Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930831026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893083102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893083102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-31
- Monat1893-08
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'PreiS k der Hauptexveditto» oder den im Siadt. bezirk and den Vororten errichteten Äu»- nabestellen ab geholt: vierteljährlich./l4.50. hei zweimaliger täglicher Zustellung »iS Haus ^l 5.50. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Oesterreich: vierieliäbrlich » 6.—. Directe tägliche !dreuzbandiendung iuS Ausland: monatlich 7.50. Lie M orgen-Aii-gabe erscheint täglich '/.7 Uhch die Abend-Ausgabe Wochentag« 5 Uhr. Nrdaction und Expedition: I,ha»nrSgastr 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochr, geöffnet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filialen: vtl« <le«m's Lortim. (Alfred Had«^ Universitätsstrab« 1, LoniS Lösche. Natharinenstr. 14, par». und Köuigkplatz 7. Abend-Ausgabe. und Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigen-Prei- dte 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. -ieclamen unter dem RedactionSstrich (tge- spalten) 50^, vor den Faimlieouitchrtcht»» (k gespalten) «0^. Gröbere bchrislea laut unserem Preis» vcrzeichniß. Tabellarischer und Zisserufatz nach höherem Tarif. Erera »Beilagen (gesalzt), uae mit de» Morgen»Lu-gade, ohne Postbrfördernag SO.—, mit Postbesörderuag 70.—. Innahmeschluß für Inzeige»: Abend-Aulgade: Vormittag« 10 Uhr. Margen-Au-gab«: Nachmittag« «Uhr. Eoun» und Festtag« früh Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stund« früher. elnzeige» sind stet« an di« Expeditia» zu richten. Druck and Verlag von E. Pol« t» Leipzig Donnerstag den 31. August 1893. 87. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig. 31. August. Hock und thcuer hatte kor dem Beginn dcö Würzburger Natholikriitagos, um den Herren vom ehemaligen rechten Flügel des Cenlrums das Erscheinen in der Mainstadt zu erleichtern, die Presse dieser Partei versichert, es solle und werde dort von Politik keine Rede sein; hoch und thcuer hatte der neue Cciitrumsführer Or. Lieber, der recht wohl wußte, daß seine demokratischen Allüren jenen Herren die Centrumspolitik gründlich verleidet halten, wenige Tage vor Beginn des Katholikentages in einer zu Hildcsheim ab- gebaltenen Bcrsannnlung versichert: „Es war eine weise Borsicht unserer Vorfahren auf unseren katholischen Generalversammlungen, in die Satz ungen dieser die Bestimmungen aufznnehmeu, die General versammlungen haben mit der Politik gar nichts zu thun, und eS ist vielleicht ein Nachthcil. ein von nnS spät erkannter, beute aber kaum noch anzuzweifelnder Nachtheil, daß der Culturkampf auch unsere Generalversammlungen mit Politik durchtränkt hat. Aber daS ist nicht nützlich auf die Dauer. Schiedlich, friedlich die Politik , auf ihrem Gebiete und alle nickt politischen Angelegen heiten auf dem Gebiete der verschiedenen katholischen Ver sammlungen. . Und was geschah zu Wiirzbnrg? Man bildete eine Section „Papst und römische Frage", bestellte zum Referenten Herrn Rochus von Rochow und »abm mit großer Begeiste rung die von ihm vorgeschlagene Resolution an: „Das unvcrjährbareRecht auf die territoriale Unabhängigkeit und Souveränetät des hl. aposto lischen Stuhles in Rom wird insbesondere mit Rück sicht auf dessen unbestreitbare gebührende Wcllstcllunz nach drücklich st und unverkürzt auch von den Katholiken Deutschlands zurückgefordcrt und sestgehalten." Daß das Aufwürfen der „römischen Frage" mit jenen Versicherungen im schroffsten Widerspruche steht, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Aber auch abgesehen von diesem Widerspruche verdient das Anfwcrsen dieser Frage die schärfste Zurückweisung. Die in Würzburg gefaßte Resolution wird allerdings keine diplomatischen Folgen haben, denn für Italien giebt es eine „römische Frage" ebensowenig, wie es für Deutschland eine „ e l s a ß - lotb ringische Frage" giebt. Sämmtliche Staaten, auch Deutschland, haben die Neuerung der Dinge in Italien anerkannt, wie die Italiener ihrerseits die Abmachungen des Frank furter Friedens gebilligt haben. Was würde man nun in Deutschland, was würden auch die deutschen Katholiken sagen, wenn in Italien große Versammlungen das „unverjährbare Recht" Frankreichs aus Elsaß-Lothringen be tonen und Resolutionen zu Gunsten der Wiederabtretung der Neichslande an Frankreich beschließen würden? Und erhalten die Franzosen nicht ein gewisses Recht, jene Wiederabtretung zu fordern und mit allen Mitteln auzustrebcn, wenn sie sehen. Laß das „katholische Deutschland" eine „römische Frage" anerkennt und wieder und wieder „das unverjährbare Recht ans die territoriale Unabhängigkeit und Souveränetät des heiligen apostolischen Stuhles" betont? Gerade darin, in der Wirkung aus Frankreich, liegt die politische Bedeutung der in Wiirzbnrg beschlossenen Resolution. Mit der „römischen Frage" wird die „elsaß-lothringische" zu neuem Leben galvanisirt und das Revauchc-Bedürfniß unserer west lichen Nachbarn genährt. Gegen eine solche Galvanisirung zu protestire», hat das protestantische Deutschland das Reckt und die Pflicht; es erklärt mit Hofprcdiger I)r. Roggc in Speyer: „Wir protestiren gegen einen vatcrlauds- losen Katholicismus, der zwar deutsch redet, aber nicht deutsch denkt, der sein Vaterland jenseits der Berge hat und sich kein Gewissen daraus macht, die Forderung der Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes wieder auszusprechen, selbst auf die Gefahr hin, einen Weltbrand dadurch zu entfesseln und den Frieden in Frage zu stellen." In der Sitzung des Prager Sta dtrathS vom 29. August ward die von der städtischen Rechtssoclion bereits genehmigte Beschwerde an das österreichische Ministerium des Innern gegen die Entscheidung der Statthalterei in der "Angelegenheit der Straßentafcln genehmigt. So dann gelangte der Antrag des Iungczechen Neubert, eS sei trotz der Entscheidung der Statthaltern die Auswechs lung der doppelsprachigen Straßcntasn» durch blos czechische sortzusetzc», zur Verhandlung. Dieser Antrag war be kanntlich bereits Gegenstand der Berathung in der NcchtS- section, welche ein Gutachten in dein Sinne abgegeben hat, daß der Statthalterei-Erlaß eine ausschicbende Kraft habe. Or. CzernohorSky befürwortete in der betreffenden Stadt- rathSsitzung den Antrag Neubert und wart der altczechischen Majorität vor, daß sie die nationalen Dinge immer zurückwcise, wenn sie auch anfangs zu energischen Schritten Anlauf nehme. Er sei überzeugt, daß der Antrag Neubert, wenn er in derselben Stadtrathssitzung zur Abstimmung gekommen wäre, in welcher der Erlaß zur Kemit- »lß gelangte, zur Annahme gelangt wäre. Heute habe eine kühlere Erwägung Platz gegriffen, da der Statthalter persönlich eiiigcschriilen sei. Der Redner warf dem Stadt- rathc vor, daß er den Antrag der städtischen Ockonomie- Eominission, die Sophien - Insel, die städtisches Eigen- tknm sei, mit blos czechischen Aufschriften zu versehen, abgelehnt habe, wiewohl die Statthaltcrei in dieser Angelegenheit gar nichts dreinzuredcn habe, und bemerkte, der Stadtrath möge in so bedeutsamen Fragen seine Unnachgiebigkeit der Statt haltcrei gegenüber beweisen. Die Sache sei sowohl in aulono- mistischer als auch in nationaler Hinsicht von großer Be deutung. Seiner Uebcrzeugung nach sei der Stadtrath an die Slatthalterci-Entscheldung gar nicht gebunden. Wenn bei ihm, sagte der Redner, eine Eollision zwischen seiner RechtS- überzcugung und seiner nationalen Ueberzeugung entstehen sollte, werte er eher seiner RechtSüberzeugung als seiner nationalen Uebcrzeugung Gewalt antbun. Der Grund, welcher die Erfüllung dieser nationalen Pflicht hindere, sei nach seiner Ansicht der, daß mau die Auflösung des Stadtver- ordneten-EollegiumS fürchte. Bürgermeister-Stellvertreter Or. Vlczek sagte in seiner Erwiderung auf diese Rede: Als Jurist könne er keine Gewaltlbat guthcißen, und Gewalt tbue I)r. Ezernohorsly seiner RechtSüberzeugung durch die Bertheidigung dcö Antrages Neubert an. Die Majorität fürchte keineswegs die Auflösung des Stadtverordneten- Eolleginnis, weil sie weiß, daß sie wohl in derselben numerischen Stärke wiederkchren würde. Allein bei I)r. Ezernohorsly scheine nicht die RechtSüberzeugung, sondern der Wunsch maß gebend zu sein, daß diese numerische Stärke anders auSfallc. Bei der "Abstimmung wurde der Antrag Neubert mit allen gegen die Stimmen Neubert's, Ezernohorsky's und des Alt- czcchen Brosch abgelehnt. Wie bereits kurz gemeldet, hat der französische Minister dcö Innern, Ministerpräsident Dupuy, dahin entschieden, daß jeder in Frankreich lebende Ausländer, der von den französischen Zuchtpolizeigcrichten verurthcilt worden ist, behufs "Ausweisung aus dem Lande zum Gegenstände genauer Nachforschung und Untersuchung gemacht werde. Au diesem Zwecke hat der Minister an die Präfecten sämintlichcr Departements einen Erlaß gerichtet, dessen Hauptstellen folgender maßen lauten Durch den Kriegsminister wurde meine "Aufmerksamkeit auf daS stetige Anwachsen der gegen Ausländer von französischen Zuchtpolizeigcrichten ausgesprochene» Ver- urtheilungen gelenkt. Die Militair-Behörde beschäftigt sich vom Slandpuncle der nationalen Bertheidigung eingehend mit dieser Thatsache und fordert, daß die zuchtpolizeilich wegen schwerer Vergehen verurtbcilten Ausländer nach "Ab büßung ihrer Strafe auSgewiesen werden. DaS Kriegs- iniilistcrium hebt sehr richtig hervor, daß diese Maßnahme den Vortheil hätte, Frankreich von einer großen An zahl im Allgemeinen sehr verdächtiger und im Augenblicke einer Mobilisirung eine wirk liche Gefahr für die Sicherheit des Landes bildender Individuen zu befreien. Die bis herige Duldsamkeit gegen diese Kategorie Ausländer scheint nur die Zahl der Verbrechen in Frankreich und das Butgct des Gefängnißwcsenö vermehrt zu haben. Ich habe demzu folge beschlossen, daß jeder zuchtpolizeilich verurlheille Fremde zum Zwecke der Ausweisung zum Gegenstände einer behörd lichen Untersuchung gemacht werde. Wollen Sie, Herr Präfect, mir genau über alle Diejenigen berichten, welche von dieser Regel ausgenommen zu werden verdienen, weil ihre Ver- urlheilung nur eine geringe oder wegen unbedeutender, keine Gefahr für die öffentliche Ordnung bildender Telicte erfolgt ist." Der Erlaß wird in politischen Kreisen ledbast besprochen. Man neigt zur Ansicht, daß der Erlaß durch die Ereignisse von Aigucs-MorteS und Nancy bcrvorgcrufen wurde, wiewohl in dem Erlaß diese Zwischenfälle mit keinem Wort erwähnt werden. Durch den Hinweis darauf, daß die Maßnahme lediglich von der Militair-Behörde gefordert werde und im Interesse der Landesvcrtheibigung geboten erscheine, will die Regierung Wohl möglichst völkerrechtliche Schwierigkeiten vermeiden. Die zweifel los tief einschneidende, vielleicht folgenreiche Maßnahme der französischen Regierung wird jedoch kaum verfehlen, im Aus lande Aufsehen zu erregen. In Lian« sind anscheinend noch nicht alle Schwierigkeiten behoben, welche der vollen Durchführung des französischen Actionsprogramms cntgegenstehcn. Der Bevollmächtigte, Le Myre de VilerS, hält mit den siamesischen Staats männern Eonfc re nzen ab, über deren Inhalt die Ocsfent- lichkeit zwar nichts erfahren soll, über die jedoch trotzdem Dies und Das bekannt wird. Kein Wunder, daß der bri tische Argwohn, der überhaupt noch gar nickt völlig zur Rübe gekommen ist. sich auss Neue regt und den Fraiizosen die schwärzesten Absichten andichtet. Kein Wunder auch, daß, nachdem die von der „Pall Mall Gazette" veröffent lichten siamesischen Telegramme im Laufe deS TageS durch Privatmcldungen aus Singapore und Bangkok bestätigt worden sind, sich den Londoner Handelskreisen ein Gefühl roher Beunruhigung mitzutheilen beginnt. In ihrer gestrigen lbcndnummer ermahnt die „Pall Mall Gazette" denn auch die englische Regierung nochmals zu raschem und energischem Handeln. Habe Frankreich erst daS Protectorat erklärt, so komme ein englisches Einschreiten zu spät. Alle Handelskammern müßten beim Minister deS Aeußcrn vorstellig werden und den Schutz der aufs Schwerste bedrohten englischen HandelSinIcrcssen verlangen. Den „Times" zufolge soll sich die Handelskammer von Singapore bereits an Lord Noscberry in diesem Sinne gewandt baden. Nun mag eS ja allerdings zweifelhaft sei», ob die Franzosen, die sich in Siam als Herren der Lage fühlen, für den Moment weiter gehen, als nöthig ist, um die gewonnenen Vortheile sicher zu stellen. Letzteres aber wollen die Franzosen augenscheinlich so bald und so gründlich besorgen, als irgend möglich. Und da findet sich denn noch allerhand zu ordnen und zu regeln, was im ersten Anlauf nicht genügender Berücksichtigung thcil- haftig geworden. Die Sprache der mit den maßgebenden Kreisen in Verbindung stehenden Pariser Blätter klingt denn auch sehr entschieden und selbstbewußt. Den Engländern wird Wohl nicht- übrig bleiben, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie haben durch ihre Zurückhaltung im kritischen Moment Frank reich selbst eruiulhigen Kelsen und Letzteres wird im Verfolg seiner ostasialiscken Actionspolitik sich wenig durch Rücksichten auf einen Eoncurrenten beirren lassen, den zu überflügeln sein unabläst geö Dichten und Trachten ist. Wie einem uns heule aus London zugcgangencn Telegramm zufolge der „Standard" auS Shanghai meldet, soll auch die chinesische Regstrung über die wachsenden Forderungen der Franzosen in Lia>» aufgebracht sein. Der siamesische Abgesandte hätte wiederholt Unterredungen mit Li-Hung-Shang ge habt, infolgedessen energische Neclamationen an den Gesandten in Paris telcgrapdirt worden seien. Wenn dies sich bestätigen sollte, dann wäre schon eher zu erwarten, daß Frankreich sich betreffs seiner Forderungen Siam gegenüber einige Mäßigung auserlcgt. Denn China mit England zusammen würde schon eher ein Machtfactor sein, mit dem selbst die Franzosen rechne« müßten. In den radicalen Kreisen der norwegischen Hauptstadt cursirt seit mehreren Tagen da» Gerücht, daß im Sckooße der norwegischen Regierungspartei ziemlich starke Meinungsverschiedenheiten bemerkbar geworden seien »nd daß eine Spaltung dieser Partei in Aussicht siebe. Diese Gerüchte sind jedoch, wie auS angeblich bester Quelle versichert wird, unbegründet. Die Regierungspartei ist vielmehr fest entschlossen, den Kampf gegen die Radikalen durchzusühren, und denkt nicht daran, das Ministerium Slang im Stiche zu lassen. Nur betreffs der Kampfmethode gehen die Ansichten insofern auseinander, als ei» Tbeil der Regierungspartei es vorzieben würde, sobald als nur möglich den Streit mit den Radicalen zum "Austrag zu dringen, während der andere Theil der selben, und zwar der besonnenere, eS für klüger hält, eine abwarlcnde Haltung einzunebmen, um die Radi kalen zu zwingen, gleichsam die Osscnsive zu ergreifen. Die "Anhänger dieses letzteren Planes Hallen eS nämlich, wohl nicht mit Unrecht, für wahrscheinlich, daß die Radicalen bei einem derartigen Vorgehen sich Blößen geben werden, die von der Regierungspartei leicht dazu auSgenutzt werten könnten, den Wählern die Auge» über Vst eigentlichen Tendenzen der Radicalen zu öffnen. Wie mit Sicherheit ver lautet, sind diese verschiedenen Meinungen über die cinzu- haltcndc Taktik gegen die Opposition auch innerhalb de« Cabincts selbst vertreten; der König scheint sich aber für die abwarlcnde Politik entschieden zu haben. Man kann jedoch darauf rechnen, daß die Negierung nicht ermangeln wird, im gegebenen "Augenblicke mit großer Entschlossenheit aufzutreten, um die Union zu vertbcidiaen, und sie wird dann auf die thatkräftige Unterstützung aller Unionsfreunde rechnen können. Die Frage der Nachfolgerschaft deS gegenwärtigen interi mistischen General-GouveneurS von Kreta, Mahmud Dschellaleddin Pascha, tritt nunmehr ernsthaft in de» Vordergrund. Wie bereits gemeldet, hat Mahmud Dschclla- lcddin, der kürzlich einen leichten Schlaganfall erlitten hat, abermals sein Entlassungsgesuch cingereicht, und allgemein wird angenommen, daß cs diesmal genehmigt werden wird. Wie an dieser Stelle schon wiederholt berichtet wurde, sehnt sich der gegenwärtige General-Gouverneur von Kreta schon seit längerer Zeit an die Ufer deS Bosporus zurück, haupt sächlich um seine Aspirationen nach einer höheren Stelle bei Feuilleton. Sein einziges Gut. Ks Nachdruck verboten Roman von B. Corony. (Fortsetzung.) Wie stets, wenn der Zorn übermächtig in ihm auswallte, stürmte Rainer fort, ins Freie hinaus. Als er an dem Schlosse vorüberging, sagte einer der Diener lackend zu dem neuen Kammermädchen: „Sehen Sie sich einmal Ten an! Der möchte dem Herrn ans Leben, wenn er nur könnte." Und dann be richtete er ihr die ganze Geschichte von dem jahrelangen Groll und von dem wegen der Versteigerung neu anSgebrochenen Zwist. „Eine Molkerei wollte er anleaen. Ja, die müßte sich schön ausgenommen haben neben unserm Park. Nun ist er eitel Gift und Galle, daß der Pavillon dastcbt und die Orangerie. Todtlachen möchte man sich über den Aerger, den er auch »och zur Sckau trägt." Fräulein Jenny lachte in der Tbat und zeigte ibre Weißen, spitzen Zälmche»; aber noch eine Andere batte die Erzählung mit angchört: Prisca, welche fick im Garten befand und eben beschäftigt War, eine große japanische Vase mit frischen Blumen zu füllen. Sie that freilich, als achte sie gar nicht auf das Gespräch, doch wer sic beobachtet hätte, nüitzte bemerkt baben, Laß sie die Zweige mit auffallender Langsamkeit und Vorsicht voneinanderbog, wie um jedes Geräusch zu vermeide», und daß sie sich immer in unmittelbarer Nähe der beiden Personen hielt. So kurze Zeit sich Prisca auch erst in Hohenfels befand, galt es doch bereits als ausgemachte Tbatsache, daß sie eine ganz andere Stellung einnahm als das übrige Dienstpersonal. Gegen ibre Herrschaft übertrieben dcinüthig, betrug sie sich den anderen Hausgenossen gegenüber ziemlich anmaßend und ant wortete auf neugierige Fragen kur; und abweisend. In ihrer Kleidung ahmte sic die Einfachheit der beiden älter» Damen nach oder folgte darin einer bestimmten Vorschrift. Man sah sie nur in einem schlickten Gewände von derbem, dunkel braunem Stoff, eine tadellos weiße Schürze vorgebunden und einen eben solchen Kragen um. Aus ihrem dünnen, blonden Haar saß eine Haube, deren Bänder unter dem Kinn gebunden wurden. Um den Hals trug sie eine Schnur schwarzer Glas perlen, an welcher ein Kreuzchen hing. Sie batte seit ihrer Ankunft unablässig gearbeitet, auszepackt und eingerichtet und es abgelehnt, sich dabei von Jenny helfen zu lassen. Jetzt war aber auch Alles zur Zufriedenheit geordnet. Da der ganze südliche Flügel den Tanicn zur Verfügung stand, hatte Fräulein von Dombrowsky die ihrer Ansicht nach zweckmäßigste Ein- tbeilung getroffen. Die drei am weitesten von der nördlichen Seite, welche Gisbert bewohnte, entfernten Räume, deren Fenster nach dem Walde zu lagen, sollten von der ruhe bedürftigen Frau von Arnheim benutzt werden. Die beiden nächstfolgenden Zimmer nahm "Alexandra für sich in Anspruch. Dann folgten noch zwei kleinere, aber ungemein reizende Ge mächer; diese waren für Konstanze bestimmt. Auf demselben Corridor, jedoch gegenüberliegend, befand sich Prisca's Stube. Jenny schlief wie die übrige Dienerschaft i», Erdgeschoß. DaS zweite Stockwerk war für Gäste eingerichtet, doch sollten nur die Fremdenzimmer des nördlichen Flügels benutzt werden und die über der Wohnung der Damen gelegenen leer bleiben. Als Gisbert der Etikette gemäß seiner Cousine einen Besuch machte, erstaunte er über die seltsame Veränderung, die mit den schön ausgestattcten Räumen vorgegangen war. DaS Boudoir zeigte sich förmlich in eine Capelle verwandelt. Die der Thür gegenüberliegende Wand verschwand fast ganz unter einer schwarzen Draperie, von welcher sich in leuchtender Weiße ein großes Crucifix abbob. Ein ebenfalls mit schwarzem Sammet bezogener Betschcmel stand davor. Gemälde »nd Statuen batte man entfernt, nicht minder alle jene zierlichen, duftenden Kleinigkeiten, deren Zweck eben nur darin besteht, die Zimmer einer eleganten Dame rn schmücken. Frau von Arnheim empfing den Freiherrn wobl freundlich, aber dock mit einer Bcfangenbeit und Zurückhaltung, die errathen ließen, daß es ihr nicht angenehm war. in ihrer Einsamkeit ausgesucht zu werden. Das krampfhafte Ringen nach Worten, die scheuen Blicke, die sie wie hilfesuchend nach der Thür wandte, machten es recht anschaulich, wie peinlich sic die Störung empfand. Gisbert mußte an KonstanzenS Behauptung, daß die Mutter sich in ihrer Gegenwart geMält und bedrückt süble, zurückdenkcn. Diese Frau mochte wobl der Außenwelt vollständig entfremdet sein. Schon wollte er sich entfernen, als Alexandra eintrat und neben ibrcr Schwester Play nabm. Diese athuiete förmlich auf. Es schien ihr eine unendliche Wohltbat, daß sie nun der Last überboben war, die Unterhaltung führen zu müssen. Sie verstummte denn auch gänzlich, sobald die DombrowSky den Mund öffnete, lebnte den Kops zurück, fuhr mehrmals mit dem Taschentuch über die Stirn und schenkte dem Gespräch nur geringe Beachtung. Unheimlich bleich und regungslos saß sie da, aber die Augen irrten fortwährend unruhig umher, wie zwei flackernde Irr lichter. „Du scheinst leidend zu sein", sagte Gisbert, sie besorgt be- trachend. „ES ist nichts — nichts", erwiderte sie ungeduldig. „Nichts als der dumpfe Schmerz im Kopf und der graue Schleier vor- den Augen. Mein altes Leiden" ... Sie erkob sich und begann im Zimmer auf und ab zu schreiten. Das schwarze Kleid schleppte lang über den Fuß boden und gab ihr im Verein mit dem goldenen Krenze und dem um das Haupt geschlungenen Schleier daS Aussehen einer Nonne. Plötzlich trat sie anS Fenster, blickte in den Park hinaus und fragte: „Ist eS wahr, daß dort, wo sich jetzt der Pavillon erhebt, ehemals eine Kirche stand?" „Wer sagte Dir daS?" „Prisca will eS gehört haben." „Vor langer Zeit — eS mögen wobl über sechzig Jahre seitdem verflossen sein — soll sich allerdings hier eine kleine, ärmliche Dorfkirche befunden baben. Aber als einst schweres Ungewitter die ganze Gegend zu verwüsten drohte, schlug der Blitz in den Turm, und daS Gotteshaus wurde ein Raub der Flammen. Später errichtete man ein neues in der Milte deS Dorfes. Doch waS erschreckt Dich so?" Diese Frage war wohl berechtigt. Frau von Arnheim bebte von dem Fenster zurück, fubr mit der Hand über die Augen, wie um eine schauerliche Vision zu verscheuchen, und ries mit zürnendem Ton: „Daß Tn aus dem geheiligten Boden in frevelhaftem Uebermuth diesen an daSHeibenthum mahnenden Bau aufsühreu ließest, kann und wird Dir nimmcrmebr Glück und Segen bringen!" Sie wankte durch da» Zimmer, warf sich vor dem im provisieren "Altar auf die Knie und neigte die Stirn auf die schwarze, silbergestickte Sammetdecke, die den Betschcmel ver hüllte. „Laß mick allein! Ich will beten!" klang eS Heise rund flüsternd von ihren farblosen Lippen. Alexandra gab dem Freiherrn einen Wink, ihr zu folgen, und Beide schritten schweigend nebeneinander her. Die Dom- brow-ky sab wieder ganz so streng und unnahbar au«, wie Konstanze sic geschildert batte. Zwei tiefe Falten zogen sich längs deS festgeschloffenen Mundes bin. AlS der lange, an den Krenzgai g eines KlcsterS erinnernde Corridor erreicht war, woÜtc sie mit stummem Gruß in die eben verlassenen Räume zurnckkehren, dcch Gisbert öffnete die Thür de» Mittel saaleS und bat sie, einen Augenblick einzutreten. Zögernd und mit unverkennbarem Widerwillen kam sie der Auf- sorderung nach. „Ich hege ernstliche Besorgnisse hinsichtlich deS Gesundheits zustandes meiner Cousine", begann er. „Sie ist nervös wie viele Frauen",erwidertedasalteFräulei» kurz »nd abweisend. „Dieses Nervenleiden scheint mir doch bedenklicherer Natur zu sein und mit dem, waS man gewöhnlich unter Nervosität versteht, nichts gemein zu haben", wandte er ein. „Ich halte eS für meine Pflicht, einen Arzt hierher zu berufen." „Damit werden Sie Frau von Arnheim zwingen, auf die ihr anqebotcnc Gastfreundschaft zu verrichten", sagte sie mit eisiger Ruhe. „Olga ist ein ganz eigener Charakter. Im Gegen satz zu Anderen, die der Gegenstand beständiger Fürsorge zu sein wünschen, liebt sie eS durchaus nicht, wenn man sich mehr als nöthig um sie bekümmert. UcbrigcnS ist sie auch keineswegs krank, sondern nur rubebedürftig. Von frühester Jugend an litt sie an heftig auftrctendcn Kopfschmerzen. DaS ist ein Hebel, welches sich nicht vollständig beseitigen läßt, doch hat ihr der Arzt, der sie in Moskau behandelte, einfache und wirk same Mittel verordnet. Ein nasses Tuch auf die Stirn und einige stärkende Tropfen genügen, um den Anfall zu bekämpfen. Nur vor Aufregungen muß sic bewahrt bleiben, dafür sorge ick, so viel eS in meinen Kräften steht. Meine Schwester bängt an ihren Gewohnheiten. Sie würde sich niemals ent schließen, einen andern Arzt anzunehmcn, und brächten Sie auch die größte Autorität in Vorschlag. Ich rathe Ihnen, nicht« dergleichen zu thun, wenn Sie uns nicht von Hohenfels ver treiben wollen." „Aber diese klösterliche Zurückgezoaenheit, in der sie lebt? Die mehr als seltsamen Ansichten, welche sie entwickelt?" „Olga ist eine sehr fromme Frau." „DaS ist nicht mehr Frömmigkeit, sondern Fanatismus." „Nennen Sie eS immerhin so. Ihre Seele hat sich von allem Irdischen losgelöst. Wie Andere in den Freuden dieser Welt, so sinket sie ihre höchste Wonne im Gebet. Wer wird den» dadurch geschädigt, wenn sie die Einsamkeit liebt und mit Begeisterung den AndachtSübungen obliegt, die ibr Trost und Frieden gewähren? Sie bindert Niemand, da» Leben nach seiner Weise z» genießen, und beansprucht für sich nicht- weiter als dieselbe Freiheit, die sie Anderen gewährt." „Und diese soll ihr in meinem Hause zu Tbeil werden. Doch meinen Sie nicht, daß eS erheiternd aus Sie wirken Würde,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite