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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970810011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-10
- Monat1897-08
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Dies entsprach voll kommen dem vom ganzen Volke getheilten Gefühl, daß es sür England Lebensfrage sei, die Seeherrschast unter allen Um ständen gegen jede denkbare feindliche Vereinigung aufrecht zu erhalten, daß ras Parlament nur seine Genugthuung über die Maßnahmen und Vorschläge der Admiralität ausdrücken konnte. Einige Zeitungen, darunter auch deutsche, vertreten nun die Ansicht, daß die Admiralität bei der kurzen Bauzeit der neuen Schlachtschiffe nicht sicher darauf rechnen könne, dieselben genügend mit ausgebildetem Personal zu besetzen. Dem kann man zunächst entgegenstellen, daß in der Gegenwart kein Staat mehr in der Lage ist, seine Kriege mit im Frieden voll ausgebildetem Personal durchzusühren und dann, daß im Kriegsfall die älteren englischen Schiffe einen größeren Besatzungsthcil weniger ausgebildeter Mannschaften zu Gunsten der neuesten stärkeren Schiffe erhalten würden, so daß diese Ansicht zum Theil schon dadurch hinfällig würde. Was nun die Zahl der im Kriege zur Besetzung aller Schisse notbwendigen Mannschaften betrifft, so unterschätzt die Admiralität die Wichtigkeit dieser Frage umsoweniger, als sie von früheren Seekriegen erfahrungsmäßig weiß, daß in Kriegszeiten wegen Beschleunigung der Neubauten, Abgabe von Prisenniannschaften und aus mannigfaltigen anderen Gründen bedeutend mehr Leute gebraucht werden, als es die rein etatSmäßize Besetzung aller Schiffe in Friedens zeiten bedingt. Einen derartigen Ueberschnß, sowie einen Ersatz für die durch Erkrankung und aus anderen Gründen dem Dienst fehlenden circa 20 Proc. der Mann schaften, schon im Frieden zu halten, wo er bei der Nickt- indienstbaltung vieler Schiffe gar nicht zu verwenden wäre, ist nicht angängig. Eine mehr theoretische Schwierigkeit für eine überetatsmäßige Vermehrung der Mannschaften in Kriegszeiten bereitet die als Gegenleistung für die hohen Flottcnkosten vom Volk im festen Glauben an den Besitz der Seeherrschaft gehegte Erwartung, im Kriege möglichst wenig in der Ausübung deS Seehandels gestört zu werden. Diesem Wunsch entsprechen auch die vielen gewichtigen Stimmen gegen das in den letzten Jahren ausgesprochene Recht der englischen Admiralität, im Kriegsfälle, wenn nöthig, einen Theil der englischen Besatzung der Handelsschiffe zum Kriegsschiffsdienst heranziehen zu dürfen. Man fürchtet dadurch den Seehandel, dessen England zur Einfuhr von Lebensmitteln dringend bedarf, zu sehr zu schädigen und will lieber noch mehr Geld für Vergrößerung des Marinemann- schaftbestandeS und der Reserven auSgeben. Im Ernstfall würben diese Bedenken aber bei dem Patriotismus der Eng länder und in der Erwägung schwinden, daß im Kriege gegen einen mit schnellen Kreuzern versehenen Feind der lang samere Theil der Handelsschiffe so wie so die Fahrten ein stellen müßte. Die Deckung deS Mannschaftsbedarfes ist in England selbstverständlich viel kostspieliger als in Ländern mit all gemeiner Militairdienstpflicht; sie erfolgt durch Anwerbung von Matrosen und Heizern und durch Erziehung von Schiffs jungen und Lehrlingen. Die Zahl des activen Mannschafts bestandes, vermehrt um die dauernd bezahlte und aus gebildete Reserve, entspricht ungefähr der für die Besetzung aller brauchbaren Kriegsschiffe und Hilfskreuzer nöthigen Kopfzahl. Der Mannschaftsetat wird in jedem Jahr, ent sprechend dem Zuwachs der Flotte, erhöht, er beträgt für daS Etatsjahr 1897—98 im Ganzen 100 050 active Officiere und Mannschaften, zu denen noch 22 000 Reserveleute und 3000 Neserveheizer, sowie 1700 Reserve-Officiere und -In genieure kommen. (Die Bezeichnung Osficier und Engineer umfaßt dabei alle Personen mit englischem Ofsicierrang, also auch Deckofficiere.) Der Zuwachs des activen Personals seit dem letzten Jahr beträgt 121 Officiere, 2400 Seeleute, 2265 Mann des Maschinen- und Heizerpersonals, 1000 See soldaten und 514 Mechaniker-Handwerker rc., im Ganzen 6300 Köpfe. Der Zuwachs der Reserven beträgt 1100, und zwar 600 Seeleute und 500 Heizer. Die Kosten an Lohn, Kleidung und Verpflegung betragen für das active Personal jetzt 6 080 600 Psd. Sterl. jährlich, für die Reserven und die Officiere auf HM- und rotireck kay 749 500 Psd. Sterl. Einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs an gedienten Mannschaften kann die Flotte in einem ernsten Kriege durch die Rückkehr vieler Hundert in Friedenszeiten contractbrüchiger, desertirter Mannschaften erhalten. Bei den oft großartigen Desertionen von Bord englischer Kriegs schiffe in den Colonien, besonders in Australien, ist es bei der mit Ausnahme Indiens bestehenden großen Unabhängig keit der Colonien für die CommanboS fast unmöglich, Deser teure zurückzuerlangen. Um einem wegen der Länge der AusbiloungSzeit zum Officier im Kriege sich sehr fühlbar machenden etwaigen Officiermangel vorzubeugen, ist die Cadetteneinstellung vergrößert, so daß in einiger Zeit der jährliche Zuwachs 170 Unterlieutenants an Stelle der früheren 116 be tragen wird. Den Hauptstamm und den wegen ihrer langjährigen Dienst zeit besten Theil der activen Seeleute liefert die Einstellung der Schiffsjungen und deren Erziehung auf Schulschiffen und kleineren Uebungssckiffen. Sehr gute Erfolge haben außerdem in den letzten Jahren drei für directe Einstellung älterer Jungens bestimmte größere Kriegsschiffe gehabt, welche in den Hasenpläyen sich meldende Jungens einstelllen und diese in kürzerer Zeit als die eigentlichen Schiffsjungen-Schulschiffe auf Seereisen ausbildeten. Sie haben jetzt gegen 1200 zu Matrosen ausgebildete Jungens abgeben können. Die Reserven bestehen aus Seefischern, Seeleuten der Handelsmarine und aus dem activen Dienst ausgetretenen Matrosen, welche sich als Entgelt, für eine jährliche Unter stützung verpflichten, im Kriegsfälle in die Marine einzutreten und im Frieden zwei oder drei Uebungen auf Kriegsschiffen von im Ganzen zwölfmonatiger Dauer durchzumachen. Sie erhallen, wenn sie als befähigt nach der ersten stets sechs monatigen Uebung zur czualiüeck seamou (Vollmatrosen) er nannt sind, 6 Psd. Sterl. jährlich, sonst nur als seawell 3i/r Pfd. Slerl. jährlich. Für die Zeit der Uebungen sind besondere Zulagen ausgeworfen. Wer sich nach Empfang der Aufforderung weigert, eine Uebung anzutreten, kann sofort aus den Reservelisten gestrichen werden. Frei willige Extraübungen werden höher bezahlt als die vor geschriebenen. Wer bei guter Führung die in der Regel vor Ablauf des 35. Lebensjahres zu erledigenden vorgeschriebenen Uebungen vollendet hat, bezieht vom 60. Lebensjahre an eine Alterspension von 12 Pfd. Sterl. jährlich. Ein Theil der Reserven ist zur Besetzung der als Hilfskreuzer verwendbaren Postschnelldampfer bestimmt, deren Officiere und Ingenieure vielfach Reserveosficiere sind und in ähnlicher Weise wie bei unS Uebungen auf den Geschwadern zu erledigen haben. Bei Vieser reichlichen Bezahlung der Reserven würde die Admiralität deren Zahl leicht in einigen Jahren verdreifachen können, wenn sie auf die Hochseefischer Englands mehr als bis jetzt und auf die Seeleute und Fischer der Colonien, besonders Canadas und Australiens zurückgriffe, was bis jetzt noch unterblieben ist. Der anfangs erwähnte Kriegs mehrbedarf würde dann kleiner sein und sich bei der großen Zahl der in Großbritannien nnA den Colonien ein Seegewerbe treibenden oder einem Maschinenberuf an- gehörenden Männern englischer Abstammung leicht ergänzen lassen. Menschenverluste während des Seekrieges werden Wohl meist durch entsprechende gleichzeitige Verluste an Schiffs material gedeckt werden und sind deshalb hier nickt besonders berücksichtigt. Bei dem großen Friedensbestand und der ständigen Ver mehrung der activen und Reservemannschaften, den reichen Geldmitteln und den angeführten Hilfsquellen für weitere Vermehrung de- Marinepersonals erscheint der Trost aus ländischer Zeitungen, daß England mehr baue, als eS besetzen könne, nicht genügend begründet. Proceß von Lützow vor dem Reichsgericht. Nachdruck verboten. I-. Lei-jig, 9. August. Vor dem Reichsgerichte unter dem Vorsitze des Chefpräsidenten Sr. Excellenz vr. von Oehlfchläger sand heute, wie schon kurz gemeldet, die Revisionsverhandlung gegen den Schriftsteller Karl Freiherrn von Lützow statt, der nach vierzehntägiger Verhandlung am 4. Juni vom Schwurgerichte beim Landgerichte I in Berlin wegen Urkundenfälschung und Be truges zu einer Zusatzstrafe von 2 Monaten zu der ihm vom Landgerichte am 7. December v. I. wegen Beleidigung des Staats- serretairs Freiherrn von Marschall auferlegten Gesängnißstrafe von 1 Jahre 6 Monaten verurtheilt worden ist. Der Mitangeklagte Criminalcommissar von Tausch ist, wie bekannt, von der Anklage des Meineides, den er in dem ebenerwähnten früheren Processe gegen von Lützow geleistet haben soll, freigesprochen worden. Ta die Staatsanwaltschaft bezüglich dieses Angeklagten Revision nicht eingelegt hat, so ipielte v. Tausch in der heutigen Verhandlung nur eine nebensächliche Rolle. Lützow ist für schuldig erachtet worden, eine Quittung des Schriftstellers Kukutfch über 50 fälschlich angefertigt und von ihr in betrügerischer Absicht mit Erfolg rechtswidrigen Gebrauch gemacht zu haben. Die von ihm eingelegte Revision wurde durch Rechts anwalt vr. Holtz auS Berlin vertreten, der ihn auch in der Hauptverhandlung vertheidigt hatte. Eine Rüge materieller Gesetzverletzung war zwar erhoben, wurde aber nicht näher ausgeführt. Die processualen Beschwerden dagegen wurden vom Vertheidiger eingehend begründet. Der Oberreichsanwalt würdigte alle Beschwerden und gelangte zu dem Anträge auf Ber» werfung der Revision. Das Reichsgericht verwarf sodann die Revision unter folgender Begründung: Die Rüge materieller Rechtsverletzung ist in der Revisionsschrift nicht näher beleuchtet; eine Nach prüfung des Erkenntnisses läßt auch nicht erkennen, worin die Verletzung der angewendeten Paragraphen bestehen soll. Das fest» gestellte Delict erschöpft vollständig die gesetzlichen Thatbestands» Merkmale und die Strafe ist richtig bemessen. Was die pro- cejfualen Beschwerden betrifft, so ist zunächst gerügt, daß die vier Stenographen, welche die Verhandlung gegen Lecke« und von Lützow im vorigen Jahre stenographirt haben, nicht vernommen seien. Thatsächlich find im Protokoll nur zwei von ihnen als ver nommen aufgrführt. Im Laufe der Hauvtverhandlung ist nun aber von keiner Seite das Zeugniß der beiden anderen Stenographen in Anspruch genommen, ja es haben im Gegentheil am 4. Juni olle Proceßbetheiligtrn da- Anerkenntniß abgegeben, daß jeder gestellte Beweisantrag seine Erledigung gefunden habe. Diese Er» klärung kann nur als ein Verzicht auf weitere Beweis» ausnahme im Sinne des Gesetzes aufgefaßt werden. ES war sodann die Verlesung eines TheileS de- Steno gramms der Verhandlung gegen Lecke« und von Lützow als un- zulässig gerügt. Auch diese Rüge ist nicht durchgreifend. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Stenogramm den Charakter einer Die Zunahme der Blitzgesahr. Von Hans Brendel (Berlin). Nachdruck »erboten. Unverkennbar strebt die ganze Culturentwickclung dahin, Leben und Besitzthum des Einzelnen von der Wiege bis zur Bahre vor Gefahren und Schädigungen jeder Art möglichst sicher zu stellen. Aber an die Schleppe dieser mit Recht hochgepriesenen Cultur hängt sich eine Anzahl tückischer Kobolde, die von ihr anscheinend unzertrennlich sind und daher selbst durch die größte Umsicht vielfach nicht abzu schütteln fein werden. Zu diesen unangenehmen Folge erscheinungen des kulturellen Fortschritts zählt die seitens der Meteorologie und der VolkSwirthschaft neuerdings fcstgestellte und seitdem mit Besorgniß beobachtete, wachsende Blitzgefahr. Die statistischen Aufstellungen der Feuerversicherungs- Gesellschaften und der meteorologischen Stationen gestatten keinen Zweifel an dieser Zunahme. Eine sehr lange Reihe von Beobachtungen, wahrscheinlich die längste existirende, liegt für die Stadt Lüneburg vor, wo man die Gewitter seit dem Jabre 1778 feststellt. Dieser Ort gehört, wie Süd- und Mitteleuropa mit Ausnahme weniger kleiner Bezirke, zu einer Zone, die durchschnittlich 15 bis 30 Gewitter jährlich erlebt, und damit stimmt die Anzahl der Lüneburger Gewittertage, 16,4 im Jahre, sehr gut überein. Während diese Ziffer, natürlich mit «Schwankungen, über 100 Jahre ziemlich con» stant bleibt, hat die Zahl der Blitzschläge in demselben Zeit raum langsam, aber entschieven zugenommen. Veröffentlichungen über Blitzschäden in Bayern eristiren eit 1833. Danach betrug die Zahl der jährlichen Brand- älle durch Blitzentzündung anfänglich im Jahre durch- chnittlich 23, in den beiden Decennien 1844 bi- 1865 ast 52, in den Jahren 1866—1879 über 100 und in der olgenden Zeit noch beträchtlich mehr. Während im Laufe der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre von einer Million versickerter Gebäude im Durchschnitt alljährlich nur 32 vom Blitz beschädigt wurden, fielen anfangs der achtziger Jahre unter einer Million durchschnittlich 97 dem gleichen Schicksal anheim. Die Bliygefahr hat sich demnach innerhalb des betrachteten Zeitraum- verdreifacht, und nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Heftigkeit der Gewitter scheint ortgejetzt ,u wachsen, indem während der ersten fünf unter» uchlen Jahre an einem Gewittertage von einer Million Gr- >Luden im Durchschnitte 1,6 getroffen wurden, in den letzten ünf aber 2,5. Wenden wir unfern Blick nach Norddeutschland, so läßt sich auch hier ein» beträchtliche Zunahme der Blitzschläge feststellen, und zwar innerhalb eine- noch weit kürzeren Zeit räume-. Im Jahre 1882 wurden in Preußen 732 Besitzungen vom Blitze beschädigt: diese Zahl wuchs in den sieben folgenden Jabren allmählich auf 1406, also auf da« Doppelte der Treffer de- Jahre- 1882, und wenn auch innerhalb diese- Zeiträume- ein zeitweilige- Abnehmer, der Gefahr rinzutreten schien, so wurde die niedrig« Ziffer de« Lu-gang-jahrr« doch niemals wieder erreicht, jene dr« EndjabreS dagegen mehrmals überschritten. Ebenso nimmt die Gefährdung menschlichen Lebens durch daS Gewitter unausgesetzt zu, ein Umstand, der sich schon bei aufmerksamem Verfolgen der Rubrik „Uuglückssälle" in den Tageszeitungen aufdrängt und durch alle zuverlässigen statistischen Aufzeich nungen zur Gewißheit erhoben wird. So stieg, um nur ein Beispiel zu geben, die Zahl der durch Blitzschlag Getödteten in Preußen innerhalb acht Jabren von 79 auf 106 und erhob sich in zwei Jahren noch beträchtlich über diese Ziffer. Ziehen wir die Zahl der blos Getroffenen und zeitweise oder dauernd Geschädigten in Betracht, so fällt diese Statistik noch viel ungünstiger für die Gegenwart aus. Alles in allem genommen, kann man behaupten, daß die Gefährdung durch Blitz innerhalb der letzten siebzig Jabre auf mehr als das Dreifache gestiegen ist. Diese Zunahme der Blitzzefahr, die auch für die Schweiz, Oesterreich-Ungarn und andere unserer Nachbarstaaten nachgemiesen ist, vertheilt sich nun keineswegs gleichmäßig über daS ganze Gebiet. Abgesehen davon, daß einzelne Gegenden je nach ihrer Lage zu den Zugstraßen, denen die großen Gewitter mit Vorliebe folgen, mehr oder minder aus gesetzt erscheinen, ergiebt sich auch ein auffallender Unter schied zwischen Stadt und Land. Auf je eine Million vor handener Besitzungen kamen in den Stadtgemeinden rund 200, in den Landgemeinden 400 und in den Gutsbezirken etwa 750 schädliche Blitze; die Blitzzefahr ist in den Land gemeinden also doppelt, auf den Gütern fast vier Mal so groß wie in den Städten! Dieser Umstand ist vielleicht ebenso schwer zu erklären wie das Anwachsen der Zahl zündender Blitze überhaupt. Denn während die Verhältnisse, dir die Blitzzefahr in Städten verursachten, anscheinend dieselben geblieben sind, haben sie sich auf dem Lande bedeutend gebessert. Unter dem Drucke der Feuerversicherungs bedingungen sind die Stroh- und Schindeldächer der harten Dachung, die Holz- und Fachwrrkbauten massivem Mauer werk großtenthrilS gewichen, und auch der Blitzableiter ist auf dem Dorfe und dem GutShofe weit häufiger zu finden al- früher: und dennoch hier diese unverhältnißmäßig größer« Gefährdung! Fragen wir nun nach den Ursachen der steigenden Blitz gefahr, so liegt e- nahe, sie in einer Zunahme der Gewitter überhaupt zu suchen, mit deren Vermehrung ja auch die Zahl der Blitzschläge wachsen müßt«. Eine solche Zunahme ist zwar vorhanden, aber sie ist äußerst gering und schlägt bisweilen sogar in rin, Abnahme um, reicht also zur Er klärung der Erscheinung nicht au». Vielleicht erzeugt aber gegenwärtig jede- «inrelne Gewitter eine ungleich größere Anzahl von Blitzstrahlen al- früher? Diese Vermutbung hat viel für sich, wenn sie sich auch nicht beweiskräftig frststellen läßt. Dazu müßten wir eben erst eine unum stößlich sichere wissenschaftliche Theorie der Gewitter erscheinungen haben, «ine Forderung, deren Erfüllung noch in weitem Felde zu liegen scheint. Zwar giebt e- rinig« Dutzend Gewittertheorien, und jeder Theoretiker ist von der Richtigkeit der seiniaen felsenfest überzeugt; aber keine von ihnen ist bisher Allgemeingut der Wissenschaft geworden. Am meisten Wahrscheinlichkeit besitzt diejenige Erklärung, die die Quelle der elektrischen Erscheinungen der Atmosphäre in einer Reibung von Wasser und Ei- sieht. Vor jedem Gewitter kann man, so lange der Himmel noch nicht ganz bedeckt ist, zwei verschiedene Wolkenarten con- 'tatiren: Die compacten Haufwolken, die auS Wasser tröpfchen, und die höher schwebenden Cirrus- und Schleier wolken, Vie auS feinen Eiskrystallen bestehen, da selbst in den heißesten Sommermonaten in 3000 bis 4000 m Höhe schon Gefrier-Temperatur herrscht. Diese Wolkenmassen sind beim Gewitter in lebhafter, oft entgegengesetzter Bewegung begriffen, wobei eine heflige gegenseitige Reibung der Wasser- unv Eistheilchen erfolgt. Diese erzeugt, so lange die Wolken bewegung andauert, fortgesetzt neue Elektricitätsmengen, also auch neue Blitze. Wenn diese Erklärung richtig ist — und sie hat sehr viel Wahrscheinlichkeit sür sich — so fragt es sich, ob Ursachen vorhanden sind, die gegenwärtig eine stärkere Vermehrung der atmosphärischen Wassertbeilcken herbeisühren als früher. Diese Frage muß bejaht werden. Der Waldbestand Mittel europas, dieser vorzüglichste Schutz des BodenS gegen über mäßige Wasserentziehung, bat seit einem Jahrhundert be denklich abgenommen, und in Folge dessen wird der Luft weit mehr Flüssigkeit in Dampfform zugefübrt als vordem. Die Ueberfübrung des Wasserdunstes in Tropfen- und Krystall- form wird durch die Anwesenheit von Siaubtheilchen in der Atmosphäre sehr gefördert, und daß die Verunreinigung der Lust durch Staub, besonders durch Koblenstaubtbeilcken, beute unvergleichlich größer ist als früher, läßt sich angesichts der ungeheuren Ausbreitung der mit Kohle arbeitenden Industrie anlagen nicht leugnen. Somit haben wir in der fort schreitenden Entwaldung und in der Verschlechterung der Atmosphäre durch Staub wahrscheinlich zwei Gründe, die auch bei gleichbleibender Gewitterzahl mehr elektrische Ent ladungen als ehedem berbeiführen können. Zugegeben endlich, daß weder di« Zahl der einzelnen Gewitter noch die der Blitze zugenommen habe, so bleiben auch dann noch Ursachen genug, die derselben Anzahl elektrischer Entladungen verderblichere Wirkungen zusichern müssen als früher. Da die Blitzzefahr auf dem Lande ungleich mehr gewachsen ist al- in den Städten, so müssen wir dort nach den Gründen suchen, und sie sind augen fällig genug. Au- früheren Jahrhunderten stammende Dörfer und Gehöfte liegen in den meisten Fällen in Boden einsenkungen, Niederungen, kleinen Thälern, sei e-, daß die Erbauer hier mehr Schutz vor Wind und Wetter für ihre primitiven Wohnungen erwarteten, sei eS, daß sie von dem Wasserlauf angezogen wurden, der solchen Bodensenkungen zu folgen pflegt, oder daß sie ibre Wohnsitze den Augen beute süchtiger Eindringlinge möglichst zu entziehen wünschten. Dergleichen Motive sind in unserm Jahrhundert nicht mehr maßgebend. Man baut die wetterfesten Wohnungen auf luftige gesunde Höben, ohne Rücksicht auf die fließenden Ge wässer, da man leicht Brunnen anlegen kann, und begiebt sich auf diese Weise de- natürlichen Schutze-, den die wasser reiche Niederung gegen den Blitz gewährt. Die niedrigen einstöckigen Häuser werden durch höhere Gebäude mit scharfen Ecken, Kanten und Spitzen ersetzt, und wenn auch der Blitz ableiter den Bewohnern eines solchen Hause- Beruhigung giebt, so ist seine Schutzfähigkeit, zumal wenn sie nicht oft geprüft wird, doch oft eine recht minimale. Ist doch da letzte Wort über dir zweckmäßigste Anlage dieser Wetterschutz vorrichtung durchaus noch nicht gesprochen! Dazu hat der Landmann sich eines recht wirksamen Schutzes selbst beraubt, indem er die hochragenden Pappeln, Espen, Ulmen und Eichen, die ihm früher Stall und «Scheune beschatteten, fällte; wie oft zogen sie den Wetterstrabl, der jetzt das Gebäude selbst treffen muß, auf ihr grünes Haupt! Die Umgestaltung des wirtbschaftlichen Betriebes führt eine weitere Erhöhung der Blitzgesahr herbei. Während früher das Dorf eine um Kirche und Dorfreich geschlossene, meist baumreiche Anlage bildete, befördert die moderne Land- wirtbschafl Einzelbauten inmitten der Felder; Scheunen, Vorwerke, Meiereien erbeben sich vereinzelt auS der glatten Ebene und bieten dem Blitz ausgezeichnete Treffpunkte. Die allmählich unaufhaltsam fortschreitende Zerstückelung des Großgrundbesitzes schafft eine Menge früher nicht vorhandener Einzelgehöfte, und diese gefährdeten Einzelanlagen werden durch die Verlegung der Fabriken aufs offene Land vermehrt. Man dürfte kaum zu hoch greifen mit der Behauptung, daß diesen Einzelbauten im Vergleich zur geschlossenen Dorfanlage das dreifache Maß von Gefahr droht. Die Frage, wie der wachsenden Blitzgesahr zu begegnen sei, ist nickt leickt zu beantworten In erster Linie mußte eine Verminderung der in den Wetterwolken sich häufenden atmosphärischen Elektricität und ein allmählicher Ausgleich der elektrischen Spannung angestrebt werden. Das kann durch weitere Beforstung von Oedländereien, mit der viele Staatsregierungen seit Jahrzehnten erfolgreich Vorgehen, und durch vermehrte Einführung der rauchlosen Verbrennung geschehen. Dagegen wird sich gegen die fortschreitende Vereinzelung landwirtbschaftlicher Baulichkeiten kaum an kämpfen lassen, da eine rationelle Bewirtbschastung von Grund und Boden sie gebieterisch verlangt. Doch wird sich auch in dieser Hinsickt die Gefahr durch Vermeidung hoher Lage, durch solide Bauart und Anlage gut construirter Blitzableiter wesentlich vermindern lassen. Für die Sicherung menschlichen Lebens vor der Blitzgesahr wäre sehr viel gewonnen, wenn der Einzelne im gegebenen Falle die Selbstbeherrschung besäße, die Allen geläufigen Sicherheits maßregeln wirklich zu befolgen, statt sic immer wieder gröblich zu verletzen. Man lasse sich auf ebenem Felde durch den Platzregen, der das Gewitter gewöhnlich begleitet, nicht unter einen Baum treiben, sondern warte zusammen gekauert oder der Länge nach auSgestreckk da- Ende der Gefahr ab; man lasse sich auf der Landstraße nicht zum Laufen oder zum Schnellfahren verleiten, sondern begebe sich lieber auS dem Bereich der Cbausscebäume und der dampfenden Pferde fort; man lege inetallene Gegenstände, wie Sense, Spaten und dergl. bei Seite; man stehe vor Allem nickt in Haufen zusammen, sondern vereinzele sich sofort, da der Blitzstrahl nicht nur durch eine Gruppe leichter angezogen wird, sondern auch auS einer Schaar gewöhnlich mehrere tödtrt oder verletzt. Muß man den Schutz eines LaubdackeS suchen, so vermeide man die Eiche; sie, der Baum deS Donar, und die Nadelhölzer sind infolge ihres geringeren Fettgehaltes dem Blitzschlag weit mehr auSgesetzt als die „Feltbäume* Buche, Linde, Walnuß, Birke; auch Ulme und Erle scheinen weniger blitzgefährlich zu sein. So wird man wenigsten- den Folgen der wachsenden Blitzgefahr für da- eigene Leben sicher entgegeuarbeiten.
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