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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930919021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893091902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893091902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-19
- Monat1893-09
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VezugS-Pret- A d« «»« de» t» St«»». b»»trk -»> ü«, errickilrtr» >«». ««deftrllea,»geholt: vrerrri^-rltch ^4.50, »ei twetmalig« täglich« gusteltnng in« Hau« -äl LchL Durch di» Post bezöge» kür Deutfchland »nd Oesterreich: oierleßäbrlich 6.—. Dirrct» täglich» Krenzbaadiendung ftrs Bultand: monatlich ^4 7^0. Di» M orgn».A ndqad« erscheint täglich'/«? Uh^ di» Lb»»d-Lir-girb, WochenragS ä Udr. Uedactt»» und Lrveditto«: J»tzannr«gafte 8. Dt» Expedition ist vocheniags nnunterbroch«, grogort »a» früh 8 dis Ldend« 7 Uhr. Filiale«: vH« «NM»'« r-rti». Mlfrr» »atz,^ UniversitätSstraß« I, «out» Lösche. U-Iharinenstr. 14. part. «nd Kä»ia«pl«tz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigeu-PreiS die -gespaltene Petitzeile SO Pfg) Reklamen »ater dem RrdaetioaSstrich lägt« spaltea) Ü0^, vor den Familirauachnchte» (6 gespalten) 40-zh. Trübere Schrillen laut aajerem Perl-« verzeichnjß. Tabellarischer und Ziffer»!atz nach höherem Tarif. Ertraiveiiagen (gesalzt», nur mit bei Morgen.iluügabe, ohne Postbesördernag 60.—, mit Postbesordrruag 70.—» Jinnalimeschlnb für Änzrigea; Abend.Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morg«n-Auegabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn, und Festtag- früh '/,9 Uhr. Sei den Filialen und Annakmeste.llen je eia» halbe Slundr früh«. Atrzetgeu sind stet- an di« Erpetztti«« zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» i» Leipzig- 479. Dienstag den 19. September 1893. 87. Jahrgang. Politische Tages schau. * Leipzig, lS. September. Während die Socialdemokratie gegenwärtig in Sachsen und Baden mit voller Kraft in die LandtagSwahl- bewegung eingreift, verhält sie sich in Preußen ihr gegenüber nicht nur untbälig, sondern entschieden ablehnend. Als Grund dieses Verhalten- giebt sie an, daß da- preußische Elaffcnwablsystcm der Arbeiterklasse jede Aussicht nehme, eineo eigenen Candidatcn als Abgeordneten durchzubringen, daß eS ihr aber nicht einsallen könne, für andere Elasten die Kastanien aus dem Feuer zu holen. E« ist richtig, daß daS preußische Wahlsystem der Cocialdemokratie weit weniger günstig ist, als daS sächsische und das badische, welche beide die Elafseneintheilung nicht kennen. Aber dadurch erklärt sich die Stellungnahme der Socialdemokratie in Preußen doch our zum Theil. Nach der ehedem immer in den Vordergrund gestellten und auch beute noch nicht ganz ausgegebenen Theorie kommt eS der Socraldemokratie bei den Wahlen zur Volksvertretung innerhalb der bestehenden Staat-- unk Gesellschaftsordnung weniger auf die Gewinnung von Abgeordnetenmandaten, als auf die Förderung der all» gemeinen Agitation an. Dieser Zweck aber könnte von der Socialdemokratie bei den Landtagswahlen in Preußen ebenfalls verfolgt werden. Auch müßte der Socialdemokratie gerade durch das Elassensystem eine höchst willkommene Gelegenheit geboten sein, einmal unwiderleglich zu zeigen, daß sie die wahre und alleinige Arbeiterpartei sei. Denn, ist diese von ihr immer aufgestellte Behauptung richtig, so könnte eS ja nicht fehlen, daß die Socialdemokratie bei den Wahlen geradezu überall die dritte Classe beherrschte. ES leuchtet ein, daß eine der artige imposante Demonstration daS Ansehen, die Machtstellung der Socialdemokratie wesentlich kräftigen müßte. Und sie würde diese Machtstellung bei den Landtag-Wahlen selbst sogar in manchen Fällen praktisch belhätigen können, indem ihreWahl- männcr zwischen denjenigen anderer Parteien den Ausschlag zu geben im Stande wären. Warum läßt sich die Social- demokralie in Preußen alle diese Vortbeile entgehen'? Die AuSrede, daß man keine Lust habe, der liberalen Bourgeoisie gegen Centrum und KreuzzeitungSreaclionäre zu Hilfe zu kommen, kann um so weniger verfangen, als ja die Social« demokratie zu solcher Hilfeleistung nicht gezwungen werden könnte und obendrein von vornherein zu erwarte» wäre, daß, wenn sie zum Beispiel zwischen Nationalliberalen und Ultramontanen zu entscheiden hätte, sie zweifellos auf die Seite der letzteren treten würde. Nein, tvas die Socialdemokratie von den preußischen Land- taaswahlen zurückhält, ist vor Allem die Vorschrift der öffentlichen Stimmabgabe. Man fürchtet, daß der größte Theil Derjenigen, welche bei den ReichStagSwablen so bereitwillig den socialbemokratischen Stimmzettel m die Urne werfen, hier nicht den Muth haben würde, sich offen zur Socialdemokratie zu bekennen. Die Ergebnisse selbst der in tensivsten Wahlagitation würden unter diesen Umständen für die Socialdemokratie nur reckt bescheiden sein können und den Nimbus de- Resultats der Reichstag-Wahlen erheblich ver mindern, ganz abgesehen von dem die Partei empfindlich schädigenden Eindruck, den der Mangel an Muth zur Ve rhängung der Ueberzeugung Hervorrufen würde. Darum ist die sociäldemvkralische Parteileitung so klug, die Trauben sauer zu finden. Wie nach dem »Hamb. Corr." verlautet, sollen neuerdings zwischen Deutschland und Spanien wieder Verhandlungen gepflogen werden, die den Zweck haben, einen neuen moclus virsnal in den beiderseitigen handelspolitischen Be ziehungen herzustcllen. DaS frühere provisorische Handels abkommen ist bekanntlich am 30. Juni d. I. ohne Wieder- erneuerung abgelaufen, so daß seitdem ein gänzlich vertragS- loseS Hantelsverhältniß zwischen Deutschland und Spanien besteht. Der BundeSrath ist auf Grund der ihm gesetz lich ertheiltcn Ermächtigung befugt, tie deutsche» Ber- traaSzölle bis Ente dieses Jahre- ganz oder tbeil- weise Spanien zuzugestehe», ebenso wie die- Rumänien gegenüber geschehen ist. Wenn nun, wie eS heißt, tbat- säcklich bereit- eine Einigung mit Spanien wegen eines definitiven Handelsvertrags erzielt ist, so liegt doch sicherlich für keinen der beiden Staaten mehr ein Grund vor, inzwischen noch durch eine Art von Zollkrieg ihre gegenseitigen Handels beziehungen zu erschweren. Bis über die Fragen wegen Inkrafttreten- des neuen Handelsvertrags entschieden sein wird, gehl noch geraume Zeit bin, inzwischen könnte eS für die beiderseitigen Interessen nur förderlich sein, wenn wenigsten- eine provisorische Regelung der wirthschastlicken Be ziehungen stattsände. Jedenfalls stebt der gegenwärtige ver- tragSlose Zustand nicht im Einklänge mit der bereits vor Wochen erfolgten Ankündigung, daß die Vertragsverbandlungen mit Spanien zu einem befriedigenden Abschluß gelangt seien. Die französisch-italienischen Beziehungen werden immer gespannter. Als neuestes charakteristisches Anzeichen diese- den ehrlichen Freunden des europäischen Friedens keineswegs gleichgiltigen Zustande- kann daS Scheitern der auf den Donnerstag vergangener Woche in Paris angesctzt gewesenen l a kein i scheu Münze on sc renz gelten, welche aus italienische Anregung tagen und insbesondere die Frage de- Scheidemünzen- umlauss regeln sollte, deren Lösung den Jaliencrn mit jedem Tage wü»»chenSwerther wird. Denn die Knappheit an Scheidemünze wird im geschäftlichen Kleinvcrkebr Italien- schön lange als wirthichastliche Calainilät cmpfuliden. Bei einigermaßen gute», Willen wäre es Frankreich ei» Leichtes, hier ohne da« geringste eigene Opfer Abhilfe zu schaffe»; da^ die Männer der Republik im letzten Augenblick das Eonferenz- project unter den Tisch fallen ließen, wird von der öffentlichen Meinung der lateinischen MünzunionSstaatcn übereinstimmend al- ein Ausfluß dcS außerordentliche» Mißvergnügens der französischen Staatsmänner mit dem Gange der italienischen Politik gedeutet; daS Brüsseler Franzosenblatt, die „Jndep. bclgc-, sagt gerade heraus, Frankreich habe Italien für d>» Tbeilnayme de-Prinzen von Neapel an den reichS- ländischen Kai sermanövern bestrafen wollen An- gesichlS der jahrelangen Gehässigkeit Frankreichs gegen den italienischen Nachbar erscheint die Andeutung der ,Jndep. belge" ohne Weitere- glaubhaft; ist doch die politische Taktik der Republik gegen Italien in Wahrheit nur noch eine fort laufende Kette von Ehicanen, Vergewaltigungen und Ver höhnungen. Auf die englische Nigergesellsckast ist man in den colonialpolitischcn Kreise» Frankreichs »ehr schlecht zu sprechen. Die Gesellschaft bat daS vom französischen Stantpunct aller dings unverzeihliche Verbrechen begangen, einigen „Forschern", welche sich im Innern dcS schwarzen EonlinentS berum- treiben und dort Alles, was ihnen patzt, als „Hinlerland" teS franchsischen KLstenbesitzeS in Anspruch nehmen, Schwierigkeiten »> den Weg zu legen. Darob Helle Entrüstung in der Pariser Regierung-Presse, verbunden mit der Forderung sofortiger und energischer Vorstellungen beim Londoner Foreign Office. LctziercS soll die Nigergesellschaft zur Rtspccliruiig der Berliner Beschlüsse und der Verbindlichkeiten anhalten, welche England gegenüber Frankreich eingegangen sei, andernfalls dem Lon doner Cabinct ganz andere und energischere Maßregeln an gedroht werden. Man sieht, der Erfolg in Siam ist den Franzosen zn Kopf gestiegen; sie betrachten England jetzt nur noch als gusntilö uögligvahlü Deutsches Reich. * Berlin, 18. September. Die „Bcrl. Pol. Nackr." schreiben: Wenn in einigen Blättern den Zablenangabe», die wir kürzlich für den Zeitraum von 1884 biö 1888 über die zur Ausgabe gelangten GcwerbelcgilimationSkarlen für HaiidtungSreisende (tz. -Na der Gewerbeordnung» gebracht baden, Zweifel entgegengesetzt werden, so möchleii wir darauf ausmerkfam machen, daß diese Zahlen da» Er- gcbniß amtlicher Untersuchungen sind. Und zwar batte diese Zahlen seiner Zeit die bayerische Regierung ihrem auf Aeuderung des Titels der Gewerbeordnung über den Gewerbebetrieb im Ui» berziebcii an den BmideSrath gerichteten Anträge bei- gegcbe». Es werden Legitimationökarten sowohl aus Grund des Absatzes l als auch teS Absatzes 6 des tz. 44a crtheitt. Für einzelne Staaten sind bei der Untersuchung die Zahlen beider Arten genieinsam angegeben, bei den meisten ge trennt. In Preußen ist die gemeinsame Zahl gestiegen von 9391 auf 12 821, in Bayern von 6700 aus 8779, in Ottenburg von 659 auf 584, in Sachsen-Meiningen von 269 aus 397 und in Rouß j. L. von 244 auf 340; gefallen, und zwar von l«>25 aus lool, ist die gemeinsame Zahl in Mecklenburg-Schwerin. Für die anderen Staaten haben bei jeder der beiden Arten der Legitlinalionskartc» die Feststellungen vorgcnonimcn werde» können. Wir wollen erwähne», daß die erste Art in Sachsen gestiegen ist von 1207 auf l6tl, die zweite von 755l aus 8578, in Baden die zweite von 3208 aus 40 46, in Hessen die erste von l633 aus 2350, wäbrend die zweite von 308 auf 177 fiel. In Braunschweig stieg tie erste von 130 aus 774, die zweite fiel gteichssalls, und zwar von 138 auf 10t. I» Hamburg zeigte sich bei der zweiten Art eine Zunahme von 2074 aus 2187, und »i Elsaß-Lothringn» schlietzlich stieg die erste Art von 696 auf N99, tie zweite von 1025 auf 1256. Für Württemberg sind Zahlen aus das Jahr 1889 nicht angegeben, sedoch ist auch hier eine Zunahme als sicher anzuncbmcn, denn während hier die Zahl der zweiten Art der auSgegebenen Legilimationskarten »n Jahre 1884 4597 betrug, bcl.rf sic sich für 1888 ans 4776. In allen größeren Bundesstaaten ist also eine unzweifelhafte beträcht liche Zunahme der Lcgitimalionskarlen für HandlungS- reisende zu beobachten gewesen. Wie bereits »ittgelheilt, beträgt die Zunahme für das ganze Reich nicht weniger als 24,66 Proc. * Berlin, 18. September. In den Germaniasülen fanden am Sonntag, wie schon kurz »illgetheitt wurde, die Verhandlungen des II. Norddeutschen Antiiemitentages statt. Tie „Nat.- Zeit." berichtet über deren Verlauf: Es waren circa 600 Perjonen erschiene». Ui» ll' , Uhr Vormittags rrossnele der Bundesvorsitzendc Witte die Verhandlungen. Er erstattete den Bericht über die bisherige Thätigleit des Verbandes. Danach hat der Agitations- Verband im vergangenen Jahre in süns Wahlkreisen seine Tyäligkeit entt'aliet. Zunächst im Frühjahr in Len »reisen Frikdebrrg-Ariis- walde und Liegitttz-Goldberg-Haynau, woselbst Nachwahlen »vtliwendig geworden waren. Diese Agitation Hai circa 15 000 gekostet und die Wahl eines Anlisemilen lAUwardt's) zur Folge gehabt. Bei Len verflossene» Reichstagswahlc» sind die obige» süns Kreise, Landsberg. Toldln, Neuiiellin, Niederbarnim, Teltow-Beeskow- Storkow und Friedcbcrg-ArnSwaldc, in Angriff genommen. Ge- wählt wurde» zwei Anttjemilc» (?,hlwordt und Förster). Hier be- trugen die Agitalionskosle» zusammen 17 000 -/L Demnach habe» den »orddeulichen Anliieiiiilcii die Wahlen im Jahre 1893 circa 27 >X>0 ^4 (32 000?) gekostet. Zur Deckung dieser Summe sind 2l biS 22 000 ^4 «ingegangcn, so bah der AgitationSverband noch Fruilletsn. Lein einziges Gut. Lls Roman von B. Corony. AoLdruik »erdoieu. (Schluß) „So hat bereit- Jemand den Knaben aus den gefährdeten Räumen getragenl" ries der Freiherr. „Wer war eS?" Niemand meldete sich, aber während Gisbert und ein Theil der Dienerschaft und Gäste durch den immer dichter werdenden Qualm, der bereit- daS Treppenhaus crsüllte, zu dringen suchten, erscholl Eva'S jammernde Summe. „D, da- Gespenst! DaS furchtbare Gespenst! Ich dacht'S gleich, daß e« ein Unglück geben würde! Hu! — Wie e« daS Leichentuch hinter sich drein zog!" „WaS sprichst Du da?" schrie Konstanzc gellend auf. „Eine Frauengestalt mit entstellten Zügen — ein weißes Tuch über den Kops geworfen . . ." „Ja! Gott bewahre jeden Ehristenmenschen vor solchem Anblick!" „Und wo — wo willst Du dir Erscheinung gesehen haben?" „Au» dem Zimmer der Frau von Arnheim ist der gräß liche Spuk gekommen, als ich den Schlüssel umdrehte unv öffnet«. Den Schrecken vergeh ich im ganzen Leben nicht mehr. So was bedeutet Schlimmes." Die Thür» der neben der Kucke befindlichen Kammer war unterdessen ausgerissen worden. Von dem grellen Schein ge blendet, taumelte PriSca schlaftrunken heran» Eie schien zu glauben, daß sie unter der Einwirkung eine» Traume« stehe, aber bei den letzten Worten, die sie vernahm, schwand die Be täubung, die ihre Sinne umsangea hielt, und machte einer entsetzlichen Klarheit Platz. galtet mich nicht auf!" ries sie, Alle» au» dem Wege stoßend. „Ich >»uß ibr nach, muß sie suchen! Herr Gott, daß mich der Schlaf überwältigte! Bersluckt soll Deine Neu gierde sein! Du hast die Wahn innige herauSgelassen!" „Die Wahnsinnige?" tönte e- wie ein schauerliches Echo von allen Seiten. Prisca hörte nicht mehr daraus. Keuchend, halb erstickt arbeitete sie sich zwischen de» Männern dinkurch, die Treppe empor, oftmals zurückgestoßen unv verzweifelt be müht, sich Bahn zu brechen. Aber hier war überhaupt « kein Writerkommea zu denken. Der schwarze Rauch hüllte Alle- in dichte Finsterniß und die Lust wurde so glühend, als befände man ü>t> in» Innern eine» Vesuvs. „Hinab! Wir müssen über die Nebentreppe in die Eorri- dore gelangen!" befahl der Freiherr, und nun drängle dir aller Ucberlegung bare Masse wieder dem AuSgang zu. Ringsum vernahm man da- Knistern und Prasseln der Flammen, da» Wimmern der Gestürzten, die SchreckenSruse der Außenstehenden, wenn eine neue Feuergarbe emporschoß. Mit versengtem Haar und rauchgeschwärzten Gesichtern traten Herr von Hohenfels und seine Begleiter in demselben Augen blick in» Freie, als die nur sehr kärglich vertretene Löschmann schaft eintraf. Ta gellte ein markerschütternder Schrei durch die Nacht. Mil weit aufgerisienen Luge» starrte die junge Baronin empor, die eine Hand au-gcstreckt, die andere in daS schwarze Haar gewühlt. „Dort! Dort!" stammelte sic wie »lil bald gelähmter Zunge. — Grauenvoller Anblick! A» einem der bohen, geöffneten Spitzbogensenster des zweiten Stockwerkes stand ein Weib, dessen ganze Gestalt von einem weißen Laken, daS sie über den Kopf geworfen hatte, verhüllt wurde. Nur die verzerrten GesichtSzüge und die Hände waren sichtbar. Sie schwang sich auf die Brüstung und stieß Töne aus, die bald wie Jauchzen, bald wie wilde« Wehklagen klangen. In den Armen hielt sie ein zarte» Kind. Als hätte der Zauberstab einer bösen Fee alle- Lebende plötzlich in Stein verwandelt, so stumm und regungslos ver harrte die Menge. Niemand wagte auch nur eine Bewegung zu machen. Man fürchtete, dir Geisteskranke dadurch zu reizen und zum Aergsten zu treiben. Nnr PriSca lag aus den Knien, murmelte Gebete und stöhnte dazwischen: „Herr Gott, verzeih mir die Lüge und erbarm Dick unser!" „Seht, welch rin Sühnopfer!" rief die Wahnsinnige mit wilder Begeisterung, dann schwang sic sich von dem Kenster- gesimse wieder in daS Zimmer hinein und verschwand. Damit war der Bann von den Untenstehenden genommen. Ein Theil der Löschinannschast eilte in oa« brennende Gebäude, wäbrend der andere sich bemühte, vermittelst teS Wasserstrahles baS rasch fortschreitende Feuer möglichst zu begrenzen und tie Nachbarhäuser zu schützen. Da« Vorbringen nach tcm eigent lichen Herd