Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960313023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-13
- Monat1896-03
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs Preis k» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholl: vierteljährlich ^(4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Teutschlaud und Lesterrrich: vierlestährlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.50. Dir Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? »Ihr, dir Abeud-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedartion und Lrpeditiou: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Filialen: kltn Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Unibrrsitätsstraße 1, Lonis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und Königsvlatz 7. Abend-Ausgabe. MiBiger TagMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 13. März 1896. Anzeigen.PreiS die 6gespaltene Petitzelle 20 Psg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50/H, vor den Aamtliennachrichten («gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernias nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördcruna ./t 60—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig W. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. März. Reichstag und prrnfztfches Abgeordnetenhaus baden zwei große Leistungen hinter sich. Der Reichstag hat bekanntlich die zweite Lesung der Gewerbeordnungsnovelle be endet, allerdings zum Theil in einer Fassung, die der dritten Berathung noch einige schwierigere CodificationSaufgaben stellt, namentlich, wie wir schon gestern hervorhoben, in Art. 3, wo hinsichtlich der Concessionspflichtigkeit des Schankbetriebs zwischen Consumvereinen und anderen Bereinen unterschieden ist, und in Art. 4, der ziemlich dichtes Dunkel über die Rechtsverhältnisse der Droguenbändler breitet. Im Abgeordnetenhause ist endlich die zweite Lesung des CultuS- eta ts zu Ende gegangen, und das, nicht der Inhalt der zwöls- lägigen Verhandlung, ist das „Große" an der Leistung; eine Weile schien es, als ob ihr überhaupt kein Ziel gesetzt werden könnte. Immerhin bat das Haus dabei Zeit genug vergeudet, um die rechtzeitige Fertigstellung des Etats im Herrcnhause, die am 1. April erfolgt sein muß, in Frage zu stellen. In diesem Hause hat der erste Viceprasident Frh. v. Manteuffel am 2. dss. Monats „mit Bestimmtheit" die Erwartung aus gesprochen, das andere Haus werde die Rücksicht üben, der Ersten Kammer den Etat „allerspätestens" am 16. März zugehen zu lassen. Bis dahin sind zwei Arbeitstage, das Abgeordnetenhaus hat aber noch eine Reihe debattenschwangerer Etatsabschnitte in zweiter Lesung zu erledigen und dann die dritte Lesung deS ganzen Etats folgen zu lassen, ehe das Herrenhaus sich mit dem Gegenstände beschäftigen kann. Es hat also die gewünschte Rücksicht nicht gezeigt, allerdings auch nicht gegen die etwas energische Sprache des Vorsitzenden des Herrenhauses protestier, wie dies in einem ähnlichen Falle im Jahre 1880 durch den Mund des von allen Parteien der gewählten Kammer dazu beauftragten Frhrn.v. Schorlemer-Alst in kräftigem Tone geschehen ist. Ob ras Abgeordnetenhaus vor Ostern außer dem Etat noch etwas Erkleckliches vorwärts bringen kann, wird von dem Zeit punkt seiner Vertagung abhängen, die nicht vor dem 27. März, dem Freitag vor Palmsonntag, eintreten muß, aber wahrscheinlich früher beginnt. Daß der Reichs tag bis nach seiner Jubiläumsfeier am 21. März zusammen bleibt, wird zwar behauptet, erscheint aber recht zweifelhaft. Jedenfalls stehen ihm vor dem Feste nicht mehr als zwölf Sitzungstage zur Verfügung und wichtige Etats abschnitte, darunter der Marine- und der Eolonialetat, harren noch der Erledigung in zweiter Lesung Da außer der dritten Etatsberatbung noch mindestens ein S^chwerinslag das Haus in Anspruch nehmen wird, so dürfte eS sich kaum ent schließen, den Gesetzentwurf über den unlauteren Wett bewerb, über den die Commission Bericht erstattet hat, noch vor der Vertagung in zweite Berathung zu ziehen. An ihrer Stelle könnte vorgenommen werden die zweite Lesung des Wirthschaftsgenossenschaftsgcsctzes, zu dem gleich falls der Commissionsbericht vorliegt, und die dritte Berathung derGewerbenovelle. Alles Uebrige unterliegt der Commissionsberathung, die sich zur Zeit auf nicht wenigcr als sechs Regierungsvorlagen, den Handwerkskammern-Entwurf nicht mitgezählt, erstreckt. Dazu sind noch zwei weitere Gesetz entwürfe, der über den Handel mit Saatgut, Dünge mitteln u. s. w. und einer über die Organisation des Handwerks, in Aussicht gestellt. Welche Gegenstände die Kosten dieser Ueberbürdung zu tragen haben werden, stehl dahin. Hoffentlich nicht das Bürgerliche Gesetzbuch. Der vorgestern in Berlin überwiegend von Berlinern ge gründete „Lchutzverband gegen agrarische Uebergrifsc" ist bereits Gegenstand einer nicht von ihm ausgehenden Zeitungs meldung geworden, die uns mit großer Genugtkuung erfüllt. Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Siegle, ein hervorragender Industrieller aus Stuttgart, erklärt nämlich, daß seine Wahl in den constituirende» Ausschuß ohne sein Verschulden erfolgt sei und er, wenn er in der Gründerversammlung an wesend gewesen wäre, hätte auSsprechen müssen, daß er die Wahl nicht annehmen könne. Das ist von unserem Stand- punct ein guter Anfang für eine Vereinigung, die nichts Anderes bewirken könnte, als dem Bunde der Land- wirthe die Daseinsberechtigung zu verleihen. Aller Floskeln entkleidet, war der Inhalt der im Hotel de Rom zu Berlin gehaltenen Reden vie Parole „Exceß gegen Exccß"; auf den Unterschied der Ton art in dieser Versammlung und der im Circus Busch ge hörten ist kein Gewicht zu legen. Indem man die Hand werker und selbst die kleinen Bauern „mit Temperament", wie Herr Di Ludwig Bamberger, der Typus des versteinerten Manchestermannes, sich auSdrückte, zu gewinnen beschloß, hat man die Absicht kundgegeben, cs „draußen" anders machen zu lassen. Für eine so distinguirte Versammlung wie die von James Simon eröffnen und von Herrn Geh. Commerzienrath Herz präsidirte gewesen ist, war die Sprache übrigens schon aufreizend genug. Wir haben das feste Vertrauen, daß unsere politischen Gesinnungsgenossen im ganzen Reiche sich diesem Versuche, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben, fernhallen werden. Das erfordert der Patriotismus, die Gerechtigkeit und die Klugheit. Noch mehr organisirte Heerhausen in den wirtbschaftlichen Bürgerkrieg, der Deutschland zerklüftet, eingreifen zu lassen, heißt den Friedensschluß ms Un absehbare verzögern und daS Terrain, auf dem die dringlichen politische Aufgaben erfüllt werden können, noch mehr verengen. Nun besteht aber auch ein Unterschied zwischen dem Ausgangspunkte, wahrscheinlich nicht dem innersten Wesen, des Bundes der Landwirthe und dem der neuen Vereinigung. Dort haben sich Machtpolitiker und Geschäftsleute