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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970127019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-27
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BezugS-Pnis -nntztqp^ta» od«- d« i« Stabs- «ch >«, «nenett» eretchtw« N»S- a», » t vterteljahrUch^E ttgltcher Sntzell,,, Ws »nb G^. tilgUche Ws AnSlanb: moaaütch ^4 7ch0. Dt» vr»»M,«>»gab« erscheint n» »/,7 Uhr. h^tz»»e-ga «» » »H-. Le-artto« rm- Lr»e-M»«r z,h<m«e»,«G» ». Dle-xpebstii»» ist «ochentags »»«terbroche» geöffnet von früh 8 bi» Ubachs 7 Uhr. FMsleu: vtt< Me««'s s-rti«. (Alfres Hahn). UntverstlütSstratze S (Panltnmn), Lnats Lösche, Sathanneustr. Ich pari, «nd KönlgSplatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Äömglichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «nd Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. A»ze1gr«^Ar*rr die 6 gespaltene Petitzeile SV Pia. Reklamen unter dem NrdactionSstrich (4ao- spalten) SO-4, vor den Kamiltennachrichte» (SgffpgU»») 40-^. Orsßer» Schriften lant unserem Brei», verzetchnih. Tabellarischer und Mffernsotz »ach höherem Tarif. Ortrn-Setlage» (gefalzt), ,,, Mt der Morgen-AaSaab», ahne Postbekördncung SU.—, »tt UostbesSrderung ^4 70.—. Ami>h«rschl»ß flr Anzeigen: Abend-LuSgab«: Bormittags 10 Uhr. Marge u-An-gab«: Kachmittag» 4 Uhr. Bei den Filiale, und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anreisen st-d stets au dt» Orptditian »u richte». Druck und Verlag vo» L- Polz t» Leipzig. l7. Mittwoch den 27. Januar 1897. ZUM Geburtslage -es Kaisers. 8 Kaiser Wilhelm ll. vollendet heute sein achtund- dreißigstes Lebensjahr und wie stets bringt das deutsche Volk dem Oberhaupte GesarnnttdeutschlandS Huldigungsgruß uud Glückwunsch aus aufrichtigem Herzen zum Geburtstage dar. Diesmal in freudig-ernster Erwartung der hundert jährigen Gedenkfeier für Wilhelm I., die uns aufs Neue ver gegenwärtigt, waS daS Vaterland dem Herrscherhause der Hohenzollern verdankt. ES hat un- das Kaiserlbum wieder heraufgefvhrt, jene- Kaiserthmn, daS, weit entfernt, eine repräsentative Zierde nach außen hin zu sein, vielmehr die Seele des gemeindeutschen SlaatSorganiSmuS bildet. Das Staatsrecht räumt zwar dem Kaiser nur eine be schränkte Zahl von Gerechtsamen ein, aber seine Würde ist etwa- überall Lebendiges, daS nationale Gefühl hat sie über den Buchstaben hinausgehoben. „Wir haben einen Kaiser, wir bedürfen des Kaisers, wir freuen an der Kaiser-", so wurde mit jubelnder Zustimmung auf dem letzten Parteitage der Nationalliberalen gerufen, und so em pfinden alle Deutschen, die sich des Anspruchs auf diesen Namen nicht begeben haben. Wir freuen uns des Kaisers, seines hohen Streben-, seines menschenfreundlichen Wesens, seine- Verständnisse- für die Regungen einer in mannigfachem Betracht demokratischen Zeit. Und wir sind des Vertrauens, daß von dem Herrscherleben, welches allmählich auf die Sonnenhöhe de- ManneSalterS steigt, reichlicher Segen dem Vaterlande noch beschicken sein wird. Wilhelm ll. ist von der Vorsehung Größeres auferlegt, als irgend einem seiner Ahnen. Ähm liegt die Erhaltung eines in seinem gegenwärtigen ideellen und materiellen Reichtbum vordem nie vorhandenen Besitzes ob. Seine Aufgabe stellt den Herrscher auf einen Boden, der glänzenden Ruhm, den die glückliche Entscheidung deSAugenblicks kränzenden Lorbeer nicht hervorbriugt. Er hat daS deutsche Schwert iu untadeliger Schärfe zu bewahren und zu walten, daß die Notbwendigkeit, e- auS der Scheide zu ziehen, nicht an Deutschland herautrete. In dieser Pflicht ist niemals etwa- versäumt worden, das deutsche Reich ist unter Wilhelm II. wie unter seinem Großvater kriegstüchtig und friedenheischend geblieben; seinem Herrscher vor allen Anderen schuldet der Welttheil den Dank für die vergönnte Entfaltung der Culturkräste. Eine den Frieden sichernde deutsche Machtstellung hat noch ander» Voraussetzungen als solche militairischer und diplomatischer Natur, und diese Voraussetzungen zu erkennen, zu schaffen oder zu erhalten, ist nur zum Theil eine politische Aufgabe und auch da, wo sie daS ist, gemeinsame Pflicht aller Volksglieder, bei deren Erfüllung dem Monarchen selten dir Führung, seltener die Entscheidung zufallen kann. Aber auch auf diesem Gebiete der inneren Entwickelung, die zumeist die Gestalt von Kämpfen annimmt, sichert die deutsche Auffassung vom Königlhum der Krone einen starken Einfluß. Ueber das richtige Maß desselben werden die Meinungen immer auSeinandergehen. aber mag er sich mehr oder weniger ausgreifend bethätigen, den Maßstab für seine Beurtbeilung wird stets die treibende Absicht zu bieten haben. Daß aber Wilhelm II., wenn er seine Per sönlichkeit einsetzt, von keinem andern Beweggründe, als dem, seinem Volke zu dienen, geleitet wird: diese Ueberzeugung ist während einer fast zehnjährigen Herrschaft Gemeingut des monarchisch gesinnten Volke- geworden und aus ihr beruht ein um so festeres Vertrauen in die Zukunft, als der Kaiser in der ihm ureigenen Wirkung«, sphäre oft den freudigen Dank der Nation geerntet hat. Durften wir an seinem vorigen GeburtSiage an die Depesche an den Präsidenten Krüger als eine alle Deutschen begeisternde Regierungshanblung erinnern, so weist daS heute ablaufende Lebensjahr deS Monarchen als eine mit der Gesinnung und Empfindung deS Volkes rein harmo- nirendeTbat den Erlaß über denZweikampf auf. Wir sind getrost, der Diang Kaiser Wilhelm's, allezeit daS Rechte zu finden, wird den Deutschen stets die Pflicht auferlegen, dem theueren Herrscher zugleich mit ihrem Glückwunsch ihren Dank abzustatten. Die spanischen Siege in bengalischer Beleuchtung. - - ' Nachdruck «erdet»«. SS Es ist den kubanischen Insurgenten häufig vorgeworfen worden, daß sie sich nicht in ehrlichem Kampfe ihren Gegnern stellten, sondern durch Zerstörung der Hilfskräfte der Änsel allmählich ihr Ziel zu erreichen hofften, nach dem Muster etwa, nach dem die Russen im Winter l8l2/13 verfuhren. ES ist wahr, die Thätigkeit der Aufständischen glich vielmehr dem edlen Räuberhandwerk, als einem frischen, fröhlichen Kriege. Der Ruhm dieser Handlungsweise scheint nun die Spanier nicht schlafen zu lassen, denn der General Weyler hat, wie ge meldet, den Befehl ertbeilt, binnen drei Tagen alle Plan tagen und Wohnhäuser in der Provinz Havannah zu zerstören, um die Aufständischen durch Aushungerung zur Unterwerfung zu bringen. Die Flammen, die aus den brennenden Häusern und den zerstörten Planlagen aufschlagen, bilden die bengalische Be leuchtung zu den fortwährenden spanischen „Siegen". Wir bedauern, daß wir nicht seit dem Beginne deS spanischen Aufstandes alle spanischen SiegeStelegramme zusammenavdirt haben; wir sind überzeugt, daß sie an Zahl unsere Erfolge im Kriege 1870/7 l bei Weitem übertreffen. Und WaS ist nun der Erfolg aller dieser angeblichen Siege? WaS da- Resultat eine- Aufgebots von nahezu zweimal hunderttausend Mann, eine- Aufgebot-, größer, als eS jemals in einer Revolution zur Niederzwingung de- Aufstandes in der Ge- scvichte verwendet worden ist? Daß die Spanier zu einem Mittel greifen, da- geradezu barbarisch genannt werden muß und daS sick von der Handlungsweise afrikanischer Wilder höchstens noch dadurch unterscheidet, daß dieie die in den Flammen umkommenden Menschen verzehren würden. DaS lässige Verhalten deS Präsidenien Eleveland in der kubanischen Frage rächt sich nunmebr. Von der Maßregel des Generals Weyler werden die Vereinigten Staaten den allergrößten Schaden baden. Die Provinz Havannab ist bekanntlich die reichste Provinz auf der Insel Euba; die Vuelta Abajo liefert den besten und meisten Tabak der Änsel. Auch Zucker wird in der Provinz Havannah in starkem Umfange gepflanzt. Für beide Produkte sind die Vereinigten Staaten Hanprabnehmer, und wenn jetzt der Befehl deS Generals Weyler stricte durchgefübrt wird, dann dürfte auf absehbare Zeit der Bezug kubanischer Produkte für die Ver einigten Staaten gleich Null sein. WaS wird nun General Weyler durch seine Maßregel erreichen? Diejenigen Mitglieder der gesetzgebenden Körper schaften der Vereinigten Staaten, die schon vor Iabre-srist die kategorische Forderung der Rückberusung des spanitchen „Bluthundes" stellten, werden triumphiren, und es wird ihnen gelingen, die große Menge ihrer Volksgenoffen auf ihre Seite zu ziehen. Man wird sich aber wohl nicht mebr damit begnügen, zu verlangen, daß General Weyler die Änsel verläßt, sondern man wird verlangen, daß die gesammte spanische Herrlichkeit aus Euba endlich ein Ende nimmt. Denn schließlich unterscheidet sich eia Spanier von dem anderen doch nur durch die gemäßigtere Form, aber inSgesammt sind sie von jenen Instinkten beseelt, die sich iu der Freude an Autodasö« im Mittelalter und an Stiergejechten heutzutage auSvrücken. Diese ries im spanischen Eharakter wurzelnde Grausamkeit, verbunden mit Lässigkeit, bat ihnen ihre mittelamerikanischea und süd- amerikanischen Eoloniea gekostet und wird ihnen nunmehr auch die Änsel Euba kosten. Denn der rücksichtslose Kampf, wie ihn jetzt Weyler durch führen will, wird nicht nur die Bereinigten Staaten zu einer Einmischung zwingen, sondern auch diejenigen Elemente in Euba, die sich bi-der noch von den Aufständischen fern gehalten haben, in das Lager der Änsurgenten treiben. Wenn die Insurgenten zu Brand und Plünderung griffen, so begriff man daS, weil einer Minderheit von 30 000 schlecht bewaffneten und undiScipliairtrn Truppen in einem Kampfe gegen eine fünf- bis sechsfache Uebermacht schließlich jedes Mttel recht sein mußte. Den ohnehin verhaßten Spaniern aber wird man eS nie verzeihen, daß sie die Provinz Havannah, die „Perle der Antillen", der Zerstörung preisgegeben haben. So werden die Spanier von ihrer rücksichtslosen Maß regel keinesfalls einen Gortheil haben. Diejenigen aber, die noch etwa für die Sach« der Spanier al- einen Kampf der „legitimen" Sache gegen die Revolution Sympathie gehabt haben, werden sich vnrch diesen neueste» Act der Brutalität 91. Jahrgang. abgestoßen fühlen; denn eine Kriegführung nach der Art des Dreißigjährigen Krieges wird in unserer Zeit von keiner Seite mebr gebilligt oder entschuldigt. DeutscheA Reich« L» Berlin» 26. Januar. ES ist nur bekannte Tbatsache, daß die polnischen Rechtsanwälte und Aerzte die Führer des zielbewußten stävtischen PolenthumS sind. Sie sino in der Regel die offenen oder stillen Letter der polnischen Vereine, welche ausnahmslos nationale Propaganda treiben, und manchmal sehr stille, sobald eS sich darum handelt, eine amtliche Erweiterung ihrer Praxis zu erlangen, worauf dann wieder der alte Agitator hervorgekehrt wird. Bei den Aerzten bandelt es sich in der Regel um ÄmpfpraxiS, KreiSwundarzt- stt'llen und ähnliche, bei den Rechtsanwälten um daS Notariat. Mag auch der materielle Gewinn auS derartigen Functionen nicht immer groß sein, so giebt doch die Verleihung dem Betreffenden da- Relief eine- beamteten Mannes. Wie wenige bei den Führern der polnischen Agitation selbst ein Verstaiibniß dafür vorbanden ist, daß sie mit der Uebernahme solcher amtlichen Functionen darauf verzichte» müssen, den nationalen Kamps gegen den Staat zu fübren, der ihnen daS Amt verleiht, bekundete der polnische Rechtsanwalt Or. Dziorobek auS Schrimm, welcher Posen-Odronik im Abgeorcnetenhaust vertritt und, wie uns mitgetheilt wird, anläßlia» seiner Bewerbung um ein Notariat in einer poseiiichen Stadt den Eindruck eines durchaus loyalen preußischen Unlerthanen erweckte, während er in Schrimm von den „Seinen" als eifriger Agitator gefeiert wird. Als Erzbischof von Stablewski in diesem Sommer zur Kirchenvisilakion in Schrimm weilte, zeichnete sich da- Haus de« Abgeordneten Dziorobek durch eine umfangreiche nationale Dekoration in den früheren roth-weißen, jetzt durch weiß- schwarz-weiß ersetzten „Provinzial"-Farben auS. Der Auf forderung deS Bürgermeisters, den Schmuck zu entfernen, leistete er keine Folge. Um so mehr wird die StaatSregierung ihrerseits darauf halten müssen, daß nicht der Einfluß pol nischer Agitatoren von staatlicher Seite vergrößert wird. Uno nach dieser Richtung liegen auS den letzten Äabren genug bedenkliche Bersäumnisse vor. Wir beschränken unS auf fol- genve zwei Beispiele: In Grauvenz prakticirte rin Rechts anwalt Namens von Palendzki, der sogar in seinen Acten der polnischen Sprache, namentlich bei Termin vermerkungen, sich bediente, so daß die deutschen Anwälte öfter dagegen Beschwerde führen mußten. Einer der Clienten Palendzki'S mußte ihn sogar um Corrrspondenz in deutscher Sprache ersuchen, da der Client nicht Polnisch ver stand. Trotz dieses demonstrativen Widerstande« gegen die Pflichten de« deutschen Amkssprachengesetzes wurde Herr Palendzki nach seiner Uebersiedelung nach Thorn, obwohl es hier an geeigneten Candidalen nicht fehlte, zum Notar ernannt, wo er jetzt neben seiner Praxis al- RechlSanwalt eine ebenso umfangreiche als Agitator auSübt. Der polnische RechlSanwalt Or. von PlucinSki in Liffa war als einer der rührigsten Führer der polnischen Partei weit und breit bekannt. Zur größten Ueberraschung weiterer Kreise erhielt er dennoch das Notariat. Man sollte nun annrhmen, daß FsttiHeton. Ernanripirt. Bvn E. Hosmann. Nachdruck verboten. Ts War heute noch nicht ordentlich Tag geworden, und schon leuchteten hier und da die Lichter hinter den Scheiben auf. Der Novrmbersturm batte längst daS bunte Laub von den Bäumen geschüttelt. Sie würden häßlich und kahl auS- gesehen haben, hätte nicht der Winterschure sie mit seinem duftmen Weiß geschmückt. Auf daS graue HauS, die Hobe vielfenstrige Mietbcaserne zu schritt ein junger Mann. Mißmuthig überflog sein Blick die Fensterfront der dritten Etage. Wo mochte nun wohl diese Freundin seiner Frau Schwester Hausen, diese Dame, der er durchaus einen Besuch abstatten sollte und die er des halb schon im Voraus baßte. Sie hauste natürlich, Eman- cipirte wohnen ja nicht wie andere Sterbliche! Ein« unverheirathete Dame, die allein wohnt! Allein? Es dämmerte ihm so etwa», al- habe sie eine jünger« Schwester zu sich genommen, immerhin, daun waren'» eben zwei Unverehelichte, die allein hausten! Und das durste nicht sein, und hätten sie siebzig Lenze hinter sich! Und doch wußte Rudolf Weiß, stuck, zur. im rwetten Semester, daß seine Schwester Hannah geradezu schwärmte für ihre „berühmte" Freundin. Frl. Bahrer, die Schriftstellerin. Hannah batte ihm keine Ruhe gelaffen: „Höre, mein Junge, sobald Du eine freie Stunde hast, besuchst Du meine Freundin, sonst — ziehe ich meine milde Schwesterband von Dir ab!" Eine freie Stunde batte Rudolf bis jetzt wahrlich noch nicht gehabt, die Frühkneipen dauerten vi« Mittag, dann kamen die Exbummel, gelegentlich mußte man auch einige Eollegirn beehre»; prüfende Blicke in da« Oorpus juris civilis werfen, — nein, Rudolf hatte »och keine Zeit zum Besuch bei Fräulein Bahrer finden können I Aber, die „milde Schwesterhanb"! Da lag'-! Diese, respektive ihre Spenden, waren ihm zu lieb. DeSbalb war er in der Kneipe vorhin plötzlich ausgestanden! Stumm, gefaßt, hatte er sich vom herbeispringenden Kellner den Ueberrock anziehen lasten und bezablt. Stumm und starr hatten ihn die BundeSbrüder angesehen, bi- verschiedene Rufe laut wurden: „WaS ficht Dich an, Klümpchen?" „Doch nicht in's Tolleg?" „Ein Rendezvous?" „Ja!" hatte er wüthrnd gerufen. »Jung? Natürlich!" hieß »S. „Im Gegentheil! So an die fünfunddreißig! Emaacipirte l Schriftstellerin mit dazugehöriger Schwester!" Alle fuhren in komischem Schreck in die Höhe. „Armer Kerl!" sagte der Jüngste, ob seiner blitzenden Augen „Biukelblink" genannt, „da- wagst Du?" „Bleib hier!" rief ein Anderer, „schmuggle Dich drum herum! Einen frischen Schoppen laß Dir bringen, uud dann trinken wir auf da- Wobl der bewußten Dame!" „Meine Schwester entzieht mir ja ihre rettende Hand, wenn ich den Besuch nicht mache! HinauSgeschoben habe ich ihn obnedieS schon sechs Wochen!" „Mensch! Tu bist unverantwortlich!" „Hinaus mit ibm!" „Wir erwarten Dich in einer Stunde zurück!" Äuvolf griff zur ersten besten bunten Mütze, machte rin tragikomisches Gesicht und sagte seufzend: „Auf baldige» Wiedersehen!" Ein kalter Wiud war ihm entgegengefahrea, al- er die Kneipe, wo es so mollig warm gewesen war, verlassen hatte. Innerlich wüthend, hatte er den Mantelkragen heraufgeklappt und etwa« von „blödem Unstua" gemurmelt, diese „alte Schachtel" besuchen zu müssen. Jedenfalls besaß sie als genial« Persönlichkeit ein sehr vernachlässigte- Aeußere: sein angeborener Schönheitssinn würbe aufs Tiefste verletzt werden, da- wußte er. Sicher herrschte keine Svur von Ordnung in dieser Häuslichkeit, die Herrin lief im seuerrothen Echlasrock herum und hatte als besonderes Erkennungszeichen stet- tintenbeklexte Finger. Dazu der übliche Klemmer. TituSkopf, Mänaerkracht nach geahmt. die Cigarette im Mund, — Rudolf schüttelte sich. Ader nur stramm vorwärts! Erst noch schnell nach Hause für zehn Minuten! Vorbereitung zu dem Besuch! Da lagen zwei Bände Novellen von L. Korta, so hieß Antoinette als Autorin. Rudolf staunte über sich. Er hatte doch etwa- von ihr lesen müssen, um mitreden zu können, wenn sie, waS ja sicher so wurde — in bescheidener Eigenliebe nur von sich und ihren Werken reden würde. Natürlich, da« wird sie, Schiller und Goethe sind Nullen gegen sie. Da- könnte ihr Rudolf viel- leicht sagen, darauf fiel sie sicher 'rein! Er lachte vor sich hm. — Oh, die modernen Frauen, oh über diese Emanci- pirten! Alle« echt Weibliche werfen sie — schwupp — über Bord. Kochen, Nähen ballen sie für unter ihrer Würde, und ihr kleine« Gehirn — Ruvolf weiß, daß e« c,rca 125 Gramm weniger wiegt als da« männliche, und empfindet darob etwa» Stolz — die« kleine Gehirn kann den Weihrauch nicht kaffen, die wollige Atmosphäre de« Berühuttseia«, eS schnappt über. — Schnell war Rudolf die zwei Treppen zu seiner Wohnung hinaufgesprungen, beim Eintritt in seine „Bude" aber zurück geprallt. In aller Behaglichkeit batte seine Frau Wirtbin mit ihrer nachbarlichen Freundin auf seinem Sopha gesessen im traulichen Au-tausch großer Gedanken. Er hatte die Sache natürlich nicht tragisch genommen, sondern die beiden Frauen, die einander vor Verlegenheit immer auf die Füße traten, lachend hinaus becomplimentirk. „Nur auf zehn Minuten, Mütterchen, dann können Sie weiter philosopyireal" hatte er den geknickt davon Zirhenven nachgerufen. Er aber hatte sich einen Stuhl an-Fenster geschoben, die Beine auf da« gegenübersteheude Sopha gelegt und flüchtig in den Novellen geblättert. „Hübscher Stttl Gute Gedanken!" batte er bisweilen gemurmelt. Daun batte er sich laut die Namen der Helden und Heldinnen hergesaat, um nachher aut bestehen zu können. Und nun stieg er seufzend die drei Treppen hinauf. Wenn nur die Schriftstellerin ihm nicht selbst die Tdür öffnet! Er würde sich zu sehr vor ihrem Anblick entsetzen. Hoffentlich ist'« Wahrheit mit der Schwester uud er hat nur mit dieser zu tbun! Zwei allerliebste Backfische hüpften an ihm vorüber, sie versicherten einander schon auf dem nächsten Treppenabsatz, daß sie die Studenten „furchtbar nett" fänden. Rudolf fühlte fich stark getroffen «„v hätte am liebsten Kehrt gemacht, um den zwei, ,n seinen Augen selber furchtbar netten Dingern nachzulaufen. „Antoinette Bahrer", da stand e«! „Nun in aller Heiligen Namen man block die ungefähr liche Schwester!" betete Rudolf, als er auf die Klingel drückte. Ein leichter Schritt von innen, man öffnete. Rudolf sah im dämmerigen Vorsaal ein weibliche« Wesen, von dem er zunächst nur dir blaue Küchenschürze wahroabm. Gottlob, nicht die Schriftstellerin selber, sondern die Schwester! So hatte üch Ruvolf noch in seinem Leben nicht über eine Küchenschürze gefreut, wie über diese, er tänzelte förmlich befreit herein, al- ihm die Dame lächelnd saate, Fräulein Bahrer sei zu sprechen. Sie öffnete mit leisem „Bitte!" eine Thür zur Rechten, blieb selbst aber zurück, was Rudolf lieb war. Ueberrascht blickte er sich in dem Zimmer um, in da« man ihn geführt hatte. War« allein dir Ofenwarme, welche an diesem kalten De- cembertag den Raum^> behaglich machte? War« die eigen artige Stellung der Möbel, kam die Behaglichkeit von den vielen zierlichen Kiffen, Decken und Teppiche» her? — Urber den gelben Spiyenvorhang am Fenster fiel ei» dunkler Wollen- stoff, dessen reiche Falten noch breit auf dem Fußboden lagen. Ein zierliche« Sopha stand mitten im Zimmer, nahe dem Ofen Palmen in bohen Ständern breiteten ihre Zweige aus und beschatteten hier rin Tischchen, mit Bildern und Büchern bedeckt, dort einen kleinen Sessel, der auf einem weiße» Fell stand. — Ein Papagei schaukelte sich in seinem hohen, gelben Bauer und ries: „Avieul Avieul" Vielleicht charakteristisch für die Hobe Schriftstellerin, dachte Rudolf, die Besuche lieber gehen als kommen sieht. Jedenfalls war die« Alle« der Schwester Werk! Da konnte die Emaocipirte allerdings ungestört ihren phantastischen Plänen leben, wenn sie solch eine echt weibliche Schwester bei sich halte! Welch köstliche, woblthueode Harmonie lag über dem Raum, nirgends konnte Rudolf« prüfende- Auge Staub oder Unordnung entdecken. Ja, ja, man sah eS der Sckwester gleich an, daß sie an echt Weiblichem daS mehr besaß, WaS der Schriflitellerin fehlte. Dies« saß jedenfalls in einem schauerlich unordentlichen Schreibzimmer und schwebte momentan über irdischer, armer Menschlichkeit. Wohl ihrl Drüben ging eine Thür, Fräulein Bahrer, diesmal ohne die blane Küchenschürze, trat ein. Ein feine«, kluge- Gesicht, sagte sich Rudolf, die ganze Erscheinung machte den besten Eindruck. DaS Fräulein trat über die Schwelle, und ehe eS sprechen konnte, wanvte sich Ruvolf, der da< größte Vertrauen zu dieser Schwester der gefürchtete» Emancipirtea fühlte, lächelnd an sie: „Offen gestanden, Fräulein Bahrer, bin ich heilfroh, daß Sie und nicht Ihr Fräulein Schwester, die Schriftstellerin, mich empfangen. Ich hatte nämlich «inen gewaltigen Bammel vor ibrl" Rudolf sah daS über die Maßen befremdete Gesicht, sah da« aufblitzende Lächeln nicht, da« über Fräulein Bahrer« Gesicht flog. Bei dem Wort „Bammel" da« einem „Fuchs" nicht zu verübeln ist, lachte sie laut auf. Mit einem Wink luv sic Rudolf, der seinen Ueberrock abgelegt hatte, zum Sitzen ein. „Ehe wir über den Bammel — Fraulein Babrrr lachte wieder — sprechen, erzählen Sie mir erst von Hannah, wie geht e« ihr?" Rudols berichtete ausführlich, manchmal stockte er unwill kürlich : was da« Fräulein für kluge, ernst prüfende Augen hat! Die blicken ja durch und durch! „Und nun", sagte sie, als Rudolf geendigt batte, und lehnt« sich in den Sessel zurück, „sagen Sie mir, waS für ein Bild von — meiner Schwester Sir sich eigentlich gemacht haben!" „Ein schauderhafte«, offen gestanden!" „Nun, au Offenheit läßt diese« Geständniß allerdings nicht« zu wünschen übrig!" lachte da« Fräulein. „Ja", meinte Rudolf, seine Derbheit eiosehend. „ich stelle mir eben unter einer Schriftstellerin ein ganz unaueipirtes
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