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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930802024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893080202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893080202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-02
- Monat1893-08
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Z. der Reichskanzler Gras Caprivi mit seinen ofsiciösen Kundgebungen über die Militairvorlage.Zwar habenUltramontane undDemokraten auch gegen Herrn Miguel und seine Pläne bereits den Kampf eröffnet, aber wa« würde von dieser Seite nicht bekämpft, wenn c« den weiteren Ausbau unserer NeichSinstitutioncn zum Zwecke hat? Der überwiegende Thcil der deutschen Presse hat dagegen das, waö über die Grundzüge des Miguel'schcn Resormprogrammes verlautete, mit Zustimmung begrüßt. Um so mehr ist eS zu beklagen, daß jetzt die „Bcrl. Polit. Nachr." mit einem weiteren Projccle hcrvortreten, das zwar Herrn Miguel nicht direct in die Sckuhe geschoben, aber doch in einer Weise begründet wird, die den Anschein erwecken soll, als handle cs sich um eine Miguel'schc Idee. Die „Berl. Polit. Nachr." führen nämlich beute aus, bei der Reichsfinanzrcform werde nicht nur das Gebiet des Be- steuerungSwescns zur Vermehrung der Einnahmen in Anspruch zu nehmen sein, sondern auch die Betriebsverwaltungen deS Reiches würden so geführt werden müssen, daß sie gleich falls das Ihrige zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben beitragen. Tann heißt es weiter: „DieS gilt insbesondere auch von der Reichs Po st - verwaltung, hinter der ja die beiden anderen Betriebs verwaltungen deS Reicks, die Rcichseisenbabncn und die Reichsdruckerei, an Bedeutung weit zurückstehcn. Wer die Reickspostvcrwaltung daraujhin prüft, ob sie die mit der Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse des Ver kehrs vereinbaren finanziellen Erträgnisse wirklich liefert, wird sich der Ueberzeugung nicht verschließen können, daß die finanzielle Seite der Verwaltung dabei nicht zu ihrem vollen Rechte gelangt. Ta- bei kommt noch weniger der Bauluxus in Betracht, der namentlich in früherer Zeit sowohl betreffs der Abmessungen als der Einrichtung der Posldienskgcbäute öfter zu be mängeln war, als vor Allem die einseitige Berück sichtigung des Gesichtspunktes, dem Pud>rcum angenehme und darum sehr populäre Er leichterungen über daS wirkliche Berkehrsbcdürf- niß hinan« auf Kosten der ReichScasse zu ge währen. Man bedenke u. A. nur vie Einrichtung deS einheitlichen Packetportos, vermöge dessen für 50 Packeie von 5 kg Gewicht von einem Ende deS Reichspost- gebietS zum andern gesandt werden können! Plan wird im Ernste nicht behaupten wollen, daß eS einem wirklichen wirtb- schasllichen Bedürfniß entspricht, von Memel bis Aachen ein Packet von 5 kg senden zu können, während das Porto auch noch nicht einmal entfernt die dirccten Selbstkosten der Beförderung deckt. Daß diese nicht bei der Post selbst erscheinen, weil die Eisenbahnen die Postwagen um sonst befördern, kommt dabei nicht in Betracht, Wohl aber, daß durch solche nicht ausreichend finanziell funda m cntirte Einrichtungen die Einnahmen der Eisenbahnen ausdeinGüt er-undselb st dem Gepäck- verkchrge schmälert werden. Wird doch jetzt vom Verein für Zonentarif direct ausgefordcrt, statt Ueberfracht für Reise gepäck zu zahlen, das nicht freie Gepäck in Form von Post- packelcn zu senden. ES ist hier nur ein augenfälliges Beispiel herausgegriffen, um zu zeigen, daß auch in der Postvcrwallung eine finanziell rentablere Wirtbschast sowohl möglich wie geboten ist. Wie die Dinge im Reiche einmal liegen, wird man sich auch den Luxus, auf Kosten der ReichScasse dem Publicum Annehm lichkeiten über das VerkehrSbcdürsniß hinaus zu bieten, nicht mehr gestalten dürfen." ES ist ja nicht zu leugnen, daß die Reichspostverwaltung bei der Einführung von Vcrkchrscrleichtcrungen ein ziemlich leichtes Spiet bat, weil die Eisenbahnen zumeist eine» erheblichen Thcil der Kosten zu tragen haben. Es ist daher auch begreiflich, daß z. B. der preußische Minister der össenllichcn Arbeiten mit den Maßnahmen dcS EhcsS der NcichSpostverwaltung nickt immer einverstanden ist oder wenigstens den Wunsch bcgt, Herr b>r. von Stephan möge die Kosten dieser Maßnahmen aus den Einnahmen seines Etats selbst bestreiten. Aber das kann auch geschehen, ebne daß mit Recht populäre Einrichtungen und Vcrkchrs- erleichterungen schwinden. Und bei solchen ist doch wahrlich der finanzielle Effect nicht daS allein Maß gebende. Sollte Herr Miguel wirklich den Grundsatz auf- Ilcllcn, daß der künftige Reicbsschaysecrelair keine Ver billigung der Verkehrsmittel dulden dürfe, die nicht sofort die Ausgaben deckt, so wird er dadurch nickt nur in Eonflict mit dem Slaatssecrctair v. Stephan gerathcn, sondern auch gar manchen Freund seiner Pläne in einen Gegner ver wandeln und der Opposition willkommenes Wasser aus die Mühle liefern. Vorläufig wollen wir annchmen, daß diesmal nur officiöser Ucbcrcifcr und osstciöseö Ungeschick vorliegt. Vielfach ist man in Deutschland der irrigen Ansicht, daß die in den baltische» Provinze» Rußland!) mit einem Feuer eifer, der einer besseren Sache würdig wäre, verfolgten protestantischen Geistlichen nicht zu Unrecht so schwere Strafen erleiden, indem man meint, diese Geistlichen hätten thatsächlich gesetzwidrig an echten Mitgliedern der griechisch-orthodoxen Kirche Amtshandlungen vollzogen. Zn Wirklichkeit verhält sich die Angelegen heit intcß wesentlich anders. Bekanntlich wurde 1863 vom Kaiser Alexander II. ein Toleranz-Edict erlassen, laut welchem für die baltischen Provinzen bei Schließungen gemischter Ehen der berüchtigte Revers über orthodoxe Kinder-Erziehung fallen gelassen wurde. Der UkaS wurde freilich nicht veröffentlicht. jedoch wurden alle maß gebenden Persönlichkeiten hiervon in Kenntnis; gesetzt. Es wurden infolge dessen fast alle Kinder aus gemischten Ehen protestantisch getauft und confirmirt, auch verließen, ohne verfolgt zu werden, einzelne Esten und Letten die Ortho doxie. Der Fanatiker Pobedonoszew aber setzte l885 beim Kaiser Alexander IU. die Aufhebung des Toleranz - EdictS durch, und zwar mit der Ver schärfung, daß dieselbe rückwirkend bis 1863 sei! Mit der denkbar größten Rücksichtslosigkeit gehen nun die Beamten Pobedvnoszew's vor und fordern sämmtliche aus gemischten Ehen stammende Persönlichkeiten und deren Nachkommen für die Orthodoxie. Hieraus cnt- spinnt sich nun ein Eonflict, wie er ernster und schmerzlicher nicht gedacht werden kann. Die protestantische Geistlichkeit hält sich sür verpflichtet, diesen Persönlichkeiten — aber auch nur diesen — gewünschte kirchliche Handlungen nicht zu versagen, während anerkannte Mitglieder der Ortho doxie selbstverständlich zurückgewiesen werden. Es ist eine Unmöglichkeit für den Seelsorger, die Vornahme einer protestantischen kirchlichen Handlung zu verweigern, weil die Großeltern ohne Revers getraut worden sind. Die russische Verwaltung scheut sich jedoch trotzdem keinen Augenblick, eine vor dem protestantischen Geistlichen geschlossene Ehe sür un- giltig zu erklären, wenn einer der Galten aus einer ge mischten reverslosen Ehe herstammt. Glücklicher Weise ist die russische Buchführung höchst mangelhaft gewesen, so daß bestimmte Fälle nur durch Angeberei zur Kcnntniß der Behörden gelangen. Eine 22 Jahre dauernde Toleranz mit allen ihren Folgen ungescheben zu machen, ist einfach asiatisch. Die protestantische Geistlichkeit aber kann hierzu schlechterdings nickt die Hand reichen und würde auch durch bloße Passivität ihrer Pflicht zuwiderhandeln, und so wird die VersolguugSwuth Pobedonoszcw's wohl noch manchem pflichttreuen Mitglicde der protestantischen Geistlichkeit der russischen Ostseeprovinzen schwere Tage bereiten. Wenn bas hochconservative Organ von Ehristiania über die Pläne der »orwrgischcn Radikalen recht unter richtet ist, so bätten die Ullmann und Genossen im vorigen Monat den Eonflict mit Schweden und der Reichsregierung absichtlich so stark zugespitzt, um bei den bevorstehenden schwedischen Neuwahlen einen starken Ausdruck von nationalem Unwillen gegen Norwegen zu erzielen. Der Rückschlag dieser Kundgebungen sollte bann dem nor wegischen Radikalismus bei den eigenen Wahlen im Sommer 18!» I zu Gute kommen, mit denen es sonst für jene Partei ziemlich schleckt ausschcn würde. Der Plan ist frivol genug, um der norwegischen Demokratie zugelraut zu werden; immerhin aber beruht er doch auf etwas mühsamen Voraus setzungen und wird wohl an der Besonnenheit der schwedischen Parteien bei den dort jetzt beginnenden Wablkämpsen scheitern. Die NegiernngSpresse in Schweden bestreitet übrigens, daß aus Anlaß der wirren norwegischen Verhältnisse und insbesondere der Eonsulatsfrage die Einberufung einer außerordentlichen NeichStagSscssion geplant sei. Diese außerordentliche Session wäre wohl dadurch zu moli- vircn gewesen, daß nach den Beschlüssen dcS norwegischen Großtbings über die Eonsulate schwcdischcrseitS eine erhöhte Ausgabe für dieselben notbwcndig ist, wenn ihr Betrieb in Ordnung gehalten wer den soll , aber die schwedische Regierung will zu diesem EndedaS sogenannte kleine Crcditiv, d. h. den Reserve fonds, verwenden und später von ihrem neuen Reichstage Indem nität verlangen. Die dortige offiziöse Presse spricht sich zugleich sür die Fortsetzung des bisherigen abwartenden Systems aus, durch das für den Nest dcS Jahres leidliche Eintracht zwischen den beiden Völkern der skandinavischen Halbinsel er hallen werden könne; würden aber nach dem Jahreswechsel in Stockholm der ordentliche Reichstag und in Ehristiania daS Großthing wieder versammelt sein, dann werde man von Seiten der schwedischen Negierung wie der Volksvertretung den norwegischen llebcrgriffcn entschlossen entgegen treten müssen. Die Stimmung ist in Schweden gegenüber dem ungezogenen „jüngeren Bruder" mit Recht ziemlich erregt, um so schwieriger wird cs sei», zu vcrbüten, daß die Kluft zwischen beiden Brudcrrcichen sich nicht ncch erweitere, und da ist es aller dings wohl daS Beste, wenn die Regierung Zeit zu gewinnen sucht, damit die erregten Brüder in Schweden wie in Norwegen einander nicht noch mehr in die Haare gerathen. Der Anklage-Antrag gegen daS gestürzte liberale Ministerium Ava kumovitsch ist, wie bereits telegraphisch gemeldet, von der serbischen Skupschtina mit allen gegen eine Stimme an den Untersuchungs-Ausschuß verwiesen worden. Auch ^ie der Fortschrittspartei angehörigcn Mitglieder der Skupschtina haben nicht gegen die Zuweisung an de» Ausschuß gestimmt, sondern begnügten sich, ibren Standpunct als Opposition durch die Abgabe leerer Stimmzettel zu markiren. Ja, der Führer der Fortschrittspartei, Gar a> chani n, forderte ausdrücklich eine Eorrectur deS Sitzungsprotokolls in dem Sinne, daß er nickt gegen den Anklageantrag gesprochen habe. Diese Haltung der Fortschritts partei zeigt deutlich, daß sie dem Anklageantrage die sachliche Be rechtigung nicht bestreitet, wenn sie auch in Betreff des Vorgehens in dieser Angelegenheit ihre besonderen Ansichten hat und der Anklage hauptsächlich eine weitere Ausdehnung auf noch andere Personen verliehen sehen möchte. Von den zwölf Mitglieder» des Untersuchungs-Ausschusses sind neun Juristen, thcil« Advocaten und tbcil« GerichtSpcrsonen, zwei sind Kaufleute, und nur eine«, Ranko Tajfit sch, gehört dem bäuerlichen Elemente an. Die Angelegenheit liegt also ganz in den Händen von Juristen und muß überhaupt nach den Vorschriften de« Minister-VerantwortlichkeitS-GesetzeS behandelt werden, daS die weitgehendsten Cautelen für ein gerechte« und unpar teiische« Verfahren bietet. Obwohl die Skupschtina den An klage-Antrag bereit« angenommen hat, muß sie darüber, nach erfolgter Berichterstattung seitens de« Untersuchungs-Aus schusses, noch einmal mit Zweidrittelmajorilät Beschluß fassen und dann erst gelangt die Angelegenheit vor den StaatS- gericktshof, in welchen die zwei höchsten Staatskörperschaften, der StaatSratb und der oberste Gerichtshof de« Lande«, je acht Mitglieder durch da« Loo« entsenden. Erst nachdem der StaatS- gcrichtshof die Untersuchung nochmals streng nach den Be stimmungen der Ttrafproceßordnung durckgesührt hat, kommt cs endlich zur öffentlichen Schlußverhandlung und zur UrtheilS- sällung. Angesicht« tiefer streng umschriebenen und vielfach vcr- clausulirten Prccebur können Gesinnungen der Partei lichkeit oder gar Rachczesühle auf den Gang de« Verfahren« nicht den mindesten Einfluß nehmen, so daß ein durchau« objcctiver Verlauf der Angelegenheit in allen Stadien aus reichend gewährleistet erscheint. Die Skupschtina tritt übrigen«, wie uns telegraphisch gemeldet wird, heute zu einer außer ordentlichen Session zusammen, um über den Bericht de« parlamentarischen Untersuchung« - Ausschusses betreff« der Ministeranklage zu entscheiden. Neben der Person des Khcdive hat neuerdings in A««- ftantiuo-cl, wo er gleichzeitig mit Abbas Pascha verweilte, der türkische Obercommifsar in Aegypten, der in seiner Stellung beiläufig jetzt ein Monatsgehalt von rund 19000FI. österreick. Währung bezieht, Ghazi Muktar Pascha, die Aufmerksamkeit der politischen Kreise in hohem Grade auf sich gelenkt. Die Meldung, daß die Pforte die Absicht hege, Muktar Pascha seine« Posten« zu entheben» so daß derselbe gar nicht mehr nach Aegypten zurückkehren werde, wird durch die feststehende Thatsachc widerlegt, daß der Obercoiiimissar zusammen mit dem Khedive die Rückreise augetreten bat. Wa« Muktar Pascha selber betrifft, so würde er allerdings, wie schon bei einer früheren Gelegenheit an dieser Stelle auögeführt wurde, wünschen, seine jetzige Stellung mit einer seinem Range entsprechenden in Stambul zu vertauschen, und er soll dielen, Wunsche an läßlich seiner jetzigen Anwesenheit in der türkischen Haupt stadt an maßgebender Stelle abermals Ausdruck gegeben haben. Allein seine Bitte wurde, allerdings in der gnä digsten Form, abgeschlagen, und so ist er denn wieder nach Kairo zurückgekcbrt und wird seine Laufbahn wohl in Egypten beschließen müsset», denn er ist durchau« keine porsourr x-rata am Bosporus. Jedenfalls würde e« Mühe kosten, für ihn hier einen seiner Persönlichkeit und Bergangcnbcit entsprechenden Wirkungskreis ausfindig zu machen. Bezeichnend ist in dieser Beziehung da« paradox klingende, aber treffende Wort eine« hohen türkischen Staats mannes: „Wenn der Posten am Nil nicht bestände, dann müßte man denselben sür Ghazi Muktar Pascha erfinden. Denn da« ist bei den Verhältnissen am BoSporu« die passendste Stellung für den einen „Ghazi" des letzten russischen Feld züge«, so wie für den zweiten „Ghazi" OSman Pascha e« der äußerlich bohr Posten eine« Palast-MarschallS ist." Ferner darf bei der Bcurtheilung der Frage nicht übersehen werden daß die Pforte sich seinerzeit erst dann zur Entsendung eine^ Commissar« nach Egypten entschloß, nachdem Englan^ Feurlletsn. In -es Reiches Ostmark. «I Roman von B. W. Zell. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ein leises Lächeln spielte um die Lippen de« Grasen. „Be dingungen? Welche könntest Du zur Zeit erfüllen, alter Freund? Ich übergebe es Dir als Eigenthum, die Kaufsumme schreiben wir vorläufig gut, bis Du einst in der Lage bist, sic mir zu zahlen oder wenigstens zu verzinsen — alles daS ist ja nebensächlich und soll Dich nie drücken. Ick biete Dir und Deiner Familie also ein Heim — nimmst Du cs an? Andere Hilfe hast Du in Deiner Lage kaum zu erwarten." Endlich schien doch in Leczynski eine Ahnung auszudämmern, daß es wahrhaft königliche Großmulh sei, die der Jugend freund ihm mit so einfachen Worten bot. Ein weinseliges Schluchzen brach über seine Lippen und er stand auf, um Pod- bielski mit täppischem Ungestüm zu umarmen und wiederholt auf Stirn, Mund und Schultern zu küssen. „Du bist gut, Herzensbruder — o, Du bist gut und groß- müthig! Alle Heiligen mögen es Dir lobnen. Immer noch haben sich die Podbiclökis königlich nobel gezeigt und —" Der Graf hatte vergebens versucht, den stürmischen Dank sagungen deö halb Trunkenen zu wehren. Jetzt wurden die selben von außen her unterbrochen, den» die Thür zum Seiten gemach wurde geöffnet, und in derselben zeigte sich ein er greifendes Bild. In einem Fahrstuhl, gestützt und halb ver hüllt durch Kissen und wollene Decken, lag eine bleiche, ab gezehrte, greisenhafte Frau, zwei dunkellockige blühende Machen von 12 und l l Jahren waren bemüht, den Fahrstuhl in das Fremdenzimmer zu rollen, und hinter dieser rührenden Gruppe ragte Juza's hohe, schlanke Gestalt empor, die ein herziges rothbackigeS Bübchen von etwa neun Jahren an der Hand führte. „Meine Familie", sagte Leczynski bewegt, gleichsam ver stellend, und das Schluchzen, daß ihm schon vorbin so nabe gewesen, überwältigte ihn so, daß er wieder in seinen Stuhl zurücksank^Ein halb zürnender, balb verächtlicher Blick Iuza'S streifte ihn, sie sah, daß die Weinflasche geleert war, und wußte somit, was diese Rührung zu bedeuten habe. PodbielSti aber neigte sich tief erschüttert über die Kranke, die ihm au« erloschenen Augen wehmüthig entgegcnblickte. Dann reichte sie ihm mühsam die wachsbleiche, knöcherne, zitternde Hand, die er höflich mit den Lippen berührte. Dem rede gewandten Weltmann fehlte bei diesem traurigen Wiedersehen das rechte Wort zur Begrüßung. Was hatten Krankheit und Gram aus der blühenden, schönen Frau gemacht, die er als glückliche junge Mutter, madonnenhaft strahlend, zum letzten Mal gesehen! Und Frau v. Lcczynska war doch kaum vierzig Jahre! Nun sprach sie. Flüsternd, stockend, halb unverständlich sielen die Worte von ibren Lippen. „Willkommen, Graf! Sie erscheinen mir wie ein Bote aus einer fernen, längst verklungenen Welt. Es ist edel von Ihnen, daß Sie sich rer alten Freunde, die im Elend sind, nicht schämen — die meisten anderen bleiben seit lange unserer Schwelle fern." „Aber gnädige Frau — das müssen schlechte Freunde sein, und zu ihnen werden Sie mich nicht rechnen", cntgegnete Pod- bielSli, sich theilnehmend zur Kranken nicderbcugend. „Auch sehen Sie zu schwarz — nicht Trauriges allein schaut deS GasleS Blia in Ihrem Hause — wer von so viel blühender Jugend, so rührender Kindesliebe umgeben ist, sollte nicht ganz verzweifeln." Da stürzten plötzlich auö den erloschenen Augen der tot kranken Frau heiße Thränen, und flehend hob sie die bebenden Hände empor. „O, um dieser blühenden Jugend willen, Graf ikaver. er barmen Sie sich unser! Sie wissen, wie cs um uns steht, Sie können helfen — werden Sie unser Retter!" Podbiclski war tief bewegt; sein Herz wallte freudig auf, daß er hier schon geholfen hatte — aber über seine Lippen ließ sich diese Versicherung nicht zwingen. Hätte es doch ge schienen, alb ob er damit den Dank der geretteten Familie herausfordcrn wolle. Während aber aller Blicke voll Spannung und Sorge an seinem Antlitz hingen, kam ihm Leczynski zu Hilfe, indem er zur Kranken trat und beschwichtigend sagte: „Rege Dich nicht auf, Malwina, Theure — unser Freund hat uns bereits großmülhig wie ein König die rettende Hand geboten. Lcczyce freilich ist für uns verloren, aber der Graf bietet uns in Zilkowo, das er mir abtritt, ein schöneres Heim, auf dem wir sorgloser leben werden als bisher." „Ist eS war?" stammelte Frau v. LcczynSka zweifelnd, zu Podbiclski hinüberschauend. Dieser nickte stumm, und die Dulderin faltete die Hände wie zum Gebet. „Dem Himmel sei heißer Dank — er hat das Flehen einer Mutter für ihre Kinder erhört und Wunder gewirkt! und wie froh, froh aus tiefster Seele bin ick, dies Haus verlassen zu können — nur Unheil, Gram und Sorge hat darin ge wohnt. Wir empfangen unser neues Heim aus den Händen eines so edlen Menschenfreundes — vielleicht leuchten uns dort gute Sterne!" „Das mögen alle Heiligen walten!" sagte der Graf, ernst daS Haupt neigend. Dann umringten ihn die Kinder, um auf der Mutter Geheiß dem Gast zu danken, obschon sie in ihrer glücklichen Sorglosigkeit kaum wußten, wofür sie zu danken hatten. Aber Juza wußte eS; sie trat zuletzt auf ihn zu und reicht^ ihm mit einem strahlenden Blick die Hand. „So habe ich Sie mir gedackt, Graf Podbiclski!", sagte sie einfach. In Wort und Blick aber lag eine Welt voll Verehrung. III. Graf kavcr hatte daheim sein Mittagessen eingenommen und dann, ermüdet von dem weiten Ritt nach Lcczyce, gegen seine Gewohnheit eine Stunde geruht. Von Wladimir war auch jetzt noch kein Lebenszeichen" eingetroffen, und der Gras setzte sich eben an den Schreibtisch, um einen eindringlichen, energischen Brief an den Sohn zu schreiben, als Ignaz cin- trat und meldete, daß der Pfarrer von PodbielS gekommen sei, den Schloßhcrrn zu begrüßen. Der Graf stand sofort auf. „Es ist ja wohl ein junger Vicar, der unseren verstorbenen würdigen Probst provisorisch vertritt und der staatlichen Be stätigung wartet?" fragte er. „Ganz recht, Herr Graf. Ich berichtete seiner Zeit von diesem Wechsel nach Paris." Der Herr von PodbielS nickte und schritt voran in das Empfangszimmer. Hier trat ihm unter ehrfurchtsvoller Ver neigung ein hochgewacksencr junger Mann in langem schwarzen Rock entgegen, wie ibn die katholischen Geistlichen in Polen außerhalb ihrer kirchlichen Functionen zu tragen pflegen. Graf laver wars einen prüfenden Blick aus das Gesicht de« jungen Priesters. Es war von edlem Schnitt und durch sichtiger Kläffe, große, dunkle, schwärmerische Augen lorcrten darin. Schwarzes, gelocktes Haar, in dessen Fülle die Tonsur fast oerschwand, umgab die schmale, schön geformte Stirn, und Hände und Füße waren von einer selbst bei den Polen ausfallenden Kleinheit. Der Graf, innerlich befriedigt von dem Ergebniß seiner Prüfung, reichte dem Gaste die Hand, und dieser nahm aus de« Grasen Einladung Platz und sprach mit klangvoller Stimme in einfach herzlichen Worten seine Freude darüber aus, daß eS ihm vergönnt sei, dem Grafen Podbiclski, dessen Namen er schon seit seinen Kindertagen nur mit Ehrfurcht nennen gehört, endlich einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Der Graf winkte abwehrend mit der Hanv. „Mir scheint, Hochwürden, es hat sich hier ein vollständiger Sagenkreis um mich gebildet! Ich habe durch nicht« die Ver ehrung verdient, welche man mir entgegcnbringcn zu wollen scheint. Nicht einmal ein guter Patriot im «sinne meiner Landsleute bin ich, denn ick vermag ihre Illusionen in Bezug auf Wiederaufrichtung eine« souveraioen Polenreichc« nicht zu theilen und würde auch keinerlei Opfer mehr für diese Bestrebungen bringen." „Aber man sagt Ihnen nach, Herr Gras, daß Sie in Ihrer Jugend ein glühender Apostel jener Illusionen waren und als der Erste auf dem Schlachtfelde kämpften." „In der Jugend — ja! Wer kämpft da nicht begeistert sür erhabene Ideen, Hockwürtcn? Aber die Resultate aller dieser Kämpfe — Ausruhr nannte sie unsere Regierung — haben mich gelehrt, unsere Wünsche nicht auf da« Unmögliche zu stellen, unsere Kräfte nicht einer verlorenen Sache zu weihen. Wer hat Sie übrigens in die Mysterien meiner Jugend — ich will nicht sagen „Streiche", sonst köpfen mich unsere Patrioten am Ende! — eingewciht?" „Ein erlauchter Gönner, dessen Lippen nun leider ver stummt sind", cntgegnete der Geistliche fast feierlich. „Bischof StefanSki, Herr Graf, hatte oft die Gewohnheit, mit mir von Ihnen zu sprechen." Podbiclski fuhr überrascht auf. „Ah, Bischof Stefanski, mein Freund! Sie standen in Begebungen zu ib»>?" „Ich hatte während seines letzten Lebensjahre- da- Glück, als Vicar des DomcapitelS unmittelbar unter seinen Augen wirken zu dürfen." „Und wurden jedenfalls besonder- von meinem verehrten Freunde begünstigt. Er wäre sonst nicht mit Ihnen in das Reich seiner Erinnerungen hinabgestiegen und hätte meiner gedacht." „Ter bochwürdigste Bischof war der ganzen, ihm unter stellten Geistlichkeit mehr ein Freund, denn ein Vorgesetzter", entgcgnete der Vicar warm. „Was mich betrifft, so ward mir allerdings obne mein Verdienst die Hobe Gunst zu Theil, zum vertrauten Verkehr des hockwürdigeu Manne- zugezoge» zu werden."
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