Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010406024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-06
- Monat1901-04
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe Druck und Verlag vou T. Polz iaLeipz>. 95. Jahrgang. V 176 Sonnabend den 6. April 1901 ?! Ännahmelchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags IO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen uad Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition, zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr Anzeigen Preis die gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Rcdactionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (<> gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend böhrr. — Gebühren für Nachweisungen »nd Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne Postbrsörderung 80.—, mit Postbrsörderung 70.—. Bezugs-PreiS k der Hauptexpedition oder den i« Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- gabestellen abgeholt: viertcljübrlich4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung im? HauS 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland u. Oesterreich: viertrljährl. .E 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Douaustaaten, der Europäischen Türkei, Egnpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes nröglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-artion und Expedition: Iohannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm's Sortim. Umversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Aatbarinenstr. I-H Part, »nd Königsvlatz 7. WMcr TaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Äöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Der Krieg in Südafrika. Der „geistesgestörte" De Wct. Ein gefangener Boere bat angeblich einem Reuter- schen Agenten in Colesberg (Capcolm ie) folgende Mit- theilungen über De Wet gemacht: Derselbe sei zweifellos persönlich für einen großen Theil deö im Lande ange- richteten Schadens und Elendö verantwortlich, seine Nerven seien zerrüttet, und darum sei er unver nünftig und grausam, selbst seinen getreuesten Anhängern gegenüber. Seit der Einnahme von DewetSdorp scheine er alle Selbstbeherrschung verloren zu baben. Eines Tages habe er zu Steijn, der sich an der Bcrathung des Kriegeplanes be- tbeiligen wollte, gesagt: „Nimm lieber eine Büchse und kämpfe, anstatt hier Neben zu halten." Seine Anbänger seien davon überzeugt, daß er „bis zu einem gewissen Grade den Verstand verloren hatte, und das sei auch kein Wunder, denn die Aufregungen, die er wäbrend der Monate langen Verfolgungen turckzumachen gebabt, könne kein Mensch ertragen. Uebrigcns suche De Wet nicht mit persönlichem Muth zu paraciren, er habe wiederholt, um sein Verschwinden zu entschuldigen, gesagt, ein General habe nichts im Feuer zu suchen; aus diesem Grunde habe er viele An hänger verloren. Das Gebcimniß seiner Erfolge sei eben nichts weiter als seine grenzenlose Hartnäckigkeit. Der Corresponrcnt beschreibt dann die ungeheueren Strapazen, denen die englischen Truppen ausgesetzt sind. Fast einen Tag um den ankeren gebe es ein Gewitter mit strömendem Regen und die Soldaten müßten manchmal Tage und Nächte direct im Wasser liegen. Merk würdig sei cS, wie wenig Nabrung nothwendig sei, um die Leute bei Kräften zu erhalten. Des Mergers ungefähr um 4 Uhr bekämen sie nur eine Tasse Kaffee und ein Bisquit, und damit marschirtcn sie bis Nachmittags 3 ober 4 Uhr. Dann