aufstand ausgcbrocken ist und daß dieser rasch um sich gegriffen hat, was oben nicht Wunder nimmt, da cs der brasilianischen Regierung an der Macht gebricht, dies aus den heterogensten Elementen zusammengesetzte, annähernd 8 361 350 O.uadratkilometcr umfassende Reich, eins der um- fangreichlten der Welt, zu beherrschen. Auch diesmal ist eS wieder die südlichste, von Argentinien, Uruguay und dem At- lantiscken Ocean begrenzte Provinz Rio Grande do Sul mit der gleichnamigen Hauptstadt, wo der Aufstand mächtig um sich gegriffen hat »nd welche vorwiegend von Deutschen und Italienern bewohnt wird. Was diesen neuen Aufstand veranlaßt hat, darüber- ist biSjetzt nichts Genaues bekannt geworden. Dock scheint, wenn man dem Bericht deS Tircctors der „Gazetta die Venezia", Macola, glauben darf, der gegenwärtig i» Brasilien weilt — und man wird dies im Ganze» wohl dürfen — dort vollständige Anarchie zu herrschen, ganz so, wie in anderen Provinzen der Republik auch. Dieser Anarchie ist danach besonders die cingewanderte Bevölkcrungwehr- loSpreisgegeben. Brand,Plllndernng.Mord, Vergewaltigung der Frauen u. s. w. werde» im größten Maßslab betrieben, und zwar nicht nur von den Aufständischen, sondern noch weit mehr von der Regierungspartei. Die Polizei macht sich ganz ungestört das Vergnügen, harmlose Bürger, die im Ver dacht stehen, Smnpatbien für die Aufständischen zu empfinden, aus offener Straße anzuschießen. So ging eS jungst einigen Professoren und Studenten der Akademie von Porto Al leg re. Noch brutaler verfuhren die würdigen Agenten der Regierung mit zwei Italienern, die gleichfalls im Ver backt standen, insgeheim Gegner deS herrschenden Systems zu sein. Die Beiden wurden ohne jeden Grund eingekcrkert und mußten schließlich, nachdem sie »och die Bastonnadc er litten, sreigelassen werden, wurden aber, kaum in Freiheit gesetzt, von Gendarmen unter Führung eines HauplmannS verfolgt und mit Bajonnetstichcu tractirt, bis sie tobt liegen blieben. Der Leiche des einen ward von den Wütbenden alsdann noch der Unterleib aufgeschlitzt; und dies Alles nur deshalb, weil die Unglücklichen Italiener waren. ES ist dies, fügt Macola bin;», in Porto AUegre binnen wenigen Monate» der vierte Mord, der ohne jede Sühne von der Regierung an Italienern begangen wurde. Und Greucltbaren, wie die erwähnten, wiederholen sich jede Woche fast täglich, auch in anderen brasilianische» Provinzen. Ist cS da nicht Pflicht der Humanität, die Aufmerksamkeit des ge bildeten Europas immer und immer wieder auf die Barbareien hinzulcnken, denen in Brasilien die Fremden, und nicht bloS die Italiener, zum Opfer fallen? Und ist eS da ein Wunder, wenn die unglücklichen Bewohner dieses Landes — zumal die Fremden — jede Auflehnung gegen eine Regierung, welche solche Greuel zum mindesten duldet, freudig begrüßen und unterstütze»? Schlimmer als bisher kann eS unter einer andere», neuen Regierung ja doch nicht werden! WaS nun den Aufstand selber betrifft, so läßt, wie nnö eben heute telegraphisch aus Berlin gemeldet wird, die brasilianische Regierung, in deren Händen sich »och der Draht befindet, zwar verbreite», der Aufstand sei schon wieder unterdrückt. Doch muß diese Nackricht mit Mißtrauen ausgenommen werden, zumal da »ns heute noch weitere mal derselben in Wider spruch stehende Meldungen vorliegen iRmach bat der Führer der Ausständische», van de» Kolk, sich in Buenos AyreS auf dem Dampfer „Jupiter" eingeschisit, mit Unterstützung anderer, zur Partei der Aufständische» gehörigen Passagiere den Befehl an sich gerissen und sich dem Hafen der Stadt Rio Grande genähert. Tic Hafenwache hat ihre Batterien gegen den Dampfer gerichtet, welcher hierauf zurückging. Die Regierung bosst mit Unterstützung der Armee und Marine, welche sich mit ihr in einer von allen Admiralen besuchte» Ver sammlung solidarisch erklärt haben sollen, diesen erneuten Versuch, eine Revolution hcrvorzurufcn, unterdrücken zu können, und will die hierzu erforderlichen Maßregeln bereits getroffen haben. Dagegen ist Nachrichten auSMontevideo zufolge daselbst die allerdings noch der Bestätigung bedürfende Fcuilleton. Lieber Klippen. 18j Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck «erböte». (Fortsetzung.) Jetzt sollte die« Alles plötzlich ein Ende haben. Sie brauchte nicht mehr für sie zu arbeiten, sick für sie zu mühen. Ter Staat batte die Sorge für sic übernommen, und wenn sie nach einigen Jahren die Anstalt verließen und in die Armee traten, waren sie Jünglinge, auf ihre eigene Kraft, ihr eigenes Talent angewiesen.... Nicht eine Erleichterung von Lasten dünkte es Lory, sondern eine Entbehrung; ihr war plötzlich, als sei sie um ein halbes LebenSglück ärmer geworden. Und dock war cs dies nicht allein, was Lory bedrückte... Wie bei Tereska, so galten auch ihre Tbränen, ibr Schmerz noch etwas Anderen, als dem ausschließlichen Trennungs- weh. — Wenn Marka Strunck es gesehen hätte, würde sie in ihrer bäuerisch philosophische» Art gesagt haben: „Wenn Viele in einem Zimmer eingeschlossen sind, drängen Alle zur Thüre, wenn diese geöffnet wird.... Auch bei Lory drängte so Manches nach Außen — Be wußtes und Unbewußtes, etwas, das sic niit klaren Augen sab, dann wieder Anderes, daran sie nicht mit Gedanken hätte rühren mögen .... WaS sic klar sah, war. daß Stefan sic liebte — und denen war sic sich nickt erst von beute bewußt, obwohl eS ibr seine Auge» noch niemals so deutlich gesagt hakten als heute beim Abschiede, wo er ihre Hand gar nicht loslassen wollte und sein ganzes Wesen den Ausdruck strahlender Glückseligkeit darüber trug, daß er ihr dienen, ihr eine Sorge abnebmen konnte. Bis jetzt hatten nur seine Blicke und Mienen gesprochen, ihr bangte, daß auch eine Stunde kommen könnte, wo er sprechen, ihre Hand begehren würde .... was dann, waS dann? Nein, sie liebte ihn nicht! Sie hatte ein Gefühl von Hochachtung für ihn, ein freundschaftliches, fast schwesterliches Gefühl, aber lieben? .... nein, sie liebte ibn nickt! Ihn nicht, aber einen Anderen — Einen, dessen ernste, bedeutende, strenggesestigte Persönlichkeit sie vom ersten Augenblick gefesselt und besten warme«, gütiges Wesen so eigentbumlick ibr Herz berührte.... Und wie warm und gütig hatte er sick ge geben, er, den die Welt hart und unerbittlich nannte! Wie offen und unverhüllt hatte er von der ersten Stunde an ge zeigt, daß ihm der Verkehr mit ihnen behagte, daß ihre Nähe wobltbucnd für ihn war. Welche Zartheit, Ehrerbietung, ja Verehrung hatte in seinem Benehmen gegen sie gelegen! Wie ein warmeS, beseligendes Licht war es allmälig vor ihr aufgeslicgen, und wenn sie sich die Stunde des Alleinseins mit ihm vergegenwärtigte, jene Stunde, wo er ihre Hand geküßt und ihr das seltsame Gcständniß gemacht halte, daß ihre Nähe wie ein Heiligthum, eine Kirche auf ihn wirke, zog ein Schauer süßer, »iegekanntcr Seligkeit durch ihr Herz. Lory's Leben konnte trotz aller Mühseligkeit, die hinter ibr lag, nickt freudlos genannt werden. Ihre selbstlose, opfer freudige Natur vereinfachte, verkleinerte Alles, und WaS Andere als unübersteigliche Hindernisse, aimmelhohe Felsen, abgrund tiefe Wege betrackict hätten, die gar nicht oder »ur mit Jammern und Stöhnen zu überwinden, waren für sie glatte, ebene Wege, über die sie spielend hinwegsetzte.... TaS Licht aber, daS so plötzlich über ihrem Haupte auf- geflammt, war ein ganz anderes als jenes, das bis jetzt auf ihrem Lebensweg geleuchtet hatte, ein Licht, so strahlend, so beseligend, so schaurig süß, so daS ganze Sein ausrüttelnd und durchströmend, daß ihr die Well und alle Erscheinungen des Lebens ganz neu, ganz anders erschienen. Aber in diese Lichtflutb jah sic jählings einen tiefen Schatten fallen. . . . Wilma Szentiwany .... Als ihr Verhängniß erschien ihr plötzlich diese Frau, und sie wußte jetzt, warum ibr Wissensdurst erwacht, warum sie einen derartigen Verkehr mit ihrem Hause anbahnte ... er — er war damit gemeint! — Und Tag für Tag konnte sie cS mit anseben, welche Mübe sie sich gab, wie sie ihre ganze Macht, ihre ganze-Liebens würdigkeit entfaltete, Persall in ihren Zauberkreis zu bekom men. Und ebenso deutlich fühlte Lory die leise Wandlung, die sich mit ihm zu vollziehe» schien Sie hätte sie nicht mit Namen nennen, sie nicht bezeichnen können, aber sie war da, wie eS die weißen, farblosen Wölkchen sind, die am Rande des Horizontes wie eine schmale Linie lagern. Reglos scheinen sie zu ruhen, kaum dem Auge sichtbar, aber mit dem Lauf der Stunden rücken sie vor, sich immer mehr verdichtend, immer mehr aiiwacksend, bis sie in ihrem dunkle» Schalten die Bläue des Himmels und die goldne Fluth des Tages begraben XVl. Acht Tage blieb Pastor Kis kort; denn er benutzte zu gleicher Zeit die Gelegenheit, einig« geschäftliche Obliegenheiten zu ordnen und Freunde und Bekannte zu besuchen, aber Keiner entbehrte seine Abwesenheit wie TcrcSka. 4 ES war ihr plötzlich, als sei die Welt verfinstert und die Natur, die in vollster Sommerprachl dastand, welk »nd ab gestorben. Sie sah schlecht aus, blaue Ringe bildeten sich um die Augen, und das frische, braune Gcsichlchen wurde bleich und schmalwangig. Lory hatte kein Arg, sie schrieb eS dem Abschiede von den Brüdern zu. Sie war noch niemals einen Tag von ihnen getrennt gewesen, es war die erste Entbehrung, LaS erste Wed ihres LebcnS, darum griff es sie so an; und Lory ver doppelte nur ihre Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit für sie. TcreSka'S einzige Zerstreuung in dieser Zeit war Marka Strunck; mit ihr konnte sie ja von ihm sprechen! So oft cS »ur ging, eilte sie in den Pfarrhof; jetzt durste sie e« »ngc- scheul thun, da Stefan entfernt wa^Dann saßen sic »eben einander und flüsterten und ercählten sick, daS heißt Marka er ähltc, und Tereska hörte :u. Es waren dies gar merkwürdige Geschichten! Der Held blieb immer ein und derselbe, die Alte fand nur immer neue Motive für ihn, und Beiee, Held und Handlung batten den seltenen Vor;ug, nickt erfunden ;u sein, und den noch seltneren — immer denselben Reiz und Zauber ausmüben Ja, bei dem Stefan batte sich schon in frühester Kindheit die seltene Güte seines Herzens offenbart. Man batte ihn für schwach und weibisch gehalten,-denn einmal konnte er sich tagelang nicht beruhigen, weil ein kleines Hündchen unvor sichtigerweise durch ibn zu Schaden gekommen war, als aber dann ein Kind ins Walter siel und er ihm nachsprang, obnc zu bedenken, daß er nicht schwimmen und ebenfalls ertrinken konnte, änderte sich die Meinung der Leute, und man fand, daß er nicht »ur ein gütiges, sondern auck ein niulbigcS und tapferes Her; besaß. Und bei wie vielen Gelegenheiten hatte er dies nicht gezeigt! Des Mädchens liebstes Plätzchen, wo sie den Erzählungen Marka'S lauschte, war da« Wohnzimmer. Es war auch ein gar trauter, behaglicher Raum! Die Wände zwar einfach weiß getüncht, aber die weinumsponnenen Fenster warfen einen grüne», dämmerigen Schein über sie. auch schmückten sic werthvolle Kupferstiche und einige Oclgemälde in kunstvoll geschnitzten Rabmen. Die Einrichtung war, wenn auch einfach, so doch hübsch und geschmackvoll, denn Stefan liebte daS Schöne, und die vielen blühenden Topfgewächse hinter den weißen Gardinen. daS halbe Dutzend munterer Zeisige und Eanarienvögelchen in den zierlichen Bauern, die den ganzen Tag sangen und zwitscherten, gaben dem wohnlichen Charakter dcS Zimmers eine» gewissen poetischen Reiz. TcrcSka ward cs immer schwer, sich von diesem Raume zu trennen, und die Augen und Lippen deS lebenden CommentarS an ihrer Seite, wußten nicht nur so schön Geschichten zu er zählen, sondern auch aus der Seele dcS Mädchens zu hole» und in Worte zu kleiden, WaS bewußt und unbewußt in ihr ruhte... „Ja, sehen Sie, Comtcßchcn, nur Eine- erflehe ich für meinen Stefan: ein liebes, gutes Weib, ein Weib, dessen Liebe gleich der meinen und doch ganz, ganz anders ist.... Eine Frau, die ihm jede» Wunsch an den Augen absieht und jedes Wort aus dem Herzen liest, die dafür sorgt, daß ihm sein sonniges, heiteres Gcniüth erhalten bleibt und ihn hegt und pflegt wie daS Lickt ihres Lebens. Ein Freund ist nur ein Freund, »nd ich bin alt und kann jeden Tag sterben. Und wenn ich so denk, daß ich abgehe» könnte, bevor er für Ersatz gesorgt bat, das würde mir meine Todesstunde furchtbar er- tchweren." Marka Strunck hatte keine Ahnung, WaS Alles durch solche Worte in dein Herzen TcreSka'S wachgeruscn wurde. Wie Lory, so hatte auck sie die Liebe hcllschend gemacht und ihren kindlichen Blick gereist; sie wußte, wem sich Stefan« Herz zugcwendet, wen er im Stillen erwählt . . . Sie litt surcktbar darunter und aus einem doppelten Gefühle. ES peinigte sie, daß sie ihrer Schwester dies Glück nicht gönnte, ihrer Lory, die bis jetzt ibr Alles war, an der sie mit schwärmerischer Liebe hing. Und doch konnte sie mit diesem Bewußtsein nickt lebe»; ohne ihn war die Welt obnc Licht, daS Dasein verödet, ei» Grab ... Sie hätte diese Liebe auS ihrem Herzen reiße» müssen »nd trank sich täglich und stünd lich daran satt, wie ein durstige- Kind an einen, süßen, be rauschenden Gifte. An dem Tage, an dem Stefan zurücktehren sollte — er hatte seine Ankunft brieflich mitaetheilt — war TereSka einige Male am Bahnhof. In der Dämmerung stand sie wieder auf dem schwach erleuchteten Perron, hinter einem breiten Pfeiler verborgen; cs war der letzte Zug, mit diesem mußte er kommen; er brachte ihn auch. Als der junge Mann, die leichte Reisetasche in der Hand, auö dem Coup« stieg, sah er sick spähend uni, und der Ausdruck der Enttäuschung in seinem Gefickt zeigte, daß er Jemand erwartet batte. Von der Dunkelheit gedeckt, folgte Tereska, und wie sie gewußt, wen sein Auge gesucht, so wußte sie auch, daß er nicht »ach Hause seine Schritte lenken würde.... Er ging hastig und
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