Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010824026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-24
- Monat1901-08
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis W der Hauptexpeditiou oder de» t» Stodd bezirk und den Vororte« errichteten An»- -adestelle» abgeholt: vierteljährlich 4.so, bei zweünaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l b.SO. Durch dir Post bezogen für Deutschland n. Oesterreich: viertrljährl. ^ll 6. Man abonuirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bet deu Postanstalteu in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem, bürg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaostaateu, der Europäische» Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten tst der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-kluSgabe erscheint um '/,7 Ubr, di« Sbead-Au-gabe Wochentag» um b Uhr, Redaktion und Ln^ditiou: JohanntSgaffe 8. Filialen: Alfred Bahn vorm. O. Klemm'» Sorttm. UumersitätSstraße 8 (Paultunm), Louis Lösche, Katharine, str. 1^ pari, nud K0»igtplatz 7. Abend-Ausgabe. MlWM, T llgMM Anzeiger. ÄnrksVlatt -es Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mothes und Volizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem Redaction»strtch (LgespaUen) 7S H, vor den Familtenuach« richten (S gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanuahme LS H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60—, mit Postbeförderuug ^l 70.—» Lnnahmeschlaß für Anzeigen: Lbend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. , Anzeigen find stet» au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol» i» Leipzig 431. Sonnabend den 24. August 1901. SS. Jahrgang. Vie Lage auf den Philippinen. Nachdruck verboten. Aus Manila, den 10. Juli, wird uns geschrieben: Am amerikanischen Nationaltage, dem 4. Juli, wurde anläß lich des Rücktritts des Militärgouverneurs General Mac Arthur der bisherige Präsident der Civil-Commission, Wm. H. Task, in sein Amt als er st er amerikanischer Civilgouver- neur eingeführt, während der von der China-Expedition her wohlbekannte General Adna R. Chaffee das Commando über die hier stationirten Truppen übernahm. Dieser Wechsel in der obersten Regierungsgewalt bedeutet für unseren Archipel einen erfreulichen Fortschritt in der Anbahnung normaler Verhältnisse, und es wird der 4 Juli hier zu Lande tn Zukunft als doppelter Festtag gefeiert werden können. Nicht daß Gouverneur Taft etwa seine neuen Befugnisse einer anderen Autorität verdankte — wie vielfach unrichtig angenommen wird — als bisher General Mac Arthur. Beider Ernennungen sind nicht vom Congreß, sondern vom Präsidenten Mac Kinley als Höchstcommandrrenden der amerikanischen Armee erfolgt, so daß der nunmehrige Civilgouverneur gleichfalls dem War-Deport- ment in Washington untersteht und von dieser Stelle seine In structionen erhält. Von der Einrichtung einer Civilreglerung im eigentlichen Sinne des Wortes kann daher nicht wohl ge sprochen werden. Allein schon der Umstand, daß der oberste Posten der Jnselverwaltung aus den Händen eines Militärs in diejenigen eines Civilbeamten übergegangen ist, bürgt dafür, daß für die Folgezeit andere Gesichtspuncte als rein militärische bei der Erledigung von Regicrungsangelegenheiten zur Anwendung gelangen werden, und damit der Druck des Militärregiments, welcher bisher auf unserem gesammten bürgerlichen Leben lastete, von uns genommen ist. Und hierin gerade ist für die Bevölkerung auf den Philippinen — die Fremden mit eingeschlossen — das Erfreuliche des Regierungswechsels zu erblicken. Zur Vervollständigung der Civilcommission sind zum 1. Sep tember d. I. drei Frlipiner berufen, und zwar der Arzt und Poltitiker vr. Trinidad H. Pardo de Tavera, ferner Benito Legarda (früherer Vertrauensmann von Aguinaldo) und Josa Luzuriaga, alles gutgebildete Männer, welche sich letzthin in der Beruhigung des Volkes große Verdienste erworben haben. Am gleichen Datum treten vier selbstständige Verwaltungs-Departe ments ins Leben, geleitet von je einem der bisherigen Com- missionSmitglieder, nämlich: 1) Departement des Innern, unter Dean C. Worcester, 2) Departement für Handel und Polizei, unter Judge Luke E. Wright, 3) Departement für Justiz und Finanzen, unter Judge Henry C. Ide, 4) Departement für öffent lichen Unterricht, unter Professor Bernhard Moses. Die gegenwärtige Hauptarbeit der Civilcommission besteht in der Durchberathung des neuen Strafgesetzbuches, sowie der neuen Civilproceß-und Strafproceßordnungen. Beschlossene Sache ist es bereits, für die Dauer von zunächst fünf Jahren di« spanische Sprachen!» officielle Gerichtssprache bestehen zu lassen, welches Entgegenkommen in allen phili- pinischen Kreisen mit großer Genugthuung ausgenommen worden ist, zumal da erst die jetzt schulpflichtige Generation die englische Sprach« in der Vollkommenheit erlernt haben wird, wie die gegen wärtige erwachsene Bevölkerung das Spanische beherrscht. Für uns Deutsche im Lande bleibt es ziemlich gleich, welch« der beiden Sprachen zur officiellen erhoben wird, denn beide sind für uns fremde Sprachen und müssen erst erlernt weiden. Einstweilen sind indessen die hier ansässigen Deutschen von früheren Zeiten her besser mit dem Spanischen als mit dem Englischen vertraut. Zudem hatte bis zur Gegenwart Vie kaufmännische Buchführung nach Maßgabe des als Landrsgesetz hier noch gütigen spanischen Ooäioo äs comereia in spanischer Sprache zu erfolgen. Es wäre für uns Deutsche daher zum Mindesten unbequem gewesen, hieraufbezüglich durch vorschnelle Erhebung des Englischen zur officiellen Landes- und Gerichtssprache zu einem plötzlichen Wechsel gezwungen gewesemzu sein. Wir vermögen von unserem Standpunkte aus der getroffenen Entscheidung demnach nur zu zustimmen. Die Herstellung der Ordnung auf den Philippinen hat durch die kürzliche Kapitulation des in der Provinz Laguna de Bay commandirenden Jnsurgenten-GeneralS Cailles einen Schritt vorwärts gemacht. Statt der versprochenen 1700 Gewehre gelangten indessen kaum 500 Stück zur Auslieferung, wie es den Amerikanern bisher auch nur geglückt ist, von den zu Beginn der Rebellion im Lande nachweislich vorhandenen 34 000 Kriegs gewehren erst 16 000 Stück ausgeliefert zu erhalten. Etwa ver loren gegangen oder unbrauchbar geworden ist der Rest zweifellos nicht, und liefert dieses Versteckthalten von Feuerwaffen den Beweis dafür, daß eine große Menge von Filipinern es dock immer noch für möglich hält, gelegentlich einmal von den Flinten zur Durchführung ihrer Freiheitsideen Gebrauch machen zu können. Bei der Cailles'schen Uebergabe wirkte es befremdlich für den unparteiischen Zuschauer, daß die Amcrikaner dieInsurgenten zum ersten Male thatsächlich vollständig al» kriegführende Partei aner kannten und behandelt haben. Es wurde ein förmlicher Waffenstill stand abgeschlossen und die von den amerikanischen Truppen be setzte Stadt Pagsanjan geräumt und dem General CailleS zwecks Concentriruna seiner Streitkräfte überlassen. Mit Sang und Klang und fliegenden Fahnen zogen die Rebellen späterhin nach Santa Cruz, dem vereinbarten Uebergabeort, und die Officiere durften nach Leistung des Treueides ihre Säbel behalten. Noch tagelang konnte man später in den Straßen von Manila Jnsur- genten-Officiere in voller Uniform einherstolziren sehen, un behelligt von Militär und Polizei. — Hätte General Otis es feiner Zeit über sich gewonnen, in Verhandlungen mit Aguinaldo einzutreten, ohne die Bedingung vorheriger allgemeiner Waffen niederlegung zu stellen, so ist es gar nicht unmöglich, daß man zu einer befriedigenden Verständigung gekommen wäre, was den Amerikanern jedenfalls viel Geld und Menschenmaterial erspart hätte. Allerdings sind die gegenwärtigen Verhältnisse ungleich günstiger, als unmittelbar vor Ausbruch der Feindseligkeiten, und General Mc Arthur konnte den Rebellenofficieren diese kleinen Paradescherze schon erlauben, ohne nachtheilige Folgen bei den Eingeborenen in Stadt und Land befürchten zu müssen. In 27 Provinzen sind bisher Civilregierungen eingerichtet. In 5 derselben haben indessen die Insurgenten noch mehr oder weniger die Oberhand, und bleiben diese Provinzen vorläufig unter General Chaffee's Mikitärdictatur. Aehnlich geht es einer Reihe der 16 noch unorganisirten Provinzen, so daß wohl ein Viertel des Landes noch als nicht beruhigt zu gelten hat. Namentlich in Süd-Luzon halten einzelne Generäle zäh aus. Zu nennen sind Malvar in Batangas und Mindoro, Belarmino in Albay, Lukban in Samar, Climaco in Cebu. Auch die Pro vinzen Camarines mit ihren Golddistricte» sind noch keineswegs friedlich. Wiederholt gingen fernerhin in den letzten Wochen be unruhigende Nachrichten über drohende Conflicte mit den mobamedanischen MoroS auf Mindanao durch hie sige Zeitungen. Nach Allem haben die A m e r i k a n e r j e d e n - falls aufihrer Hut zu sein und werden es unter Um ständen schwer zu bereuen haben, wenn sie — wie man hört — jetzt schon an eine weitere Reducirung der bereits auf 40 000 Mann verminderten Occupationsarmee herantreten wollen, mag das Halten einer solchen Truppenstärke im Lande auf zunächst weitere zwei bis drei Jahre auch bedeutende Anforderungen an den Säckel der Steuerzahler in den Vereinigten Staaten stellen. Der Krieg in Südafrika. Man schreibt uns aus London unter dem 23. August: „Durch die scharfen Censurmaßregeln wird immer noch «in fast undurchdringlicher Schleier über die wahre Situation in Süd afrika und speciell in der Capcvlonie gezogen, und nur ganz all mählich sickert die für die Engländer so bittere Wahrheit durch. Die sich jetzt wiederholenden Proklamationen des Lord Kitchener werden bereits in besser «ingewtihten Kreisen selbst hier in Lon don als richtige Angstproducte einer übergroßen militärischen und politischen Nervosität bezeichnet, die nur den Zweck haben sollen, die britische Nation über den wirklichen Zustand der Dinge auf dem Kriegsschauplätze hinwegzutäuschen und ein günstigeres Bild von der ganzen Lage zu geben. Es muß thatsächlich etwas Wahres daran sein, obwohl von englischer Seite officiell Alles gethan wird, um es zu bestreiten und abzuleugnen, nämlich, daß thatsächlich über 10 000 Cap bolländer heute bereits gegen die britische Herrschaft zu den Waffen gegriffen haben und noch tagtäglich sehr belangreiche Ver stärkungen von unzufriedenen Landsleuten und Stammesgenossen erhalten. Die Situation in der Capcolonie muß nach den immer bestimmter auftretenden Privatmeldungen heute wirklich bereits derartig bedrohlich für die Engländer sein, daß sie sich zu einer Frage von „Sein oder Nichtsein" für die britische Krone allmählich auszuwachsen scheint, und nichts deutet darauf hin, daß die Engländer, wie es wiederholt und speciell vom Kriegsamte versichert worden ist, die in der Colonie festsitzenden Boeren wirklich decimirt und vollständig demoralisirt haben, oder sie gar zum Theil über den Oranjefluß nach Norden zurück warfen. Im Gegentheil, es scheint eine große allgemeine Be wegung der cooperirenden Boerengenerale im Gange zu sein, für die als einheitliches Ziel und Basis das Herz der Capcolonie aus ersehen worden ist. Es wird den englischen Machthabern kaum noch viel länger gelingen, sich selbst und die Nation über die wahre Lage hinwegzutäuschen; der Tag der Abrechnung scheint schon viel näher zu liegen, als man es sich heute in London vielleicht träumen läßt. * Pretoria, 23. August. („Reuter's Bureau.") Abgesehen von der allmonatlich einer Anzahl von Flüchtlingen ertheilten Erlaubniß, nach Transvaal z u r ü ck z u ke h r e n, ist dies neuerdings 300 Flüchtlingen gestattet worden. * Graaffrcinet, 21. August. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Ein holländischer Priester Namens Murray hat sich von hier zuDeWet begeben, um ihn zu bereden, die Kom mandos aus der Capcolonie abzuberufen. (?) * Mannheim, 23. August. Eine Beileidskund- gcbung, von 8300 Mannheimern unterzeichnet, wurde dem Präsidenten Krüger anläßlich des Todes seiner Frau überreicht. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. August. Am Montag trifft in der Reichshauptstadt die chinesische Tühnc-(tzcja«dtichaft unter Führung des Prinzen Tschun, des Bruders des Kaisers von China, ein, um unserem Kaiser das Bedauern Chinas über die Ermordung des Gesandten v. Ketteler auszusprechen. Niemand wird die Zeit zurück wünschen, in der die persönlich unschuldigen Sendboten eines Landes so behandelt zu werden pflegten, als ob sie die That begangen hätten, für die sie um Verzeihung bitten sollten. Was aber über die Vorbereitungen zum Empfange des „Sühne prinzen" berichtet wird, klingt fast so, als ob es sich darum handelte, einen befreundeten Souverän und nickt den Ab gesandten einer Macht zu empfangen, die mitschuldig ist an einem der schwersten Verbrechen gegen das Völkerrecht. Wir können daher den „Hamb. Nachr." nur beipflichten, wenn sie darauf Hinweisen, daß durchaus kein Grund vorliegt, den Prinzen wie den Vertreter einer befreundeten Macht zu empfangen. Wenn das geschähe, so würde in China der Ein druck sicherlich ein ganz anderer als der sein, den man wünschen muß; die Mandarinen würden den Act nicht als einen Sühne act, sondern als einen Höflichkeitsact betrachten und das chine sische Volk würde in einer besonderen Ehrung des „Sühne prinzen" eine Huldigung für den Kaiser von China er blicken. Nichts aber könnte dem Zwecke, den man bei der For derung nach Entsendung einer Sühnegesandtschaft versalzte, mehr widersprechen, als die Erweckung einer derartigen Auf fassung in China. Mit Recht führt das genannte Blatt aus: „Obwohl ungefähr ein Dutzend Mal von den officiösen Blättern der endliche Abschluß der Verhandlungen mit China verkündet worden ist, obwohl unser Auswärtiges Anit schon vor Monaten die deutschen Unterhändler mit Auszeichnungen und Orden für deren glückliche Beendigung beschenkt hat, sind die Verhältnisse mit China noch immer in einer Lage, die man nur dann als zufriedenstellend bezeichnen kann, wenn man um jeden Preis bei dem deutschen Volke den Eindruck der Unüber- trefflichkeit unserer Chinapolitik erzeugen will. Hat doch ein Berliner Blatt in seinem Bemühen, nach oben zu gefallen und für die ihm häufig zugestellten amtlichen Informationen seinen Dank abzustatten, sich zu dem Lobe verstiegen, die Forderungen der bekannten Circularnote des Grafen Bülow in der Chinafrage seien bis auf das Pünctchen auf dem i erfüllt. Thatsächlich kann das kaum von einer einzigen Bedingung ge sagt werden. Von Herstellung einer wirklichen und dauernden Ordnung in China, insbesondere Her Sicherheit für Person und Eigenthum, kann doch hierbei nur in soweit die Rede sein, als die Nähe der europäischen Truppen den Schutz ausübt. Die Erstattung unserer enormen Expeditionskosten nimmt sich auf dem Papier ganz hübsch aus; da sie aber auf den Zeitraum von fast einem halben Jahrhundert ausgedehnt wird, sind die Aussichten nicht gerade erfreulich. Ob das Auswärtige Amt in Peking Tsung li Namen heißt oder anderswie organisirt wird, dürften selbst Optimisten als eine Errungenschaft betrachten, die sich erst noch zu be währen hat. Es bleibt also in der Hauptsache die Frage der Sühne übrig, der jetzt durch die Entsendung des Prinzen Tschun Genüge geschehen soll. In dieser Beziehung aber scheint uns besondere Vorsicht geboten, damit die Mission des Prinzen nicht schließlich von einem Mißerfolge begleitet wird. Wir dürfen erwarten, daß Graf Bülow auf Grund der ihm bei wohnenden Sachkenntniß und der Berichterstattung aus Peking seinen Vortrag an maßgebender Stelle so einrichten wird, daß wir vor dem sonst in Deutschland so üblichen Uebermaß bei dem Emfange fremder Persönlichkeiten bewahrt bleiben." Daß dieser Appell an den Reichskanzler von der erwünschten Folge sein werde, ist freilich sehr fraglich. Je weniger in China erreicht worden ist, um so stärker ist begreiflicher Weise in der Reichshauptstadt der Anreiz, dem Empfange des „Sühne prinzen" den Nimbus einer großen Siegesfeier zu geben. Und FerrLHetsn. Ni Am Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck verböte«. Einundzwanzig st eS Capitel. Der Frühling war wieder ins Land gekommen. Längst war die Schwägerin nach Berlin zurückgekehrt; längst war Frau Gisela wieder hergestellt, hatte die üblichen Besuche empfangen und eine Taufe — ganz nach ihren Wünschen, ohne die geringste Einschränkung von Seiten des Gemahles — vom Stapel ge lassen, von der die Eingeladenen, und es waren ihrer nicht wenige, nicht genug Rühmens zu machen hatten. Das Verhältnis; der Ehegatten war das alte geblieben. Von Steinbrrgk's Seite daS Bestreben, soviel wie möglich alles Trennende, Störende zu entfernen; von Gisela's Seite «ine gewisse Kampffreudigkeit, die eher jeden Anlaß, dem Gatten ihre — eingebildete — Ueberlegenhvit fühlen zu lassen, vom Zaune brach, als auch nur einmal durch kluges AuS-dem- Wege-Räumen, oder Nachgeben dem Frieden ein Opfer zu bringen. Während früher Momente nicht selten waren, wo Gisela nach einem vorhergegangenen Auftritte, unter dem Eindrücke der eigenen Schuld, in überströmender Zärtlichkeit ihren Mann mit Küssen und Selbstvorwllrfen fast erstickt hatte, hörten diese — auch Paul nicht immer zu Herzen gehenden — GefühlSausbrüche mit der Geburt des Sohnes fast ganz auf, da sie alle zarteren Regungen ihres Herzens, alle Zärtlichkeit, deren sie fähig war, auf dieses kleine Wesen vereinigt zu haben, schien. Das war schon mehr, als die gewöhnliche Liebe der Mutter zu ihrem Kinde, vor Allem in der ausgesprochenen Eifersucht, mit der sie ihren Mann wie einen mit dem bösen Blick Be hafteten von dem Lager deS Kleinen argwöhnisch fern zu halten suchte. Daß sich Alles und Jedes im Hause um den neuen Welt bürger drehte, war nicht zu verwundern; aber die Sorge durfte nicht in offenbare Rücksichtslosigkeit gegen den Herrn des HauseS, gegen den Vater des KindeS auSarten. Wie mit einem Wesen höherer Gattung wurde geradezu ein Cultus mit dem sich immer mehr zum Commerzienräthchen entwickelnden jungen Herrn getrieben. Paul ließ seine Frau ruhig gewähren, in der Hoffnung, daß sich diese überspannte Zärtlichkeit mit der Zeit von selbst leqen würde, sobald der Reiz der Neuheit vorüber, oder andere Interessen wieder mehr in den Vordergrund getreten sein würden. Letztere Annahme schien sich insofern zu bestätigen, als Frau Gisela — wahrscheinlich angeregt durch Frau v. Alberts, die als Tochter eines ReiterofficierS jede Art Sport, soweit cs ihre etwas beschränkten Verhältnisse erlaubten, mit Leiden schaft trieb — auf einmal die Laune anwandelte, auch reiten zu lernen. In erster Linie mochte es die Sucht sein, es der Anderen gleich zu thun; dann aber kam als zweiter aus ähnlichen — Eitelkeits- — Quellen fließender Beweggrund dazu, das Reiten als Mittel zum Zwecke zu benutzen, um die frühere Schlankheit wieder zu gewinnen. Nach der Geburt des Kindes hatte sich eine bedenkliche Neigung zum Starkwerden gezeigt, eine Ent deckung, durch welche die mit Recht auf ihre zierliche graziöse Figur so stolze junge Frau geradezu mit Entsetzen erfüllt wurde. Da der Arzt damit einverstanden und Paul im Besitze eines zum Damendienst geeigneten Pferdes war, hatte auch er nichts dagegen einzuwenden, daß Gisela unter Anleitung und Ober aufsicht der als vollendete Reiterin bekannten Frau v. Alberts Reitunterricht nahm. Ausgerüstet mit dem modernsten aller Reitcostllme gab sich Frau Gisela mit größtem Eifer der neuen Leidenschaft hin. Bedauerlicherweise schien jedoch ihre Lust an der Sache nicht im richtigen Verhältnisse zu ihrer Beanlagung zu stehen, denn ein unüberwindliches Angstgefühl, welches sic sofort beim leichtesten Antraben ergriff, und ihr die Anlehnung an den Sattelknopf als einzigen Retter in der Noth erscheinen ließ, hemmte nicht nur ihre Fortschritte, sondern drückte sich auch so unverkennbar in ihrer ganzen Haltung aus, daß Paul, der zuweilen von der Tribüne der Reitbahn aus zugesehen, nur mit Kopfschütteln diese Uebungen verfolgte und, angeärgert durch aufgefangene spöttische Bemerkungen anderer Zeugen, diese Besuche bald wieder vinfiellte. In der That war di« Figur, di« Gisela zu Pferde machte, besonders, da ihre zunehmende Fülle sic nur noch kleiner er scheinen ließ, zusammen mit der ängstlich zusammengekauertrn Haltung, ein« nicht- weniger als gut«, und gab der scharfen, wenn auch nicht gerade galanten Zunge, die sie mit dem „Affen auf dem Kameele" verglich, nur allzu Recht. Trotzdem drangsalirte sie, da ihr die Stunden in der ge schlossenen Bahn schon aus dem Grunde kein besonderes Ver gnügen gewährten, weil sie sich der Außenwelt hoch zu Roß zeigen wollte, sowohl den Reitlehrer wie ihren Nbann, ihr endlich ein Ausreiten zu gestatten. Al» ihr Paul nun in der vorsichtigsten und schonendsten Weise Vorstellungen machte, den Sattelknopf, diese letzte Zu flucht ängstlicher Reiter, in den Ruhestand zu versetzen, ver hielt sich Gisela im höchsten Grade ablehnend, ilidem sie in schroffster Weise leugnete, je Gebrauch von diesem Hilfsmittel bemacht zu haben, und die dem widersprechenden Beobachtungen ihres Mannes als eitel Hirngespinste darstellte. Paul schwieg, trotzdem ihn dieses directe Ableugnen einer offenkundigen, auch von Dritten bemerkten Thatsache tiefer ver stimmte, als selbst heftigere Auftritte, wo eben in der Er regung des Augenblicks «ine Entschuldigung für das Ueber- schreiten des Maßes gegeben war. Diese kalten Tones ausgesprochene Unwahrheit war ihm nicht nur ein Zeichen mangelnder Wahrheitsliebe, sondern mehr noch ein Beweis, wie wenig ihr an seinem Urtheile gelegen schien; als ob er überhaupt kein Recht zur Frage, geschweige denn auf Ant wort habe. Da jedoch das für Gisela bestimmte Thier ein durchaus sicherer, ruhiger Gänger war, wurde «in erster Versuch gemacht, der über Erwaten gelang, und dadurch das Selbstgefühl der Reiterin in ungeahntem Maße hob. Steinberg! hatte sich an dem Ausritte selbst und den sich nun ziemlich regelmäßig folgenden aus dienstlichen Gründen nicht betheiligen können, mußte aber nun bis zum Ueberdruß alltäglich die Sporterlebnisse mit anhören, wobei falsch verstandene und falsch angewendete Fachausdrücke in solcher Fülle mit unterliefen, daß sie das Entzücken jedes Witzblattes gewesen wären. Wehe ihm, wenn er sich beikommen ließ, eine Ausstellung oder Richtigstellung