erhielten sie, wenn die Transporte zur Hand seien, reichlich frisches Fleisch und Jam, Thec oder Kaffee; mehr verlangten sie am Tage gar nicht und befänden sich dabei außerordentlich wohl. Wie man siebt, vertbeilt der betreffende Eorresponkcnt Lickt und Schalten sehr ungleich, aber seine Phantasien dürften wenigstens den Zweck erfüllen, zur Erbeiterung unserer Leser ein wenig beizutragen. Die Entsendung einer dcutschcu Ambulanz zu den Boere» und das deutsche Rothe Kreuz. In den „Alldeutschen Blättern" wird mitgctbeilt, daß dec Alldeutsche Verband die Absicht gehabt habe, zu den Boeren eine neue Ambulanz zu entsenden, die aus den vom Alldeutschen Verband gesammelten Geldern ausgerüstet werben sollte, da die Boeren insbesondere an Aerzten und ärztlichen Hilssmitteln, Medikamenten, Verbandzeug rc. schweren Mangel leiten. Eine genaue Prüfung der Sachlage und der von einer größeren Zahl sachverständiger und ortskundiger Männer cingclwlte Rath habe leider ergeben, daß an ein Durchringen einer Ambulanz mit den nöthigen Mengen ärztlicher Hilfsmittel von Lourentzo Marques aus nicht zu denken sei, wenn man nicht die Ertaudniß erhielte, die englischen Linien zu vaffiren. Diese Erlaubniß könnte aber nur das deutsche „Rotbe Kreuz" erhalten, wie dies kürzlich das holländische „Rotbe Kreuz" trotz vieler englischerseits gemachter Schwierigkeiten doch durchzesetzt babe. Das deutsche „Rothe Kreuz" Hal aber seine Ambulanz bereits im Sommer vergangenen Jahres vom Kiiegsschauplatz abberufen, und, obgleich ihm nock 60 000 ^ auS den vou ihm für diesen Zweck gesammelten Geldern zur Verfügung stehen, sich bisber gegen Anregungen zur Ent sendung einer neuen Ambulanz ablehnend verhalten. Dies erscheint um so merkwürdiger, als Oberstabsarzt von Pannwitz seinerzeit gegen die dem belgischen „Rotben Kreuz" ungegliederte deutsch-belgische Ambulanz, an deren Ausrüstung sich auch der Alldeutsche Verband beibeiligi hatte, in der Oeffentlichkeit Stimmung zu mackn versucht hatte und man daher bätle annebmen muffen, daß das deutsche „Rotbe Kreuz" eine völlig ausreichende und bis zum Ente verhaltende Hilfe leistung beabsichtige. Der Aitikel weist darauf hin, daß kürz lich Herr Pastor Bokelschwingb in Bielefeld in einem Rund schreiben mitgetbeilt babe, er habe sich an das „Rotbe Kreuz" mit der Bitte gewandt, die in China fieiwerbenden Ambu lanzkräfte nach Südafrika zu dirigiren, und cs bleibe daher nur die Hoffnung, baß der durch seine Werke edler Mensch lichkeit so bochverdiente Mann baldigst eine befriedigende Ant wort erhalle. * London, 6. April. (Telegramm.) Lord Kitckener meldet aus Pretoria vom 5. April: Oberst Plumer besetzte unge- hindert Pietpotgietersrust. General French erbeutete noch ein Pompomgeschütz, daS letzte, das der Feind noch im Eüdost- district batte, ferner viele Wagen und Vieh. Er machte außerdem zahlreiche Gefangene. Ein Theil der Bocrenlrnpps zog, Len Oranje. Fluß überschreitend, aus der Capcolonie nach der Oranjeslnß-Colonie. * TllNdcc, 5. April. Die Generale Dertuell und Elderson verhinderten den Feind in der Gegend von V-Ydeid, nordwärts zu fliehen, und vertrieben ihn südwärts. Sie nahmen hundert Wagen und etwa 1000 Stück Vieh. Ter Feind stürzte arg bedrängt ein Pompomgeschütz einen Abhang hinab. Zahlreiche Boeren begeben sich nach dec Grenze von Zulu land. (?) Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. April. Der Behauptung, der Kaiser nabe beim Empsange des Präsidiums des Herrenhauses unter Anderm gesagt: „Ebe sie den tzanal nicht schlucken, unterschreibe ick die Zolltarife nicht, und zwar unterschreibe ich nur die, die ich will", ist die „Post" bekanntlich mit der Versicherung entgegen getreten, ter Kaiser babe „bei keinem einzigen der Empfänge parlamentarischer Abordnungen, und auch in keiner sonstigen Audienz in letzter Zeit die Eanalfrage oder die Frage des Zolltarifs irgendwie berührt". Da aber di: Veröffentlichung der vom Kaiser auf die Glückwünsche der Präsidien beider Häuser Les preußischen Landtags ertheiltcn Antworten noch immer nickt erfolgt ist, die „Post" weder als Organ des Kaisers, noch als Sprachrohr beider Präsidien gilt und die Mehrheit der preußischen Confervativen sich der Absicht bewußt ist, die Enisckeidung über die Caiial- frage zu verschleppen, bis ein ihre Wüniche befriedigender Zolltarif vorliegi, so findet in diesen Kreisen die Versickerung der „Post" nur bedingten Glauben. Man sagt sich auf dieser Seite, daß es so gar verwunderlich nickt sein würde, wenn der Kaiser seinem Mißmnthe über jene VersckleppungS- manöver drastischen Ausdruck gegeben batte. Aber weit ent fernt davon, fick die Hauptschuld an der Mißstimmung des Monarchen zuzuschreiben und ihr eignes Verhalten zu ändern, lhun die betreffenden Kreise, als ob sie „verärgert" worden wären und sich nun auf einen Weg gedrängt sähen, den sie bisher zu vermeiden gesucht hätten. Wie wenig diese Dar- stellung den Tbatsachen entspricht, ergiebt sick daraus, daß der Abg. Freiherr v. Zedlitz in der ersten Sitzung des Ab geordnetenhauses, die sich mit der neuen Canalvorlage te- schäftigte, wörtlich erklärte: ,,Es ist klar, doß man darüber, ob man in einer so weit tragenden Verkehrspolltik jetzt den ersten Sckrckt mit der Eanal- Vorlage machen kann, ein sicheres Urtheil erst gewinnen kann, wenn fesistcht, wie künftig sich der Zolltarif gestalten wird, wie unsere Beziehungen zum Auslände in Bezug auf Zolle und Handels« Verhältnisse sich gestalten werden." Am folgenden Tage, am 5. Februar, sah er sich freilich aus taktischen Gründen veranlaß:, den ihm gemachten Vor wurf, Eanalvorlage und Zolltarif mit einander zu verquicken, in einer gewundenen Erklärung von sick abzuwälzen. Und in derselben Sitzung erklärte der weiter rechts stehende Abg. v. Papp en heim: „Es ist unrichtig, daß wir beabsichtigen, die Bewilligung des Zolltarises von der Bewilligung dieses Gesetzentwurfs abhängig zu macken. In meiner Fraktion Lenkt kein Mensch daran, und ich er kläre das hier im Auftrage meiner politischen Freunde, und ich hoffe, damit dieses Märchen zerstört zu haben". (Bravo! rechts. Zurus links: Zedlitz!) Jetzt, nachdem das angebliche Kaiserwort über Canal und Zolltarif colportirt worden ist, treten die Preßorqane der Herren mit ihrer ursprünglichen Absickt, die Entscheidung über den Mittellandkanal binauszusckieben, bis ein sie be friedigender Zolltarif vorliegt, frank und frei hervor, und wenn nack Ostern in der Commission der Mittelland kanal in Angriff genommen werden wird, darf man mit Sicherheit erwarten, daß die Herren wenigstens andeulungs- weise die Sckulv an ihrer oppositionellen Haltung den Veralbern der Krone auszulasten versuchen, die durch falsche Information des Monarchen diesen dabin gebracht hätten, alle selbstbewußten konservativen Politiker zu dem Beweise zu zwingen, daß sie keine „Schlucker" seien. Die Vertreter der Regierung kommen dadurch in eine üble Lage. Können sie auch dem Abg. Frbrn. v. Zedlitz nachweisen, daß seine neuerliche Haltung vollständig seiner ursprünglichen entspricht, so ver mögen sie dock, da sie Weber bei jenen Acußerungen zugegen gewesen sind, noch auf aulhenliscke, im „Reichsanz." ver öffentlichen Berichte über die Auslastungen des Kaisers verweisen können, Falschmeldungen über diese Aus lassungen nickt in überzeugender Weise entgegenzutreten und Schlüssen, die aus solchen Melkungen gezogen werden, nur mit geringer Aussicht aus Eifolg entgeaenwirken. Die Aussickt auf Klärung der innerpolitiscken Lage nach Ostern ist also nicht tröstlich und sie wird Lies auch nickt dadurch, baß das Cent rum sich wieder als den Retter in der Noth anpreist, zur Canalfrage sich ent gegenkommend stellt und die extremen Agrarier und Couscrvaliven ernstlich vor Ueberspannung des Bogens warnt. Muß in der Canalfrage die preußische Regierung und muß bei der Zolltarifs» age die Reichsregierung aus die guten Dienste des CcnlrumS sick verlassen, so gehen die Aktien dieses Bank- und Handelshauses noch mehr in die Höhe. Zu den finanziellen Beziehungen des Reiches und der Bundesstaaten haben die Verhandlungen des weima- rifcken Landtages einen weiteren, leider wenig erfreulichen Beitrag geliefert. Bei der Etatsberathung am 3. d. MtS. wurden durch den Berichterstatter deS Finanzausschusses als Ueberschüsseaus den Ueberweisungen deS Reiches nachgewiesen für 1896 -- 247 032 -4.' 89 A sür 1897 ----- 42 024 .E 12^s; für 1898 ----- 123 393.62-s, in Summa 412 450^3-s. Für 1899 war von Seilen Weimars ein Zuschuß an bas Reich vou 94 827 .-6 31 nötbig, so daß zur Einstellung in den weimarischen Etat — das Großherzogthum bat dreijährige Finanzperioden — ein Restbetrag von 317 622 62 vorhanden ist. Da nach Schätzung eines ReqierungScommiffarS für 1900 etwa 209 000 an die Reichscasse berauszuzahlen sein werden, so würde nur noch ein Nest von 108 622 62 verbleiben. Auf eine günstigere Gestaltung der gegenseitigen finanziellen Beziehungen sei bei den gesteigerten Anforderungen des Reiches für Heer und Marine für die nächste Zeir kaum zu rechnen. Daß eS über diese Sachlage zu ziemlich lebbasten Auseinandersetzungen und zu einer nachdrück lichen Betonung einer Reichefinanzreform in der Richtung der Selbstständigmackunz des Reiches kam, ist um so ver ständlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Sacksen- Weimar-Eisenack an und für sich schon hohe Steuern aufzu bringen bat. Wenn die freisinnigen und die socialbemokra- tiscken Landtaqsabgeordneten uuisono die Einschränkung der Ausgaben für den Militarismus zu Wasser und zu Lande forderten, ein Ansinnen, dem vom RegierungSlisch und von anderen Abgeordneten sachlich und ruhig enkgegengetreten wurde, so ist lediglich verwunderlich. Laß jene Herren ihre im Uebrigen nichts Neues aufweisenben Anschauungen nicht zu einem Äb- rüstungeaulrage verdichteten. Die politische Gesammtlaze hat mit der des Jahres 1869 dock wohl einige Aehnlichkeit und müßte es dem unentwegten Freisinn, der nichts gelernt und nichts vergessen hat, erleichtern, an alle Traditionen anzuknüpfen. Die in Weimar gegebenen Aufschlüsse baben das Gute, daß sie giündlick vorbereitend für die anderen Bundesstaaten, zumal auch für Sachsen, wirken, wo die Finanzfrage auch aus anderen Gründen eine brennende ist. Was vor vier Jabren, im Landtage 1897,98, bei einiger Einsicht und Vor aussicht verbältn ßmäßig leicht gewesen wäre, wird sich jetzt unter dem Drucke der barten Nothwenbigkeit zu vollziehen baben, wobei der agrar-conservaliven Mehrheit der Zweiten Kammer Gelegenheit gegeben ist, den Beweis für ihre Re- gierungSfähigkeit zu erbringen. Die Abberufung des russischen Geschwaders aus dem Hafen vou Toulon veranlaßt in den meisten Pariser Blättern lange Betrachtungen und weit auseinander gehende Ver- mulbungen. Ter russische Consul in Toulon sagte einem Aussrager, der Beseht sei ertheilt worden, weil man in Petersburg dem italienischen Flottenbejuche seinen Charakter eines Höslichkeitsaustausches zwischen Frankreich und Italien lassen und vermeiden wolle, daß die Russen bei gleichzeitiger Anwesenheit die eigent lichen Helden der Feste würden. Die Auskunft des Consuls ist nicht zutreffend: Die russichen Schiffe verlassen Toulon, weil Frankreich in Petersburg die Ertheilung des entsprechenden Befehls als wünschens, werih bezeichnet hatte. Bei gleichzeitiger Anwesenheit eines ruisischen Geschwaders von sieben Schiffen hätten die Feste den Eindruck machen können, als feiere man den Eintritt Italiens in den Zwribund, wobei es wohlverstanden wäre, Laß der sörmliche Eintritt nach Ablauf des nichteraeuerten Dreibundes er iolgeu würde. Einen solchen Anschein zu erwecken, hat Frankreich heute kein Interesse, denn man weiß hier, daß Italien aus dem Feuilleton. vi Oer Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. NaLkruct verbeten. Draußen ist langsam ein Einspänner vorbeigefahren, und dessen Insasse, ein junger Mann mit glattrafirtem, rolhem Ge sicht unv funkelnden Brillengläsern vor den Augen, hat vertraulich nach den Dreien hinübergezrüßt. Rudolf hat ihn nicht erkannt. „Und Du?" fragt Heini die Schwester. Sie ist noch roth von vorhin. „Ein neuer Rechtsanwalt. Bleier heißt er, und war bis vor vier Wochen als Assessor in Stettin. Da kam er zuweilen in den „Seehund". „Zu Onkel Klaus?" Verkehrt bei dem jetzt so Feines?" „Er hatte für die Herren ein Hinterstübchen." „Wo Du sie bedientest?" Sie zieht die Lippe hoch. „Sage ich nun ja, so wirst Du wild; sage ich nein, so glaubst Du's doch nicht." „Stimmt!" brummt Heini und sieht sehr finster in sein GlaS. Lisa springt auf. „Nun, also — sag« ich gar nichts. Denk' Dir meinethalben; !vas Du willst; aber wenn Du 'mal wieder auf Urlaub fährst, so bring' keine Laune mit, hörst Du? So 'was steht Dir nicht. Komm, Rudi, wenn Du gescheidt bist; mit dem da ist heute nichts anzusangen." Rudolf macht eine halb« Bewegung, gleichfalls aufzustehen. „Ich denke, wir geben Alle", sagt er dabei. Heini indessen will nicht. „So bleibe ich auch bier." „Und ich geh« allein", ruft Lisa heftig und sieht dabei zu Rudi hinüber. Dieser fühlt ihren Blick. „Nein, nein, da komme ich lieber mit. — Du nicht auch?" fragt er seinen Freund noch einmal. Der aber schüttelt unwirsch den Kopf. „Lauf' nur mit ihr, für alle Fälle. 'S ist ja auch besser, wenn sie unter Aufsicht ist." Draußen hängt sie sich an Rudi'S Arm. „Weißt Du, waS er sagen wollte? Er meint, ohne Dich ginge ich jetzt irgend wo zu 'nem Stelldichein mit dem geschniegelten Ekel von Rechtsanwalt. Er mag sich auf seinen Fahrten nette Begriffe von uns Mädchen zugelegt haben, daß er immer gleich das Schlimmste annimmt; denn seit ich in Stettin war, traut er mir nicht über den Weg. Glaubst Du auch, ich wäre gleich in jedes glatte Gesicht verschossen gewesen, das sich herbeiließ, bei Onkel Klaus ein Glas Bier zu bestellen? Glaubst Du's, Rudi?" Oh nein, das