konnte nur schrittweise unter den größten Schwierig keiten geschehen. Die Ahnengalerie, die Säle und Zimmer de- ersten Stockwerke» bargen zu viele leicht entzüntbare Gegenstände. In den langen engen Eorridoren vermochte man kaum mehr zu athmen, die Augen schmerzten von ter surcktbaren Hitze, in den Wänden knisterte eS unbeimlicb. AuS Len Fenstern züngelten die Flammen bereit» nach dem zweiten Stockwerk. Stürzende, glimmende Gegenstände ver sperrten Le» Weg. Die Gefahr wuchs von Minute zu Minute unv dabei be stand Konsianze, von verzweisliingSvoUer Angst ergriffen, mit unbeugsamer Willenskraft daraus, sich de» Suchenden anzu- schließen. Vergebens bat Gisbert, sie möge zuriickbleibcn. ver gebens forderte er e« endlich »nt größter Strenge und E»l- »chiedenbeit. Sie wich nicht. Wie eiserne Klammern umschlossen die weißen Hände seinen Arm. Er konnte sie nicht abschüttcln und mußte die Wankende, halb Ohninächtige mit sich schleppen, wollte er sie Verbindern, in siniiloscr Aufregung blindlings vorwärts zu taumeln und das eigene Leben ganz zwecklos z» wagen. Sie hatte alle Selbstbeherrschung verloren und war keines klaren Gedanken- fähig, mir baß sie ter Spur ihres Kindes folgen nttißtk, »nd wäre es auch bis milten in das brodelnde Gliithmeer hinein, wußte sic. Grauenhaste Finsternis, wechselte mit gräßlicher» jäh auslodcrnder Helle. Mühsam, bald tappend und schleichend, bald kletternd und strauchelnd, gelangte man in daS zweite Stockwerk, aber Frau von Arnheim war nirgends zu sehen. Die Wabnsinnigc schien vor dem Feuer zu fliehen, da« sie selbst angelegt hatte. Wo sollte man sie suchen ? I» welchem der vielen Gemächer oder verschlungenen Gänge mochte sie weilen? Sie eilte, vermuthlich die Schritte der Nabenden vernehmend, immer weiter und wurde vielleicht gerade auf diese Weise in ihr Verderben getrieben. Dazu kam noch, das, die sreiwillige, nickt sehr zahlreiche Feuerwchr lttigenügcnd einexercirt war, cs fehlte an raschem, selbstbe wußtem Handeln und an energischer Leitung. „Ich ersticke!" stöknte Konstanzc plötzlich, Gisbert loSlasiend und beide Hände vor den M»nb pressend „Der Rauch! Der entsetzliche Rauch! Ick »üble den Boden nicht mehr unter nieincn Füßen. Die Wände schwanken . . ." Der Freiherr fing die Sinkende in seinen Armen aus und trug sie fort über verkohlte, glühende Trümmer, ibr Haar und ihre Kleider möglichst vor teil sprühenden Funke» schützend. Selbst fast betäubt oo» dem brandigen Geruch und an jeder freie» Bewegung gebindert durch die Last der Besinnungslosen, gelang e» ihm nur unter unsäglichen Anstrengungen, de» AuSgang zu finden. AIS die küble Nacktlust um ihre Schläfe webte, kam die junge Frau wieder zu sich und wollte, ver zweifelnd nach ihrem Kinde rufend, in daS brennende HauS zurückeilen. Man umringte sie und suchte ihr das Zwecklose, Wabnwitzige ihre« Beginnen» vorzustellcn In diesem Augenblick ertönte furchtbare- Kracken und Prasseln. Ein Theil der rrick verzierten Decke teS AbnensaalcS war eingestürzt. Unmittelbar daraus vernahm man schrille- b—6000 ^4 zu decken hat. Betreffs der weiteren Agitation theilte der Redner init, daß der Verband ohne anderweitige Hits» Vorgehen werde. Bündnisse init den Lonservativen ovcr sonstigen Parteien seien fernerhin ausgeschlossen. (Bravo.) Zu Punkt 2 der Tagesordnung: „Wie stehe« wir — wie siegen wir?" bemerkte Professor Förster, die Antisemiten Händen jetzt vor einem heißen Kampf-. Da» deutsche Volk sei bedentlich vcrjudet. ES sei im ganzen Land der eine oder andere mit Israel verwandt. (Sehr rutitigl Heiterkeit.» Um zum Siege in diesem Kampse z» gelangen, sei die Einigung aller Antisemiten »otdivendig. Das jüdische Eapital müsse, als zu Unrecht erworben, vom Staate wieder eingezogen werden. (Großer Beifall.) „Eigenthum ist nicht Diebstahl, aber das jüdische Capitol ist ein Raub am deutsche» Bvlke, deshalb muß dasselbe aus gesetz lichem Wege eingezogen und zur Tilgung der Hnpotheken- und Staatsschulden, sowie zur Errichtung von WohllhäligkeitSanstalten verwende! werden." (Langanhalleuder Beifall.» Redaeteur O. Pachter cBerli»), als zweiter Referent über diesen Puiict, bemerkt, Laß zum Siege noch die Aufhebung der Judeneinancipation noth- wendig sei. Tie conservative Partei bade die ihr vo» den Antisc- iiiitcii geleisteten Unterstützungen schlecht gelohnt. Ein weiteres Zu- samme»gehen mit derselben, oder auch nur ein zeitweise- Pactiren sei vom liebet. (Großer Beifall.) Hieraus trat ein« »instündige Mittagspause ei». Um 3 Uhr wurde» die Verbaudlungen wieder eröffnet. Es fand eine längere Discussio» statt. Me hl Horn (Stettin» theilt mii, daß nach seiner Ansicht bei der nächste» Reichs- tagswahl ganz Hinterpommcrn antisemitisch wählen werde. (Großer Beifall.» — P'arrer Rödenbeck (Potsdam» bedauerte, daß zwischen den anllsemilische» Führern Uneinigkeit herrsche. Er hoffe, daß eS Förster gelingen werde, die Führer zu der von ihm vorgeschlagenen srewn wirlhschasllichcn Bereinigung zusammen zu schließen. Hierauf betrat, stürmisch begrüßt, Reichsiagsabgeordiielcr Ahlwardt da- Podium. Er sei gezwungen, in die Debatte init »inzugreifen, da Herr P'arrer Rödenbeck die Uneinigkeit zwischen den Aiilisemiten und Hospredigcr Stöcker a. D. bedauert habe. Dazu müsse er bemerken, daß die Uneinigkeit von Stöcker verschuldet sei. Derselbe habe gesagt, die Antisemiten müßten schärfer bekäinpst werden als die Social- demokratcn. Dieser Ausspruch trenne die Antisemiten von Stöcker. (Sehr richtig.) Professor Förster wünscht, daß man den Christlich. Socialen und ihrem Führer alle sudjective Gerechtigkeit in Bezug auf ihre Thätigkeit i» der Berliner Bewegung zukommeil lasse, ein Zusammengehen init denselben aber sei fernerhin ausgeschloffen. (Sehr richtig! Beifall.) Es sprachen »och Schriftsteller Zenker (Berlin), Corvettcncapilän a. D. von Mosch (Steglitz), Uhrmacher Walter (Arnswalde) ». A. zu diesem Puncte. Sodann nahm zu Punct 3 der Tagesordnung Rector a. D. Ahlwardt da- Wort. Er besprach den den Thcilnehmcrn am Parteitag vorgelegteu Ent- wurf der antisemitischen Forderungen. Zur Durch, beralhung desselben wurde eine anS fünf Herren bestehende Com- Mission gewählt. Der 8. 15 dieses Entwurfes beschäftigt sich mit der Judensrage und lautet: „Die Antisemiten fordern n. Stellung der Juden unter Fremdciigcsctze, bei Verletzung derselben ist die Ausweisung gestattet; b Schließung der Grenze gegen Neu- cinwanderuiigc» und Ausweisung aller nicht in Deutschland ge- borenen Juden: e Ausschließung der Juden von allem liegenden Besitz oder Antheit an demselben; >1. Ausschließung der Juden von allen Staats, und Gemeindeämtern, aus dem Rechts- anwalts-, Aerztc- und Lehrcrsland, sowie aus der Presse; e. Ausschließung der Juden auS der Armee und Einführung einer Wehrstcuer nach dem Umfange ihres Vermögens; s. Ver- boi des Haltens deutscher Dienstboten." Redaeteur Wilberg (Düsseldorf» »ahm hierauf das Wort als Referent über das Thema: „Wie stelle» sich die Antisemiten zur Kosten- dcckung der angenommene» Mil itairvorta ge?" Cr pro« leslirte gegen die Einsübrung der von der Regierung vorgeschlagencn Steuern aus Tabaksabrikation u. s. w., sowie gegen die Wehr- stciier. Die Antisemiten würden nur eine Börsen st euer (Zurufe: Und Wehrslener!) annebinen. An diesen Vortrag schloß sich ei»» lange Liscnssion. Tie Mehrzahl der Anwesende» besür- wartete die Wehrsteuer. Schließlich wurde folgende von Ahlwardt cingebrachte Resolution angenommen: „Der Norddeutsche dlnti- semitentag erklärt sich bezüglich der Ausbringung der Kosten für die Vermehrung des Heeres gegen jede dirccie oder indirekt» Steuer, welche die mittleren oder unteren Stünde Geläcktcr und sah eine weiße Gestalt durch die ebenfalls schon von dem Feuer ergriffenen Nebcnräume duschen und endlich ans dem Balcon de« einen Zimmers erscheinen. Es war die Geisteskranke, welche iniiner noch den kleinen weinenden Kurl fest an die Brust gepreßt hielt. Ein heftiger Wind batte sich jetzt erhoben und webte dir aus de» Fenstern schlagenden Flammen nach dieser Richtung, so daß sic gierig a» den beiden Figuren leckte», auf deren gebeugten Racken der Baieon ruhte. Man rief den im Hause anweseiidcn Männern zu, wo die Gesuchte zu »inten sei, allein um z» der bezeichn««» Stelle ru gelange», mußte ma» durch den Abneusaal geben und die Tl>ür desselben war von innen vollständig verrammelt durch Schutt und Balken. Tie ans der andern Seite gelegene und bereits halb zerstörte Nebentreppe konnte nicht mebr betreten werke». So blieb nichts Anderes übrig, als mittelst der Leiter» den Vorbau zu erklimme»; doch auch das erwies sich als unmögtich, denn die Irrsinnige stieß ei» entsetzliche- Angst- gcschrci au- und rannte wie ein wildes Thier aus und ab, nur von Zeit zu Zeit innehaltend, um mit schriller, weithin tonender stimme zn rufen: „Seht, welch ein Sühnopfer! DaS ist die heiligt. Alles läuternde Glut! In hilflosem Jainmer rang Konstanzc die Hände und ächzte: „Nähert Euch nicht, oder sic stürzt sich mit dem Kinde in die Flamme»! O Gott, erhalte mir mein Tbenerstes und i h will eine Ankere, Bessere werden! Kein lhbrichtcr, sündiger Gedanke soll mehr Raum in meiiier Seele sinken!" Tie Geisteskranke war sieben geblieben und starrte mit siiiikclnden Augen auf die langsam Zurückwcichcnden hinab. Sic schien jetzt zu glauben, ibr Blick übe eine lähmende Wirkung ans und ihre eigene Regungslosigkeit bedinge auch die der Andern. „Verharrt Alle ganz »»beweglich!" rief da Jemand mit gedämpftem »nd doch befehlendem Tcnc. „Ganz unbeweglich! Und behaltet sie scharf i>» Auge!" „Hans Raine» — unser früherer Hauptmann!" flüsterten die Leute durcheinander. „Der verstcht's! Thut, wa» er sagt." Rainer stand so, daß die Wahnsinnige ihn nicht seyen konnte. Konstanze wußte selbst nickt, WaS sie hoffte, aber sie eilte auf ihn zu, faßte seine Häute und flehte: „Retten Sie da» Kink, und so lange ick lebe, soll mein Dank nickt enden! Ewig will ick Sie als meinen Wobltbätcr, als meinen Erlöser in böckster Noth betrachten!" Ungeduldig schob er da» schöne Weib zurück und erwiderte raub: „Wenn es mir gelingt, das Acrgste zu verhüten, so brauchen Sie mir nicht zu danken. Wa» ich tbue, geschieht
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