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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010819026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901081902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901081902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-19
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Abend-Ausgabe Montag den 19. August 1901. LWgcr Tagrblalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nalizei-Äintes der Ltadt Leipzig. Bezugs-Preis tu d«r HauptexpedMo» oder den k» Stadt» bezirk und den Bororteu errichtete» Au»- gadestellea ab geholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Han« ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland n. Oesterreich: Vierteljahr!, ^l S. Mau abountrt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland. Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese» Blatte» möglich. Di« Morgen-Au»gabe erscheint um '/,? UK4. di« Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Nr-actio» «ad Erudition: JohanuiSgaffe 8. Filialen: Alfred Sahn vorm. O. Klemm'» Soriim. Unwersität-straße ö (Pouliuum), Louis Lösche, Kathurtueustr. 1^ pari, uad Käaigichlatz 7. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 2d H. Reklamen unter dem Redacttou-strich (4 gespalten) 75 Lp vor den FamUienuach» richten (»gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Margen-AuSgabe, ohne Postbrsörderung ^ll VO—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen j« ein« halbe Stuude früher. Anzeigen sind stet» an di« Expedition za richten. Die Expedition ist Wochentag» aauaterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz in Lei-zl» 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Man schreibt uns aus London vom 17. August: Malheurs und kein Ende, das ist wieder einmal die Signatur der augenblicklichen Kriegs lage, und wie zum Hohn« auf die fortwährenden Versicherungen der Minister der Krone, daß es mit der Widerstandskraft der Boereu immer mehr zu Ende gehe, kommen jeden zweiten und dritten Tag die Meldungen von der Gefangennahme britischer Abteilungen, von der Erstürmung von Blockhäusern an den Verbindungslinien und von der Fortnahme ganzer Transport- züge durch die Burghers. Die konfusen und sich meistens selbst Widersprechenden officiellen und officiösen Berichte aus der Cap- colonie über wiederholt« Ni«derlag«n, die General Kruitzinger er litten haben soll, und über andere Schlappen, welche englische Truppen auf verschiedenen Stellen des Kriegsschauplatzes an geblich den Boer«N beigebracht haben, können hiergegen schlechter dings nicht aufkommen, zumal da sie auch gewöhnlich durch den Weitergang der Ereignisse in kürzester Frist widerlegt werden. Eine Schwadron berittener Schützen des Generals French wurde vor drei Tagen in der Nachbarschaft der Stadt Bethseda in der Capcolome von einem Boerencommando unter dem Be fehle des Commandanten Theron umzingelt und angegriffen und mußte sich nach kurzem Kampfe übergeben, nachdem der Schwadronsführer, zwei Leutnants, der Wachtmeister und 24 Unterofficiere und Mannschaften getödtet oder schwer ver wundet worden waren. Mehr als 50 Gefangene fielen bei dieser Affäre den Boeren in di« Hände, und diese Ziffer rundet die Anzahl der in den letzten 14 Tagen gefangen ge nommenen englischen Soldaten ungefähr auf 500 ab, was gewiß «in schlagender Beweis für die ungebrochene Aktivität der Transvaaler und Freistaatler ist. Zum Ueberfluß weist dir heute veröffentlicht« officielle Verlustliste wieder einmal recht empfindliche Abgänge in verschiedenen britischen Truppen- theilen auf, und «ine ganze Reihe von Gefechten, Uber die Lord Kitchener, wie gewöhnlich, nichts zu berichten wußte, kommen bei dieser Gelegenheit ebenfalls zur Krnntniß des Publikums. Das englische Parlament geht heute in die Ferien, nachdem eS in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag noch zum letzten Mal« in dieser Sitzungsperiode m langer Debatte den süd afrikanischen Kriezund seine Consequenzen zum Gegenstand« ein gehender Erörterungen gemacht hat. Die arrogante Sieges zuversicht des Herrn Chamberlain, die «r bei dieser Gelegen heit wieder einmal im vollsten Maße zum Ausdruck brachte, hat ihren Zauber längst verloren und wird auch in Wirklichkeit nur noch von den eifrigsten Jingos par rnstier gethcilt. Von viel größerer Bedeutung als di« Chamberlain'schen Rodomontaden war die Rede des Sir William Harcourt, di« sich be sonders gegen die letzte famose Proklamation des Lord Kitchener richtete. Harcourt erklärte, daß er es absichtlich unterlasse, über haupt von der Haager Friedenskonferenz zu reden, obwohl auf Basis derselben die Proklamation jeder Berechtigung entbehre. Auf einer anderen internationalen Conferenz (1874—75) sei ausdrücklich stipulirt worden, daß bi« Bevölkerung eines nicht vollständig eroberten Landes nach internationalem Rechte di« un weigerliche B«fugniß zu regulärem Widerstande gegen irgend welchen eingedrungenen Feind habe, und daß der «inzig« und endgiltige Beweis für di« Eroberung eines Landes die complete Okkupation desselben sei, «ine Ansicht, welch« übrigens ausdrück lich in dem „Handbuche deS militärischen Gesetzes" der britischen Regierung getheilt würde. ES sei nun heut« einfach «in Un ding, behaupten zu wollen, daß England diese erforderliche „complete Okkupation" deS Transvaals und deS OranjefreistaatS bereits vollzogen habe, unb die Kitchener'sch« Proklamation, die natürlich nur mit Zustimmung der britischen Regierung erlassen worden sei, repräsentire daher nichts Anderes, als einen ganz groben Bruch des internationalen Völkerrechts, dessen Con sequenzen für England vielleicht noch sehr schädlich werden könnten. Auf diese schlagenden Ausführungen Sir William Harcourt's fand auch nicht ein einziger Vertreter der Regierung den Muth zu einer Antwort oder zu einer versuchten Wider legung, wie es denn ja überhaupt längst das Privilegium deS Cabinets Salisbury geworden zu sein scheint, unbequeme und unwiderlegbare Argumente und Fragen einfach unbeantwortet zu lassen. * Tublin, 19. August. (Telegramm.) „Freeman'» Journal" veröffentlicht ein Interview des Parlamentsmitglied- William Redmond mit dem Präsidenten Krüger, der sich hinsichtlich der Proklamation Lord Kitchener'ü geäußert hat, Er habe gesagt, die Boeren könnten durch eine derartige Proklamation nicht erschreckt, sondern nur angefeuert werden, den Kampf fortzusetzen. Die Engländer hätten von Be ginn des Krieges an, wie bei Derdeport, Eingeborene gegen die Boeren bewaffnet; diese aber hätten niemals früher im Kriege bewaffnete Kaffern verwendet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. August. Da an dieser Stell« die erste zur Erklärung de» Direktoriums des CentralvrrbandeS deutscher In dustrieller über den Zolltarif veröffentlichte Erläuterung die gebührende Beachtung fand, so ist eS nicht nöthig, den von Herrn Bueck, dem Geschäftsführer deS Verbände?, später geschriebenen und jetzt veröffentlichten Commentar ausführlich wiederzugeben. Der Sinn beider Darlegungen ist derselbe: der Centralverband ist — nur vorläufig — gegen die Fest setzung von Mindestzöllen für Getreide. Demgemäß klingt auch da» Echo in der agrarischen Presse: die „Kreuzpeilung" und die „Deutsche Tageszeitung" wiederholen, unter diesen Umstanden sei eS mit der Sammlung auS und vorbei, worauf die übliche Drohung mit dem schutz- zöllnerischen Vacuum, der Zollfreibeit für alle Einfuhrartikel, die auch in Deutschland erzeugt werde», oder erzeugt werden können, folgt. Die Landwirlhschaft werde sich auch damit abfinden können, meint die „Kreuzztg." mit der bekannten einfältigen Frivolität, die in der Agitation der Sache der Landwirlhschaft und deren besonnenen Freunden noch ernst liche Unannehmlichkeiten zu bereiten geeignet ist. Die Lage hat sich also, seit wir die erläuternde Erklärung deS In- dustriellen-VerbandeS — richtiger seines Vorstandes — er örterten, soweit diese Vereinigung und die ihr er standene Gegnerschaft in Betracht kommt, nicht verändert. Sonst fehlt eS nicht an „Neuheiten". Dem Aus schuß deS sächsischen LandeSculturra theS ist der ständige Ausschuß des deutschen Landwirth- schaftsrathes mit der Aufstellung von Forderungen ge folgt, die über die gar nicht zaghaften unserer heimischen geordneten landwirthschaftlichen Vertretung noch hinauSgehen. Wir halten uns an die letzteren, weil mit Bestimmtheit an zunehmen ist, daß der Ausschuß des sächsischen LandeS- culturratheS den Ausschuß der gemeindeutschen Körperschaft — eS handelt sich, wie beim Centralverbande deutscher Industrieller, was zu beachten ist, vorerst immer nur um AuSschußbeschlüsie, — ob bezeigten Mangels an Bescheidenheit nicht deSavouiren werde. Wir theilen die Resolution und die Vorschläge nebst Begründung deS deutschen LandwirthschaftSauSschusseS an anderer Stelle mit und bemerken hier, daß auch der Bund der Landwirthe extra etwas beschlossen hat, waS aber nicht der Rede Werth ist. Die Resolution und die ge forderte Steigerung der Sätze des veröffentlichten Tanf- entwurfeS sind theilwcise ungeheuerlich und auch die von dem Entwürfe freigelassenen Erzeugnisse — deren Heran ziehung zur Zollpflichtigkeit im Allgemeinen diScutabel erscheint — sind überwiegend nicht „angemessen", sondern ungemessen. Trotzdem glauben wir unsere durch daS bis herige Getöse nicht im Mindesten erschütterte Gemüths- ruhe und die Hoffnung auf daS Zustandekommen von Handelsverträgen, die der Industrie und der Laudwirth- schaft gerecht werden, nach wie vor bewahren zu dürfen. Was der Ausschuß des LandwirthschaftSrathS aufstellt, sind eben auch Kampfpunctationen, PressionSmittel, nicht für daS Ausland bestimmt, sondern für die Industrie. Auf diese ein zelne», im Grunde doch nur privatim vorgeschlagenen Zoll sätze näher einzugehen, wäre unsererseits eine unnölhige Inkonsequenz, da wir selbst die Ziffern deS vou der Re gierung veröffentlicdten Entwurfs an dieser Stelle spcciell zu erörtern bis auf Weiteres abgelehnt haben. WaS dem Aus schüsse des LandwirthschaftSrathS in Uebereinstimmung mit dem Ausschüsse des sächsischen LandeSculturratbS am meisten am Herzen liegt, ist der Doppeltarif. Beide BerufSvertretungen verlangen Mindestsätze für alle landwirthschaftlichen Erzeugnisse (nicht nur für die vier Getreidearten), die allgemeindeutscke geht aber noch bedeutend weiter, indem sie de» Termin für da» Inkrafttreten des ZvlltarifgesetzcS gesetzlich festgeleat wissen will. Diese letztere Forderung müssen Doppeltansfanatiker, die in dieser rein gesetzlichen Frage absolut nicht mit sich reden lassen, sondern nach freisinnigem Vorbild auf ihrem einmal eingenommenen theoretischen Stühlchen sitzen bleiben wollen, al» folgerichtig anerkennen. Nach dem Entwurf hat der Kaiser unter Zustimmung deS BundcSrathS anzu ordnen, wann der Tarif in Kraft tritt. Diese Bestim mung hat man „daS Sicherheitsventil" genannt, und wie «S als solches fungiren könne, sagt heute die um Vermittelung zwischen Industrie und Landwirlhschaft sich bemühende — „Post", indem sie schreibt, mit dieser Bestimmung über das Inkrafttreten (Z 12 de- Tarif- gesetzes) könne man sich helfen, falls wirklich ein wichtiger Handelsvertrag an § 1 Absatz 2 (der von der Anführung von Minbestzöllen handelt) scheitern sollte. Ohne Zweifel — wir haben dies schon früher hervorgehoben — bietet dieser H 12 eine Handhabe, Verträge zu schließen, in denen Deutschland geringere Getreidczölle als die im § 1 festgesetzten bindet. Man braucht nur abzuschließen, ehe Kaiser und BundeSrath dem Tarif Giltigkeit verlieben haben. Man sieht also, die Doppel tarif-Orthodoxen sind konsequent, wenn sie die Mindestzölle durch Gesetz stabilisiren wollen comwo un rocder äs droncs. Sie vergessen nur, daß eS sich um wirthschafkliche Fragen bandelt, daß der Zweck jede- wirthschaftlichen Thuns der Vortheil deS Handelnden ist und daß sie die Logik nicht als ihr Privateigenthum in Anspruch nehmen können. Schließen die Agrarier: „Mindestzölle, die nicht in Kraft sind, wenn die deutsche Regierung Verträge abschließt, sind keine Mindestzölle", so kann der Centralverband der Industriellen gar nicht anders folgern alS: „Sind nur Mindestzölle mit dem § 12 bedenklich, so sind mir solche ohne diesen Paragraphen schlechterdings unerträglich." Mit der Folgerichtigkeit kommt man also nicht von der Stelle. Ueberdics: das vom Ausschuß des Landwirthschaftsrathes in der Begründung seiner Beschlüsse ausdrücklich anerkannte Reckt des Kaisers, mit Zustimmung deS Bundesrathes „gegebenenfalls auch unter Umgehung der in dem jetzt zu erlassenden Zolltarifgesetz enthaltenen Be stimmungen" Handelsverträge zu schließen, besteht natürlich ganz unabhängig von dem veröffentlichten Zolltarif entwurf. Kaiser und BundeSrath können Verträge schließen, bevor der Reichstag in der Lage war, diesen Entwurf ent gegenzunehmen und gar Beschlüsse darüber zu fassen; materiell ausgeschlossen ist diese Eventualität ebensowenig wie rechtlich. Selbstverständlich bedarf es unter allen Umständen der Zu stimmung deS Reichstages, aber kein verständiger Agrarier wird leugnen: eS kämpft sich im Reichstag leichter um Bor- bereitungsbestimmungen für abzuschließende Verträge als um Verträge, die zwischen der deutschen und anderen Regierungen bereits vereinbart sind. WaS für die absolute Fesselung der Regierung in Bezug auf die Mindestzölle für Getreide gilt, gilt selbstverständlich erst recht für die Ausdehnung des Doppeltarifs auf alle landwirthschaftlichen Erzeugnisse. Was diese Forderung anlangt, so muß man sagen: sie bedeutet so viel, als Jemand auf den Markt zum Ankäufen fchicken, ihm aber vorher sorgfältig die Taschen untersuchen, damit er ja keinen Pfennig zum Bezahlen mitnimmt. Darauf würde sich auch ein umgekehrter Caprivi nicht einlassen, also ein Reichskanzler, der sich al- willen loses Werkzeug der Agrarier anstatt der Krone fühlt. Im Uebrigen, was die vorgeschlagenen Mindestzölle an langt, so bleiben wir dabei, sie für erörterung-fähig zu halten, und zwar in erster Linie aus dem schon oft hier angeführten Grunde, daß eS die Regierung, der zur Er langung von Handelsverträgen berufene Reichskanzler, ist, der sich dieses Instrument, gewiß nicht um sich seine Aufgabe zu erschweren, geschaffen hat. Die Unterstellung, Graf Bülow habe den Doppeltarif gemacht und veröffentlicht, um ihn von der Industrie verrunjeniren zu lassen, ist so beleidigend für den ersten Beamten des Reichs, daß auch ihre Zurückweisung beleidigend für ihn wäre. Die herbe Kritik, die Graf Waldersee wegen seiner in Hannover gehaltenen Reden über sich hat ergehen lassen müssen, veranlassen die „Köln. Ztg." zu einer Vertheidigung des Angegriffenen, die aber für diesen nicht schmeichelhaft ausfällt. Tas Blatt kommt nämlich zu dem Schluffe, diesen Festreden sei „nicht mehr Werth beizumessen, als ähn lichen Auslassungen dieser Art". Graf Waldersee hat sich schwerlich träumen lassen, daß das „Weltblatt" am Rheine seine Kundgebungen nicht höher bewerthet. Wohl- thuender ist es ihm vielleicht, daß seine Reden das Schicksal theilen, das so viele Auslassungen des Kaisers gehabt haben, daß man nämlich hinterher darüber streitet, WaS er eigentlich gesagt. Zu diesem Streite, den wir bisher nicht erwähnt haben, liegt heute folgende Erklärung deS Wolff'sch en Telegraphen-Bureaus vor: „Gegenüber einer Correspondenz der „Leipziger Neuesten Nachrichten" vom 17. d. M., ta welcher behauptet wird, die Reden, welche der General-Feldmarschall Gras Waldersee bei seinem Empfange in Hannover gehalten hat, seien von un» unrichtig wiedergegeben worden, insbesondere leien Worte gemeldet worden, welche der General-Feldmarschall FrrtöHeton. SH Am Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck derboteu. Sechzehntes Capitel. Die Hochzeitsreise war zu Ende. Das junge Paar war Abends spät in der Garnison eln- aetroffen; am Bahnhofe empfangen von dem getreuen Burschen, rn der Wohnung von der in Berlin gemietheten Jungfer und der ebenfalls von dort, aus dem Hause der Schwester über nommenen Köchin; außerdem hatten Hilling und eine Familie des Regimentes, wo Paul häufig zu verkehren Pflegte, je einen Strauß blühender Rosen geschickt. Paul fühlte sich durch diese Aufmerksamkeit aufs An genehmste berührt, da sie ihm sofort ein Gefühl der Sicherheit gab, wo er in erster Linie Anlehnung für seine Frau finden würde und zudem als Zeichen, daß Hilling seiner immer noch in Freundschaft gedachte! Gisela hatte mehr den materiellen Werth der Sache im Auge und war mit einem beinahe wegwerfenden: „Ach, Rosen sind ja gar wicht mehr chic, und wie unmodern gebunden!" über die Erzeugnisse kleinstädtischer Kunstgärtnerei hinweggegangen. Paul, von dieser Bemerkung nicht angenehm berührt, sagte nur in ruhigem Tone: „Mein liebe» Kind, Du mußt Dich schon an die kleineren Verhältnisse hier gewöhnen und mit dem zufrieden sein, waS sie Dir bieten. Jedenfalls ist eS sehr liebenswürdig von Frau Thaldorf, daß sie Dir, der ganz Fremden, einen solch freund lichen Gruß zum Empfange geschickt hat!" „Nun, ich will mich ja auch schön bedanken, aber diese steif gebundenen Bauernsträuße sind mir in der Seele zuwider, und vor Dir, denke ich — braucht ich mir doch keine Gewalt über meine Empfindungen anzuthun" — war die in leicht schmollendem Tone gegebene Antwort. Die am folgenden Morgen vor der Wohnung erscheinende RegimentSmusik fand dagegen schon eher Gnad« vor den Augen der jungen Frau! DaS war doch einmal etwas Neues, noch nicht Erlebte», daß ein ganzes MufikcorpS sozusagen für sie allein concertirte. Die nächsten Lage vergingen mit AuSpacken unv Einrichtung de» Ministerium» de» Innern, wie Paul die Lhätigkeit im Unterbringen der noch in großen Kisten aufgestapelten Schätze an Wäsche, Porzellan u. s. w. zu benennen beliebte. Diese für Gisela ganz ungewohnte Beschäftigung nahm ihre Zeit aufs Angenehmste in Anspruch, so daß Paul ganz glücklich war, sie in dieser hausmütterlichen Weise wirthfihaftcn zu sehen, die ihn so ganz an sein elterliches HauS erinnerte, und die er — offen gestanden — bei seiner Frau nicht vorausgesetzt, noch er wartet hatte. Für den jungen Ehemann selbst hatt« mit dem Augenblick« seiner Zurückmeldung von Commando und Urlaub der ganze Ernst des Dienstes wieder begönnen, dem er sich auch, der langen Unthätigkcit müde, mit voller Lust und Hingabe widmete. Gisela, mit der Einrichtung -der Häuslichkeit beschäftigt, empfand seine stundenlange Abwesenheit und ihr dadurch bedingtes Alleinsein nicht in dem Maße, wie Paul in seiner Sorg« für sie befürchtet hatte. Mit der Zeit würde die Gewohnheit, so hofft« er, ihr Recht geltend machen, und auch Gisela durch den Verkehr mit den anderen Damen des Regiments Zerstreuung genug finden, über die vielen Stunden der gezwungenen Einsamkeit Hinweg zukommen. Mit dem Vorwärtsschreiten der inneren Ausstattung der Wohnung, di« zwar im Großen und Ganzen entsprechend den von der jungen Frau selbst nach dem Grundriß gegebenen An ordnungen von einem bekannten Berliner Tapezierer eingerichtet worden war, jetzt ab«r im Einzelnen doch noch manche Unvoll kommenheiten und Lücken zeigte, mußte daran gedacht werden, Gisela den Damen des Regiments vorzustellen. Paul hatt« sich bemüht, seiner Frau — auch schon, um der in diesen Verhältnissen ganz Fremden da» Anknüpfen von Be ziehungen, ja der Unterhaltung selbst zu erleichtern — im All gemeinen eine kurze Charakteristik der zu besuchenden Persönlich keiten zu geben, batte e» jedoch vermieden, ihrem Urtheile irgend wie vorzugreifen, indem er ihr ausdrücklich erklärt hatte, daß sie sich ihren specirllen Umgang ganz nach eigener Neigung, un beeinflußt durch irgend welch« Voreingenommenheit, wählen könne. Er selbst hatte sich im Officiercocps «ine völlig neutrale Stillung gelvahrt und sich von jedem Cliquenwesen, zu welchem namentlich eine kleine Garnison so leicht zu verlocken im Stande ist, ferne gehalten, und diese Unabhängigkeit wollte er jetzt auch seiner Frau wahren. Und so nachten sie denn jetzt zusammen ihre Antrittsbesuche. Steinberg! hatte diesen G ing, den er in seinem Innern nur mit einer höheren Art des SpVßruthenlaufen» vergleichen konnte, nur mit einem gewissen Unbehagen angetreten; kannte er doch nur zu gut ein« ganze Anzahl Pfeilspitze« Zungen, und nicht nur bei den Kameraden selbst, sondern, und ganz besonder» bei den Ver treterinnen des schönen Geschlechts, die es sich sicher nicht ent gehen lassen würden, jedes, auch das geringste Auffällige, sei es im Aeußeren, in der Kleidung, oder in dem Benehmen seiner Frau, einer mehr als scharfen Kritik zu unterziehen. Er hatte sich daher erlaubt, Gisela einige Andeutungen über die zu wählende Toilette zu machen und sie daran zu erinnern, mög lichst einfach, besonders im Anlegen vonSchmuck,zu sein; einUnter- fangen, welches nicht ganz gefahrlos war, da er schon wiederholt die Erfahrung gemacht hatt«, daß sich die junge Frau nur sehr ungern etwas sagen ließ, besonders in den Angelegenheiten, die sie als ausschließlich zur weiblichen Domäne gehörig zu be trachten Pflegte. Dieses Mal hatte sein vorsichtig tastender Rath, dem er die Form eines Lobliedes auf die von ihm bevorzugte Toilette gegeben, eine gut« Aufnahm« gefunden, und Gisela hatte in einem, wenn auch natürlich höchst modernen, so doch ver- hältnißmäßig einfachen Promenadenanzuge den „Gang auf den Kalvarienberg" an seinem Arme angetreten. Der erste Besuch galt dem Hause des Regimentskomman deurs. Wenn sich auch Paul entschlossen hatte — entgegen der von anderer Seite erhobenen Prätension —, die Besuche in der durch die Lage der Wohnung und nicht durch die Charge be stimmten Reihenfolge zu machen, so erforderte es doch in diesem Falle die Rücksicht auf di« Stellung deS Mann«S, der ersten Dame de» Regiments auch zuerst die junge Frau vorzustellen. Gegen die Aufnahm«, die d«m Ehepaar, insbesondere Frau Gisela, durch di« Hausfrau zu Theil wurde, ließ sich nichts ein wenden; und doch konnte eS sich Paul nicht verhehlen, daß er feiten» der ihn stets mit besonderem Wohlwollen auSzeichnenden Dame «in« etwa» wärmere Begrüßung erwartet hatte. Gewiß war Frau von Schekdner der neuen RegimentS- genossin in der liebenswürdigsten Weis« rntgegengekommen, und sicher freundlicher, al» eS einer Dritten, ganz fremden, grgenllber g«scheh«n wäre; allein aus Allem war doch eine gewisse Zurück haltung herauSzufühlen, die Gisela bei ihrer abgeschlossenen Natur wohl weniger, Paul aber um so mehr empfand, als er sich deS Empfanges anderer junger Frauen d«S Regiments er innert«, bei dem er zufällig Zeuge gewesen. Die BesuchStour zog sich, trotz der Nähe der einzelnen Wohnungen — in manchen Häusern war Stockwerk um Stock werk von Officiersfamilien bewohnt —, sehr in die Länge, da man in der kleinen Garnison den Besuch erwartet zu haben schien, und alle Damen «S sich offenbar nicht versagen konnten, noch wollten, den neuen Zuwachs gleich bei der ersten Gelegenheit gründlich in Augenschein zu nehmen. Do wurde man überall angenommen, und wenn eS auch für Gisela ganz angenehm war, die Damen des Regiments möglichst rasch kennen zu lernen, so war doch dieses ewige Einerlei des Fragens und Auskunftgebens über fast immer dieselben Gegen stände und Personen so ermüdend und angreifend, selbst für Paul, daß er Gisela's Klage über diese Tortur verstehen und Mit empfinden konnte. Der Gesammteindruck Steinbergk's — von Gisela gar nicht zu reden, die, noch unbekannt mit den Personen und Verhält nissen, ein richtiges Urtheil doch nicht haben konnte — war der einer offenbaren Enttäuschung. Gerade da, wo er, wie bei der Frau des Regimentskomman deurs und verschiedenen anderen Familien, auf Grund seiner früheren Beziehungen und stets gefundenen freundlichen Auf nahme, auf ein größeres Entgegenkommen gerechnet hatte, war man ihm, und besonders Gisela, wenn auch in den Formen der guten Gesellschaft, doch kalt und ceremoniös begegnet, während man anderer Orten, wo ihm die Menschen sonst weniger sym pathisch waren, seiner Frau mit einer gewissen Gefliss«ntlichkeit geradezu den Hof gemacht hatte. Es waren dies speciell die jenigen Familien, -deren schönere Hälfte in dem, vielleicht mehr oder weniger berechtigten, Rufe standen, dte eifrigsten Pflege rinnen des Paul so sehr verhaßten Cliquenwesens im Regiment zu sein, und deren Absicht entschieden dahin ging, die neu An kommende von vornherein mit Beschlag zu belegen und für die eigene Coterie zu gewinnen. In erster Linie hatt« sich dabei die Frau eines der Bataillons kommandeure hervorgethan, die gleicher Abstammung wi« Gisela und ebenfalls getauft — vermöge ihres Reichthums und der guten Diner», die sie zu geben Pflegte, abgesehen von der dienst lichen Stellung ihres Mannes —, einen nicht zu unterschätzenden Einfluß bei einem gewissen Theile des Officiercorps ausübte. Diese Dame war Gisela mit einem solchen Ueberschwang, um nicht zu sagen: Begeisterung, entgegengekommen — die vielleicht nur gemacht, vielleicht aber auch ihren Grund in der Kenntniß deS in Handelskrisen weitverbreiteten Ansehens der Friedland- schen Familie haben mochte —, daß die junge Frau, obgleich im ersten Augenblicke von der fast verblüffenden Häßlichkeit der älteren Dame stark abgestoßen, sich doch auf die Dauer der Fluth dieser Liebenswürdigkeiten und Schmeicheleien nicht zu entziehen vermochte und von dem Erfolg« diese- Besucher ganz besonders entzückt war. Paul wäre aus mehr als einem Grunde eine beginnend« Intimität gerade mit diesem Hause nicht genehm gewesen. Der Hausherr selbst, durch und durch Lebemann, und stark überschuldet, hatte in seiner cynischen Weise nie ein Hehl darau»
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