glaubt er ganz und gar nicht. Schon deshalb nicht, weil er über derartige Dinge nie nachgcdacht hat. Und zudem überlegt er kaum, was er jetzt sagt; denn an der Wange fühlt er ihren Athem, auf dem Arm den Druck ihrer Hand. Uno er sucht sie zu beruhigen. Aber — ein Aber findet sich allemal so leicht, auch bei willigstem Vertrauen, und so spricht er denn jetzt — stockend, mit heißer Wange: „Aber Du bist mit — sehr vielen jungen Männern — zusammengekommen?" Sie nickt. „Mit Anständigen uns Flegeln, das versteht sich. Und ob unter diesen — ich weiß, was Du sagen willst, und wenn mich's ein Anderer fragte, zerkratzte ich ihm das Gesicht Du siehst, ich bin die Katze geblieben — aber Dir — nein, Rudi, bei Gott im Himmel kann ich's schwören: Einer ist mir so gleichgiltig ge wesen wie der Andere. Dir sage ich's; denn Du sollst nicht schlecht von mir denken, Du nicht." Es klingt wie ein verstecktes — nein, wie ein offenes Liebesgeständniß. Fühlt sie, wie sein Arm bebt? „Was siehst Du mich so feierlich an, närrischer Rudi?" fragt sie und wiederholt es: „Närrischer Rudi!" Und dann fährt sie ihm wieder mit der Hand in die Locken, läßt ihn aber gleich darauf fahren und ruft: „Adieu, Herr Oger!" Ehe er sich's versieht, ist sie zehn, zwanzig Schritt vor ihm. Er hinter ihr drein- Eine lustige Jagd. Kinder wie vor fünf Jahren! „Katze", ruft er, als er sie befaßt hat. Dann lassen sie sich los, schreiten vernünftig nebeneinander her, sie ernsthaft redend von diesem und jenem. Nach Stettin will sie nicht wieder; sic m«int, ihr Vater habe sie zu nöthig. Er weiß, warum: Karl Flügge gilt nicht mit Unrecht für einen Trunkenbold. Deshalb billigt er ihren Entschluß, zugleich eine iahe Freud« empfindend, sie jetzt öfter sehen zu können. Da bei fällt ihm indeß rin, wie schwierig, zumal nach Ablauf von Heini's Urlaub, der Verkehr mit ihr werden wird. Das macht ihn wieder nachdenklich. Nach einer Weile beginnt sie das alt« Spi«l von Neurm, läuft fort, versteckt sich hinter den Bäumen, taucht ihm im Rücken auf, wäbrend er sie vor sich sucht. Einorechende Dämmerung be günstigt das kindische Thun. Den Hut trägt sie jetzt trotz der zunehmenden Kühle am Arm ,und von ihrem Haar hat sich eine Flechte gelöst und fällt in schwarzer Fluth über ihr Helles Gewand den Rücken hinab. Als sie sich endlich wieder zusanrmenfinden, erklärt sie, hungrig zu sein, und er muß gestehen, an etwas Eßbares nicht gedacht zu haben. „Natürlich nicht!" spottet sie. „So sind Sie fürsorglichen Herren", zieht ein Stück Brod aus der Tasche und hält es ihm hin. „Du sichst, ich gäbe eine gute Hausfrau ab, da ich von uns Dreien allein den vernünftigen Gedanken hatte, mir das im Wild krug zu kaufen. Magst Du?" Da er noch zögerte, beißt sie mit ihren blanken Zähnen frisch hinein. Nun nickt er, uns bereitwillig theilt sie- Nur ein Stück Brod, aber es ist ein vergnügliches Mahl, nach süssen Beendigung sie sich wieder ihm an den Arm hängt. Leiser Abendwind streicht durch den Wald, raschelt im Laub, weht einzelne Fäden ihres Haares ihm ins Gesicht. Sie will die Flechte wieder ordnen. „Laß!" sagte er kurz und greift selbst in das weiche Gewoge, ungeschickt natürlich, wie es von ihm, dem Oger, zu erwarten ist. „Du thust mir weh!" In der That hätte er sie beinahe hintenübrrgezogen, und sie wäre gefallen, wenn sein Arm sie nicht im nämlichen Augen blick umfangen hätte. Wie ein elektrischer Strom durchzuckte es ihn, ein« Funken garde flammt für einen Moment vor seinem Auge, als er ihren Kopf an seiner Brust fühlt; mit einem Mal« kommt das so über ihn, die Summe überschüssiger, gährender Kraft an ihr zu erproben. Hochauf schwingt er sie, wie eine Puppe, und da er sie auf den Boden niedersetzt, preßt er sie an sich und sein« Lippen auf die ihren. „Laß!" bittet sie; „Du erdrückst mich", aber in der nächsten Secund« hängt sie an seinem Halse, in lustigem Lachen ihn umschlingend. Dann ein paar heiße, wilde Küsse, und dann fühlt er in seiner Dange ihre spitzen Zähn«. „Katzenzähne!" ruft sie, „jetzt hab' ich Dich gezeichnet, und Du gehörst mir; ver stehst Du, was das heißt? Mir — mir! Und ich tödte uns Beide, wenn Du eine Andere liebst." Der Biß schmerzt ihn gar nicht; erst vi«l später fühlt er, daß etwas WarmeS thm üher die Waage hinabtropft. Noch einmal hebt er sie empor und sie jauchzt laut auf und wieder küßt er ihre Lippen und — „Famos! Der Oger und des versoffenen Flügge Tochter! Gratulire!" Blitzschnell fährt das Paar auseinander. Ulrich Fetthenne! Gleich ihnen auf Sem Wege zur Stadt, aus einem Seitenpfade den ihrigen betretend. Er hat eS offen bar eilig: denn er ist allein und nach solchem Hohn dem Oger und — schließlich auch der schwarzen Katze da — gegenüberzu treten, scheint nicht rathsam. Mit ein paar Sätzen ist er den Waldweg entlang. Nur nicht rasch genug, daß Rudolf Lammert ihn nicht ein holt, herumwirbrlt, wie einen Ball. „Sag's noch 'mal, Feigling!" Ulrich ist wachsbleich geworden. Aber die Tapferkeit fordert, nicht schlankweg klein beizugeben, nun er di« unbedachten Worte nicht ableugnen kann. „Werd's bleiben lassen, hier draußen. Was ich in der Stadt sage, das sind ja wohl meine Sachen", erwidert er trotzig und wendet sich zum Gehen. Doch er kommt nicht vom Fleck. Der ganze, durch Jahre verhalten« Groll gegen den allen Gegner kommt mit einem Male in dem Oger zum Ausbruch. Mit der Wildheit eines ungebändigten Stieres springt er auf seinen Feind ein, mit Eyclopenkraft umfaßt er ihn. Seine Nägel, die ihm das Gesicht zerkratzen, schmerzen ihn so wenig, wie vorhin Lisa's Biß. Es scheint ein Ringen auf Leben und Tod zu werden. Dies Bewußtsein hat wohl auch Ulrich Fetthenne. Mit dem verzweifelten Muth des Feiglings setzt er sich in seiner ganzen Stämmigkeit zur Wehre. Es hilft ihm nichts. Wie vor Jahren auf dem Kirchplatz, so stürzt er jetzt unter des Oger's Griff im Wald« zusammen blos daß es diesmal ohne Schrei, nur mit einem kurzen Stöhnen, abging — zugleich aber mit einem Krachen, einem Knall, wie ein Büchsenschuß, daß die Kämpfenden keine Kinder mehr, sondern starke Menschen sind, und daß vrr Oger die Hand nicht eher von seines Opfers Kehle losläßt, als bis Lisa Flügge herankommt und laut aufschreiend weben den Beiden in die Knie sinkt. „Oh Ruding, Ruding, was hast Du acthan!" Da steht Rudolf Lammert keuchend auf, streicht mit der Hand über seine Stirn und sieht finster auf die Kniend« hinab, die vergeblick Ulrich's Kopf von der Baumwurzel zu heben sucht. Er sinkt schlaff zurück. „Wenn er tod wäre!" Der Oger rührt sich nicht. Weder Furcht, noch R«ue em pfindet er in diesem Augenblick. „Er bot Dich beschimpft — und mich", murmelt er grollend un's starrt auf den Körper des Besiegten. Ulrich's Augen find geschlossen; unheimlich hebt sich im Zwielicht die fahle Blässe seines Gesichtes vom Waldboden ab. Durch Lisa'S Körper fliegt rin Zittern. „Komm!" raunt sie.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite