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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931228020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893122802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893122802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-28
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Der Erlaß, durch den der preußische Ministerpräsident (Aras Euleobnrg dir preußischen politischen Be amten daran erinnert, daß Agitationen, wie die ,Kreuzzrg." und ihre Hintermänner sie gegen die von der preußischen Negierung gebilligte, wenn nicht gar inaugurirte Wirtk- schastSpolitik des Reiches betreiben, mit der Beamten- Pflicht sich nicht vereinbaren lasten, trägt bereits Früchte. Die „Krcuzztg." verzichtet ans den aussichtslosen Versuch, diesen Erlast als iurorrcet oder gar als vcrsasiungStvidrig binzusteUen, und begnügt sich damit, zu bedaupten, daß sie wieder einmal gründlich verleumdet sei, nnd zu ver sichern, daß diese angeblichen unbewiesenen Vcrleum düngen auf sie und ihre Leser keinen Eindruck machen würden. Gegen die „Kreuzzcstung", wenn sie sich zu Griten genölbigt gcscben bade, die Wal,reu lauernden Interessen der Monarchie gegen Einzelerscheinungen in der Tagespolitik zu vcrtbcidigcn, sei schon gröberes Geschütz auf- gesahren worden, ebne daß sie sich in ihrer Uebcrzenzung batte irre machen lasten nnd ohne daß ihre Leser an ihrem „wahren, weil unabhängigen RovaliSmuS" gezwriselt batten. Da- Blatt, da« die Interessen der Tivoli Eonsrrvativen in erster Linie vertritt, sucht aber damit vergebens den Anschein zu erwecken, als ob eS bei der Gegenwehr der Regierung glkickimülhig bleibe. Deine Klagen über Verleumdung sind der beste Beweis dafür, daß cS sich an der verwundbarsten Stelle getroffen fühlt, da der ministerielle Erlaß zahlreichen Lanvrätben die Möglichstst nimmt, an den Bestrebungen dcS crtremcn EonscrvatiSmuS sich zu betheiligen. Auch in anderen deutschen Staaten wird das von guten Folgen sein Ileberall bat man schon srüber die Erfahrungen gemacht, daß die con- servativc Partei, wenn sie unter die Führung der preußischen Ertremcn sich stellt, die geringsten Erfolge erzielt und sich »ach oben, wie nach der Seite isvlirt. Wenn diese alte Er fahrung in der neueren Zeit vielfach vergessen worden ist, so werden die neuen Vorgänge in Preußen die Erinnerung an Vergangenes wieder auffrischcu. Vor einiger Zeit entspann sich aus Anlaß der griechisch- katholischen Dause de- Lohnes des rumänischen Thron folgers in der Presse ein besonders von den »ltramontanen Blättern mit Heftigkeit geführter Streit darüber, ob daS rumänische §dro»prin;e»paar bei Eingebung seiner Ebe das Versprechen römisch-katholischer »inörrcr.icduiig gegeben habe. Die ullramontanc Presse bebanplcte eS, weil obne dies Versprechen die katholische tirchlicheEinscgnnngderEbe kcs.tdron- Prinzenpaares nicht hätte erfolgen können. Die osficiöscii Organe der rumänischen Negierung bestritten cS, weil ein solches Ver sprechen verfassungswidrig gewesen wäre. Der Prinz selbst aber schwieg, und so ^licb die Frage vor der Oessentlichkcit wenigstens in der Schwebe. Jetzt liegt ein anderer ähnlicher Fall vor. Am 28. November sübrte der protestantische Prinz Otto von Schanmburg-Lippe eine adelige katholische Dame a»S einer westfälischen Familie zum Altar. Die Ehe wurde mit Dispens dcS BifchosS von Pader born katholisch kirchlich cingescgnct, und mit unverhohlener Genngthuung verkündeten die ullramontanc» Blätter, daß der Prinz alle vorgeschricbenen Bedingungen, Versprechen der romifch-katholischcn Kindcrcrziehnng und Verzicht aus evan gelische kirchliche Trauung, erfüllt babe. Jetzt aber berichtet die „Leipziger Allg. Evang.-Luthcr. Kirchciizig." auö bester OucUe, daß am Tage »ach der katholischen Dränung, also am 29. November, die evangclischc Trauung in der evangelischen Garnisonkirche zu Metz durch Ken protestantischen Militair- vberpfarrer in Gegenwart des commandircndeu Generals, sowie des Stabe- und vieler anderen Ofsiciere slattgefunden bat. Der Prin^ bat vor Vollzug der evangelischen Trauung die schriftliche Erklärung abgegeben, daß er der päpstlichen Geistlichkeit weder dircct nock intireet ein Versprechen hin sichtlich der eonsessionelstn Erziehung etwaiger an« seiner Ehe zu erhoffenden Kinder gegeben dabo. ES erzieht fick hieraus, daß die römische Kirche auck nachzugeben vermag, wenn sie aus energischen Widerstand stößt Bezüglich der Ermordung dcS unter dem Spitznamen „Rigoletto von Toscana" zu einer traurigen Berühmtheit gelangten Hantschubmachergehilscii Mrva in Pra« unter liegt cs keinen« Zweifel mehr, daß man cs mit einen« jener politischen Morde zu thun hat, wie sie in Rußland von Nihilisten an wirklichen oder vermeintlichen Verrälhern verübt zu werden pflegen. Ebenso wenig kann man in Abrede stellen, daß der Art nnd We»sc, wie der jungezecknsche Abgeordnete IO,. Herold den ,.Rigolest» von Toscana", der selbst Gründer des Gcheimbundcs „Das unterirdische Prag" war, anläßlich der Debatte über den Ausnahmezustand in Prag als agvut tnuvoeatenr darstcllte, die mittelbare, intellektuelle Urheberschaft au dem nun verübten Nacheactr zu- geschrieben werden muß. Wir können nicht in die Er örterung der Frage cinlreten, ob der Ermordete, was ja entschieden verneint wurde und wird, wirklich ein Verräther an dem Grbeimbnnde Omladina, dem er selbst angcbörlc. gewesen ist oder nicht. Jeden falls scheint der Mord in Folge eines Beschlüsse« der Oni- lakina auszeführt worden zu sein, und da» reicht wohl aus, um die Gefährlichkeit der Zustände in Bödmen zu kenn zeichnen, ohne daß man erst an den Dynamildiebstahl in Natonitz nnd das dort versuchte Dnnamitatlcntar erinnern müßte. Man hat Rigoletto von Totcaua ans der Welt ge schasst, um zu verhindern, daß er in der bevorstehenden Proccßvcrhantluiig gegen die Mitglieder der Omladina als Kronzeuge auslrcte. Wer erinnert sich da nicht an dir Mafia ? ES ist möglich, ja wahrscheinlich, daß da« neue österreichische Eabinct sich mit der Absicht getragen hatte, den Ausnabmezustanv in Prag und Umgebung so bald als möglich aujzuheben, wenngleich kaum anzunehmen war, aß dies vor Durchführung des ProcesseS gegen die Omladina geschehen werde. Wie sick aber die Tinge jetzt verkallrn, wird es wohl mit der Ausbebung des Ausnahmezustandes für längere Zeit seine guten Wege habe». Die sranzösischr Regierung benutzt die Zeit der Abwesen heit der.Kammer», um mit dem AnarchiSinns gründlich auszuräumen und auf Grund der neuen Gesetze die zur Be kämpfung dieser moralischen Seuche erforderlichen Maßregeln ins Werk zu setze». In allen Thcilen Frankreichs finden fast täglich Verhaftungen von Anarchisten statt nnd die Zahl der hinter Schloß nnd Riegel befindlichen Verbrecher mutz bereits eine ganz stattliche sein. Der Minister des Innern, der die Aufstellung von hundert neuen Polizei Eonimissäpen in der Provinz anordnetc, hak gleichzeitig durch ei» Spccial-Deeret alle Eommissariate angewiesen, alle gegen die neue» Gesetze verübten Verbrechen allsoglcich den Gerichte» anzmcigcn, während der Jnstizminister in einem Eircnlar an die Gerichtshöfe denselben die größte Wachsam keil nnd Raschheit bei der Unterdrückung empfahl. In Paris bedauert man übrigens, daß die neuen Beschränkungen der Prcßsrcibcit den Anarchisten gegenüber wirkungslos bleiben, da deren Ioiiriialc forlfahrc», Vaillant's Thal zu verherr lichen und die Mitglieder der Regierung zu verleumden. Das einzige Mistel dagegen wäre die Sislirung der Ge- schworneiigcrichle und die Verweisung der anarchistischen Journale vor die Zuchtpolizei-Gkrickste. Dazu scheint man sich aber vorderhand noch nickt entschließen zu wollen In Pari» ist soeben eine Statistik der Ansstände vom Jahre «892 veröffentlicht worden. Im Ganzen sauren in Frankreich in diesem Iabrr 292 Ansstände statt, die 500 Fabriken und 50 000 Arbeiter umfassen: im Ganzen sind durch diese Ansstände 900 000 Arbeitstage verloren gegangen. Wenn man den Arbeil-tag zu 5 Francs rechnel, dann beträgt die Summe der durch die Ansstände den Arbeitern entgangenen Löbne säst 5 Millionen Francs, also 100 Francs pro Kops. Wenn man ferner annimmt, daß die Forderungen der ausständigen Arbeiter bewilligt wurden — was nickt einmal bei der Hälfte der Ausstände der Fall war -- und wenn man außerdem eine zcknproeentigc Lohnerhöhung als Resultat der Arbeitseinstellung vorausscyt, tan» wären unter diesen mehr als denkbar günstigen Be dingiingen immer noch 200 ArbcitSlage, d. b. etwa 7 Monate noibwcndig, um die verlorenen Löhne wieder rinzubringcn. Allerdings sind derartige Erwägungen gewöhnlich nickt im Stande, einen Ausstand aufznl,alten. Selbst rabicale Blätter gesteken zu, daß unter dem gewöhnlichen Einfluß der Führer in den .Koklendistrielen Rordsrankreichs die Ausstands frage die denkbar schlimmste Form angenommen bal. Die Situation ist in jene» Gebenden eine derartige geworden, daß die Arbeitgeber vollständig darauf verzichten, sich zu ver- tbeidigcu. Fast jede- bewilligte Zugeftändniß richtet sich gegen sie, und da- allem Anscheine nach versöhnliche Ab kommen wird Lurch die Tbätigkeit einiger Führer so entstellt, daß es anstatt des beiderseitigen ersehnten Friedens einen neuen Kamps zur Folge hat. Vielleicht wird die Erhebung, welche die Arbciiseommission der Kammer über die Ausstands- frage gegenwärtig unternimml, ähnliche Resultate zu Tage fördern. Rack einer in oer italienische« Hauptstadt ans Palermo einzetroffcnen Meldung suckt der berüchtigte Gekeimbnnd Mafia, der überhaupt an den sieiiianischrn Unruhen stark belkieiligt ist, die Stadtbevölkerung ausruheyen nnö ans den Tumulten Eapstal für unlautere Zwecke zu schlagen. Die Behörden Irajrn übrigens alle Maßregeln, welche die Gefahr erfordert. Eavallcric. Infanterie, Artillerie stehen bereit. Letztere wurde noch mit Earadinern und Re volvern ausgerüstet. Den Pferden wurden wegen der Boden schwicrigkcilcn die Hufeisen abgcnommen In Eorlcone fand ciim Volksversammlung statt. Die Bevölkerung drohte mit der Einstellung der Steuerzahlung, falls nicht die Negie rung die von den Landlords gcleitclc, respeetive für ihre Sonkerzwcckc auSgebeulcte E o m m u n a l v e r w a l l n n q auslöse. Angesichts des sicilianiichen EbaoS ist e« ein wahres Glück, daß an der Spitze der Regierung ein Sicilianer stetst. Andernfalls würde der Regionalismns der auf ihre Rechte und Sonderstellung so eifersüchtigen Insulaner bedenkliche Nahrung erhalten. Bezeichnend ist ferner, daß selbst in einem so fatalen Augenblicke ein Tbeil des Parla ments fick nicht zu patriotischen Gesüblen auszuschwingen vermag. Wie nämlich der „Don Ediseioste" (allerdings noch unverbürgt) mitthrilt, gedenken die Anhänger BrinS sich nunmebr offen gegen Erispi zu wenden Auch die Anhänger Zanardelli's scheinen zu derartiger Schwenkung bereit. Sollte dieser parlamentarische Eoup zur Ansjührung kommen, so wäre er gleichbedeutend niit einen« Verralb am Vaterlands — Bei den Ruhestörungen in der Gemeinte Balguarnera wurden, w,e unS beute gemeldet wird, zahlreiche Personen verhaftet, welche die allgemeine Aufregung dazu benutzten, um zu plündern. Als die erste» Truppeiiverstärkungen von Piazza Armerina einlrasen, tarnen ihnen zahlreiche Bürger zu Hilfe. Seit dem 20. d. befindet sich der Präfect in Valguarnera, wohin gestern früh weitere Trupptnverftärknngen abgezangen sind. Der Untersuchungs richter setzt die Untersuchung nnunterhrochen fort Die Rukc ist vollkommen wieder bergestelll Ein über Wien eingcgangener Drahtbericht an- Kon stant «nopel übermittetl ausführlichere Mitkbrilungen über die Ruhestörungen in Passat. Einige Tage vor deren Ausdruck wurde ein Armenier, der verdächtig gewesen, den türkischen Behörden Auskünfte geliefert zu baden, ermordet vorgesunden. Der Mutessarif von LjoSgat ließ mehrere angesehene Armenier cmsperren unter der Anklage, diese Verbrechen verübt zu baden. Dieses summarische Vorgehen verursaa te große Entrüstung unter den armenischen Ein wobnern, welche die Verhafteten als unschuldig bezeichnet»». Placate, die gegen das Vergeben des Mutessarif protestirten, wurden an hervorragenden Plätzen angeschlagen Auf Grund dessen wurden weitere Verhaftungen angeortnet; aber die mit Verbastung bedrohten Personen snckten Zuflucht in der Kirche Verfolgt von Gendarmen, die in das Gotteshaus cinzudringrn versuchten, leistete» die Arnicnier hartnäckigen Widerstand und erwiderten da» Feuer der Gendarmen Die Kunde von dem Vorfälle verbreitete fick rasch in der Stadt: eine Menge Armenier und Mohammedaner eilten nach dem Schauplatz, um ihren Glaubensgenossen beizustebe». Der Kamps wurde allgemein und batte beträchtlichen Verlust an Menschen leben zur Folge llnter den Gelöttetcn befinden sich mehrere Gendarmen »nd deren Anführer. Ein großer Ärmenierdausen umringte später den Konak, bemächtigte sich de- Hauxt- gkfängnissc-, befreite alle Gefangenen und versuchte, das Pulvermagazin in Brand zu stecke». Er wurde daran vzr bindert durch rechtzeitige Ankunft frischer Truppen, die schließ lich die Ruhestörungen unlertrückte». Wegen der Unruhen in LjoSgat wurde die Polizeiaufsicht über die Armenier in Konstantinopel wesentlich verschärft. Armenische Priester dürfen kuiifNghin in keiner Kirche außerhalb ihre« Be zirks predigen; alle Zusammenkünfte von Armeniern find streng verboten. Wie fckon iiiilgetbeilt, bat der Sultan den Val, von Angora, Abcrdin Pascha, wegen dieser Dor sällc abgesefst und Meniduh Ben z»m Generalgouverneur ernannt Mil dieser Ernennung scheint Abdul Hamid eine sehr unglückliche Wahl getroffen zu haben. Deutsches Reich. -L Berlin, 27. December. Rach der Stimmung ,n Reickstagskreisen wird wenig Anssicht sein, die neuen Mari» es ordern» gen turckzubringen. obwohl sie nur eine cingeschräiille Wiederholung der bereits in der vorigen Session abgelebtsten Ferderuiigcn find Es sind diesmal wieder ge fordert erste Raten znui Bau des Panzerschiffs „Preußen", eines Kreuzers und eines Aviso». Daneben ist auch das Ordinariui» uni rund drei Millionen Mark erhöbt durch A»swe»d»ngen für Geldverpslegung, für Indienststellung und Inticnstkaltung der Flotte, für Vermehrung deö Personals. Diese letzteren Forderungen werden schwer abzulrbncn sein, wenn daS Bcdürsniß nachgcwiescii wird. Um die Schiffs Neubauten aber wird nach Ncujahr ein heftiger Streit ent brennen. O II. Berti«. 27. December. Die Steuer- und E>n- guartierungS Deputation Kat soeben ihren letzten Geschäftsbericht <1. April 1V>2 bis 21. März 1892) ver öffeistlicbt, ans dem folgende Zahlen über die Steuern der Berliner Bürger Interesse erregen dürsten: >24 095 Per sonen basten ein Einkommen von weniger als 200o zu versteuern; ein Einkommen von 000—900 .4? batten nach Feuillrtsir. Huf abschüssiger Lahn. Zeitbild von F. K I i n ck - L ü t e t s b u r g. N-Ldruik vcrectni. „Es ist nock schlimmer. Frau, nun das Kind fort ist." Sie erhob sich, indem sie ihre Arbeit, ein Stück zusammen genähter Fchpelzchen, aus einen Stuhl legte und trat an den Mann heran, der, nachdem er LaS cinsachc Abendbrod ver zehrt, an dem kleinen Fenster Platz genommen und, den Kops m die Hand gestützt, trüben Blickes in den engen Hosraum, in welchen nie ein Sonnenstrahl sich verlor, hinauSslarrtc. Die Frau legte ihre Hand aus seine Schulter. Ein kurzes, trockenes Hüsteln kani von ihren Lippen. Die feinen Haare, die sie heim FeUchcnnähcn vom frühen Morgen bis späten Abend rinzucsthnicn gezwungen war, verursachten im Halse immer rin trockneS Gefühl. Ties Hüsteln verfinsterte die Miene des Mannes noch mehr, und wenn sie gcbofft batte, daß er bei einer weichen, warmen Berührung sein Gksickt ibr zuwcnden und ein Blick aus ihren Aiiacn noch die alte Zaubcrmacht aus ibn auSübcn werde, so sab sie sich bitter getäuscht. Er wankte den Kopf nickt, sondern die Brauen zogen sich Lichter zusammen, ein tiefer Atbemzng entrang sich seiner Brust. „Adam, willst Dir nicht daran denken, wie gut daS Lorchcn aufgehoben ist? Glaubst D», mir wäre eS leicht geworden, daS Kind sortzugcben? Und doch! Als die Frau Räthin kam und mir den Vorschlag machte — ick konnte nickt anders. Vier lange Wochen! Sir wird Alle» haben, waS der Toctor vorgeschrieben, ,n einer großen lustigen Stube schlafen nnd am Tage niit Kinder» unter schattigen Bäume» in einem Garten spielen. WaS sic den langen, langen Winter hindurch zu erzählen haben wird! Und rotbe Backen soll sie bekommen. Wie hübsch und lieb sie dann auSscbru wird!" Die Fra» sprach noch weiter und wunderte sich, daß ihre glänzende Vorspiegelung von einem zu erwartenden Glück so wenig fruchtete. „Adam, fehlt Dir sonst etwa»?" fragte sie endlich, von banger Furcht ergriffen. Er schüttelte mir dem Kopse, aber de« Lügen- ungewohnt, verrictb er doch durch eine vunklcre Färbung seines GesickstS und ein verlegenes Ausweichen vor ihrem prüfenden Blick, daß er nicht die Wahrheit gesprochen. „Du kamst so früh nach Hause?" forschte sic bang. „O, mein Gott — cs ist doch nicht? D» sprachst von — von — einem —" Er nickte niit dem Kopfe. „Sag'S nur gerade heraus — es ist so. Wir haben die Arbeit niedergelegt." Wie mit jähem Entsetzen wich sic zurück, ihr Gesicht batte jede Spur von Farbe verloren. Im ersten Augenblick fand sic kein Wort. „Du — Adam? Du mit? Du bei einem Streik?" In den wenige» Worten lag eine Welt voll sanfter Vor würfe. Er ertrug sic nicht. Von seinem Sitz aufspringend und den Stuhl zornig zurückschlcudernd. ries er an-: „Ich bin nickt schuld, Marie — Du weißt eS, aber ich konnte nickt anders. Drei Mann gegen so Viele!" Sie zwang sich zu einer Rübe, die sie nickt besaß. „Herr Hvbrccht war immer gut gegen seine Arbeiter", kam eS beinahe schüchtern von ihren Lippen. Er fand keine Entgegnung. Die Lippen fest auf einander gepreßt, den Blick finster zu Boden gesenkt, stand er La. Er tanntc die Gedanken seiner Frau, die den eigenen ganz ent sprachen Undankbar und feige! So batte er gebandelt, als er sich von einer wahnwitzigen Menge sortrcißcn ließ. In dem enge», kleinen Raum, dem nur spärliches Lickt zusloß, herrschte einige Minuten lang eine dumpfe Pause. Tic Stimme der Frau war eS, welche sie zuerst unterbrach. „Akaiii, willst Du mir nicht erzählen, wie eS so bat kommen können? Es schien mir allzeit unmöglich, daß sich die Leute gegen einen Herrn, wie den unseren, ausledacn konnten." „Es ist nickt um der Person, sondern um der Sache willen, Marie. Du weißt, ich habe mich nie um solche Dinge gekümmert, sondern ehrlich und fleißig gearbeitet und — wir batten unser gutes Auskommen, so lange das Lerchen noch gesund war. Wir Beite haben ja niemals an all den Sachen Gefalle» gefunden, die so viele Arbeiter zu Grunde richten, sind nicht auf die Tanzböden gegangen, sondern babe» die Sonntage im Hause und bei unseren Kindern zugcbracht. Dafür ging^S uns besser, wie all den Andern, wir konnten mehr von dein Lobn beschaffen als sie. Du brauchtest auch nickt Felle zu nähen und Dir die Lunge zu verderben. Tann wurde unser Lorchen krank. Gott vergebe mir, aber ich habe die Jungen nicht so gern gehabt, als das Mädel. Wenn'S mir am Tage manchmal jauer geworden, wenn mir der Schweiß von der Stirn rann, dann Hab ick ihre großen Hellen Augen vor niir geseken und alle Arbeit ist mir leicht geworden, wen» ick daran getackt, wie sie mir am Abend entgegen springe» würde. Seitdem sie lag — Du hast'» ja genug gesagt, — bin ich nickt mehr derselbe ge wesen Alle Arbeit bat nichts genützt, es hat nicht znreichen wolle», dem .Kinde DaS zu geben, waS es brauchle. Kanin war cS wieder auf den Füßen, so körte die Unterstützung von der Krankencasse auf, andere Unglücksfälle kamen hinzu, und — und — o Marie, Schlimmere- girbt'S dock nickt, als ein liebes Kind, dem geholfen werden könnte, untergeben scben zu müssen, weit man — arm ist." Die breite Brust deS ManneS hob sich in unterdrücktem Schluchzen. Auch in den Augen seines Weibes standen Thränen. „Gute Menschen baden sich LorchenS angenommen", sagte e«. „Ja, al« eS zu spät war", gab er dumpf zurück. „Adam — wir baden nie von unserer Roth zu irgend einem Menschen gesprochen." „Rein, wozu auch ? Um uns abweiscn zu lassen? Ich babe nickt daS Herz zum Betteln gehabt." „Herr Hobrccht würde Dir gern geholfen baden und die Frau Räthin." Heiß schoß daS Vlut in des Mannes Wangen. In seinen Augen sprühte eS. Ein zorniges Lacken kam von seinen Lippen. „Sprich nicht von ihm. Marie, Tu kennst ibn nicht, ich babe ihn kennen gelernt. Er allein bat cs aus dem Gewissen, wenn cS so mit niir, mit unS geworden ist." Tie Frau blickte nngläubiz zu dem erregten Manne auf. „Ich verstehe Dich nicht, Adam, eS müssen schlimme Tinge vorgegangen sein, die Dick so reden lassen. Du bist sonst so ruhig und besonnen. Erzähle!" In dem einen letzte» Wort lag ein sehr bestimmt aus gesprochener Wille. Einen Augenblick zögerte er. ES war seine feste Absicht gewesen, ihr den Vorgang zu verheimlichen, der ibn in einer unseligen Stnndc in so gewaltige Ansrrgung versetzt, daß er allen guten Vorsätzen und Einschlüssen, die seither ihn außerhalb deS Stromes der Zeit gehalten, treulos geworben war und fick Genossen zuzcscllle, deren Tbnn nnd Treiben ihm in der Seele zuwider war. Diese Absicht erwies sich schnell genug als undurchführbar. Marie würde nicht auf kören mit Fragen, bis er gebeichtet, bi« er ibr den letzten Gedanken seiner Seele enthüllt. Ihre ganze Art übte schon in diesem Augenblick eine wobl- tbätige Wirkung auf ihn aus Seine Züge nahmen einen mildere» Ausdruck an, seine Stirn glättete sich und seine Hand ergriff die ihre, während seine Augen ernst den ihren begegneten. „Sieb Marie, all' DaS, waS Du mir vorhin von unserem Kinde gesagt, bat mich tagelang beschäftig«, aber auch bitter gequält, es bat mich so ganz in Anspruch genommen, daß ich von all' den letzten Vorgängen in der Fabrik, die sich unter meinen Augen abipielten, kaum etwas bemerkte. Tie Trennung von Lorchen schmerzte, aber ich tackte auch daran, da sie einige Wochen verleben würde, während welcher Zeit Roth und Sorge, die sie bei uns in letzter Zeit ja in überreichem Maße gesehen, nicht in ihre Nahe kommen tönnlen. Ich dachte an ihre reiben Wangen, an ihr Erzählen bei der Heimkehr, ich sab ihr oft in Gedanken Heini Spielen im Freie» zu. Darunter mischten sich wobt andere Betrachtungen, die ick Dir nickt verhehlt. Mir war «, als sei eS ein Unrecht, ein arnieS Kind, daö nicktS von dem Segen eines wohlgeordneten Lebens weiß, auf einige Wochen all die Wohltbalcu eines solchen genießen zu lasse». Wieder in seine elende Behausung zurückgekchri, aufs Neue der Notb, dem Kummer, wohl gar Hunger und Frost auSgesetzl, muß eS erst z»ni volle» Bewußtsein seiner elende» Lage kommen. Diese Gctaiilen haben mich förmlich gepeinig!, unk um so mehr, je näbrr der Tag und die Stunde kommt, in welcher bas Kind zurückkelnl. Ich habe Tag und Nacht gesonnen, wie ein Medrvcrriilist zu schassen sei, nur zwanzig, dreißig Pfennig für Milch »nd Eier. Es gab keine Möglichkeit. Herr Hobrccht läßt grundsätzlich nicht im Accord arbeiten. Warum nicht? Er will, wie er sagt, die Arbeitskraft seiner Leute nickt vorzeitig erschöpft scben, andererseits hält er die Oualiiät gefährdet, wenn er den Leuten Gelegenheit giedt, durch viel Arbeit viel Geld zn verdienen. Ich babe seinen Ansichten allzeit das Wort geredet — ich habe ihn ja auch für einen — humanen Mann gehalten " Adam stockte. Es machte den Eindruck als ob idm daS Sprechen schwer werde. „Hast Tu einen Beweis, daß er eS nickt ist?" „Wart - ab, Marie. Gestern war ich »ack langem Hin- und Hcrsinncn zu dem Entschluß gekommen, Herrn Hobiecht zu bitten, mir mir eine Ausnahme zu machen. Er bat mich
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