zu wagen. Gisela's Gewährsmann, auf den sie sich fast ausnahmslos zu berufen pflegte, war Galldw, „der cs ja wissen mußte!" Ueberhaupt hatte sich dieser, ganz gegen Strinbergk's Wunsch, immer mehr zum unentbehrlichen Hausfreund und Begleiter auf allen Ausritten ausgebildet; da jedoch meistens Frau v. Alberts und Hilling mit von der Partie waren, so war Paul — viel fach durch den Dienst in Anspruch genommen — froh, Gisela für einige Stunden am Tage gut aufgehoben zu wissen. Der Kleine, unter der Pflege einer erprobten Kinderfrau, ge dieh sichtlich, ohne daß jedoch Paul das Wunderkind in ihm zu entdecken vermochte, welches Gisela, gleich der Mehrheit junger Mütter, an untrüglichen Zeichen erkennen wollte. Aeußerlich ent wickelte sich der junge Weltbürger entschieden nach der mütter lichen Seite hin, wie sich an dem immer dunkler werdenden Gelock und den grellen schwarzen Aeugelein jetzt, nachdem das un bestimmte Graublau ausgesprocheneren Farbentönen Platz ge macht hatte, unschwer erkennen ließ. Durck die fortgesetzte Uebung im Reiten, dem sich Gisela in anerkennenswerther Ausdauer widmete, konnte «S nicht fehlen, daß ihre Reitfertigkeit und damit auch ihre Sicherheit zunahmen; da sie nie ein anderes Pferd bestiegen hatte, kannte sie jeden Schritt, jede Laune, jede zu gebende Hilfe so genau, daß sie dasselbe so zu sagen „nach Ver abredung" ritt und die Sicherheit und scheinbar« Gewandtheit, mit der sie auch kleinere Unarten, wie Seitensprünge beim Be gegnen mit der Eisenbahn und dergleichen, überwand, tonnten! den oberflächlichen Beurtheiler leicht in den Glauben ver setzen, es mit einer in jedem Sattel sich heimisch fühlenden Künstlerin zu thun zu haben. Daß ihre Umgebung, in erster Linie Gallqßv, sich es nicht versagen konnte, der verwöhnten, auf ihre Reitkunst überaus stolzen jungen Frau mit überschwäng lichen Lobsprüchen zu huldigen, lag auf der Hand, und Gisela war, trotz ihres sonstigen scharfen Verstandes, schwach genug, diese theils nichtssagenden, theils absichtlich übertriebenen Schmeicheleien für baare Münze zu halten. Ihr Selbstgefühl als Reiterin wuchs dadurch in hohem Maße, so daß sie ihren Mann schon wiederholt darum ange gangen hatte, sich einmal an einer der von den berittenen Oifi- cieren der Garnison allwöchentlich veranstalteten Schnitzrljagden betheiligen zu dürfen. Paul widerstrebte lange, da ihm di« mangelhafte Reitfertigkeit seiner Frau nur zu wohl bekannt war; andererseits baute er auf die Sicherheit des Pferdes und ebenso auf Gisela's, namentlich im Anfang bezeigteAengstlichkeik, die sie wohl vom Nehmen der größeren Hindernisse ganz von selbst abhalten würde, so daß er endlich, wenn auch mit Zögern und mit dem festen Vorsatz«, während der Jagd nicht von ihrer Seite zu weichen, sein« Einwilligung gab. Um für alle Fälle sicher zu gehen, hatte er den Kameraden, welcher den „Fuchs" machte, gebeten, in Rücksicht auf die Be theiligung seiner Frau, möglichst leichte Hindernisse zwischen sich und die Verfolger zu legen. Die Zeit des Jagdreitens war eigentlich vorüber, da di« Felder längst bestellt waren, und eia Reiten im Gelände, im strengen Sinne, sich von selbst verbot. Der sehr ausgedehnte, zum Theil mit kleinen Waldstücken bestanden«, von einem Bach laufe durchschnittene Exercirplah, auf welchem außerdem eine Hindernißbahn für die beiden Dragonerschwadronen der Garni son hergerichtet war, bot jedock so viel Abwechselung, neben der Möglichkeit, die Pferde auslaufen zu lassen, daß sich trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit — es war Ende Avril — ein« ver- hältnißmäßig zahlreiche Jagdgesellschaft am Stelldichein der« sammelt hatte.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite