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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930823018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893082301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893082301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-23
- Monat1893-08
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BezugS-PreiS G, d« Hanptexpeditto» oder den im Stadt bezirk »ad d» Vororte» errichtete» L»S- -abrstelleo abgeholt: vierteljährlich^ILO, sei twrtamltger täglich« 8»st«ll»»g in« Huch bchü. Darch dt« Post bezogen für Dentfchland »»d Oesterreich: vlerreliahrlich >l S.—. Direct, täglich, Kreuzband,eubnng t»< Ausland: owuatlich 7ckO. Lrdüctto« «»- Erpe-Vio»; -»tztMXssafi« 8. Dir Arvrditio» ist Woche»tagt nnnnterbroche» m» stckh « »ch >b«d» 7VH^ /Uiale»: Vit« ««mo s Parti». (Alfred -OtzAjb U»t»«fi1ächftrab« 1. L.nl» As»«. Kethariaenstr. 14. part. a»d kä*ig»pl«tz 7. Morgen-Ausgabe. Altzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Arizeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclame» »ater dem RedactiooSstrich (4ge- jpallea) 50^, vor de» Familien nachrichte» (6 gespalten) 40/-. ErStzere Schristrn laut unserem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarif. 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Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgt. Arumbiegel. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebene Lieferung und Aufstellnng de» eisernen Oberbaues für den Elfterbrückcn-Nenba» in Lripztg- Kletnzfchocher, sowie die Ausführung der erforderlichen Mara- damtfirungsarbeike« haben wir vergeben. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden daher auS ihren Angeboten entlassen. Leipzig, am 19. August 1893. Id. 8767. Der Rath der Stadl Leipzig. vr. Georgi. Eberle, Res. Bekanntmachung. Nachdem wir dem hier wohnhafte» Kaufmann« Herrn Bernhard LlroienS Johannes Klinger am heutigen Tage Eoncession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Auswanderern nach überseeischen Häsen und Abichließung von Ueber- fahrtSverträgen im Aufträge de» obrigkeitlich concessionirten SchissS- e^pedienien Eduard Ichon in Breme» erthetlt haben, bringen wir die- zur öffentlichen Kenntniß. Leipzig, am 17. August 1893. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi.Sasselt. Steuer-Zuschlag zur Deckung des Aufwandes der Handelskammer. Die Handelskammer hat beschlossen, zur Deckung ihre» Ver waltungs-Aufwandes, einschließlich des Aufwandes der Börse, von denjenigen Kauflenten und Fabrikanten ihre- Bezirks (Stadt und AmtShauptinannschast Leipzig), welche in Spalte ä de» Ein- kommensteuer - Katasters (Einkommen aus Handel, Gewerbe rc.) mit mehr al» 1900 >l «iugeschätzt sind, für das laufende Jahr «inen Steuer-Zuschlag von vier Pfennig anf jede Mark desjenigen Steuersätze», weicher nach der in 8- 12 de- Einkommensteuer Gesetzes enthaltenen Scala aus daS in Spalte ck der Einkommen steuer - Katasters eingestellte Einkommen jede« Beitragspflichtigen entfallen würde, mit dem auf den 8V. September d. I. an stehenden Hebctermin erheben zu lassen, und e» wird dieser Zuschlag hiermit ausgeschrieben. Leipzig, den 21. August 1893. Der Vorsitzende der Handelskammer. In Stellv.: Paul Basjenge. vr. Gensel, S. Städtische Sparkasse Beleiht Werthpaptere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, deu 22. August 1893. Die Sparcaffen-Teputattan. Bekanntmachung. Die Lenchtkrast des städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom 14. biS 20. August diese» Jahre» im Argandbrenner bei ISO Litern stündlichem Konsum da» 18,7 fache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von SO Millimeter Flammenhüh«. Da» specifische Gewicht stellt sich im Mittel aus 0,426. Leipzig, am 21. August 1893. Des Raths Deputation zu den Gasanstalten. Bekanntmachung. Sonnabend» den 20. August er., von Vormittags 10 Uhr an soll im Geschäftszimmer de» Proviantamtes zu Leipzig, Pleißen- bürg, ThurmhauS, 2. Stock, eine Partie Roggenkleic, Kehrmrhl und Salzsäcke öffentlich an den Meistbietenden gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, am 23. August 1893. Königliches Proviant-Amt. Das Volk „an -er Spitze -er Civilisation". so. Es war kein »Seutone", noch sonst ein Fremder, der von dem Franzosen sagte, er gliche „halb dem Tiger, kalb dem Affen", eS war Voltaire, selbst mit >eder Faser ein Franzose und der schärfste Beobachter, den diese- Volk hervorgebracht hat. Die Charakteristik war zutreffend, lange ehe der Weise von Ferne» sie formulirte, und sie ist e- vi- auf den beutigcn Tag gevlieben. Augenblicklich, nach dem die Affen-BurleSke der Verfolgung beS StaatSgaunerS Arton kaum bekannt geworden, ist die Tigcrnatur wieder vor herrschend. Die Blutmenschen von AigueS-MorteS tragen für ihre Unthaten nicht mehr allein die Berantwormng, die französische Nation hat ihnen durch die Art, wir sie den Massenmord beschönigt, den größeren Theil der ungebcuren Schuld abgenommen — die Nation und ihre Organe. Hospi täler, also öffentliche Anstalten, verweigern den durch ihre Landsleute verwundeten Fremden acht Stunden hindurch die Aufnahme, den rettenden Verband, das kühlende Naß in der mörderischen Hitze dieser Tage! Diese Grausamkeit ist eine Eigenthümlichkrit der an der Spitze der Civilisation mar- schirenden Nation, sie findet ihre« Gleichen nur in den Bestiali täten französischer Soldaten gegen deutsche Todte und Verwundete, von denen amtliche Aktenstücke de« Jahre« 1870 reden, und in jenem die Menschheit schändenden Nachspiel einer Schlacht in Tonkin, dessen Helden gleichfalls französische Krieger gewesen sind. Die auf Fernhaltung fremdländischer billiger Arbeitskräfte gerichteten Bestrebungen sind an sich in unseren Tagen nicht» Ungewöhnliches. In England genießt die Bewegung gegen den Zuzug russisch-jüdischer Handwerker die Sympathie der Staatsbehörden, Amerika hat die Einwanderung im All gemeinen beschränkt und den Chinesen grundsätzlich sein Gebiet verschlossen, e» hat in diesem Lande auch nicht an Gewalttbätigkeiten gegen zu unverhältnißmäßig niedrigen Löbnen arbeitende ungarische Grubenarbeiter gefehlt. Aber obgleich diesen Kategorien zum Tbeil eine in sanitärer Hinsicht geradezu gemriogefährlich« Lebenshaltung zum Vorwurf gemacht werden kann und die Chinesen wegen ihrer Lasterhaftigkeit der allgemeinen Verachtung anheimgefallen waren, ist daS im Vettbewerb gewiß nicht rücksichtsvolle Amcrikanerthum nicht o tief gesunken, die Regulirunz des Marktpreises der Arbeit >urch Flinten und Revolver zu billigen oder auch nur zu cnt- chuldigen. Freilich kommt bei den materialistischen Dollarlägern nicht daS „ideelle" Moment inS Spiel, das den Franzosen die Abschlachtung armer Arbeiter im Lichte einer nationale», weil gegen Angehörige eines DreibundsstaalS gerichteten Großthat erscheinen läßt. Vielleicht ist im Versailler Kaiser- Proclamationssaal noch Platz für ein diese neueste „gloiro äs Francs" verherrlichendes Gemälde. Dort wäre auch die würdige Stelle für das Bildniß des Mitarbeiters deS „Soir", der es fertig bekommen bat, durch die Behauptung, daß die italienischen Entrüstungskundgebungen daSWerk von „Agenten Capr > vi' S" seien, den Deutschenhaß auch aus dieser Angelegen heit zu alimentiren. Denn diese Leistung ist wirklich alorioS. Mit welcher peinlichen Sorgfalt die deutsche Neichs- regierung trotz derartiger Provocationen eS vermeidet, den Tiger zu reizen, erzieht sich auS folgender hochofsiciösen Notiz, die der „Köln. Ztg." aus Berlin zugeht: „Wie wenig gerecht fertigt die von französischer Seite erhobene Anschuldigung ist, daß Deutschland mit den Vorgängen in AigueS - Mortes oder in Nom in irgendwelcher Verbindung stehe, ergiebt ich am besten aus der Thatsache, daß die deutsche Diplomatie bisher die strengste Zurückhaltung ge zeigt und es sogar vermieden hat, ihre Ansicht zu äußern. Deutscherseits wünscht man nichts mehr, als daß der Zwischen fall eine befriedigende Lösung finde. Einstweilen be trachtet man den Fall so, als ob eS sich um einen von traurigen Folgen begleiteten Ausbruch von Volksleiden- chasten handle, dem von der französischen Regierung durch unparteiische Bestrafung der Schuldigen die Spitze ab gebrochen werden könne. In Anbetracht des Umstandes, daß die Vorgänge in Aigues-MorteS nickt nur internationale, sondern auch socialrevolutionaire Bedeutung baden, scheint eS im entschiedenen Interesse der französischen Regierung zu liegen, mit allen Kräften auf eine gerechte Beilegung hinzuarbeiten." Eine zartere und delikatere Antwort auf eine freche Ver dächtigung und ein wohlwollenderer Hinweis auf daS einzige Mittel zur Beilegung des Zwischenfalles sind kaum denkbar. Die französische Regierung hat diese» Mittel in An wendung gebracht und dadurch unabsehbaren Folgen vvr- gebeugt. Aber sie wird nicht verhüten können, daß die Vor gänge von AigueS-Mortcs und Alles, was sich an sie knüpft, unvergessen in Deutschland und besonders in Italien bleiben. Die Italiener müßten wirklich Fischblut in den Adern haben, um angesichts solcher Ruchlosigkeiten, wie sic an ihren wehr losen Volksgenossen von den französischen Vorkämpfern der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in AigueS-MorteS ver übt worden sind, gleichmüthig zu bleiben. Was der Tele graph über stattgehabte antifranzösische Kundgebungen in Italien gemeldet hat, giebt, wie uns auS Rom geschrieben wird, nur ein sehr unvollständiges und avgeblaßtes Bild des wirklichen Zustandes der öffentlichen Meinung wieder. Nun ist eS gewiß nicht Sache deS Telegraphen, noch der von ihm bedienten TagcSpresse, sofern beide sich der Verantwortlichkeit ihres publicistischcn Amtes be wußt sind, Oel inS Feuer zu gießen. Allein eS kann gar nicht schaden, wenn die Berichte der genannten JnsormationS- organe durch private Mittheilungen wahrbeitSgemäß ergänzt werden und wenn solchergestalt den Franzosen einmal recht eindringlich zu Gemüthe geführt wird, welch ungeheure Gefahren für die Erhaltung der inter nationalen Beziehungen ihre laxe Handhabung von Gesetz und Ordnung mit sich bringt, sobald die Wohl- tbaten derselben auch anderen Leuten al- den Bürgern der Republik selber zu Theil werden sollen. Die Politik der europäischen Großmächte und, wie gern zugegeben sein mag, auch die amtliche Politik Frankreichs hält sich von kriege rischen Belleitäten grundsätzlich und bis jetzt mit Erfolg fern. Allein daS Vorhandensein einer permanenten Kriegsgefahr wird Niemand ableugnen, der Einsicht in die den Gesammtcharakter der allgemeinen Lage bedingenden Umstände yat und ehrlich genug ist, die Wahrheit zu sagen. Jene Permanenz der Kriegsgefahr, die wie ein Alp anf Europa lastet, beruht aber hauptsächlich auf dem Widerstreben der Gesammlheit der Franzosen, sich ehrlich auf den Boden deS Frankfurter Friedens vertrage» zu stellen. Ihre innersten Herzenswünsche gellen dem Nicderbruchc der deutschen und der italienischen Staatöe,»- heit. Wenn Frankreich gegenüber Deutschland sich einstweilen möglichst zurückhält, glaubt es sich dafür auf Kosten Italiens schadlos ballen zu können. Diese Erkenntniß hat in den italienischen Grmuthern schon seit geraumer Zeit einen reich haltigen Fonds von Erbitterung gegen den Uebermuth des nordwestlichen GrenznachbarS angehauft; jetzt bat diese Er bitterung eine Stärke erreicht, die durch keine Genugtbuung gemildert werden kann. Auch Italien hat die Tigernalur Frankreichs kennen gelernt und wird in alle Zukunft sich bewußt bleiben, daß eS einer solchen Natur gegenüber nur eine vernünftige Politik giebt: die Politik der Vorsicht und der blanken Waffen. Deutsches Reich. L Berlin, 22. August. Seitens der Centrumssührer demokratischer Observanz war bei Erledigung der Wahl gesetz-Novelle im Abgeordnetenhaus den Conservativen, der Negierung in Preußen und, was selbstverständlich, auch den Mittelparteien ein schonungsloser LandtagSwahl- kampf angesagt worden. DaS klägliche Fiasko, welches die CentrumStaktik in jener kritischen Astaire erlitten bat, scheint in der Thal noch nicht verwunden zu sein. Der blinde Zorn treibt die ultramootane Presse immer auf- Neue dazu, die Verschiebungen in dem Verhältniß der drei Wählerclaffen, wie sie sich unter der Herrschaft de» neuen Einlommensteucr- aesetzeS und der Wahlgesetz-Novelle gestaltet haben, zur Sprache zu bringen. Der leidenschaftliche Ton. in dem dann bei jeder Gelegenheit dreingesabren wird, ist vollkommen getreu dem bekannten Feldzug Gladstone'S gegen die „bulga rischen Gräuel" nachgebildet. Wenn ein mit den preußischen Verhältnissen wenig vertrauter Ausländer diese Ergüsse über die preußischen WahlrechtSgräuel vernimmt, muß er noth- wendig zu der Vermuthnng kommen, daß die preußischen Politischen RechtSznstände gerade schlecht genug wären, um mit Feuer und Schwert auSzerottet zu werden. Bei näherer Würdigung der Zustände gewinnt man allerdings ein merk lich anderes Bild. Es sind zunächst immer wieder die selben rheinischen Stadtgcmeinden, die als Beispiele der inneren kttroeitie» voraeführt werden, — wobei man un willkürlich an daS Bismarck'sche geflügelte Wort von den Statisten in der „Jungfrau von Orleans" erinnert wird, die immer als neues KriegSvolk über die Bühne marschiren. Sieht man noch genauer zu, so ergiebt sich weiter, daß die angeblich so laut zum Himmel schreienden Zahlen beispiele in der Hauptsache gar nicht das Landtagswahlrecht betreffen, sondern lediglich daS communale Wahlrecht in jenen rheinischen Stadtgemeinden. Also die „harrenden Folgen" des neuen Wahlgesetzes schränken sich, soweit in der Thal unverbLltnißinäßig große Verschiebungen stattgcfundcn haben, auf das Wahlrecht der communalen Wäl-lcr in den rheinischen Städten ein. Gerade an diesem Puncte war aber eine solche Verschiebung als unvermeidlich vor bergeschen worden. Im übrigen Preußen wird dem einzelnen Wähler der Werth seines AntbeilS am Dreiclassen-Wahlrecht nach der gesammtcn Leistung an directen Steuern bemessen, im Rheinland waren bislang nur die staatlichen directen Steuern dafür angcrechnct. Nun ist durch da» neue Gesetz gleiches Recht für Alle geschaffen, und das mußle nolhwendig zur Folge haben, daß in mehreren rheinischen Städten, wo die vermögenden Elasten in außer ordentlicher Höhe mit Gemeindesteuern belastet sind, jetzt auch deren Antbeil am Wahlrecht entsprechend höher be messen wurde. Man kann darüber im Zweifel sein, ob es nicht im Interesse der socialen Beziehungen besser ge wesen wäre, auch hier für die Dauer deS Provisoriums gegen allzugroße Verschiebungen vorbeugende Bestimmungen einzuflechten. Aber vom Slandpunct des formalen NecklS, als dessen Hüter ja sonst daS Cenlrum sich zu aller meist geberdet, war die gleiche Behandlung der gleichen Bcsitzclasscn durch die ganze Monarchie ein unanfechtbares Gebot. Der Gesetzgeber halte es einfach zu erfüllen. Also den starken Verschiebungen in den rheinischen Städten, wo nun die Machtbegicr deü UltramontanismuS den communalen Boden sich auf absehbare Zeit entzogen sieht, — steht gegenüber, daß im ganzen übrigen Preußen daS communale Wahlrecht so ziemlich dasselbe geblieben ist; wenigstens scheinen die Schwankungen nach oben oder unten nirgends erheblich von der bisherigen DurckschnittSlinie abzuwcichen. Die erste Classe giebt vermutblich an der einen Stelle >/,—Proc. der sämmtlichen Wahlberechtigten an die zweite Classe, diese viel leicht 2—5 Proc. an die dritte Classe zurück, an der anderen Stelle mag eS auch geschehen, daß geringe Proccntc der Wählerschaft in die höhere Classe cmporsteigen. Die- Alles hat aber nur Bedeutung, so lange die Einkommensteuer bereits einen Betrag von 45 Millionen cinzicht, der 'um Erlaß von staatlichen Nealsteuern verwendet werden oll, — ohne daß dieser Erlaß schon durchgeführt ist. Ein völlig klares Bclv deS dauernden Zustande» läßt sich natürlich erst gewinnen, wenn die ErgänzungSstcucr zwar noch weitere 35 Millionen cinfordert, dafür aber 100 Mil lionen an Nealsteuern erlassen werden, — also vom 1. April 1895 an. Und der sestgesügte preußische Staat wird für diese kurze Zeit von anderthalb Jahren eS wohl noch er tragen können, daß in den rheinischen Staolgemciiidcu die vermögenden Elasten mehr als stark genug sind, de» An sturm der CcntrumSdcmokratie auf die communale Mach» zurückzuweisen. Für das LandtagSwahlreckt ergieot sich za ebenfalls eine Verschiebung nach der plutokra- tischen Seile hin, — im Westen, wo durchschnittlich nur 2—3 Proccnt der Wahlberechtigten m der 1. Elaste, 8—12 Proeent in der 2. Elaste wähle», mögen selbst bis zu l Procent der Wahlberechtigten aus der ersten und 2 bis 3 Procent aus der zweiten Classe verdrängt werden, — aber, so muß man doch nachdrücklich fragen: wer hat diese pluto- kratische Verschicbug denn gewollt? Die Regierung so wenig wie die Nationalliberalen; für beide stand eS von vornherein fest, daß ein Wahlgesetz vereinbart werden sollte, daS nicht weniger, aber auch nicht mehr zu bewirken hätte, als daß bis auf Weiteres gar keine Verschiebungen stattfänden. Wären nur alle Parteien bereit gewesen, sich auch ihrerseits auf dieses enger abgesteckte, aber einzig bestellbare Gebiet zu beschränken! Dann war eS leicht genug, die Grundzüge der Regierungsvorlage ausrecht zu er balten. Statt dessen überspannte daS Centrum den Bogen seiner Forderungen in geradezu unerhörter Weise und setzte mit den Conservativen Beschlüsse durch, die nicht den Status gno zu erhalte», sondern die erste Elaste um 7—8, die zweite um 8—12 Proc. der Wahlberechtigten vermehren und den Einfluß der vermögenden Elasten auch sonst auf alle erdenk liche Weise zu vermindern suchten. Der naturgemäße Rückschlag im Herrenhaus blieb nicht auS und führte zum Bedauern der nationalliberalen Partei bis hinter die DurchschnittSlinie de» Status czuo zurück. Dank der CentrumStactik war dann am Ende der Session für das Abgeordnetenhaus eine Zwangslage geschaffen. Jetzt konnte man die Herrenbausbeschlüsse nur noch nehmen, wie sie vor lagen, oder man mußte sie ablehncn, womit auch da- ganze große Werk der Steuerreform in letzter Stunde noch ge scheitert wäre. Daß eS zu einer solchen Situation kam, ist in allererster Hinsicht die Schuld der CentrumSdemokrateii. Und nun beklagen sie sich über die „horrenden Folgen", die sie selbst zu verantworten haben I U Berlin, 22. August. Bei den Erörterungen, welche jüngst in der Presse über die der Po st Verwaltung aus gebürdeten, mit ihr nicht im unmittelbaren Zusammeubaiige stehenden Lasten gepflogen wurden, wurden auck die Lasten erwähnt, welche die Arbeitervcrsicherung für dieselbe hervorgerufen bat. ES ist der Versuch gemacht worden, die Größe dieser Lasten in Geldeswerth zu berechnen. Jedoch dürste eS schwer, wenn nicht unmöglich sein, lsierüber einen genauen Ausschluß zu erhallen. Nach zwei Richtungen hat die socialpolitische Gesetzgebung für die Postvcrwaltung Mehraufwendungen im Gefolge gehabt. Zunächst dadurch, daß durch die RentenauSzahlungcn, den Verkauf von Ver< sicherungSmarken u. s. w. die Arbeit der Beamten vergrößert und dadurch auch die Zahl der letzteren selbst vielleicht er weitert ist. Indessen wird mau kaum mit Sicherheit sagen können, wie groß der Einfluß dieser Thatsache auf die Aus- zaben der Postverwaltung für die Gehälter ihrer Beamten ist. Sodann verliert die Postverwaltung die Ein künfte von denjenigen Geldern, welche sie für die Renten zur Auszahlung und erst nach JahreSschluß zur Ver rechnung bringt. Zwischen Unfallversicherung und Alters- und Invaliditäts-Versicherung ist dabei „och ein Unter- chied zu machen. Die Unfall-Entschädigungen veraus lagt die Postverwaltung daS ganze Jahr hindurch. Im Jahre l89l, dem letzten, über welches cndgillige Abschlüsse für die Berufsgenossenschaflen bisher vorliegen, hatte die Postver waltung für Unfallentschädigungen über 26 Millionen ver auslagt. Bei der Jnvalidilats- und Altersversicherung ist diese Thätigkeit der Postverwaltung anders geregelt. Hier war die letztere nur für das erste Jahr durch Gesetz zur VcrauSlcignng gezwungen. Seit dem I. Januar 1892 kann die Postverwaltung von den Versicherungsanstalten einen Betriebsfonds einzichen. Auch hier wird sich die Last, welche die Postverwaltung hat, schwerlich ganz sicher berechnen lassen. Berlin, 22. August. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allg. Ztg." schreibt: „In deutschen Zeitungen sind neuerdings Gerüchte über HcirathSabstchtrn eines Mitglieds de» küiitgl. Hauses verbreitet worben. Es ist bedauerlich, daß diese absolut aus der Luft gegriffene» Ent stellungen auch in größeren Zeitungen Ausnahme gr ünden haben." Berlin, 22. August. (Telegramm.) Die von ranzösischen Blättern gebrachte Nachricht, daß Deutsch land mit Italien wegen Einräumung eines Mtttelineer- hascnS als Station für ein Vciitschea Geschwader ver handle, wird von der „Nordd. Allgem. Ztg." beute in daS Gebiet der tendenziösen Erfindungen verwiesen. (-) Berlin, 22. August. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allg. Ztg." schreibt: Wenn die Vorfälle in AigneS-MorteS keine bedauerlicheren Zwischenfälle hervor- gerusen hätten, so sei die- vor Allem der hoben st aatö- männischcn Einsicht des italienischen Gouverne ments zu danken, welches, unbeirrt von den Aufwallungen deS VolksempsindenS, seine Aufgabe darin erkannte, den BolkS- leidenschaftcn keinen Einfluß auf die lediglich durch die vitalen Interessen des Landes bestimmten Entschließungen der italieni schen Politik zu gewähre», llnzweidcittig trete in diesem Falle die segensreiche Bedeutung einer starken Regierung für den Welt frieden in Erscheinung. Die italienischen Behörden seien auf daS Aeußerste bemüht, die Ausschreitungen zu verhindern, und diese Bemühungen seien auch fast überall erfolgreich gewesen. Ausschreitungen seien vornehmlich nur da vor- gckoiiimen, wo anarchistische Elemente die (Hrlegenheit benutzten, für ihre Rechnung Verwirrung und Unordnung zu stiften. <» Berlin, 22. August. (Telegramm.) Die Berliner iionferr»; zum Ausbau der in Frankfurt aesahlr» steuer- techilischr» Beschlüsse wird, wie die „Militairij-ch - politische Correspondenz" erfährt, schon im ersten Drittel des September znsammcntrcteii. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Finanzminister I)r. Miguel schon an den Berathungen der Commistare der Regierungen Iheilnehmen werde. Da rüber, daß die deutschen Finanzministrr noch einmal in Berlin Zusammenkommen sollen, ist bis jetzt noch nichts beschlossen. Dagegen hat man sich allerdings in Frankfurt im Princip dahin geeinigt, dem mündlichen Gedanken austausch auch in Zukunft jedenfalls dann de» Vorzug vor dem schriftlichen zu geben, sobald sich in irgend einer Richtung Schwierigkeiten ergeben. Berlin, 22. August. (Telegramm.) Die „Vossische Ztg." wendet sich heule energisch gegen die angeblich beab sichtigte Alaschrilbicrstcuer und fordert die Negierung zu einem Dementi im „Neichöanzeiger" auf. Der Handel mit Flaschenbier sei eineStheilS eine Schutzwchr gegen über mäßigen Branntweingenuß und anderntheils eine Schutz wehr gegen den CultuL deS WirthShauslebenS. Wir möchten, so schließt der Artikel, ernstlich bitten, denselben keine Schwierigkeiten zu bereiten. — Es ist vielfach die irrige Ansicht verbreitet, daß die in Folge der Novelle zur Gewerbeorvnung eingeführten Arbeitsordnungen, die den gesetzlichen Bestimmungen gemäß amtlich geprüft und genehmigt sind, nunmehr einer Abänderung durch einseitiges Eingreifen der Behörden nicht mehr unterzogen werden könnten. Indessen hat die AuS- siihrungsaiiweisung bereits ausdrücklich besagt, daß die Prüfung nicht an eine bestimmte Frist gebunden ist und daß die untere Verwaltungsbehörde in Städten von mehr als 10 000 Einwohnern die OrtSpolizeibchvrde und sonst der höchste Beamte de- Kreises, also in Preußen der Landrath, zu >eder Zeit, wenn sie einen Mangel in der Arbeitsordnung entdeckt, dessen Beseitigung anordnen kann. Insbesondere, wen» zweifellose Lücken oder gar Gesetzwidrigkeiten in Arbeitsordnungen, sei eS durch die Gewerbeaufsichtsbeamten oder anderweitig zur Kenntniß der zuständigen Behörden gelange», sollten, haben diese unverzüglich aus deren Beseitigung ode.r Aendernng im Sinne des ts. I34k der Gewerbeordnung zu dringen, in allen zweifelhaften Fällen aber zuvor die Entscheidung der Vor gesetzten Behörden einzuholcu. — Wie früher schon mitgetheilt wurde, hat die preußische StaatSeisenbahnvcrwaltmig seit dem l. d, M. das Recht zur Auslegung von Anzeigebüchern in den directen Schnell- und Person enzügen an U a lernchmer verpachtet. Vom 1. September ab sollen die verfügbaren Wandflächen in den Wartcsälen und Vorhallen sämrurlicher Bahnhöfe für Reclamezwecke gegen eine hohe Pacht culschädiguiig »ntzbar gemacht werden. Es wird der StaatSi ahnvcrwaltung daran» eine sehr ansehnliche feste Einnahme erwachse», da die be treffenden Verträge auf eine lange Reihe von Jahren ab geschlossen sind. — Betreffend di« Bewilligung vo» Neiscgeldzuschllssen, wenn vor Ablauf der aus den Beginn der Dienstreise folgenden 24 Stunden eine neue Dienstreise au getreten wird, hat der Herr Finanzminister durch Verfügung vom 22. Juli erklärt, Laß, da die Rcisegeldzuschüfse für denselben Zeile auin nicht zwei Mal gezahlt werden dürfen, den Beamten, welche sür eine mehr al» zehnstündige Dienstreise den Betrag der NeisegeldZuschüsse für 24 Stunden bezogen hoben, für diesen Zeitraum weitere Geldzuschüsse auch dann nicht »u zahlen sind, wenn vor dem Ablauf 1 er aus den Beginn der Dienstreise tolgendea 24 Stunde» eia« neu« Dienstreise ongelrelen wird. Nur «it
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