einen in großen Theilen Deutsch lands unleugbar vorhandenen wirthschaftlichen Nolhstand nutzbar gemacht, hier nehmen Vertreter von Erwerbs gruppen, die zur Zeit ebenso unleugbaren Grund haben, mit ihrer ökonomischen Lage zufrieden zu sein, die Tbatsache, daß man zu Tage getretene Mißstände abstellen will, zum Ausgangspunkt, sich eine jener Organisation ähnliche mit den gleichen Mitteln zu verschaffen. Es ist wohl zu beachten, daß in allen Kundgebungen des „Kaufmannsstandes", die wir in den letzen Wochen gehört haben, der Unmuth über daS, was die Regierungen zur Bekämpfung von Mißbräuchen im Ge- schäftsleben Vorschlägen, den Grunvtonabgegeben hatund dieun- bestreitbar bösartigen und verleumderischen Ausschreitungen der agrarischen Agitation nur den, vielleicht nicht ganz unwillkommenen, Vorwand abgegeben haben, sich über Ehr verletzung und Beeinträchtigung zu beklagen. Wenn also dort unverschuldeter Notbstand mißbraucht wird, so soll hier eine maßvolle, gerechte und nothwendige Bekämpfung eingerissener Uebelstände verhindert werben. Das ist denn doch ein Unter schied. Wie weit die Partei-Politik in den „Schutzverband", falls überhaupt aus ihm etwas werden sollte, hineinspielen würde, darüber braucht man beute keine Vermuthung anzu stellen. Der Versuch, die Verhandlung im Hotel de Rom für Zwecke der freisinnigen Volkspartei auszubeulen, ist ziemlich energisch zurückgewiesen von einem Theilnehmer, der vielleicht etwas für seine freisinnige Vereinigung herausschlagen will, vielleicht auch nicht. Jedenfalls wird dieser Bund von den beiden „freisinnigen" Richtungen beeinflußt scheinen, und dies wirb genügen, um ihn bei anderen Parteien, die sich ihm nicht gänzlich fernhieltcn, unheilbar zu discreditiren. Der in Frankreich zwischen den gemäßigten und den radikalen Republikanern bestehende politische Conslict wird schon demnächst aus wirthschaftlichem Gebiete zu einem ent scheidenden Kampfe führen. Die Frage der Einkommen steuer ist es, bei der die beiden Parteien, welche gegenwärtig um die Macht im Staate ringen, ihre Kräfte messen werden. Die Regierung, welche den Einkommensteuer-Gesetzentwurf eingebracht bat, befindet sich, wenigstens vorläufig, in einer keineswegs günstigen Position, wenn eS sich auch nicht leug nen läßt, daß Bourgeois, Dank den Manifestationen seiner socialistischen Freunde in Südfrankreick, mit vermehrtem Prestige nach Paris zurückgekehrt ist. Wir haben schon ge meldet, daß die Budget-Commission der Kammer mit überwiegender Mehrheit die Ablehnung des Entwurfes des Finanzministers Doumer beschlossen bat. Außerdem bat sich eine Reihe von Körperschaften, deren Stimmen in Frankreich nicht ungehört verhallen dürften, im Princip gegen die Einkommensteuer ausgesprochen. An der Spitze dieser Kundgebungen steht jene der Pariser Handelskammer, die gerade in der Einfach heit des beantragten Steuersystems ein verlockendes Mittel erblickt, das Ergebniß derselben auf Kosten einer einzigen Classe von Steuerpflichtigen fortwährend zu erhöhen, so baß die Einkommensteuer-Listen eines Tages zu wahren Beraubungslisten werden könnten. Haß und Neid würben diese Steuer zu schändlichen Beraubungen ausnützen. Ebenso scharf spricht sich die Gesellschaft der französischen Indu striellen und Handeltreibenden in ihrem Gutachten über die Einkommensteuer aus, indem sie bemerkt, daß die kleinen GewerbS- und Handelsleute, die sich bis zu 10 000 Francs einschätzen lassen, die neue Steuer durch Erhöhung der Verkaufspreise auf ihre Kundschaft, den kleinen und bedürf tigen Mann, überwälzcn werden. Ferner hat der Fachverein der Pariser B au-Un t erne hm er, sowie brr Verband der Vereine der ehemaligen Zöglinge der Handelshochschulen Ver wahrung gegen das Gesetz eingelegt. In dem Gutachten des letzteren wird bemerkt, daß die Ankündigung des Gesetzes allein schon eine Auswanderung der französischen Capitalicn zur Folge gehabt habe, und daß seine Durchführung eine Verminderung des französischen ReichtyumS, also auch der Arbeit, zur Folge haben müßte, mithin die Löhne berabbrücken und die Lasten der unteren Classen vermehren würde. Großen Eindruck wird auch die Erklärung der mächtigen Vereinigung der Pariser Handelssyndicate machen, welche, wie gemeldet, die Be zahlung der Einkommensteuer, falls sie eingeführl wird, ver weigern wollen. Die Regierung stützt bekanntlich ihre Hoff nungen in der Einkommensteuer-Frage darauf, daß viele Deputirte, welche in den Bureaux gegen dieselbe stimmten, im Plenum nicht den Muth finden werden, dieses Votum aufrecht zu erhalten. Die Abstimmung in der Kammer wird zeigen, ob dieser Calcul des radikalen Cabinels be rechtigt war. Bezeichnend ist, daß der „Figaro" die Be hauptung ausstelll, in socialistischen Kreisen herrsche die Ueber- zeugung, daß der Präsident der Republik, wenn das Cabinet Bourgeois gestürzt werden sollte, es nicht wagen würde, ein anderes als wieder ein radikales Ministerium zu berufen. Wenn die extremen Parteien selbst den Slaats-Cbef mit der „trockenen Guillotine" zu bedrohen wagen, so ist es begreif lich, daß sie alle erlaubten und nicht erlaubten Mittel auf bieten, um einfache Deputirte einzuschüchtern. ES war von vornherein klar, daß der Protest Iameson ein Waschfest werden würde, bei dem Niemand naß gemacht wird. Obgleich das internationale Decorum es verlangt, daß den Freibeutern wenigstens pro t'oimrr der Proceß gemacht werde, hat sich die öffentliche Meinung Englands doch nicht einen einzigen Augenblick in ihrer enthusiastischen Feier der einer frivolen Völkecrechtsverletzung Angeklagten irre machen lasten. Auch das Gericht verfährt mit Iameson und seinen Officieren so rücksichtsvoll, daß man wohl merkt, die Sache der Angeklagten steht auch ohne Zutbun der Vertbeidiger so günstig wie nur irgend möglich. Wenn der Mitangeklagte Oberst Grey in der Verhandlung am Dienstag unumwunden erklärte, sie seien nach Transvaal gegangen, um für die britische Suprematie in Südafrika zu kämpfen, so zollt ihm dafür im Herzen jeder Engländer Dank und Bewunderung. Auch die Richter sind Engländer und haben als solche Iameson und Genossen schon längst völlig absolvirt. In ihrer richterlichen Eigenschaft müssen sie sich natürlich Zurück haltung auferlegen; doch spricht der Umstand, daß Iameson, sowie die übrigen Angeklagten gegen Bürgschaft auf freien Fuß gesetzt sind, dafür, daß das Gericht sich in Ansehung ihrer von der mildesten Auffassung leiten läßt. Ja, in der zweiten Verhandlung erkannte der GeneralstaatS- anwalt sogar den Muth (!) und die guten (!) Absichten der Eindringlinge an und bob hervor, daß IK. Iameson sich ohne Waffen im dichtesten Kugelregen im Gefecht von Krügersdorp befunden habe. Von Interesse ist bis jetzt nur die Aussage des Sergeanten der Betschuana- land-Schutztruppe, Drummond Hay's, welcher aussagte, auf die Frage des Obersten Grey an die Mannschaft, wes halb keiner sich freiwillig zu dem Zuge melke, habe ein Soldat die Gegenfrage gestellt, ob sie als Reichstruppen oder für die südafrikanische Gesellschaft marschiren sollten. Oberst Grey antwortete ausweichend. Er könne nickt sagen, daß sie auf Befehl der Königin vorrücken sollten. Sie würden aber für die Suprematie der britischen Flagge in Südafrika fechten. Daraufhin meldeten sich viele Soldaten. Außer Hay ist aber noch eine ganze Anzahl Soldaten der Iameson-Truppe verhört worden. Alle sind ihrem Worte treu geblieben, nichts zu vcr- rathen. Sie machten allerhand Ausreden. Sie sagten, sie hätten nicht verstanden, was Or. Iameson und Andere ihnen vorgepredigt hätten. Sie hätten niemals das Recht bezweifelt, sie nach Transvaal zu führen. Sie hätten nicht gewußt, wohin es ginge, oder sie hätten nickt geahnt, daß es zum Kampfe kommen würde. Diese Art Zeugen werden den Kronanwälten jedenfalls wenig Beweis material zuführen, und wenn der schleppende Gang der Verhandlungen so weiter gebt — das Verfahren ist wie derum, und zwar dis nächsten Mittwoch vertagt —, so läßt es sich mit Fug und Recht bezweifeln, ob aus Seiten des Staates überhaupt die Absicht vorliegt, das in Worten oft genug gebrandmarkte Vergehen der „gallaut lioroes" von Krügerstorp nach dem giltigen Völkerrecht, auch mit der Strenge des Gesetzes zu ahnden. Es ist über haupt fraglich, ob die Beweisaufnahme zur Stellung der An geklagten vor Gericht führen wird. Ueber den vielgenannten Vertrag von Utschalli sprach dieser Tage in Zürich der in letzter Zeit oft genannte Ingenieur Ilg, der als früherer Bautenminister und Rath- Feuilleton. Seine „dumme" kleine Frau. 231 Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten „Biedermann ist's ja nicht allein, da ist auch noch der Saro und der alte Zickert — von Allen hat er'S Geld ge nommen und nichts zurückgegeben. Die Leute sind zu dumm gewesen. Beim Zurücksordern ihres Geldes hat dann der Greifingen sie mit Anzeige wegen Wuchers bedroht. Hören Sie nur einmal unseren Amtsanwalt. Der will nun noch einen Versuch machen." „Welchen?" „Einen öffentlichen Aufruf erlassen, daß die durch den Angeklagten Geschädigten sich melden sollen." „Das gebt doch nicht, Amtsrichter." „Natürlich geht's nach Paragraph ." Von diesem Augenblick an hörte Frau Gertrud nur ab gebrochene Laute, obgleich sie sick der Thüre genähert hatte. Beide Männer sprachen im Flüstertöne. Behutsam zog sie sich nach einer Viertelstunde aus dem Zimmer zurück, um sich in die Küche zu begeben. „Lisbeth, Du könntest einmal zu einem Schlosser geben. Er möge zwischen 5 und »/,6 Uhr mit den Dietrichen kommen, ich habe einen Schlüssel verlegt. Aber zu keiner anderen Zeit, borst Du?" Sie ertheilte diesen Auftrag ganz ruhig, indem sie dem Schrank die Gläser für den Mittagstisch entnahm. Sie klirrten in ihrer Hand zusammen. Dann kehrte sie in daS Eßzimmer zurück, den Mittagstisch zu arrangiren. Sie ver- muthete nicht mit Unrecht, daß Amtsrichter Börner heute ihr Gast sein würde. Dieser fand die junge Frau besonders liebenswürdig und zuvorkommend, Eigenschaften, die auch Andere an ihr gerühmt, von ihm aber nie zuvor entdeckt worden waren. Sie sah indessen sehr angegriffen auS, er fühlte sich von einem Ge fühl des Mitleid« beschlichen, indem er sie ansab und be dauert«, daß ex der Einladung Herrengrund'S nachgegeben. Rücksichten schien derselbe nicht gerade auf seine Frau zu nehmeu. Amtsrichter Börner verabschiedete sich auch frühzeitig. Herrengruud folgte ihm bald, und schon um vier Uhr sah Frau Gertrud sich allein. Sie ließ jetzt sogleich den Schlosser holen. Als dieser kam, führte sie den Mann sofort in das Zimmer ihres Gatten. „Ich möchte das Schloß geöffnet haben", sagte sie, auf die reckte Thür des Sckreiblischaufsatzes deutend. In wenigen Minuten sah sie ihre» Wunsch erfüllt. „Wollen Frau Rechtsanwalt einen Schlüssel dazu haben?" „Nein — vorläufig nicht." Ihre Hände zitterten, als sie der Börse daS Geld ent nahm, den Handwerker zu bezahlen. Dann war sie allein. Einen Augenblick starrte sie auf das geöffnete Fach, ihre Lider senkten sich auf die Wangen herab, welche flüchtig ein schwaches Roth belebte. Dann erschienen sie wieder marmor weiß. Sie näherte sich entschlossen dem Schreibtisch. Es gab nicht viel zu durchsuchen. Das Fach enthielt nur einige wenige Blätter, und das, was sie zu finden gedackte, war bald gefunden. Sie erschrak nicht mehr, als sie das Blatt in Händen hielt, das ihr den Beweis gab, daß Niemand anders als ihr Gatte der Verfasser jenes nichtswürdigen Artikels war, der die Bestimmung hatte, einen Mann, der ihm ver traut, seinen Gegnern auszuliefern. Sie erschrak auch nicht über das andere, das in ihre Hände fiel, sondern sie holte nur tief und schwer Athem, und ibre Augen füllten sich mit Tbränen, so daß sie einige Minuten nicht lesen konnte, was sie doch lesen mußte. „Bekanntmachung." Auf verschiedene an unS gerichtete Anfragen bezüglich deS Vereins „Ällemannia" veröffentlichen wir zu Nutz und Frommen aller Geschädigten nachstehendes Schreiben der Polizei-Verwaltung zu G.: Der Polizei-Verwaltung zu S. theilen wir auf das ge fällige Schreiben v. 7. d. Mts. — I. N. 1710 — unter Rücksendung der Anlagen ergebenst mit. daß der pp. Grei singen nicht mehr zur Empfangnahme von Vereins-Beiträgen berechtigt ist, vielmehr gegen denselben wegen analoger Falle die Untersuchung bei der Königlichen Staatsanwaltschaft zu L. schwebt. Die Polizei-Verwaltung. Etwaige Wahrnehmungen wolle man direkt an die König liche Staatsanwaltschaft zu L. oder die Polizei-Verwaltung zu G. senden. Neben der Zeitung, in welcher diese Bekanntmachung ver öffentlicht war, sand Frau Gertrud noch drei andere mit Artikeln, die zwar etwa« gemäßigter und vorsichtiger gehalten waren, aber unverkennbar denselben Zweck verfolgten. Sie legte die Blätter sorgfältig zusammen, auch den Entwurf des einen Artikels, von der Hand ihres Gatten geschrieben. Dann drückte sie die Thür des Faches zu und verließ das Zimmer. Die junge Frau fragte nickt, was zu thun sein würde — sie wußte es — sie hatte es bereits gestern gewußt. Noch vor wenigen Tagen hörte sie Assessor Raguhn beklagen, daß nian der Urheberschaft der gegen Herrn von Greisingen ge richteten Denunciationen nicht auf die Spur kommen könne. Ihm wollte sie das Material zur Verfügung stellen, sein Ge rechtigkeitssinn würde ihr den Weg zeigen, den sie geben mußte, und nicht einen Augenblick durfte sie zögern, ihren Vorsatz zur Ausführung zu bringen — jede Minute Verzug brachte einem Unschuldigen Gefahr. Ein furchtbares Unwetter tobte schon seit dem Mittag und krackte neue Schneemassen. Die Dunkelheit war früh zeitig hereingebrochen. Das Licht der Straßenlaternen durch drang nur spärlich den wirbelnden Schnee, und so konnte Frau Herrengrund ihren Weg zu Friedrich Raguhn nehmen, ohne daß sie befürchten mußte, gesehen zu werden. Aber sie fragte auch darnach nicht, sie war einzig und allein von der sich gestellten Aufgabe erfüllt. Nicht mit einem Gedanken verirrte sie sich von ihrem Ziel, keine Frage, was es ihr, was es dem Gatten bringen werde, vermochte sie nur einen Augenblick in ihrem Entschluß wankend zu machen. Tie mußte einen Unschuldigen vor seinen Gegnern schützen, und ihr Herz schlug stolzer und zuversichtlicher bei dem Gedanken, daß sie den Weg nicht nur machte, weil gerade Wolf von Greifingen der Bedrohte war. Jedem unbekannten Unglücklichen würde sie in der gleichen Weise zu Hilfe gekommen sein. Ungesehen erreichte sie die Wohnung deS Assessors. Eine Visitenkarte zeigte ibr den Eingang. Hier zögerte sie, ehe sie mit schüchternem Finger klopfte. Ein vernehmliches Herein forderte zum Eintreten auf. „Frau Herrengrund —" Friedrich Raguhn konnte nichts weiter äußern, als er in da« bocherröthende Gesicht der jungen Frau sab, das mit dem Versuch zu einem Lächeln aus einer weißen Schneehülle hervorsah. „Verzeihen Sir, Herr Assessor, ick mußte Sie wirklich sprechen und bringe Ihnen nun den Winter herein." „Den ich sehr gerne mit in den Kauf nehme, gnädige Fran, wo eS sich varum bandelt, «inen so außerordentlich angenehmen Besuch bei mir zu seheu." „Ich komme in einer sehr wichtigen Angelegenheit, Herr Assessor. Bitte, wollen Sie das einmal lesen?" Sie ließ sich auf einen Stuhl nieder, von dem Sopba zurücktretend, wohin er sie geführt. Gleichzeitig übergab sie Raguhn ein Päckchen, das sie von einem Umschlag befreit. Er nahm die verschiedenen Zeitungsblätter entgegen — etwas verwirrt, denn er wußte sich das Kommen der jungen Frau, von welcher er gehört hatte, daß sie leidend sei, nicht zu erklären. „Das blau und roth Angestrichene", sagte sie leise. Friedrich Raguhn hatte erst wenige Zeilen gelesen, als ihm das Blut beiß ins Gesicht stieg und es in seinen Augen aufglübte. Er las mit angehaltenem Athem, stürmisch rollte das Blut durch seine Adern. Ein Mal warf er einen Blick auf die Ueberbringerin ter Blätter. Sie saß wie ermütct zurückgelebnt, mit geschlossenen Augen und jetzt — so blaß! „Gnädige Frau — diese Blätter — wie gelangten sie in Ihren Besitz?" kam endlich die Frage über seine Lippen. Langsam hoben sich ihre Lider, und sie sah ihn mit einem vollen Blick an. „Thut das etwas zur Sache?" fragte sie ruhig. „Das nicht, aber — verzeihen Sie — es befremdet mick. Diese Blätter in dem Besitz Ihres Herrn Gemahls, als den Vertheidiger des Herrn von Greifingen, müßten ja sofort allen Angriffen aus einen Unschuldigen ein Ziel gesetzt haben." Sie nickte aufseufzeud mit dem Kopfe, wie um seine Worte zu bestätigen. „Ja, aber —" Sie vollendete nicht und Assessor Raguhn sab sich in eine peinliche Lage versetzt. Eine Abnung dämmerte in ihm auf. Warum war Frau Herrengrund zu ihm gekommen ? „Weiß Ihr Herr Gemahl von diesen Zeitungen?" fragte er dann, um das Schweigen zu unterbrechen. „Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten, Herr Assessor", entgegnete sie in sichtbarer Verlegenheit. „Würde es nicht am besten sein, Ihrem Gemahl die Blätter zu übergeben?" Kaum waren diese Worte seinen Lippen entschlüpft, als die junge Frau plötzlich ausfubr: „Nein — um GotteSwillen — nein. Das darf nicht ge schehen", rief sie ungestüm aus. Ihre Hand langte nach den Zeitungen, wie um sie wieder an sich zu nehmen. Raguhn aber sucht« sie zu beruhigen. „Gnädige Frau, befürchten Sie nichts. Bestimmen Sie, was mit diesen Blättern geschehen soll."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite